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Dienstagmittag, 4. September

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Das Mittagessen könne man gut bei seiner Cousine bekommen, schlug Festevola vor. Baptista nickte lediglich, weil er innerlich mit seinem Knöchel beschäftigt war. Er würde sich aufblähen wie ein Luftballon. Wie sollte er damit die Treppenstufen zu seinem Apartment überwinden, geschweige denn die Zugänge zum Tatort?

Er war so in seinen Gedanken versunken, dass ihm bei der Fahrt nicht einmal übel wurde.

»Wir sind da«, verkündete Festevola.

Wieder stand Baptista vor dem Haus, aus dem gestern der Geburtsschrei gekommen war.

»Soll deine Cousine uns nach der Geburt wirklich etwas kochen?«, fragte Baptista.

»Auf keinen Fall«, antwortete Gianluca. »Das macht meine Schwester. Aber jetzt komm, das Essen wird sonst kalt.«

Als Baptista den Fuß vorsichtig auf die Straße setzte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Festevola kam ihm zu Hilfe und stützte ihn die enge Treppe hinauf. Jede Stufe knirschte und sie standen vor einer Tür mit einem Kreuz, hinter der sich offenbar ein turbulentes Leben abspielte. Festevola klopfte, der Lärm wurde kurz etwas leiser und eine Frau mit offensichtlicher Ähnlichkeit zu Festevola öffnete die Tür. Baptista schätzte sie auf vierzig Jahre und sie hatte ebenfalls Gianlucas Nase, allerdings deutlich kleiner.

»Da seid ihr ja«, begrüßte Viola Festevola die beiden und umarmte ihren Bruder. »Mein Bruder hat mir schon alles von Ihnen erzählt. Kommen Sie, wir feiern ein wenig die Geburt des kleinen Filippe Alessandro, kein großes Festessen, aber doch eine Kleinigkeit.« Die beiden wurden in das Wohnzimmer geschoben, in dem sich Gianlucas Cousine Giovanna und zwei ihrer Freundinnen befanden. Alle sahen mitleidig auf Baptistas humpelnden Fuß.

»Es geht schon«, sagte Baptista zur Begrüßung. Festevolas Schwester brachte ihm einen Stuhl, auf den sich Jao sofort fallen ließ. Er sah in die Runde und auch Festevolas Cousine hatte die Familiennase, die allerdings in ihrem jungen Gesicht mit tiefschwarzen Wimpern und dunklen freundlichen Augen etwas Graziles hatte.

Gianluca lief in eines der Nebenzimmer und holte den winzigen, in ein enges Tuch gewickelten Filippe Alessandro. Stolz zeigte er ihn Jao.

»Ist er nicht unglaublich süß?«, fragte Gianlucas Schwester.

Baptista nickte natürlich.

»Und er kommt ganz nach dem Vater!«, sagte Festevola. »Leider ist Federico gleich wieder gefahren. Auf Capri ist noch Saison und Federico arbeitet dort in einer Bar.«

»Er kannte übrigens den toten Jefferson«, sagte Giovanna.

»Was?«

»Diese reichen Typen machen immer Ausflüge nach Capri. Und der Kerl hat mehrmals eine Lokalrunde geschmissen.«

»Das hast du mir nicht erzählt«, sagte Gianluca vorwurfsvoll zu seiner Cousine.

»Ich hatte andere Dinge zu tun«, erwiderte sie etwas schnippisch und zeigte auf das Baby.

»Vielleicht können wir mit ihm reden«, schlug Jao vor. »Das wäre bestimmt hilfreich.«

»Dann müsst ihr nach Capri. Federico wird erst in zwei Wochen wieder hier sein.«

Viola kam mit einer Schüssel Pasta herein. Es duftete nach Olivenöl und darin angebratenen Kräutern.

»Heute gibt es Auberginen und Zucchini«, erklärte sie beinahe belanglos.

Baptista lief von dem Geruch das Wasser im Mund zusammen. Die Auberginen und Zucchini waren mit Zwiebeln in Olivenöl geschmort. Dazu kamen in Honig geröstete Pinienkerne, frisches Basilikum, ein Spritzer Zitrone und grob geriebener Parmesan.

Sie stellte die Schüssel auf den schweren Holztisch. Ihr Bruder holte in der gleichen Zeit Besteck und Teller.

»Wann wirst du wieder arbeiten?«, fragte Gianluca seine Cousine beim Essen.

»Sie arbeitet hier in dem kleinen Laden, der meiner Schwester gehört«, ergänzte er für Jao.

»Ich wollte keine lange Pause machen. Ich kann mich doch mit Filippe wunderbar in den Laden setzen. Im September ist die Saison ohnehin vorbei.«

»Aber die Wintergäste reisen an.«

»Wintergäste?«, fragte Baptista erstaunt.

»Ein bisschen Saison ist hier immer«, sagte Giovanna.

Baptista sagte nichts. Er hatte den ersten Bissen im Mund und seine Geschmacksknospen sorgten für die Ausschüttung von Glückshormonen. Danach gab es Caffè für alle aus einer großen Caffètiere.

Jao war satt und müde. Er wollte in sein Apartment zurück.

»Ich fahre dich«, bot Gianluca an.

»Unsinn.«

»Du findest es nicht.«

»Doch doch.«

Gianluca war jedoch völlig anderer Meinung und ging mit dem schmerzhaft humpelnden Baptista im Zeitlupentempo einige verwinkelte Treppen nach oben. Die Strecke mit dem Auto war im Vergleich unendlich viel länger, da man erst über Serpentinen zum Apartment gelangen konnte.

»Ruh dich aus. Heute Nachmittag hole ich dich ab, damit wir zur Leichenhalle gehen können«, sagte Gianluca.

Als Jao endlich auf seinem Bett lag, hatte er das Gefühl, sein Knöchel würde gleich platzen. Der Schmerz zog sich durch den ganzen Körper und das gesamte Bett schien mit seinem Pulsschlag zu vibrieren. Schließlich schlief er ein.

Angst am Abgrund

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