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KAPITEL 1 // Ankunft

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Der Flug war ruhig, die Landung jedoch etwas holpriger als erwartet. Doch sie lagen noch immer gut in der Zeit. Es war ein schöner, ruhiger Morgen, als Commander Dawn und sein Team aus der Maschine stiegen. Lieutenant Peebody nahm sie in Empfang und begleitete sie zu seinem Wagen. Während der Fahrt informierte er sie über die neuesten Geschehnisse und wie weit man schon mit der Wiederherstellung der Infrastruktur und der Versorgung der Verwundeten und Kranken sei.

»Leider wird das Ganze durch die geografischen Gegebenheiten erschwert«, berichtete Lt. Peebody. »Das Tal wird durch das Gebirge, das u-förmig darum herumliegt, auf drei Seiten vom Rest der Welt abgetrennt. Auf der anderen Seite, jenseits des Flughafens, sind die Risse im Erdreich so gewaltig, dass es auf normalem Wege, sei es zu Fuss oder mit einem Fahrzeug, kein Entkommen gibt. Im Moment ist die Versorgung ausschliesslich über den Luftweg möglich. Immerhin ist der Flughafen noch soweit in Betrieb und mit Personal besetzt, dass eine minimale Versorgung möglich ist.«

Sie fuhren eine Weile quer durch die Stadt, vorbei an einem alten Militärmuseum, an der ehemaligen Mülldeponie, die nur noch aus Ruinen bestand, einem Einkaufszentrum und etlichen Kleinläden. Alles sah sehr mitgenommen aus. Während sie auf dem schnellsten Weg zum SinAid, ihrem Ziel, fuhren, kamen sie an Dutzenden Baumaschinen vorbei, die in der staubigen Luft mit der Beseitigung der Trümmer und dem Einreissen der einsturzgefährdeten Gebäude beschäftigt waren. Die Aufräumarbeiten waren überall in vollem Gange.

An ihrem Ziel angekommen, stiegen Dawn und sein Team aus dem Wagen. Im selben Moment kam ein völlig aufgewühlter junger Mann aus dem Krankenhaus geeilt. Er stürzte fast vornüber die Treppen herab, konnte sich aber im letzten Moment noch mit einem Glücksgriff am Geländer vor einem Sturz bewahren. Der von den Aufräumfahrzeugen aufgewirbelte Staub kratzte in ihren Augen.

»Das muss Philip Doring sein, unser Kontaktmann«, bemerkte Charles und deutete in Richtung des SinAid-Hospitals.

Doring war in solch einer Hast unterwegs, dass er am Treppenende doch noch zu Fall kam, während er sich, mit den Blicken wild nach den Ankömmlingen suchend, in alle Richtungen drehte. Als er sie entdeckte, mühte er sich auf die Beine und setzte seine hastigen Schritte schnell in ihre Richtung fort.

»Commander Dawn«, rief er schon auf halber Strecke, »wer von Ihnen ist Commander Dawn? Ich bin Philip Doring, medizinischer und analytischer Assistent von Doktor Schreier. Ich suche Commander Dawn. Man hat uns gesagt, dass er kommen werde.«

»Seht euch das an, Jungs«, schmunzelte Teddy sichtlich amüsiert über die etwas ungeschickte Art von Doring, »hier hat einer aber mächtig die Sau rausgelassen.«

»Wow Leute«, meinte Eddy, der sich noch am ersten Eindruck des um sie herum herrschenden Chaos ergötzte, und fügte sarkastisch hinzu: »Hier sollte aber mal einer eine Putzfrau einstellen, Mann.«

»Jungs, nehmt euch zusammen«, mahnte Commander Dawn die beiden zur Ordnung, nachdem er sich ebenfalls umgeschaut hatte. »Wir sind hier nicht zum Kaffeekränzchen eingeladen. Wir werden hier mit unserer Analyse starten und uns dann weiter auf die Auswirkungen konzentrieren.«

Teddy, der von den anderen wegen seiner Vorliebe für Blues und Rock und insbesondere für den »King of Rock ’n’ Roll« und dessen Tolle nur Elvis genannt wurde, sah sich um.

»Wow, seht ihr diese Zerstörung? Hier liegt wirklich praktisch alles in Schutt und Asche. Dieses Beben muss ein Heidenspektakel gewesen sein«, staunte er.

Endlich hatte Doring es bis zu ihnen geschafft. Er war völlig ausser Atem, als er sie erreichte.

»Commander Dawn? Sind Sie Commander Dawn?«

Dawn drehte sich zu ihm um und liess dabei nochmals seinen Blick über die zerstörte Gegend streifen.

»Ja, der bin ich. Und Sie müssen Doring sein, Philip Doring, unser Kontaktmann. Man hat uns doch angemeldet, nicht wahr?«

Doring wischte sich eiligst die Schweissperlen von der Stirn, während er nach Luft rang, um Antwort geben zu können.

»Sie werden dringendst erwartet, Commander. Doktor Janick Schreier erwartet Sie schon seit heute früh in seinem Büro«, keuchte er weiter.

Dawn bedankte sich bei ihm und wandte sich an sein Team.

»Auf, Männer. Hier herrscht ein riesiges Chaos. Wir werden sehen, was wir bewirken können. Wurden die Einrichtungen schon wieder mit Strom versorgt? Wie weit befinden Sie sich mit der Analyse der Leichen? Wir benötigen zusätzliche Instrumente und Geräte für unsere Analysen. Wurde dafür gesorgt?«, wollte er von Doring wissen.

Doring ging ihnen voraus, während er weitersprach.

»Ja Sir, aber das ist im Moment nicht das grösste Problem.«

Commander Dawn drehte sich um.

»Was?«, fuhr er Doring brüskiert an. »Sie nennen das hier kein Problem? Die vielen Menschen, die überall um uns herum unter den Trümmern liegen, was ist mit denen? Sind die auch kein Problem? Die Menschen wollen Antworten haben. Und Ihre vielen Kranken in allen Teilen dieses Gebietes – wer erklärt das den Angehörigen, und wie? Ohne diese Geräte können wir in unserer Analyse nicht schnell genug zu Ergebnissen kommen. Wissen Sie, was hier los ist, warum all diese Menschen krank werden – und woran sie erkranken?«

Etwas verschreckt und bemüht, die Fassung zu bewahren, musste Doring beschämt verneinen.

»Nein, Sir. Aber für alles, was Sie gewünscht haben, ist gesorgt worden. Kommen Sie doch bitte herein. Der Doktor wird Ihnen alles genau erklären«, fuhr er fort und hielt Dawn und seinen Männern die Türe auf.

In der Eingangshalle des Krankenhauses, das wie durch ein Wunder fast unbeschädigt geblieben war, tummelten sich etliche Verwundete und Kranke. In den Fluren bildeten sich immer grösser werdende Gruppen von Kranken, Verwundeten und Verletzten, die ungeduldig auf Neuigkeiten und einen sie behandelnden Arzt warteten. Auch beim Wasserspender standen Scharen, überall wurde eifrig diskutiert, und man beschwerte sich lautstark über die Zustände und das Tempo der Bemühungen. In der riesigen Halle gab es kaum einen freien Platz auf irgendeiner Bank oder einem Stuhl. Jeder freie Zentimeter wurde zum Rasten, Liegen oder Sitzen benutzt. Der Fussboden war überall mit schlafenden, jammernden und vor Schmerzen klagenden Personen übersät. Die Eingangshalle war gleichzeitig als Wartesaal des Krankenhauses genutzt worden. Nun diente sie all diesen Menschen, es waren hundert oder mehr Personen, als sichere Versorgungsstätte.

Das SinAid-Krankenhaus war 1974 gebaut worden. Ein Riesenbau, zwanzig Stockwerke hoch. Mit seinen zweitausend Zimmern und rund fünftausend Patientenbetten war es eine der grössten medizinischen Einrichtungen weit und breit. Zeitweise waren vierzig Ärzte und etwa fünfhundert Krankenschwestern und Pfleger im Einsatz. Zwei der zwanzig Etagen wurden meistens an wissenschaftliche und andere Forschungsorganisationen vermietet. Diese wussten die hervorragende Infrastruktur des Krankenhauses sehr zu schätzen.

Doring liess die Haupttüre zufallen und ging den anderen voran.

»Hier gibt es fast alles, was das Herz begehrt. Wir haben einige der allerneusten und besten Geräte hier«, sagte er.

Commander Dawn und sein Team folgten Doring durch die klagende Menge. An unzähligen auf Bänken liegenden Verwundeten, Kranken und Überlebenden vorbei bahnten sie sich einen Weg in Richtung der Tür, auf die Doring zusteuerte. Der Lärm der Baumaschinen, die noch immer mit der Beseitigung der Trümmer beschäftigt waren, war in der Wartehalle erheblich leiser zu hören, als Dawn erwartet hatte. Der Bau schien gut isoliert worden zu sein.

Aus einer der Ecken drang lautes Schluchzen und Weinen. Offenbar war gerade etwas geschehen, oder es war wieder eine arme Seele ihren Leiden erlegen. In der vom Staub und von der spärlichen Beleuchtung getrübten Sicht war auf die Distanz kaum etwas von dem Geschehen in der Ecke zu erkennen. Einige Personen waren nähergetreten, eine von ihnen versuchte die klagende Frau, die ihren sterbenden Mann in den Armen hielt, zu beruhigen. Doch sie begann heftig zu weinen.

»Nein, neiiin, Miro«, schrie sie, »nein, das darf nicht sein. Bitte, du darfst nicht sterben.«

Die Frau wurde immer hysterischer, bis sie schliesslich aus Erschöpfung das Bewusstsein verlor und schlaff zusammensackte. Vom anderen Ende der Halle aus hatten Mitarbeiter der Notaufnahme das Geschehen beobachtet. Nun machten sie sich mit einer Trageliege in ihre Richtung auf den Weg.

»Das sind Amos und Raul«, stellte Doring ihnen die beiden beim Vorbeigehen vor, »zwei unserer fähigsten medizinischen Rettungskräfte.«

Sie begrüssten Doring und die Task Force mit einem Nicken und machten sich weiter auf den Weg zu der Stelle, an der die Frau bewusstlos am Boden lag. Die Schneise, die Amos und Raul hinterliessen, ermöglichte es Dawn und seinen Leuten, zügiger durch die Menge in Richtung Tür zu gelangen.

Doring zwängte sich vorsichtig an einer Gruppe von Verletzten vorbei und deutete dabei auf einige von ihnen, die gerade von einer Krankenschwester versorgt wurden.

»Sehen Sie? Wir sind für so ziemlich alles gut ausgerüstet. Wir hoffen aber natürlich immer, dass wir es nicht auch brauchen.« Nach einigen weiteren Schritten blieb Doring direkt vor der Türe, die er angesteuert hatte, stehen. Er drehte sich um, sah Dawn und dessen Männer ernst an und verkündete dann feierlich: »Entschuldigen Sie bitte.« Dann wandte er ihnen wieder den Rücken zu, um sich einem kleinen elektronischen Codeschloss zu widmen. Hastig tippte er die Kombination in die Zahlentastatur ein und drehte sich anschliessend wieder zu Dawn und seinen Männern um. »Vorsichtsmassnahme«, sagte er und zwinkerte ihnen zu. Ein leises, aber scharfes Klicken signalisierte ihnen, dass sich die Sperrvorrichtung der Tür geöffnet hatte. Mit einer angedeuteten Verbeugung und den Worten »Bitte sehr, die Herren …« winkte Doring sie hinein.

Dawn und sein Team traten durch die Tür und gelangten in eine Art Aufzugsvorraum. Der fensterlose, etwa fünf Meter lange Raum war gut beleuchtet – bis auf eine Leuchtstoffröhre, die munter vor sich hin flackerte. Vor ihnen erhob sich eine Aufzugstüre, die bündig zur Wand eingelassen war und aus massivem Stahl zu bestehen schien. Doring betätigte den Aufzugsrufknopf, der sich Sekunden später mit einem »Pling« zurückmeldete. Die Aufzugstüren wichen fast geräuschlos zur Seite, und aus dem Innenraum des Aufzugs drang leise die Stimme von Freddy Mercury, der gerade die zweite Strophe der »Bohemian Rhapsody« zum Besten gab. Der Aufzug war gross genug, um fünfzehn Personen gleichzeitig zu befördern.

Charles nickte den Takt des Stücks gleich leicht mit dem Kopf mit.

»Das ist Musik«, meinte er.

»Ja, nicht schlecht«, gab Elvis zurück, »aber leider nicht vom King.«

Etwas eingeschnappt entgegnete Charles: »Na hör mal, Freddy war einzigartig.«

Doring betätigte den Knopf für die 21. Etage, und die Aufzugstüren schlossen sich ebenso geräuschlos, wie sie sich zuvor geöffnet hatten. Mit einem leichten Ruck setzte sich die Kabine nach oben in Bewegung, und auf der einstmals sicherlich supermodernen Digitalanzeige blinkten schwach die Zahlen der Etagen auf, an denen sie vorüberglitten. Ein leichtes Ruckeln und das darauffolgende »Pling« begleiteten das Anhalten des Aufzuges. Seine Türen öffneten sich und gaben den Blick auf ein grossräumiges Büro frei.

Doring schritt ihnen voran und verkündete erneut in feierlichem Ton: »Meine Herren, Sie betreten nun das Büro und Labor von Doktor Schreier. Die meisten von uns nennen es allerdings nur das Penthouse.«

Die 21. Etage oder eben das »Penthouse« wurde von Doktor Janick Schreier genutzt. Der leitende Arzt hatte hier sein Büro, in das er sich für seine Analysen und Aufgaben zurückziehen konnte. Er bemerkte Doring und dessen Begleitung erst, als die Gruppe schon mitten im Raum stand. Erfreut und doch etwas überrascht legte er die Unterlagen, die er in den Händen hielt, beiseite, stand auf und kam mit ausgestreckter Hand um den Schreibtisch herum auf sie zu. Ein älterer Herr mit noch vollem, grau meliertem Haar und sportlicher Statur stand vor ihnen und begrüsste sie freundlich.

»Guten Tag. Ich bin Doktor Schreier. Ich bin hier der leitende Arzt und der Gesamtleiter dieser Einrichtung. Es freut mich, dass Sie so schnell kommen konnten.«

Er führte Dawn und sein Team in einen Raum neben dem Büro, der sich als speziell eingerichtetes Analyselabor erwies, und bat sie, es sich auf den dort stehenden Sofas bequem zu machen, während er sie über die neusten Ergebnisse und den Stand der Dinge informieren würde. Nachdem sich Doring verabschiedet und auf den Weg zum Aufzug gemacht hatte, positionierte sich der Doktor in der Mitte des Raumes, damit er sich jedem seiner Besucher gut zuwenden konnte, und begann zu erzählen.

»Meine Herren! Ich bin sehr erfreut, dass Sie es so schnell geschafft haben, hierherzukommen. Die Zahl der Kranken wächst täglich und hat nun einen Stand erreicht, der die ordentliche medizinische Versorgung und Betreuung bei weitem überschreitet. Wir haben so gut wie jedes verfügbare Bett belegt, ganz zu schweigen von den Tausenden von Toten, die hier gelagert und täglich abtransportiert werden. Wir erfuhren von einem der Überlebenden aus der Walking Mind Corporation vor seinem Ableben, dass es sich bei vielen der Stoffe um toxi­sche Chemikalien, diverse gefährliche Bakterienstämme und militärische Kampfstoffe handelt. Genauere Angaben konnte er bis zu seinem Tod nicht machen. Zuerst fiel unser Verdacht auf Erreger, wie Ebola zum Beispiel. Doch nach etlichen Untersuchungen und Vergleichen mussten wir uns eingestehen, dass uns die Stammzellen, die wir zum Teil isolieren konnten, völlig fremd sind. Auch die Obduktionen, die wir daraufhin durchführten, bestätigten unseren Verdacht auf Ebola nicht, obwohl an etlichen Leichen einige sehr typische Ebola-Symptome entdeckt wurden. Daraufhin haben wir verschiedene andere Erreger und Stoffe wie Milzbrand und ähnliche getestet. Doch auch hier: Fehlanzeige. Die Menschen hier werden krank und sterben wie die Fliegen, jeden Tag sind es mehr und mehr.«

Er reichte jedem der Männer eine Akte mit den Informationen der letzten Tage und den Ergebnissen und Beschreibungen der einzelnen Kranken und Verseuchten.

»Vor einigen Tagen«, fuhr er fort, »hatten wir einen besonderen Fall, falls man das so nennen darf. Einer der Kranken verweste stellenweise über Nacht – sehen Sie bitte auf Seite 39 nach. Dabei quollen seine Innereien teilweise durch die entstandene Öffnung nach aussen.«

Der Doktor drehte sich einmal um sich selbst, um zu sehen, ob jemand eine Frage hatte. Als sich niemand meldete, fuhr er fort: »Bei diesem Fall war das Ausmass etwas anders als bei den vorherigen Opfern. Zum ersten Mal wurde hier beobachtet, in welchem Zeitraum die Verwesung einsetzte und wie diese Veränderung die körperliche Anatomie massiv beeinträchtigte. Ich gehe stark davon aus, dass die Chemikalien und wer weis was sonst noch alles in diesem Massengrab steckt, in dieser verseuchten Zone auf dem Gelände der Walking Mind Corporation, hier seinen Teil dazu beigetragen hat. Genaueres kann ich ihnen leider zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht sagen. In Ihrem Dossier können Sie alles, was wir bis jetzt in Erfahrung bringen konnten, in Ruhe nachlesen.«

Das Labor des Doktors war mit vielen medizinischen Geräten ausgestattet. Vom Hochleistungsrechner bis zum Biolab war alles da, was ein Ärzteherz begehrte. Doring hatte ihnen also nicht zu viel versprochen. Der Doktor führte sie in sein Büro hinüber, als ihnen von dort eine sehr attraktive, gut gekleidete Frau mit kurzen, dunklen Haaren, einem sexy Jupe, einer hellen Bluse und High Heels entgegengeeilt kam. Sie hatte lange Beine und eine super Figur.

»Doktor Schreier«, sagte die Frau, »ich habe hier die neusten Ergebnisse der Versuche mit dem Milzbrand-Typus. Die ersten Resultate sind allerdings alles andere als zufriedenstellend. Keinerlei Anzeichen auf positive Reaktionen.« Sie wandte sich dem Commander und seinen Männern zu und musterte sie erst ein wenig kritisch, bevor sie das Team mit den Worten »Guten Tag, meine Herren« begrüsste.

Schreier war sichtlich enttäuscht von den Resultaten und warf die Ergebnisunterlagen achtlos und genervt auf seinen Schreibtisch.

»Mist, wieder ein Fehlschlag.« Er ging um den Schreibtisch herum und setzte sich in seinen hohen Lederstuhl. Gedankenversunken und mit ins Leere gerichtetem Blick sah er Dawn an, bis ihm plötzlich einfiel, dass er noch etwas vergessen hatte.

»Ehe ich es vergesse – Frau Doktor Dimitra Lobotov, darf ich Ihnen Herrn Dawn von der Special Task Force vorstellen? Sie werden uns bei unseren Untersuchungen behilflich sein und selbst einige Nachforschungen machen. Ich wäre froh, wenn Sie das Team nach Kräften unterstützen würden.«

Dimitra nickte beistimmend und wandte sich an den Commander: »Angenehm. Nennen Sie mich Dimitra. Und wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich bei mir oder hinterlassen Sie eine Nachricht bei Doktor Schreier.«

Dawn nahm ihr Angebot dankend an und nutzte die Gelegenheit, um sich und seine Männer vorzustellen: »Ich bin Karl, und das sind meine Männer: Mark, Elvis … ähm Ted, Ed, José und Charles.«

»Meine Herren«, sagte Doktor Schreier, wieder ganz aus seiner Trance zurückgekehrt, »ich werde Ihnen während Ihrer Anwesenheit mein Büro und sämtliche Geräte zur Verfügung stellen. Hier können Sie ungestört arbeiten. Das Labor verfügt über die meisten benötigten Geräte. Ich arbeite selbst viel hier oben. So vermeiden wir nebenbei neugierige Blicke und Fragen der Betroffenen und Angestellten«, erklärte er.

»In Ordnung. Dann können wir uns ja gleich an die Arbeit machen«, meinte Dawn.

»Ich werde Ihnen gleich die ersten Proben aus dem Labor holen gehen«, sagte Dimitra, durchquerte mit schnellen, eleganten Schritten das Büro und war Sekunden später durch die Tür verschwunden.

Nachdem ihnen das »Pling« signalisiert hatte, dass der Aufzug seine Fahrt mit Dimitra an Bord nach unten angetreten hatte, wandte sich Doktor Schreier mit ernster Mine an Dawn und seine Männer.

»Meine Herren, ich muss Ihnen leider gestehen, dass wir bis jetzt noch völlig im Dunkeln tappen. Wir haben bis jetzt keine Ahnung, mit was wir es hier zu tun haben. So etwas habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt. Ich verlange absolute Diskretion in dieser Sache.«

Während sich José im Büro umsah, bemerkte er fast beiläufig: »Dies scheint mir ein sehr massiver Bau zu sein. Auch Ihr Büro wirkt irgendwie …«

»… wie ein Bunker, statt wie ein normales Büro?«, meinte Schreier leicht amüsiert.

»Genau«, nickte José. »Irgendwie so.«

»Das liegt wohl daran«, führte Schreier aus, während er in seinem Büro auf- und abschritt, »dass das SinAid im Jahr 1974 mit dem Hintergedanken gebaut wurde, im Ernstfall vom Militär als Kriegs- und Katastrophenversorgungspunkt oder Basis genutzt werden zu können. Auf dem Dach haben wir einen Helikopter, der immer startbereit ist, und hier oben im Büro haben wir zwei Räume voller Notreserven. Alles wird jedes Jahr auf seine Tauglichkeit geprüft. Es gibt hier auch einen Notaufzug, der bis in die 20. Etage fährt und sich im Feuertreppenhaus öffnet, gleich am Ende des Treppenhauses neben der Zugangstür zur 20. Etage. Das Feuertreppenhaus lässt sich nur vom Treppenhaus her öffnen – ausser natürlich, wenn Feueralarm ausgelöst wird. Dann entriegeln sich die Türen selbständig, und das Treppenhaus kann von der Etage her geöffnet und betreten werden.«

Verblüfft schaute Elvis die Wände genauer an. »Und so etwas ist nötig?«, fragte er.

Schreier zuckte die Achseln. »Bis jetzt war es das noch nicht«, antwortete er. »Aber beim Bau damals war es wohl eine der Vorschriften. Zudem sind alle Türen feuerfest und mit einem Panzerglasfenster ausgestattet, das den Rettungskräften den Einblick auf die jeweilige Etage ermöglicht. Man möchte ja im Notfall die Tür nicht öffnen und sich dann einer Feuerhölle gegenüber sehen. Die Etagen sind, von oben gesehen, in sechs Sektoren und eine Etagenlobby aufgeteilt. Die Sektoren sind von links oben nach rechts unten von eins bis sechs angeordnet, und die Etagenlobby befindet sich jeweils in der Mitte des Gebäudes, dort, wo die ganzen Aufzüge sind.«

Nach einem kurzen Rundgang und der Besichtigung der Reserven ging Doktor Schreier wieder seinen Untersuchungen nach, und Dawn und sein Team begannen ihrerseits, ihre Geräte aufzubauen und sich einzurichten. Eddy und José wollten gerade mit den Gerätetests beginnen, als Dimitra die ersten Proben vorbeibrachte.

»Hier sind die aktuellsten Proben. Ich hoffe, es ist für den Anfang genug Material, ansonsten bestellen Sie bei mir oder Doktor Schreier weitere zur Analyse.«

Der Commander bedankte sich und wollte von ihr wissen, ob es sich dabei um die noch zu testenden Milzbrand-Typen handle.

»Ja«, nickte sie. »Einige Stämme haben wir noch nicht analysiert. Die Resultate mit den Vorgängertypen waren allerdings alle negativ. Vielleicht sind wir die Sache auch von einer falschen Richtung her angegangen. Es könnte ja auch eine Mutation des Stamms sein. Wir konnten uns bis jetzt lediglich auf den Hauptstamm konzentrieren.«

Dawns Team gab gerade die ersten Proben in den Stammzellen­spektrografen zur Analyse ein, als Doktor Schreier sie bat, ihn in den Obduktionsbeobachtungsraum zu begleiten. Dort würde jeden Moment die Obduktion von Miro Sollik beginnen, was bestimmt einige Fragen klären – oder weitere aufwerfen würde.

»Die Frau von Miro Sollik, Jelena Sollik, ist nach ihrem Zusammenbruch zur Überwachung in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht worden«, erklärte er, während er die Männer aus seinem Büro in Richtung der Aufzüge führte. »Ihr Zustand hat sich aber massiv verschlechtert. Sie wurde vor einigen Minuten auf die Intensivstation verlegt.«

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