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Kapitel 2 – Isabell außer Kontrolle

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Karl hatte ihn vor zwei Stunden zum Flugplatz nach Berlin gefahren. Die übliche Durchsage des Kapitäns war gerade vorüber, da hob der Flieger auch schon ab. In einer Stunde und 15 Minuten würde er in Frankfurt landen. Ab dann, hatte er alle Hände voll zu tun. Viele Gespräche, auf die er liebend gerne verzichten würde. Aber er war es allen schuldig, ihnen von Angesicht zu Angesicht alles zu erklären. Sie wussten zwar, dass seine Eltern verstorben sind, aber von der Erbschaft und seinen Konsequenzen, hatten sie keine Ahnung. Zuerst wollte er sich einige Worte zu Recht legen, mit denen er die Gespräche beginnen wollte, aber er ließ es doch, weil er schon ahnte, dass alles anders kommen würde wie er glaubte. Um 10:20 Uhr landete die Maschine und fünf Minuten später ging er schon durch die Zollkontrolle, die aber bei Inlandsflügen nicht geöffnet war. Davor stand schon wartend Isabell. Sie war ohne Zweifel eine schöne Frau, sehr attraktiv und sexy. Aber wie heißt es doch, keine Rosen ohne Dornen. Isabell von Graben war 27 Jahre alt und die Tochter des Bankchefs der Frankfurter Main Bank, Heinrich von Graben. Von Graben war eines der ältesten Bankhäuser Frankfurts. Alter Geldadel würde man dazu sagen, trefflicher könnte man es nicht formulieren. Sie stand da und hatte eine Rose in der Hand. Als sie ihn sah, lief sie gleich mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu und umarmte ihn. Darauf folgte ein leidenschaftlicher Kuss und die Frage: „Wo ist dein Gepäck, oder hast du keins dabei? Egal, Hauptsache du bist wieder hier. Ich freue mich so dich wieder zu sehen. Komm, der Wagen steht gleich um die Ecke. Erzähl, wie ist es in Potsdam gelaufen?“ Auf Thomas prasselten viele Fragen ein, die er ihr schon zum größten Teil am Telefon beantwortet hatte. Er meinte: „Lass uns erst einmal in meine Wohnung fahren, dann können wir alles in Ruhe besprechen.“ Isabell: „Und ich dachte wir fahren zuerst zu mir, ich habe nämlich eine Überraschung für dich. Bitte, bitte.“ Er ließ sich überreden und sie fuhr zu ihrem Elternhaus nach Bad Soden. Er mochte ihr Elternhaus nicht sonderlich. Es gab dort zu viel Pomp und Glanz. Überall goldene Bilderrahmen, Teppiche in Hülle und Fülle und jede Menge Personal. Angefangen von einem Butler, Zugehfrau, diverses Küchenpersonal, Gärtner und etliche mehr. Zu keiner Stunde hatte man seine Privatsphäre. Ständig wuselte jemand durch die Flure und Räume der Graben Villa. Nach einer 45 minütigen Fahrt kamen sie dort an. Eine Art Diener öffnete ihm die Wagentür, nur aussteigen musste er noch selbst. Isabell stieg aus und warf dem Burschen den Schlüssel zu und meinte: „Park ihn bitte hinterm Haus, aber ohne Kratzer. Haben wir uns verstanden?“ Der junge Diener nickte gehorsam und fuhr den Wagen weg. Nun war sie in ihrem Element. Isabell liebte es, wenn sie rund um bedient wurde. Das war ihre Welt, in der sie sich wohl fühlte. Für Thomas war es eher peinlich, wie Isabell die Angestellten herum scheuchte. Wenn er etwas wollte, holte er es sich meisst selbst. Er brauchte keine Lakaien, die ihm praktisch den Arsch wischten, wie er es krass ausdrückte. Sie liefen in die Villa und an der Tür zum großen Salon, hingen Girlanden und ein Schild mit „Herzlich Willkommen“ darauf. Ihm war schon übel, wegen des ganzen Rummels den Isabell veranstaltete. Als sie den Salon betraten, ertönte Applaus. Ihre ganze Familie und einige Geschäftspartner der von Graben’s, klatschten Beifall. Tommi spielte den erfreuten Verlobten und bedankte sich artig. Dann meinte er zu Isabell: „Die Überraschung ist dir aber gelungen, vielen Dank.“ Isabell: „Aber Schatz, die Überraschung kommt doch erst. Warte es doch ab.“ Zwei Diener reichten nun Champagner und als jeder der Anwesenden sein Glas hatte, trat der Herr des Hauses, Heinrich von Graben mitten in den Raum und fing an eine Rede zu halten: „Mein lieber Thomas. Ich bin das erste Mal auf dich aufmerksam geworden, als es in Fachkreisen hieß, da wäre ein neuer Investmentbanker am Frankfurter Investment Himmel. Und dieser aufgehende Stern hat nicht etwa für mich gearbeitet, sondern bei der Konkurrenz. Als du zwei Jahre später deine eigene Abteilung von deinem Chef bekamst, wusste ich gleich, dass sich die Kunden nur so um dich reißen würden. Und so kam es auch. Wie ich dann hörte, dass meine Tochter ein Auge auf dich geworfen hat, habe ich erst so getan, als würde ich dich nicht mögen. Und wer selbst Kinder, oder besser gesagt Töchter hat, der weiß, das diese immer das Gegenteil von dem machen, was Eltern sagen. Nach ein paar Monaten hat sie dich mit nach Hause gebracht und dich uns vorgestellt. Ein halbes Jahr später wart ihr schon verlobt. Und du, mein lieber Thomas, hast in der Zwischenzeit ein Vermögen verdient. Zwar zu meinem Leidwesen, wie ich gestehen muss, aber zur Freude meiner Tochter. Vor einigen Wochen hat sie mich gebeten, ihr einen Herzenswunsch zu erfüllen. Sie verriet mir, dass ihr beide vor habt nach New York zu gehen, um dort eine neue Investmentbank zu gründen. Sie bat mich einmal meine Fühler, nach geeigneten Räumen auszustrecken. Vor zwei Wochen bin ich dann fündig geworden und habe ein geeignetes Objekt gefunden. Es ist im 75. Stock des Pionier Buildings. Eine ganze Etage nur für dich und deine Mitarbeiter. Ganze 480 m² in bester Lage. Vier Blocks von der Wall Street entfernt und die Miete ist für ein ganzes Jahr bezahlt. Hiermit überreiche ich dir die Schlüssel, mein Geschenk für eure Hochzeit. Herzlichen Glückwunsch, ihr beiden.“ Und wieder hallte der Beifall auf. Alle prosteten ihm zu und klopften ihm auf die Schulter. Thomas stand da wie in Trance. Er begriff erst gar nicht was da gerade geschehen war. Isabell küsste ihn auf den Mund und sagte: „Na, ist das eine Überraschung? Freust du dich? Ich habe immer gewusst, dass wir nach New York gehen. Prost, auf uns und unsere Zukunft.“ Sie hatte, so dachte sie sich, vollendete Tatsachen geschaffen und Thomas konnte nicht mehr zurück. Endlich Amerika. Der Hausherr meinte: „Und, was sagst du dazu?“ Thomas: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich brauch erst Mal einen Drink, aber einen großen.“ Ein Diener brachte ihm auf einem Tablett einen 28 Jahre alten Single Malt Whiskey. Thomas nahm das Glas und die Flasche an sich und sagte zu seinem noch Schwiegervater: „Ich brauche jetzt erst einmal frische Luft. Ihr entschuldigt mich bitte?“ Mit der Flasche in der einen Hand und dem Glas in der anderen, verließ er den Salon. Isabell wollte ihn begleiten, aber er wehrte sie ab und meinte zu ihr: „Mir ist schlecht, lass mich bitte allein. Soviel Liebe und Fürsorge von dir ertrage ich jetzt nicht, sonst müsste ich mich übergeben.“ Thomas setzte sich im Garten auf einen Liegestuhl und zündete sich eine Zigarette an. Dann fluchte er: „So eine hinterlistige Schlange. Sie hat mich regelrecht vorgeführt. Nicht mit mir Isabell.“ Eine halbe Stunde und vier Whiskey später, kam Isabell zu ihm. Sie fragte vorsichtig: „Geht es dir wieder besser?“ Thomas: „Mir ist immer noch schlecht. Ich möchte nach Hause und mich hinlegen. Rufst du mir bitte ein Taxi?“ Isabell: „Der Fahrer meines Vaters bringt dich nach Hause. Und du bist sicher, das ich nicht mit gehen soll?“ Thomas schüttelte nur mit dem Kopf und meinte: „Absolut sicher. Ich brauche jetzt meine Ruhe.“ Isabell ahnte wohl, dass sie zu weit gegangen war. Sie ließ ihn in Ruhe, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Sie gab dem Fahrer ihres Vaters Bescheid, dass dieser ihn nach Hause brachte. Eine halbe Stunde später saß Thomas in seiner Wohnung. Er stellte erst einmal die Heizung höher und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und bestellte sich eine Pizza, bei seinem Stammitaliener um die Ecke. Thomas hatte es immer noch nicht verdaut, was Isabell mit ihrem Vater zusammen, mit ihm gemacht hatten. Eines war für ihn klar, New York kam für ihn nicht in Frage. Und je mehr er darüber nach dachte, desto klarer wurde seine Vorstellung, was er in der Zukunft machen würde. Sein Entschluss stand fest. Entweder Isabell kommt mit ihm nach Potsdam, oder er würde sich von ihr trennen. Kein leichter Schritt, aber in der Summe konsequent und nachvollziehbar. Als er die Pizza gegessen hatte, legte er sich noch etwas hin. Der Termin bei seinem Chef war ja erst um 17:00 Uhr. Thomas schlief bis 16:00 Uhr, duschte und lief zu Fuß zu seinem Büro. Es lag gerade fünf Minuten von seiner Wohnung weg. Nun war das Nächste unangenehme Gespräch angesagt. Thomas hatte eigentlich zwei Chefs. Der eine war Bob Faller, er war der Chef der Investment Abteilung. Und der andere, war der Chef der Bank, Dr. John Gordon. Tommi hatte keine Ahnung ob beide, oder nur Bob anwesend ist. Er fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und schloss die Eingangstür zu seinem Büro auf. Seine Sekretärin, Katharina Haber, sah ihn als Erste. Sie ging ihm entgegen und nahm ihn in den Arm und meinte: „Schön das sie wieder hier sind. Bob erwartet sie schon. Haben sie etwas ausgefressen, weil er so sauer ist?“ Thomas: „Wer weiß Kathi, aber ihnen sage ich es als Erste. Ist er in seinem Büro?“ Sie nickte und er begab sich in die Höhle des Löwen. Er klopfte an seine Tür und trat ein. Thomas begrüßte ihn mit: „Hi Bob.“ Dieser blickte nur über seine Brille und erwiderte: „Hi Tommi.“ Dann war es still im Raum, bis Bob fragte: „Wie lange kennen wir uns schon?“ Thomas: „Ungefähr vier Jahre.“ Bob: „Habe ich sie in diesen Jahren schlecht behandelt, oder warum sonst tun sie mir und der Bank so etwas an?“ Thomas: „Bob, ich fürchte ich kann ihnen nicht ganz folgen.“ Bob: „Sie streiten es auch noch ab? Tom, das ist kein guter Stil, nach all den Jahren guter Zusammenarbeit, ich hätte mehr Anstand und Rückgrat von ihnen erwartet. Anstatt zuerst mit John und mit darüber zu sprechen, um vielleicht etwas gemeinsam zu machen, schicken sie diesen widerlichen von Graben. Was haben wir ihnen getan, Tom?“ Thomas wusste erst nicht von was Bob da sprach. Als er aber von Graben hörte, klingelten bei ihm die Glocken. Es konnte sich nur um das New York Geschäft handeln, weil ja nur wenige über die Geschäftsübernahme der Bergmann Werke wussten. Er fragte zaghaft: „Herr von Graben hat mit ihnen gesprochen?“ Bob: „Tun sie nicht so, als wüssten sie nichts. Wären sie zu mir oder John gekommen, hätten wir über alles sprechen können. Aber in diesem Fall, muss ich leider auf eine Vertragserfüllung bestehen. Und wehe sie nehmen uns einen Kunden mit, dann…“ Thomas: „Stopp Bob. Ich bin hierher gekommen, um mit ihnen offen und ehrlich über meine Zukunft zu sprechen. Ich habe nichts mit ihm und er nichts mit mir zu tun. Ich denke, es geht um die Gründung einer Investment Niederlassung in New York, stimmt‘s?“ Bob: „Um was denn sonst, Tom. Lassen sie diese Spielchen, das haben sie doch gar nicht nötig.“ Thomas stand auf, holte einen Ordner aus seinem Koffer den er dabei hatte. Dann sagte er zu Bob: „Lesen sie das. Ich bin nur deswegen da.“ Bob nahm den Ordner und öffnete ihn. Darin waren das Testament und alles was zum Kauf der Bergmann Werke gehörte. Er las alles durch und meinte: „Wow, sie haben soeben einmal die Bergmann Werke gekauft. Herzlichen Glückwunsch. Dann denke ich, haben sie gar nicht vor nach New York zu gehen?“ Thomas: „Genau so ist es.“ Bob: „Aber warum ruft mich dann dieser schleimige Aal von Graben an und erzählt mir so einen Shit?“ Und Thomas erzählte ihm, was sich am Morgen in Bad Soden abgespielt hatte. Bob schüttelte nur mit dem Kopf und fragte: „Das hat alles ihre Verlobte eingefädelt?“ Thomas: „So sieht es aus. Ich hatte nicht die Absicht, nach New York zu gehen. Warum sollte ich auch? Alle Geschäfte lassen sich auch von hier aus managen. Ich brauche nur ein Telefon und eine Internetverbindung, sonst nichts.“ Bob: „Tom, was machen sie nun mit ihrem zukünftigen Schwiegervater und ihrer Verlobten?“ Thomas: „Ich werde noch einmal mit Isabell sprechen. Sollte sie weiter auf ihre Pläne mit New York bestehen, werde ich die Verlobung lösen, so einfach ist das. Ich habe mich nun einmal entschlossen die Familientradition weiterzuführen. Ich habe keine Lust 50 Jahre Bergmann Werke in die Tonne zu treten.“ Bob: „Und nun wollen sie so schnell wie möglich aus dem Vertrag heraus, ist das richtig?“ Thomas: „Wenn das machbar ist, ja.“ Bob wollte gerade etwas sagen, da kam Thomas Sekretärin reingestürmt. Sie war außer sich vor Wut und schrie: „Ich habe jetzt die Nase voll, dieser Vandenberg. Ich lasse mir das nicht länger bieten. Ich kündige und nehme meinen Resturlaub.“ Thomas war genauso ratlos wie Bob. Der fragte aber: „Was ist den los, Frau Haber?“ Katharina Haber schnaubte vor Wut und sagte völlig aufgelöst: „Dieser miese kleine Wichser. Seit Herr Bergmann nicht mehr da ist, spielt er sich auf wie Gott persönlich. Das kann ich ja noch ertragen, aber dass er mich dauernd betatscht und mir in den Ausschnitt schaut, wie ein geiler Pennäler, dass muss und will ich mir nicht mehr bieten lassen. Ich kündige. Tut mir leid Herr Bergmann, mit ihnen habe ich immer gerne gearbeitet, sie waren immer korrekt. Entschuldigung.“ Sie drehte sich herum verließ den Raum und schlug die Tür zu. Sie war kaum draußen, da hörte man es laut klatschen und hörte wie sie sagte: „Fassen sie mich nie wieder an, oder ich erschlage sie.“ Bob und Thomas schauten sich kopfschüttelnd an. Bob stand auf und meinte: „Einen Moment bitte, ich bin gleich wieder hier.“ Sprach es und verschwand nach draußen. Thomas hörte nur noch: „…konnten sie wieder nicht ihre Finger bei sich lassen? Die nächste Sekretärin die sie bekommen ist ein Mann. Und ich hoffe, der ist schwul und fummelt ihnen am Arsch herum.“ Er hörte nur wie Vandenberg etwas wie: „….nicht so anstellen, diese Zicke. War sowieso frigide, die Alte. Frustrierte blöde Kuh.“ Bob unterbrach ihn und sagte: „Vandenberg, noch ein Wort und ich feuere sie fristlos. Nur noch ein Wort.“ Dann war Ruhe. Bob kam aufgebracht zurück. Er nahm zwei Gläser aus dem Regal, stellte sie auf den Schreibtisch und schenkte ohne zu fragen Wodka ein. Sie prosteten sich zu und Bob fragte: „Brauchen sie nicht eine neue Sekretärin? Gerade hat eine ausgezeichnete Fachkraft gekündigt. Kümmern sie sich um sie. Es war ja schon immer ihre Perle, wenn ich mich Recht erinnere. Aber kommen wir wieder zum Geschäft. So, mein Lieber, wie bekommen wir die Kuh vom Eis?“ Nach einer Stunde hatten sie einen, für beide Seiten annehmbaren Deal gemacht. Thomas musste noch bis Ende Dezember einen Tag in der Woche für Bob arbeiten, was er auch von Potsdam aus konnte. Dann wäre der Vertrag erfüllt. Außerdem würde er noch seinen Jahresbonus bekommen und dürfte sich den Experten für Abwicklung und Modernisierung, Jo Heinze eine Woche für seine Umstrukturierung in den Werken, kostenlos mitnehmen. Und Thomas würde in Gegenzug die Wohnung an die Bank, für 880.000 Euro verkaufen. Als Thomas aus dem Büro von Bob kam, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Hatte er doch innerhalb zwei Stunden die meisten seiner Probleme gelöst bekommen. Er verabschiedete sich noch von allen und sagte noch Bescheid, dass er Morgen noch jemand vorbeischicken würde, der sein Büro ausräumt. Mit dem Fahrstuhl fuhr er in die Tiefgarage und holte seinen schwarzen Benz der C Klasse. Er tippte die Adresse von Katharina Haber in sein Navi und fuhr nach oben auf den Frankfurter Ring. Zwanzig Minuten später sagte ihm sein Navi: „Sie haben ihr Ziel erreicht.“ Seine Perle wohnte in Sachsenhausen. Er stieg aus und klingelte an ihrer Wohnungstür. Katharina öffnete erschrocken ihre Haustür und fragte: „Sie Chef, was ist los?“ Thomas: „Ich bin nicht mehr ihr Chef. Schon vergessen, sie haben gerade gekündigt. Aber wollen sie mich nicht herein bitten? Ich hätte ihnen ein Angebot zu machen.“ Kathi öffnete die Tür ganz und bat ihn herein. Sie setzten sich in die Küche und sie schenkte ihm einen Kaffee ein. Dann fragte Katharina: „Was für ein Angebot wollen sie mir machen?“ Thomas erzählte ihr, von der Erbschaft und dass er nun der Eigentümer der Bergmann Werke war. Auch die Intrige von Isabell und ihrem Vater erwähnte er. Thomas: „Und nun habe ich mir gedacht, da wir ja hier in Frankfurt sehr gut zusammen gearbeitet haben, könnten wir doch weiter miteinander arbeiten.“ Kathi: „Ich soll dann einen Tag in der Woche für sie arbeiten?“ Thomas: „Nein, die ganze Woche. Sie ziehen um nach Potsdam.“ Kathi: „Und ab wann soll das sein?“ Thomas: „Ich dachte mir ab Montag. Sie packen ihre Klamotten und die wichtigsten Dinge die sie brauchen zusammen und fahren am Freitag mit meinem Wagen nach Potsdam. Sie können dann bei uns in der Bergmann Villa wohnen, bis sie eine Wohnung haben.“ Kathi: „Mit ihnen unter einem Dach, wie soll ich das verstehen?“ Thomas schmunzelte und meinte: „Im weitesten Sinne, ja. Aber keine Angst, wir werden uns dort nie begegnen. Sie würden in einem anderen Teil der Villa wohnen, zusammen mit meinen vier Schwestern. Das heißt, eigentlich nur drei, weil die Vierte eine eigene Wohnung hat und nur sporadisch bei uns wohnt.“ Kathi: „Aber ich habe doch keine Ahnung von irgendwelchen Elektrokram. Was würden da die anderen Mitarbeiter von mir denken?“ Thomas: „Machen sie sich keinen Kopf deswegen. Die Buchstaben sind die gleichen wie in Frankfurt. Sie würden, mit einer anderen Sekretärin zusammen einen Schreibpool bilden, welcher für vier Mitarbeiter der Geschäftsleitung zuständig ist. Es ist eine ganz normale Bürotätigkeit. Ich hätte sie gerne, weil ich ihre Loyalität und Verschwiegenheit schätze. Und natürlich, weil sie eine ausgezeichnete Sekretärin sind.“ Kathi: „Und meine ganzen Möbel? Ich muss doch die Wohnung kündigen und wohin mit meinen Möbeln?“ Thomas: „Lassen sie das bitte meine Sorge sein. Sobald sie eine Wohnung haben, beauftrage ich Karl, der holt dann mit ihnen zusammen ihren restlichen Hausrat. Für das ausräumen der Wohnung, hätte ich eine Firma, sodass sie nichts tragen müssten.“ Kathi: „OK. Ich muss verrückt sein. Von heute auf morgen nach Potsdam. Bitte erzählen sie es keinem Chef, die glauben sonst ich wäre völlig durchgeknallt. Oh, da fällt mir ein, wieviel verdiene ich bei ihnen?“ Thomas: „Das Gleiche wie hier in der Bank, plus zweihundert Euro Zuschlag. Ist das in Ordnung?“ Kathi: „Geht klar, Chef.“ Sie hatten alles besprochen und vereinbarten, dass sie am Freitagmorgen gegen 6:00 Uhr von Frankfurt losfahren sollte. Sie könne den Wagen dann schon morgen Abend abholen, damit sie in Ruhe alles packen konnte. Tommi fuhr wieder zurück in seine Wohnung. Er stellte den Wagen in der Tiefgarage ab und lief die paar Meter, zu seinem Italiener. Dort bestellte er sich eine Pizza zum mitnehmen und ging anschließend in seine Wohnung. Nach dem Essen, duschte er und putzte sich die Zähne. Er legte sich auf sein Bett und nahm gedanklich Abschied von seiner Wohnung. Sie hatte ihm sehr gut gefallen und war kein Vergleich zur Bergmann Villa. Aber es gab keinen Grund sie weiter zu behalten. Morgen früh hatte er den Termin beim Notar, ab dann war sein Loft Geschichte. Thomas löschte das Licht und war gerade am einschlafen, da läutete die Haustürklingel. Thomas überlegte und dachte zuerst es könnte vielleicht Karl sein. Müde öffnete er die Tür und war sichtlich erstaunt, dass Isabell vor der Tür stand. Sie hatte einen Schlüssel, aber warum klingelte sie? Isabell tat so als wäre nichts geschehen und meinte: „Bekomm ich keinen Kuss?“ Dann küsste sie ihn auf den Mund. Sie fuhr fort: „Geht es meinem Schatz wieder besser? Hast du wenigstens gut geschlafen? Wenn du nichts dagegen hast, bleibe ich heute Nacht bei dir und verwöhne dich etwas, schließlich haben wir uns schon lange nicht mehr gesehen.“ Sie stand nun in der Wohnung und zog ihre Jacke und den Pullover aus. Sie hatte keinen BH an und sagte zu ihm: „Schau wie kalt es draußen ist, meine Nippel stehen regelrecht. Oder stehen sie wegen dir, weil ich mich nach dir sehne?“ Sie schmiegte sich an ihn und griff ihm in die Hose des Schlafanzuges. Thomas wusste genau, dass sie wieder mit ihm spielte. Sex als Entschuldigung und zur Versöhnung, so war es immer. Er hielt ihren Arm fest und fragte sie: „Was willst du hier? Ich habe keine Lust auf Party. Fasse dich kurz, ich möchte weiter schlafen.“ Isabell: „Oh, ist mein Putzi müde? Ich weiß, wie du wieder wach wirst.“ Isabell sank auf die Knie und streifte dabei die Hose herunter. Sie wollte gerade zupacken, da trat Thomas einen Schritt nach hinten und sie fiel ihm praktisch vor die Füße. Thomas: „Lass das bitte, ich möchte jetzt ins Bett.“ Isabell: „OK Putzi, ist mir auch lieber wenn wir ins Bett gehen. Komm lass mich dich verwöhnen, du brauchst es doch auch.“ Sie stand auf und nahm ihn an der Hand und zog ihn in Richtung Bett. Thomas sträubte sich dagegen und sagte etwas lauter: „Willst du nicht verstehen, oder begreifst du es nur nicht? Dein Putzi will endlich schlafen, denn dein Putzi hat morgen noch viel zu erledigen. Und nenn mich nie wieder Putzi. Ich bin doch kein Dackel oder eine Katze.“ Isabell: „Ist ja schon gut, ich lasse dich ja in Ruhe. Aber ich brauche doch was.“ Thomas sagte müde und gelangweilt: „Dann mach es dir doch selbst, dann weißt du wenigstens wie viel Arbeit das ist und wann du aufhören musst.“ Isabell: „Das mache ich doch gerne, aber du musst mir dabei zuschauen. Appetit kommt doch beim essen. Komm jetzt gib dir einen Ruck, oder möchtest du mich mit einer nassen Muschi hier stehen lassen.“ Thomas: „Das ist mir doch egal. Wievielmal hast du mich mit einem Ständer stehen oder liegen lassen? Also wische deine Möse trocken und geh wieder nach Hause.“ Isabell gab aber immer noch nicht auf. Sie ließ ihn stehen und ging ins Bad. Thomas fragte: „Wohin gehst du jetzt?“ Isabell: „Meine feuchte Muschi trocken legen, du machst es ja nicht. Oder möchtest du mir doch dabei helfen? Ich halte auch ganz still und mache meine Beine ganz breit, das magst du doch so.“ Thomas meinte nur: „Ach, leck mich doch.“ Isabell: „Das würde ich ja gerne, aber du lässt mich ja nicht.“ Ihm wurde es langsam zu blöde, er löschte das Licht und ging wieder in sein Bett. Zehn Minuten später stand sie vor ihm. Sie machte das Licht an und nun sah er, dass sie nichts mehr an hatte. Sie sagte: „Wie lange möchtest du mich noch so bettelnd stehen lassen? Bitte lass mich doch zu dir, wir lieben uns doch. Schick mich nicht weg.“ Thomas zeigte mit dem Finger auf die Tür und sagte genervt: „Dort geht es raus. Du hast doch bei euch zu Hause genug Personal, da ist bestimmt ein Lakai dabei, der dich besteigt. Auf mich wirst du in Zukunft verzichten müssen. Ich habe deine Spielchen so satt. Allein was du und dein Vater mit mir heute Morgen abgezogen habt, lässt sich nicht beschreiben. Ihr habt mich vor der ganzen Mischpoke vorgeführt und wie eine Marionette behandelt. Und das Schlimmste daran ist, es hat euch noch Spaß gemacht. Isabell, es gibt keine Gemeinsamkeiten mehr zwischen uns.“ Isabell: „Das stimmt doch gar nicht. Wir haben so viele Gemeinsamkeiten. Wir lieben die Börse und das Geld. Wir haben guten Sex. Wir lieben gemeinsame Reisen. Und, und, und. Du siehst, es verbindet uns doch sehr viel.“ Thomas stand auf und gab ihr seinen Bademantel. Sie warf ihn aber zu Boden und sagte: „Ich bleibe solange hier stehen, bis wir wieder gut miteinander sind. Tommi, ich liebe dich doch, wenn ich nur wüsste wie ich es dir beweisen könnte.“ Thomas sah ihr in die Augen und sagte: „Da würden mir spontan viele Dinge einfallen. Zum Beispiel, werde schwanger, schenke uns ein Kind. Ziehe mit mir nach Potsdam und helfe mir, mein Erbe zu erhalten. Oder du denkst einmal nicht nur an dich, wenn wir miteinander schlafen. Möchtest du noch mehr hören?“ Isabell drückte nun auf die Tränendrüse: „Wir haben doch vereinbart, dass wir erst in ein paar Jahren Kinder haben möchten.“ Thomas: „Das hast du beschlossen und nicht ich. Du hast auch beschlossen, dass wir nach New York ziehen. Ich habe dir bestimmt ein Dutzend Mal gesagt, dass diese Stadt für mich eine Ausgeburt der Hölle ist und ich auf keinen Fall dort arbeiten, geschweige leben möchte. Wenn du dorthin willst, bitte dann gehe, ich halte dich bestimmt nicht davon ab.“ Isabell: „Aber in das verfickte Potsdam soll ich ziehen. Was soll ich dort?“ Thomas: „Das Gleiche wie in New York.“ Isabell: „Du beschwerst dich, dass sich Vater über unsere Zukunft Gedanken gemacht hat. Und was machst du? Du kaufst still und heimlich die Firma deines Vaters und erwähnst nicht einmal ein Wort darüber. Woher hast du eigentlich das Geld gehabt? Wer hat dir so viel geliehen?“ Thomas: „Ich habe mir kein Geld leihen müssen. Ich habe einfach mein privates Vermögen dafür hingelegt. Ich bin Geld technisch pleite. Auf meinem Konto sind gerade noch 5000.- Euro und das muss mir bis nächsten Monat reichen. Ich glaube kaum, das du so in Zukunft leben möchtest.“ Isabell wurde jetzt richtig laut: „Du hast was gemacht? Du hast deine Rücklagen für den Kauf dieser Klitsche eingesetzt? Bist du noch zu retten?“ Thomas wusste was jetzt kam. Er ließ sie alleine im Schlafzimmer zurück. Kaum dass er draußen war, flog auch schon der erste Gegenstand durch die offene Tür. Dicht neben ihm schlug der Aschenbecher in die Wand ein. Es gab einen Schlag und hunderte von Glassplitter flogen ihm um die Ohren. Thomas musste sofort außer Reichweite der Wurfgeschosse. Er lief Richtung Bad und hatte aber nicht an die Glassplitter auf dem Boden gedacht. Und prompt hatte er sich beide Füße aufgeschnitten. Er biss die Zähne zusammen und lief einfach weiter. Und wieder schlug etwas neben ihm in der Wand ein. Es war die Rolex Uhr, die ihm Isabell zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Viel war nicht mehr von ihr übrig, das Metallband war gerissen, das Gehäuse verbogen und das Werk hing heraus. Das Uhrenglas hatte sich schon beim ersten Kontakt mit der Wand verabschiedet. Wenn er ihr jetzt sagen würde, dass sie soeben 28.000 Euro an die Wand geworfen hat, würde sie völlig austicken. Thomas konnte es sich aber trotzdem nicht verkneifen und zitierte den Erlkönig in einer ganz neuen Fassung und sagte ganz laut: „ Der Tommi erreicht das Bad mit müh und Not, der Tommi lebt, nur die Uhr ist Tod.“ Dann sprang er ins Bad und verschloss die Tür. Gerettet, dachte er sich. Er schaute durch das Schlüsselloch und sah, wie Isabell alles was er gerichtet hatte, durch die Wohnung warf. Als sie alles abgeräumt hatte, kamen die Glaspokale dran, die er beim Börsenspiel gewann. Und wieder klatschte es an der Wand und die Splitter flogen durch die ganze Wohnung. Es klatschte noch zweimal, dann war für ein Moment Ruhe. Thomas sah sich seine Füße an und verband sie mit zwei Handtüchern. Plötzlich schrie Isabell: „Hilf mir bitte, ich glaube ich verblute. Da ist soviel Blut. Hilf mir, oder willst du mich verrecken lassen?“ Tommi schloss vorsichtig die Tür auf und schaute nach. Sie saß zusammen gekauert unter dem Panoramafenster und streckte ihre Füße von sich. Er sah sofort, dass sie sich schwer verletzt hatte. Das Blut schoss pulsierend aus einer Wunde am Fuß. Er nahm eine Krawatte die auf dem Boden lag und band den Fuß solange ab, bis es aufhörte zu bluten. Sekunden später rief er den Notarzt, welcher zehn Minuten später vor der Tür stand. Der Notarzt sah das Chaos und fragte Isabell: „Was war denn hier los? War das häusliche Gewalt?“ Isabell wusste ganz genau, dass sie Probleme bekommen würde, wenn die Polizei kommt, schließlich war sie es, die das angerichtet hatte. Geistesgegenwärtig sagte sie: „Nein, das waren unsere Schäferhund Welpen. Die sind gerade 9 Monate alt und tollen herum wie die bekloppten.“ Der Sanitäter fragte nach: „Und warum haben sie das nicht gehört und was dagegen unternommen?“ Isabell machte den Bademantel etwas weiter auf und ließ ihn auf eine Brust schauen und sagte: „Sorry, wir waren so mit uns beschäftigt. Erst als wir fertig waren haben wir es bemerkt.“ Der Notarzt schaute sich um und fragte weiter: „Und wo sind sie jetzt die Welpen?“ Thomas: „Wieder ausgebüchst. Wenn man bei denen die Tür nicht abschließt, hauen sie immer wieder ab. Wir mussten sie schon mehrfach aus dem Fahrstuhl und unten im Treppenhaus einfangen. Aber eines sage ich dir, jetzt bekommt sie dein Vater wieder zurück, jetzt ist Schluss mit lustig.“ Isabell: „Wenn du meinst, Schatz.“ Der Notarzt hatte Isabell inzwischen verbunden und die Blutung halbwegs gestillt. Beim herausgehen sagte er zu Thomas, als Isabell außer Hörweite war: „Ich würde die Köter erschießen oder ersäufen. Sind sie wenigstens versichert?“ Thomas schüttelte mit dem Kopf und sagte mitleidsvoll: „Gegen so etwas gibt es keine Versicherung. Wenn es fremde Hunde gewesen wären, würde deren Haftpflicht den Schaden bezahlen. Sie haben nicht zufällig Hunde?“ Der Arzt schüttelte den Kopf. Thomas meinte: „Ein kluger Mensch sind sie.“ Der Arzt fragte noch Thomas, ob er mitkommen möchte, der sagte aber er würde mit dem PKW nachkommen, damit sie nachher nicht noch mit dem Taxi fahren mussten. Zudem wollte er sich noch etwas anderes anziehen. Als die beiden Sanitäter Isabell in den RTW verfrachtet hatten, sagte der zu seinem Kollegen: „Mein Gott muss das eine heiße Nummer gewesen sein, weil sie den Krach nicht hörten. Ich will auch einmal so einen Abgang haben.“ Dann sagte der andere: „Dann musst du dir eben Hunde anschaffen und je lauter es scheppert, desto geiler ist der Abgang.“ Thomas stand im wahrsten Sinne des Wortes vor einem Scherbenhaufen. Überall lagen Glassplitter herum. Alle Krawatten und viele Hemden waren zerrissen. Und viel Blut lag auf den Boden. Wenn ein Fremder das gesehen hätte, würde er meinen, hier wäre ein Mord geschehen. Aufräumen war nun angesagt. Er nahm einen Besen und fegte zuerst die Splitter zusammen, bevor er sich an die Blutflecke machte. Zu guter Letzt, sortierte er die Klamotten. Die Guten in die Koffer, die Schlechten in den Plastiksack. Er war nur froh, dass er die Anzüge und Jacketts noch im Schrank hatte. Dann wäre es für Isabell verdammt teuer geworden. Morgens um drei Uhr hatte alles wieder seine Ordnung. Man sah nichts mehr von dem nächtlichen Desaster, außer ein paar Abdrücken an der Betonwand. Die Fußsohlen von Thomas hatten doch mehr abbekommen als ihm lieb war. Insgesamt waren es ein Dutzend Schnitte, die er an beiden Füßen hatte. Er tat noch etwas Alkohol darauf und hoffte, dass es sich nicht entzündet. Jetzt endlich konnte er sich schlafen legen. Nach dem Frühstück, machte er sich auf den Weg zum Notar. Er hatte den Kaufvertrag bereits unterschrieben, als er sich mit Robert „Bob“ Faller bei einem Notar in der Innenstadt traf. Es was das Notariat von Horst Reuter, der immer alle notariellen Dinge für das Bankhaus von Dr. John Gordon und Bob Faller erledigte. Es war nur eine notarielle Beglaubigung eines Kaufvertrages, indem Bob der Käufer und Thomas der Verkäufer war. Gleichzeitig wurde Thomas aus dem Grundbuch entfernt und Bob als neuer Besitzer eingetragen. Der Notar überprüfte auch den Scheck und Thomas ließ ihn gleich auf seinem privaten Konto gutschreiben. Das war es. Thomas wollte, sobald Karl hier war, seine Büromöbel noch abholen. Für die Räumung seiner Wohnung hatten sie die nächste Woche vereinbart. Er wollte Karl nicht noch einmal die Strapazen der langen Fahrt zumuten und beauftragte eine Spedition damit, den Umzug nach Potsdam vorzunehmen. Das sollte zeitgleich mit dem Umzug von Katharinas Möbeln stattfinden. Soweit war alles unter Dach und Fach, wer jetzt noch fehlte war Karl. Thomas saß zu Hause und wartete auf ihn. Als es an der Haustür klingelte, humpelte Thomas hin um sie zu öffnen. Die Füße machten ihm doch mehr schmerzen, als er zugeben wollte. Als er die Tür öffnete, stand Heinrich von Graben vor ihm. Der stürmte gleich in die Wohnung und fing an zu schimpfen: „Du undankbares Arschloch. Zuerst richte ich dir ein Büro in New York ein und als Dank verprügelst du meine Tochter. Wie krank muss man sein, um so etwas zu tun.“ Thomas dachte er hört nicht richtig und fragte nach: „Von was redest du da? Ich habe deiner Tochter nicht ein Haar gekrümmt. Die Verletzungen die sie an den Füßen hat, sind die gleichen die ich auch habe. Und die stammen von den Glasscherben, die auf dem Boden herum lagen. Und weißt du, warum sie da lagen? Ich sage es dir. Weil deine Tochter, alles was nicht niet- und nagelfest war, mir nachgeworfen hat. Ich kann dir noch die Scherben zeigen. Ach übrigens, hier habe ich noch die Rolex, die sie mir zum letzten Geburtstag geschenkt hat.“ Er hob einen Beutel hoch und warf ihn auf den Tisch. Heinrich nahm ihn auf und sah sich die Trümmer der Uhr an und meinte: „Das war Isabell?“ Thomas: „Ja, das war deine Tochter. Und das ist nicht das erste Mal. Heinrich, ich habe es leid, immer nach ihrer Pfeife zu tanzen. Die Idee nach New York zu gehen, ist auch auf ihrem Mist gewachsen. Ich hatte nie vor in die Staaten zu gehen und schon gar nicht nach New York. Ich kann diese Stadt einfach nicht leiden. Und deswegen hat sie mir gestern Abend die Bude hier halb zerlegt. Meine ganzen Glaspokale, die ich gewonnen habe, sind zerstört. Heinrich, ich löse die Verlobung auf. Und noch eins möchte ich dir sagen, mische dich nie wieder in meine Angelegenheiten, weder privat noch geschäftlich. Ich möchte mit euch nichts mehr zu tun haben. Und falls Isabell weiter behauptet ich hätte ihr etwas getan, so werde ich sie anzeigen.“ Heinrich: „Nein, sie hat nicht gesagt, dass du es warst. Ich hatte dies Fälschlicherweise angenommen. Entschuldigung, das war mein Fehler. Ich werde dir deinen Verlobungsring zukommen lassen. Und die Uhr werde ich dir, wie die anderen Dinge die sie zerstört hat, auch ersetzen. Ich bin es gewohnt nirgends Schulden zu haben.“ Thomas: „Steck dir dein Geld sonst wo hin. Und nun verlasse meine Wohnung, ich erwarte noch jemanden. Abflug.“ Er humpelte zurück an die Eingangstür um sie zu öffnen, aber da stand auf einmal Karl. Der legte den Zeigefinger auf die Klingel und betätigte sie. Es sollte so aussehen, als wäre er gerade gekommen. Thomas verstand sofort was er vor hatte und sagte: „Hallo Karl, da sind sie ja endlich. Und ist alles gut gegangen? Wir war der Verkehr?“ Karl kam nun in die Wohnung und grüßte. Heinrich lief auf ihn zu und drückte ihm die zerstörte Uhr in die Hand und ging hinaus. An der Tür angekommen, meinte Thomas noch einmal: „Und merke dir, haltet euch aus meinem Leben heraus. Es ist mein Leben und das möchte ich so gestalten wie ich es für richtig halte. Das meine ich nicht nur für privaten, sondern auch für die geschäftlichen Belange. Solltet ihr meinen Rat nicht beherzigen, werde ich andere Schritte unternehmen. Lasst es lieber nicht darauf ankommen.“ Er schloss nun die Tür und humpelte wieder zurück. Karl sah das und fragte: „Soll ich dich nicht lieber zu einem Arzt bringen? Mit Verletzungen an der Sohle ist nicht zu spaßen.“ Thomas: „Nein Karl, das ist halb so schlimm. Am Montag ist alles wieder in Ordnung. Ich werde am Wochenende einfach mein Füße schonen und einige Fußbäder nehmen. Hast du alles mitgehört?“ Karl: „Zwangsläufig. Als ich kam war das Gespräch schon im Gange. Stimmt es, dass du die Verlobung gelöst hast?“ Thomas nickte und meinte: „Ja, so leid es mir tat, es ging nicht mehr so weiter.“ Danach erzählte er Karl von Isabells Plänen mit New York und wie er vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Karl kam aus dem staunen nicht mehr heraus. Er schüttelte nur mit dem Kopf und meinte: „Chef, mit der Frau wirst du noch viel Ärger bekommen. Diese Frau ist nicht der Typ, die man verlässt. Ich denke, die möchte Genugtuung oder Rache haben. Ich hoffe es nicht. Mir ist das in jungen Jahren auch passiert. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn eine Frau hasst. Dann können sie zu Furien werden.“ Als es wieder klingelte, waren es die Möbelpacker. Sie nahmen zuerst die zwanzig Kartons aus der Wohnung mit, bevor sie in Thomas altem Büro die Möbel abmontierten und auf dem Kleintransporter verstauten. Der Transporter war voll beladen und zur Freude aller, passte alles hinein. Es war schon spät geworden. Karl und Thomas warteten auf Katharina, die bereits mit dem Taxi zu Thomas Wohnung unterwegs war. Gegen 19:30 Uhr kam Kathi in Tommis alter Wohnung an. Sie besprachen wie sie fahren musste und wo sie sich treffen wollten. Karl sollte alle Möbel vom Büro in eine Ecke der großen Montagehalle stellen lassen und den Rest in die Bergmann Villa bringen. Katharina sollte gleich in die Bergmann Werke fahren und dort auf Thomas warten, falls er noch nicht da sein sollte.

Um 11:15 Uhr landete Thomas in Berlin. Am Ausgang wartete schon Franz Konrad auf ihn. Thomas hatte nur einen Aktenkoffer dabei, indem er alle wichtigen Papiere aus Frankfurt mit hatte. Franz sah ihn humpelnd aus dem Gate kommen und begrüßte ihn: „Hat dich ein Elefant getreten oder hast du Fussball gespielt?“ Thomas: „Weder noch, ich habe mir die Fußsohlen verschnitten. Ich denke, ich muss zuerst zu einem Arzt." Franz: „Dann schlage ich doch vor, wir fahren ins Krankenhaus Süd zu Jule. In der Zeit in der du versorgt wirst, spreche ich mit Jules Professor wegen ihrer Doktorarbeit.“ Thomas war damit einverstanden. Unterwegs erzählte er Franz, wie es zu der Verletzung kam. Das Krankenhaus Süd war nicht weit weg vom Flugplatz, so dass sie zwanzig Minuten später dort waren. In der Notaufnahme fragten sie nach Julia Bergmann, die fünf Minuten später kam. Als Jule Thomas sah, fragte sie gleich: „Hallo Bruderherz, schön dich zu sehen. Was ist denn mit dir passiert?“ Thomas zeigte auf seine Füße und meinte: „Grüße dich, ich habe Probleme mit den Fußsohlen. Kannst du einmal nachsehen wie schlimm das ist?“ Er zog die Schuhe aus und legte sich auf die Liege im Behandlungsraum. Julia zog ihm die Socken aus und erkannte gleich, dass es Schnitte waren. Sie fragte: „Du hast überall Schnitte, wie ist denn das passiert?“ Thomas wollte nicht ins Detail gehen und sagte er sei ausversehen beim Umzug, in eine zerbrochene Flasche getreten. Julia sah sich die Wunden näher an und entfernte mehrere kleine Splitter. Sie reinigte alles und machte ihm einen Verband. Zum Schluss gab es noch die übliche Tetanusspritze und ein paar Schmerztabletten. Er erzählte ihr während der Behandlung, dass er alles in Frankfurt geklärt hatte und sich nun voll und ganz auf die Arbeit in Potsdam konzentrieren konnte. Julia merkte gleich, dass Thomas nicht gerade der Glücklichste war. Sie fragte: „Auch das mit deiner Verlobten? Kommt sie jetzt nach Potsdam?“ Thomas: „Es gibt keine Verlobte mehr. Ich habe mich von ihr getrennt. Es ging einfach nicht mehr. Aber lass uns das zu Hause besprechen, das gehört nicht hierher. Wann kommst du wieder nach Hause?“ Julia: „Ich habe heute Frühdienst und um 15:00 Uhr Feierabend, um 16:00 Uhr kann ich da sein.“ Während sie sich unterhielten und Jule die Wunde versorgte, war Franz auf dem Weg zu Professor Walter Kaufmann. Franz hatte Glück, das der Professor gerade Zeit hatte. Er stellte sich bei seiner Sekretärin vor: „Ich bin Dr. Franz Konrad und möchte gern den Herrn Professor sprechen.“ Die Sekretärin stand auf und ging zum Professor ins Zimmer. Einen Moment später kam sie wieder und sagte: „Der Herr Professor lässt bitten.“ Franz erhob sich und lief in sein Büro. Der sagte gleich: „Nehmen sie Platz, Herr Doktor. Was ist denn ihr Spezialgebiet, Chirurgie oder sind sie Allgemeinmediziner?" Franz: „Weder noch, Herr Professor.“ Kaufmann: „Entschuldigen sie, ich dachte sie wären wegen der Stellenausschreibung hier. Aber sie sind doch Arzt?“ Franz: „Leider nein. Ich bin Jurist und mein Spezialgebiet ist das Arbeits- und Wirtschaftsrecht.“ Kaufmann: „Und was verschafft mir die Ehre?“ Franz: „Eine heikle Angelegenheit, die keinen Aufschub bedarf.“ Kaufmann: „Und was ist das für eine wichtige Angelegenheit?“ Franz: „Es betrifft eine ihrer Ärztinnen. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass sie bitte alles vertraulich behandeln möchten.“ Kaufmann: „Selbstverständlich, wenn sie das wünschen und wenn es in meiner Macht steht. Also, ich höre?“ Franz: „Es handelt sich um Frau Julia Bergmann.“ Kaufmann: „Sie ist eine ausgezeichnete Ärztin, was ist mit ihr?“ Franz: „Ihr Bruder, Thomas Bergmann, mein Mandant, ist auf mich zugekommen und bat mich einen Missstand zu beseitigen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass seine Schwester weit über 400 Überstunden geleistet hat und für die sie seit langem keinen Freizeitausgleich bekam. Auch würden ihr noch 30 Tage Urlaub zu stehen, ohne dass sie ihn nehmen dürfte. Des Weiteren schreibt Frau Bergmann schon seit einiger Zeit an ihrer Dissertation. Da sie aber immer viele Sonderschichten und Überstunden hat, bleibt ihr fast keine Zeit mehr sie zu beenden. Da sie ihr Tutor sind, liegt es doch auch in ihrem Interesse, das sie sobald wie möglich ihre Doktorarbeit fertig stellt. Ich möchte erst gar nicht auf die arbeits- und vertragsrechtliche Situation hinweisen. Deshalb möchte mein Mandant, alles auf eine menschliche und für beide Seiten annehmbare Weise regeln.“ Kaufmann: „Wenn Frau Bergmann sich überfordert fühlt, soll sie doch zu mir kommen. Ich sehe da keinen Handlungsbedarf, solange sie sich nicht darüber äußert.“ Franz wurde nun konkreter und vor allem etwas lauter: „Frau Bergmann hat Anspruch auf über zwei Monate Freizeitausgleich. Anschließend auf sechs Wochen Urlaub. Sie wissen ganz genau, wenn sie beides dieses Jahr nicht mehr nimmt, verfallen die Ansprüche. Deshalb wird Frau Bergmann ab morgen ihren Anspruch wahrnehmen. Und wenn sie dem nicht zustimmen, werde ich eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Wie das ausgeht, wissen sie ganz genau. Eine Geldstrafe bekommen sie auf jeden Fall. Ob diese ihr Dienstherr oder sie bezahlen, ist mir völlig egal. Und wie glauben sie, wird die Presse und die Öffentlichkeit darauf reagieren, wenn die Schlagzeile „Ärztin musste bis zum Zusammenbruch arbeiten – Skrupelloser Professor nützt seine Ärzte aus“, lautet? Und falls ein Kunstfehler passiert, was ja ab und an vorkommt, werde ich sie höchstpersönlich dafür zur Verantwortung ziehen, weil sie ihre Fürsorgeplicht verletzt haben.“ Professor Kaufmann sah ihn wütend an und meinte: „Haben sie eine Ahnung, mit wie viel Personal ich hier auskommen muss? Unser Budget ist am Limit. Wir suchen ja händeringend nach Personal, aber für die paar Kröten arbeitet doch kein Arzt heutzutage mehr. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht, weil unsere Personaldecke zu dünn ist. Aber gut, ich will sehen was sich machen lässt. Rufen sie mich nächste Woche noch einmal an, vielleicht finde ich einen Weg, wie wir die Sache bereinigen können.“ Franz war nun richtig sauer. Der Professor dachte gar nicht daran Julia die zustehende Freizeit zu geben. Nun musste er deutlicher werden: „Herr Professor, da ich wusste, dass sie sich weigern werden Frau Bergmann ihre Überstunden in Freizeit auszugleichen, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Gesundheitsbehörde einzuschalten. Ich werde nach unserem Gespräch zur Staatsanwaltschaft gehen und gegen sie wegen Betruges ermitteln lassen. Sie halten Frau Bergmann Leistungen zurück, die ihr gesetzlich zustehen. Sie spielen auf Zeit, damit die Ansprüche von Frau Bergmann verfallen. Und wer sich daraus einen Vorteil verschafft, mach sich des Betruges strafbar. Mindeststrafe für Betrug sind sechs Monate, zuzüglich einer Geldstrafe plus Gerichtskosten. Und was anschließend die Presse und ihr Dienstherr mit ihnen macht, ist mir ehrlich gesagt scheißegal.“ Der Professor schluckte. Er wusste nicht, ob das alles was Franz gesagt hatte richtig ist. Er wollte aber auf jeden Fall nicht an den Pranger gestellt werden. So meinte er: „Man schießt nicht mit Kanonen auf Spatzen. Machen sie einen Kompromiss, der beiden Seiten hilft.“ Franz war innerlich erleichtert und sagte: „Und wie soll der aussehen?“ Kaufmann: „Sie arbeitet drei Tage in der Woche und den Rest hat sie frei. Die Vereinbarung gilt bis Ende des Jahres.“ Franz überschlug die Zeiten im Kopf und sagte: „Zwei Tage die Woche und der Rest ist Freizeit. Außerdem bekommt sie ab dem 2.1. nächsten Jahres ihren gesamten Urlaub von diesem Jahr am Stück. Haben wir einen Deal?“ Kaufmann ließ sich darauf ein und sagte zu. Franz wollte es aber schriftlich haben. Kaufmann ging hinaus zu seiner Sekretärin und diktierte ihr die Vereinbarung. Diese schrieb sie gleich und druckte alles aus. Der Professor unterschrieb zwar widerwillig, war aber froh, dass alles gütlich geregelt wurde. Franz begab sich wieder in die Notaufnahme, wo Thomas und Jule bereits auf ihn warteten. Jule fragte: „Wo warst du so lange?“ Thomas wusste ja wo er gewesen ist, stellte sich aber dumm und spielte das Spiel mit: „Wir sitzen hier schon eine Ewigkeit, wenn es noch länger gedauert hätte, müsste Jule noch einmal den Verband wechseln.“ Franz übergab Jule den Umschlag mit der Vereinbarung. Sie zog das Schreiben aus dem Kuvert und las es laut vor. Als sie damit fertig war, sagte sie: „Das gibt es doch gar nicht. Woher kommt dieser Sinneswandel des Professors?“ Franz: „Ich hatte ein freundliches Gespräch mit ihm und am Schluss, hat er mir dieses Schreiben für dich gegeben. Mehr war da nicht.“ Sie wandte sich zu Thomas und sagte: „Dann warst du die Plaudertasche, denn Franz hat ja nichts von den Überstunden gewusst. Was ist wenn er mich jetzt hinaus wirft?“ Franz: „Ach ja, das habe ich vergessen zu erwähnen. Der Professor wird sich in seiner Freizeit, um deine Dissertation kümmern. Er möchte wöchentlich einen Rapport haben.“ Julia war sichtlich gerührt und bedankte sich bei den beiden. Sie verabschiedeten sich und Franz fuhr in die Firma. Da Thomas nicht sonderlich gut zu Fuß war, fiel heute der Betriebsrundgang aus. Er brachte es gerade noch auf die Reihe, sich den Konferenzraum anzusehen. Hausmeister Wuttke hatte saubere Arbeit abgeliefert. Alle Möbel waren aus dem Raum, die Tapeten entfernt und die Decke ausgebaut. Zum Schluss hatte er alles verspachtelt und den Steinboden auf Vordermann gebracht. Thomas war hocherfreut, dass alles so schnell fertig geworden war. Wuttke kam gleich zu ihm und fragte: „Tag Chef, wenn ich die Tapeten und die Farbe gehabt hätte, wäre alles schon tapeziert. Was machen wir mit der Decke?“ Thomas humpelte vor die Tür und sah sich die Platten der Decke an. Dann sagte er: „Die streichen wir neu. Ich bringe ihnen heute Nachmittag alles was sie noch brauchen. Wo die Farben hinkommen, schreibe ich ihnen auf die entsprechenden Farbeimer. Den großen Glastisch stellen wir auf die rechte Seite. Die neuen Büromöbel kommen heute Mittag. Herr Hansen ist schon unterwegs damit.“ Das war alles, was er mit Wuttke im Augenblick zu besprechen hatte. Dann ging er in das Büro seines Vaters. Da saß bereits Franz und sortierte die neuen Verträge für Thomas Schwestern. Sie waren nötig, um sie vor einer privaten Insolvenz zu schützen, falls die Firma tatsächlich einmal in Schieflage geraten sollte. Thomas packte auch seine Verträge, die er in Frankfurt gemacht hatte aus. Er reichte sie Franz zum durchlesen. Frau Schönfeld kam herein und brachte Thomas einen Kaffee und fragte, ob sie gleich die gewünschten Akten hereinbringen sollte. Doch Thomas lehnte ab und erklärte ihr: „Im Laufe des Mittags kommt eine Frau Katharina Haber, sie wird ab Montag bei uns anfangen. Ich habe nämlich vor einen Schreibpool zu gründen, der für alle Mitarbeiter der Führungsebene arbeitet. So haben wir kurze Wege und jeder von uns eine Sekretärin. Vorrang haben Arbeiten von Asmussen und von mir. Danach wird alles nach Eingang abgearbeitet, im Zweifel nach Dringlichkeit. Aber ich werde ihnen alles noch genau erklären. Frau Haber war meine persönliche Sekretärin in Frankfurt. Sie wird mir einen Tag in der Woche assistieren, weil ich bis zum Ende des Jahres noch einige Bankgeschäfte abwickeln muss. Ich würde auch sie herzlich gerne als meine Assistentin nehmen Frau Schönfeld, aber bis ich sie in die Gepflogenheiten der Materie eingewiesen hätte, ist der Job auch schon erledigt. Es sind ja nur sieben Tage. Sie müssen mir in diesen Tagen, den Rücken frei halten und alle Termine auf die anderen Tage verlegen. Welchen Wochentag ich für die Bank arbeite, besprechen wir nächste Woche. Ich bitte sie Frau Haber einzuarbeiten. Frau Haber habe ich als Unterstützung für sie und den Betrieb geholt. Ich denke, sie beide werden sich bestimmt vertragen. Sollte es doch zu Unstimmigkeiten kommen, dann sagen sie es mir bitte. Ich möchte dass sie zusammen ein Team bilden, die die gesamte Korrespondenz verwaltet und ausführt. Sie sind dann sozusagen die Schaltzentrale beim Schriftverkehr. Alles geht über ihren Tisch und keiner kann ihnen hineinreden. Sie sehen, ich statte sie mit mehr Verantwortung aus.“ Klara: „Was immer sie wünschen, wird getan. Und Frau Haber wird keinen Grund zur Klage haben, das verspreche ich ihnen. Brauchen sie noch etwas für ihre Bankgeschäfte?“ Thomas: „Eigentlich nicht, Frau Schönfeld.“ Klara: „Soll ich ihnen vielleicht einen kleinen Schemel bringen, damit sie ihre Füße darauf legen können?“ Thomas: „Einen Schemel nicht, aber ein hohes Kissen wäre ganz gut. Die Schnittwunden tun ganz schön schmerzen, wenn ich darauf stehe.“ Klara drehte sich um und verließ das Büro. Etwas später kam sie wieder zurück und hatte ein blaues Samtkissen unter dem Arm. Klara: „Dachten sie an so etwas?“ Thomas schaute sie an und fragte: „Wo haben sie denn das her? Das ist genau das Richtige. Danke, Frau Schönfeld.“ Klara: „Das lag im Ausstellungsraum, darauf lagen die Medaillen für den Innovationspreis von 1989. Ich dachte, wenn wir bald wieder die Nummer eins sind, kommen sowieso neue Preise hinzu.“ Thomas schaute sie an und fing an zu schmunzeln. Dann antwortete er: „Wenn es soweit ist, dürfen sie den Preis auf das Kissen legen, versprochen.“ Klara: „Das hoffe ich doch.“ Sie ging wieder an ihren Schreibtisch zurück. Franz und Thomas gingen noch einmal alle Verträge durch. Sie waren alle korrekt verfasst, sodass es keiner Änderungen mehr bedurfte. Franz fragte ihn: „Und wann willst du es deinen Schwestern sagen?“ Thomas: „Am Sonntag dachte ich, nach dem Mittagessen. Da sind sie meistens alle zu Hause.“ Franz meinte scherzhaft: „Ich würde es ihnen erst sagen, wenn du wieder richtig laufen kannst.“ Thomas: „Warum dass denn?“ Franz: „Es könnte doch sein, dass auch sie dir etwas nachwerfen und da wäre es doch von Vorteil, wenn man beschwerdefrei fliehen kann.“ Thomas schaute ihn nachdenklich an und erwiderte: „Es sei denn man hat einen Zeugen dabei, der auch noch Rechtsanwalt ist. Geteiltes Leid ist doch halbes Leid, oder nicht? Oder noch besser, du sagst es ihnen, denn schließlich kannst du es auch viel besser formulieren, weil du es auch verfasst hast.“ Franz: „Ich würde es ja gerne tun, aber am Sonntag habe ich keine Zeit, tut mir außerordentlich leid. Mach du das einmal schön selbst.“ Thomas: „Und was hast du am Sonntag so Wichtiges vor, anstelle mich zu unterstützen?“ Franz überlegte einen Moment und meinte dann: „Ich gebe meinen Regenwürmern Schwimmunterricht.“ Tommi stand auf dem Schlauch und hakte nach: „Du tust was?“ Franz: „Ich gehe Angeln.“ Thomas: „Und fängst du wenigstens etwas?“ Franz: „Meistens nicht, deshalb auch der Schwimmunterricht für Würmer.“ Thomas hielt sich die Hand vors Gesicht und sagte: „Spaß bei Seite, kannst du wirklich nicht?“ Franz: „Nein, ich komme ja und erkläre ihnen alles. Aber wehe ich werde gevierteilt, geteert und gefedert, dann war es das Letzte was ich für dich getan habe.“ Beide fingen an zu lachen. An der Tür klopfte es und Karl trat herein. „Tag Chef, wir sind da.“ Thomas sah auf die Uhr und fragte: „Was jetzt schon?“ Hinter Karl stand auch Katharina. Sie erklärte: „Wir sind schon um vier Uhr losgefahren. Karl ist vorausgefahren und ich hinterher.“ Thomas konnte es nicht fassen. Er stand auf und humpelte hinaus auf den Flur, damit er in die große Halle sehen konnte. Und tatsächlich, unten standen der Kleintransporter und sein Benz. Zwei Lagerarbeiter waren schon dabei den Transporter auszuladen. Karl hatte ihnen die Anweisung gegeben, nur die Möbel auszuladen und sie zu den anderen vom Konferenzraum zu stellen. Tommi humpelte zurück und sagte zu Klara: „Bringen sie bitte noch zwei Stühle und drei Kaffees.“ Karl half ihr beim Tragen der Stühle. Klara brachte den Kaffee und fragte für wen die dritte Tasse sei. Da sprach Thomas: „Der ist für sie. Setzen sie sich doch. Übrigens, das ist Frau Katharina Haber, ihre neue Kollegin.“ Er stellte auch die anderen untereinander vor und erläuterte noch einmal den neuen Schreibpool. Danach erstellte er eine Liste, für Dinge die in der nächsten Woche erledigt werden mussten. Zum Schluss meinte er: „Ich muss noch mit Herrn Konrad in den Baumarkt fahren, Farbe und andere Dinge für mein neues Büro holen. Herr Hasen kann ihnen mit Frau Schönfeld zusammen inzwischen den Betrieb zeigen. Die beiden wissen mehr als ich, wer was macht und weshalb. Wir brauchen vielleicht eine Stunde, dann sind wir wieder zurück. Später bringen wir die restlichen Sachen in die Bergmann Villa.“ Katharina, Klara und Karl gingen durch das Werk. Abwechselnd erklärten Karl oder Klara, was in den einzelnen Abteilungen gefertigt wurde. Als sie fast am Ende waren, bemerkte Katharina: „Das ist viel größer als ich gedacht hatte. Das ist kein Vergleich zum Online Handel bei der Investment Bank. Ich kann mir nun gut vorstellen, warum Herr Bergmann das Werk gerettet hat. So etwas darf man nicht verkommen lassen.“ Karl musste gerade seinen Transporter vor der Einfahrt wegfahren, als die beiden Frauen alleine waren. Klara fragte Kathi: „Wie ist er so als Chef?“ Kathi: „Ich kenne ihn fast vier Jahre, aber ich habe ihn nicht einmal wütend oder zornig gesehen. Er war immer korrekt zu mir und zu seinen Angestellten. Er trennt immer Geschäft und Privat. Wenn dem nicht so wäre, wäre ich bestimmt nicht mit nach Potsdam gekommen.“ Klara: „Und wie ist er privat?“ Kathi: „Das kann ich nicht sagen, ich war noch nie mit ihm aus. Aber ich kenne einen seiner Freunde und da war er immer locker drauf. Eigentlich ist das ein Traum von einem Mann, wenn man als Frau auf Männer steht.“ Klara stutzte und fragte: „Wieso stehen sie nicht auf Männer? Ich meine, na ja sie wissen schon?“ Kathi lachte und äffte einen Schwulen nach: „Aber bitte einen Prosecco bitte. Keine Angst, ich bin ganz normal gestrickt. Ich liebe Männer. Und sie?“ Klara: „Ich bin keine Leck Schwester.“ Kathi: „Sind sie verheiratet, haben sie Kinder?“ Klara: „Nein, ich bin solo und habe keine Kinder. Und sie?“ Kathi: „Das Gleiche wie sie. Wenn sie Lust haben, können wir ja einmal miteinander fortgehen. Ich habe ja noch nichts von Berlin gesehen, außer der Autobahn und der Schnellstraße hierher.“ Klara: „Kein Problem, aber erst am Wochenende, ich arbeite nicht gerne übermüdet oder mit einem dicken Kopf.“ Kathi: „Geht mir genauso. Sie wissen nicht zufällig, wo eine Wohnung frei ist?“ Klara: „Nein, das kann ich ihnen auch nicht sagen. Aber ich glaube, da kann ihnen Herr Bergmann weiter helfen, seine Familie ist ja aus Potsdam, die kennen Gott und die Welt, wie man so hört.“ Karl kam wieder zurück und fuhr mit der Führung fort. Als er damit fertig war, verabschiedete sich Karl und fuhr in die Bergmann Villa, um Tommis Kartons hinzubringen. Kathi ging derweil mit Klara ins Büro. Sie zeigte ihr die einzelnen Büros und stellte sie den einzelnen Mitarbeitern vor. Nur der Prokurist Herr Asmussen und der Marketing Chef Kevin Gassner waren außer Haus. Kathi fragte Klara: „Und wo ist mein Arbeitsplatz?“ Klara: „Wenn ich das wüsste, könnten wir ihn schon einrichten. Ich weiß nicht, was Herr Bergmann mit dem alten Konferenzraum vorhat. Könnte sein, dass er dort ein Büro einrichtet, sonst hätte er nicht die Büroeinrichtung von seinem alten Büro aus Frankfurt mitgebracht.“ Kathi: „Aber wenn wir tatsächlich in einem Schreibpool arbeiten sollen, müssten wir dann nicht in einem Büro sitzen?“ Klara: „Fragen wir ihn einfach wenn er kommt. Er wird schon wissen, wie er es haben möchte.“ Keine fünf Minuten später, kamen Franz und Thomas vom einkaufen zurück. Hausmeister Wuttke lud den Wagen aus und brachte die Farben und andere Dinge in den Konferenzraum. Thomas schrieb die Farbtöne an die jeweilige Wand, in der sie gestrichen werden sollte. Dann gab er ihm den Auftrag, noch zwei weitere Telefonleitungen dort zu legen. Die Anschlüsse für das eigene Netzwerk, lagen ja bereits dort. Thomas und Franz gingen zurück in das alte Bergmann Büro. Thomas setzte sich hin und legte seinen Fuß hoch, weil er höllische Schmerzen hatte. Klara sah das und brachte ihm eine Schmerztablette. Zuerst wollte er sie nicht nehmen, aber nach Zureden aller, nahm er sie endlich. Kathi fragte ihn: „Frau Schönfeld und ich haben uns vorhin gefragt, wo mein Arbeitsplatz ist?“ Thomas: „Ganz einfach. Der Konferenzraum wird ihr gemeinsames Büro. Herr Asmussen bleibt in seinem und ich beziehe das Büro von Herrn Gassner. Die Marketing Abteilung von Herrn Gassner kommt dann in Frau Schönfelds jetziges Büro. Alle anderen behalten ihre Büros. Wir müssen uns halt noch so lange behelfen, bis Hausmeister Wuttke alles fertig gestellt hat. Danach werden alle Büros nacheinander neu gestrichen. Jeder kann sich die Farbe selbst aussuchen, weil er ja den ganzen Tag dort arbeiten muss. Ausnahme ist der Schreibpool. Den gestalte ich, weil nur ich alleine, die neuen Möbel dafür kenne. Und das sollte farblich schon stimmig sein.“ Thomas erklärte auch, was er die nächste Woche alles klären wollte. Er hoffte, dass seine Füße in der nächsten Woche wieder besser sind. Es war nicht nur lästig, sondern schmerzte auch sehr. Sie hatten alles besprochen und Thomas verabschiedete sich ins Wochenende. Er fuhr mit Franz in die Bergmann Villa und Kathi folgte ihnen mit seinem Wagen. 15 Minuten später kamen sie in Potsdam Süd an, wo die Bergmann Villa stand. Kathi kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie vor der Villa stand. Sie hatte sich im Geiste eine Doppelhaushälfte vorgestellt, in der die Bergmanns wohnten. Aber das was sie hier sah, war ja eher ein Schloss, als eine Villa. Sie stieg aus und sah, wie Karl am Seiteneingang die restlichen Kartons auslud. Thomas fragte sie: „Und, wie gefällt ihnen die Bergmann Hütte?“ Kathi: „Das ist keine Hütte, das ist ein Traum. Das dürfen sie nie verkaufen, auch nicht für 100 Millionen. Wie groß ist die Bergmann Villa?“ Thomas: „Ich weiß es gar nicht, weil mich das noch nie interessiert hat. Wenn man alle Zimmer beider Flügel zusammen zählt, müssten es wohl über fünfzig sein. Bäder, WCs und Küchen nicht mitgezählt. Welchen Ausblick wollen sie genießen? Den in Richtung See, oder den nach vorne heraus nach Potsdam?“ Kathi: „Ist mir egal, Hauptsache groß genug für meine Klamotten und ein Bett. Da fällt mir gerade ein, ich habe ja noch gar kein Bett oder Matratze.“ Thomas: „Jetzt gehen wir erst einmal herein und dann sehen wir weiter. Wie ich sehe ist keine meiner Schwestern hier, die hätten ihnen sonst behilflich sein können.“ Kathi lief Thomas einfach hinterher, bis sie in der großen Küche standen. Dort war Maria gerade dabei, das Abendessen zu richten. Sie begrüßte ihn herzlich und Thomas stellte sie einander vor: „Das ist Maria, die gute Seele des Hauses Bergmann. Egal was sie brauchen oder möchten, sie weiß alles. Ohne sie würde hier alles zusammenbrechen. Und das ist unser Gast Katharina Haber, meine Sekretärin aus Frankfurt, die ab Montag für uns arbeitet.“ Kathi gab ihr die Hand und meinte: „Ich habe schon von ihnen gehört, Herr Bergmann spricht in den höchsten Tönen von ihnen.“ Maria: „Er übertreibt mal wieder. Wie Thomas mir sagte, bleiben sie länger bei uns, deshalb möchte ich sie gleich fragen, was essen sie nicht?“ Kathi überlegte und meinte: „Ich esse eigentlich alles. Hauptsache es schmeckt. Kann ich ihnen beim Kochen helfen? Gemüse schnippeln, Zwiebeln hacken oder so etwas?“ Maria schaute sie entgeistert an und sagte: „Wenn sie wollen, herzlich gerne. Ich kann jede helfende Hand gebrauchen. Außer Tommi oder ab und zu Karl, hilft ja hier sonst keiner.“ Thomas verstand den Wink. Maria hatte damit die Faulheit seiner Schwestern angesprochen, was Kathi ja nicht ahnen konnte. Sie gab ihr eine Schürze, damit sie sich nicht schmutzig machte. Thomas humpelte derweil in den Salon. Jetzt erst sah Maria, das er humpelte und fragte entsetzt: „Was ist los mit dir, du humpelst ja? Hattest du einen Unfall?“ Thomas hatte auf diese Frage schon lange gewartet und erwiderte: „Ja Maria, aber sieht schlimmer aus, als es ist. Ich bin nur beim Umzug in eine zerbrochene Flasche getreten, das ist alles. Jule hat mich schon versorgt, denn ich war mit Franz bei ihr im Krankenhaus.“ Wie aufs Stichwort, kam nun auch Franz in die Küche. Marias erste Frage war gleich: „Du isst doch mit, Franz?“ Der antwortete: „Ich lass mir doch nicht deine Kochkünste entgehen, Maria. Selbstverständlich esse ich mit. Ich muss nur noch die Aktenkoffer verstauen, dann helfe ich dir.“ Maria: „Was ist denn heute nur los? Jeder will mir beim Kochen helfen. Aber wie heißt es doch so schön „Viele Köche verderben den Brei“. Franz ich habe schon eine Hilfe, Kathi hat sich schon angeboten, aber trotzdem Danke. Kümmere dich sich besser um Tommi, der braucht dringender Hilfe.“ Wie Franz draußen war fragte Maria: „So, sie sind also Tommis Perle aus Frankfurt. Wie lange arbeiten sie schon zusammen?“ Kathi: „Fast vier Jahre. Er ist ein Klasse Chef.“ Maria: „Höre ich da eine gewisse Bewunderung heraus?“ Kathi fühlte sich ertappt, gab aber eine ehrliche Antwort: „Ja. Sie glauben ja nicht, welche Idioten ich schon als Chef hatte. Und die meisten von ihnen wollten entweder mit mir in die Kiste springen, oder haben mich arbeitsmäßig ausgenützt.“ Maria: „Waren sie dabei, als der Unfall geschah?“ Kathi: „Nein, ich habe es auch erst am nächsten Abend bemerkt, als ich seinen Wagen abgeholt habe.“ Maria wollte gerade wieder etwas fragen, da kam Karl herein und fragte. „Hallo Maria, ich würde dir ja gerne helfen, aber ich muss leider noch arbeiten. Kathi, geben sie mir bitte den Schlüssel von Thomas Wagen? Ich möchte ihn wegfahren aus der Einfahrt.“ Sie gab ihm den Schlüssel und Karl verabschiedete sich wieder. Maria kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und äußerte: „Was ist heute nur los? Sonst fragt mich keiner, ob er mir helfen kann und nun gleich drei Stück, die mir helfen wollen. Bin ich bleich im Gesicht? Oder habe ich Pusteln, Pickel oder Streifen auf der Stirn, was auf eine Krankheit hindeutet?“ Kathi musste lachen und meinte: „Nein Maria, sie sehen sehr gesund aus.“ Maria: „Dann kann es nur an dir liegen, Entschuldigung an ihnen liegen.“ Kathi: „Sie können mich ruhig duzen, ich habe nichts dagegen.“ Maria: „Aber nur wenn sie auch „du“ sagen.“ Kathi machte sich daran die Möhren und Kartoffeln zu schälen und zerkleinern, während Maria sich um den Braten und Salat kümmerte. Die beiden verstanden sich auf Anhieb. Maria erzählte Geschichten aus dem Hause Bergmann, vor allem vom Tag des Unfalls und den darauf folgenden Tagen. Thomas saß derweil im Salon mit Franz zusammen. Sie hatten jeder einen Aktenordner in der Hand und gingen die Zahlen von der Buchhaltung durch. Thomas wartete auf Jule, die noch vorbeikommen wollte. Sie hatte am Nachmittag noch einmal mit ihm telefoniert und ihm gesagt, dass sie über das Wochenende zu Hause in der Villa bleiben würde. Thomas nahm noch eine Schmerztablette, weil die Fußsohlen auf einmal anfingen höllisch zu brennen. Franz fragte ihn: „Möchtest du nicht lieber noch einmal ins Krankenhaus fahren und nachsehen lassen?“ Thomas: „Jule müsste jeden Moment kommen, die kann es sich ja einmal ansehen. Entweder es brennt so sehr weil es anfängt zu heilen, oder ich bekomme eine Entzündung. Ersteres wäre mir lieber.“ Karl kam nun in den Salon und meinte: „Ich habe deinen Wagen ausgeladen und die Koffer von Frau Haber in den Südflügel, in das blaue Gästezimmer gebracht. Falls es ihr nicht gefällt, braucht sie die Koffer nur in ein anderes Zimmer tragen. Ich habe schon einmal die Heizung angemacht, dass sie nicht friert.“ Thomas: „Danke Karl, auch dafür dass du alles so schnell getan hast. Bist du nicht müde, schließlich bist du schon seit vier Uhr unterwegs?“ Karl: „Ich esse nachher noch etwas und gehe dann zu Bett, falls du mich nicht mehr brauchst.“ Thomas: „Nein, du kannst dich nach dem essen ruhig hinlegen und ins Wochenende gehen. Falls ich einen Chauffeur brauche, wende ich mich an Jule, die ist ja das ganze Wochenende hier.“ Karl legte noch den Autoschlüssel von seinem Wagen auf den Tisch und ging wieder. Tommi drehte die Heizung etwas höher, er fing an zu frieren. Humpelnd zog er einen Sessel an den Kamin legte ein Kissen davor und setzte sich. Franz gefiel das gar nicht. Hier im Salon war es 23°, warm genug um nicht zu frieren. Er fragte ihn: „Hast du etwa Fieber?“ Thomas griff sich an die Stirn und meinte: „Ich denke nicht. Vielleicht kündigt sich eine Erkältung an. Ein Glas heiße Zitrone und eine Mütze schlaf, dann bin ich wieder fit.“ Eine halbe Stunde später kam Julia herein. Sie begrüßte beide und zog sich ihren Pullover aus und meinte: „Oh, ist das warm hier, merkt ihr dass denn nicht?“ Franz: „Du solltest einmal nach deinem Bruder sehen, ich denke mit ihm stimmt etwas nicht. Er hat sich vorhin vor den Ofen gesetzt und die Heizung höher gedreht. Jetzt schläft er.“ Julia schaute ihn sich an und prüfte seine Stirn. Sie war glühend heiß, Tommi hatte Fieber. Sie kniete sich neben ihm hin und zog ihm die Schuhe und Socken aus. Jule sah sich die Fußsohlen an und sagte: „Franz, hilfst du mir bitte, Tommi muss sofort ins Krankenhaus. Ich denke, er hat eine Blutvergiftung.“ Thomas bekam das gar nicht mehr so richtig mit, wie sie ihn ins Auto setzten und ins Krankenhaus brachten. Julia holte in der Notaufnahme einen Rollstuhl und gemeinsam setzten sie ihn hinein und fuhren ihn in den Schockraum. Ein Arzt kam hinzu und fragte: „Guten Abend Frau Kollegin, was haben sie denn da mitgebracht?“ Jule: „Patient, männlich, 28 Jahre, war heute Morgen bei mir in Behandlung, weil er in Glasscherben getreten ist. Ich habe zwei kleine Glassplitter aus den Wunden entfernt, alles desinfiziert, Antiseptische Salbe aufgetragen und verbunden. Anschließend eine Tetanus Auffrischung gemacht. Zwei Aspirin gegen die Schmerzen gegeben. Ich denke, er hat eine Sepsis.“ Der Arzt: „Danke Frau Kollegin, ich kümmere mit um ihn. Ist er privat oder Kasse?“ Jule: „Er ist mein Bruder und ist privat versichert.“ Der Arzt: „Alles klar Frau Bergmann. Ich nehme ihm gleich Blut ab und sehe mir noch einmal die Wunden an den Fußsohlen etwas genauer an. Wissen sie zufällig, was die Wunden verursacht hat?“ Jule: „Er sagte nur, dass es Glasscherben von einer Flasche waren, in die er getreten ist. Mehr weiß ich auch nicht. Warum fragen sie?“ Arzt: „Vielleicht war es Bleikristallglas, oder es war verunreinigt. In einer Stunde wissen wir mehr. Sie können so lange draußen warten, ich gebe ihnen Bescheid, wenn ich die Ergebnisse habe.“ Julia kam aus dem Schockraum und Franz fragte gleich: „Und, ist es schlimm?“ Jule: „Wie es aussieht ist es eine Sepsis. Die hat er sich von den Glassplittern in seinen Fußsohlen zugezogen. Ich möchte nur wissen, wie man sich an einer Glasflasche eine solche Vergiftung zuziehen kann.“ Franz: „Hat er dir nicht erzählt wie es wirklich war?“ Jule: „Nein, was sollte er mir denn erzählen?“ Franz druckste herum und wollte ihr nichts sagen. Da platzte Julia der Kragen und sie schrie ihn fast an: „Verdammt noch mal. Der Arzt da drin hat mich gefragt, ob ich weiß was für eine Sorte Glas es war und ich konnte es ihm nicht sagen. War es Bleikristallglas?“ Franz: „ Das weiß ich doch auch nicht. Ich weiß nur, dass es von seinen Pokalen stammt, die er an der Börse gewonnen hat. Das waren so geschwungene blau-gelbe Trichter, mehr kann ich dir auch nicht sagen.“ Julia ließ ihn stehen und ging zurück in den Schockraum. Kurze Zeit später kam sie wieder zurück. Franz bot ihr eine Zigarette an und gab ihr Feuer. Julia meinte nur verärgert: „Ich höre, Herr Konrad.“ Franz kam aus der Nummer nicht mehr heraus. Er wusste, dass Julia so lange bohren würde, bis sie alles wusste. Franz fing nun an alles zu erzählen. Er schilderte ihr was am Morgen bei von Graben‘s geschehen war, bis zu dem Streit mit Isabell. Und zum Schluss auch noch, wie er Heinrich von Graben hinaus geworfen hatte. Julia war entsetzt und sagte fassungslos: „Hat die Alte noch alle Locken am Wickler? Wie krass ist die denn drauf. Ich schwöre dir, sollte sie mir einmal zwischen die Finger kommen, dann vergesse ich meine gute Kinderstube. Aber warum lässt sich Thomas das gefallen?“ Franz: „Du kennst doch deinen Bruder, er kann doch keiner Fliege etwas zu leide tun.“ Jule: „Franz, aber das ist doch kein Grund sich auf der Nase herum tanzen zu lassen. Irgendwann ist doch eine Schmerzgrenze erreicht. Wenn diese Schnepfe ihn mit so einem Pokal am Kopf getroffen hätte, das wäre nicht auszudenken. Falls ich sie jemals treffe, werde ich ihr meine Meinung sagen. Und wehe sie hebt ihre Hand oder macht Sperenzchen, dann Gnade ihr Gott.“ Franz: „Ich glaube nicht, dass du sie je zu Gesicht bekommst. Vielleicht ist sie ja schon in New York.“ Julia: „Je weiter sie weg ist, desto besser für alle. Ich verstehe aber ihren Vater nicht, dass der so etwas zulässt.“ Franz: „Denk doch an deinen Vater, der hat sich von deinen Schwestern auch einwickeln lassen, das ist im Grunde genau das Gleiche. Er hat ihnen auch alles durchgehen lassen.“ Sie rauchten ihre Zigarette fertig und gingen wieder hinein. Beide setzten sich in den Wartebereich. Jule: „Das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Heute Nachmittag kam der Professor zu mir. Zuerst dachte ich ja, dass er mich zusammenfalten würde, weil du bei ihm warst. Aber dem war nicht so. Ganz im Gegenteil, er wollte deine Telefonnummer. Ich habe sie ihm gegeben. Dann kam er auf meine Dissertation zu sprechen und meinte, ich solle ihm ab nächster Woche, einen wöchentlichen Rapport geben, den er dann überprüfen möchte. Er würde es lesen und gegebenenfalls Randbemerkungen dazu machen. Ich dachte zuerst der verarscht mich. Was hast du denn mit dem gemacht, dass er so weich gebürstet war?“ Franz: „Ich habe ihm nur die Konsequenzen klar gemacht, die auf ihn zukommen würden, wenn er nicht einlenken würde. Mehr war da nicht. Scheinbar war ich sehr überzeugend. Aber eine andere Frage, über was schreibst du denn in deiner Dissertation, welches Thema hast du?“ Jule: „Einfach gesagt, geht es darum wie sich die Knochen verhalten, wenn man sie mit Drähten, Nägeln und Schrauben zusammen fügt. Wie sieht das mit dem Wachstum und den Infektionen aus.“ Franz: „Das hört sich an, wie auf dem Bau, da wird auch genagelt, geschraubt und gebohrt. Zur Not könntest du auch auf dem Bau arbeiten.“ Jule: „Wenn die auf dem Dach Knochen verwenden, anstelle von Holz, wäre das kein Problem.“ Der Arzt kam vom Labor zurück und sprach gleich Julia an: „Sie hatten Recht mit der Sepsis. Verursacht wurde sie von Splittern mit Bleikristall. Da ist auch Kadmium und Blei drin, das hat die Sepsis ausgelöst. Er hat nun zwei Einheiten i.V. Breitband Antibiotikum bekommen und hängt nun am Tropf. Morgen früh müssten die Medikamente angeschlagen haben. Was mir aber mehr Kopfschmerzen bereitet, ist sein hohes Fieber. Es ist auf 39,8° gestiegen. Wenn es in den nächsten Stunden nicht fällt, müssen wir ihn in Eis packen.“ Julia wusste, dass dies nicht ganz ungefährlich war, weil der Körper zusätzlichen Belastungen ausgesetzt würde. Sie bedankte sich bei Dr. Häusler und der ging wieder zurück zur Station. Franz: „Und, wie sieht es aus?“ Julia: „Das Fieber ist auf 39,8° gestiegen. Er hängt jetzt am Tropf und bekommt Antibiotika. Wir können im Augenblick nichts für ihn tun. Lass uns nach Hause fahren, Thomas schläft erst einmal bis morgen früh.“ Franz war der gleichen Meinung und brachte Jule zu Villa. Da sie noch nichts gegessen hatten, begaben sich die beiden zuerst in die Küche. Dort saßen Maria und Kathi immer noch. Maria stand auf und lief Jule entgegen und fragte: „Wo wart ihr denn, ihr drei seit plötzlich verschwunden. Ist etwas passiert?“ Jule erklärte den beiden was geschehen war. Sie waren regelrecht geschockt, als sie die Diagnose Blutvergiftung hörten. Kathi fragte zaghaft: „Ihm wird doch aber nichts passieren, oder?“ Sie alle wussten was sie meinte und Jule beruhigte sie: „Er wird in zwei bis drei Tagen wieder Fieberfrei sein, wenn das Antibiotikum anschlägt. Ich denke, dass er Ende nächster Woche wieder zu Hause ist. So und nun müssen wir etwas essen, nicht war Franz?“ Julia merkte erst jetzt, dass Kathi hier war. Sie kannten sich ja noch nicht. Aber Thomas hatte ihr erzählt, dass Katharina bis auf weiteres bei ihnen wohnen würde. Sie stellte sich vor: „Sie müssen Katharina Haber sein, ich bin Thomas Schwester, Julia oder einfach Jule.“ Sie gaben sich die Hand. Katharina meinte dann: „Ich denke, ich muss jetzt meine Sachen aus dem Wagen holen. Karl hat vorhin den Schlüssel geholt aber nicht wieder gebracht. Wissen sie, wo der Schlüssel ist?“ Maria: „Das hätte ich jetzt fast vergessen. Ich habe Karl vorhin kurz getroffen und da hat er mir gesagt, dass er deine Sachen in das blaue Zimmer gebracht hat. Komm mit, ich zeige dir wo es ist.“ Kathi folgte ihr in die zweite Etage. Maria öffnete eines der Zimmer und machte das Licht an: „So, das wäre das blaue Zimmer. Du kannst ja Morgen die anderen auch ansehen, wenn es dir nicht gefällt“, meinte sie und gab ihr den Zimmerschlüssel. Maria zeigte ihr noch wie die Heizung zu bedienen war und öffnete den Kleiderschrank. Dort hingen dutzende von Bügel, auf denen sie ihre Sachen aufhängen konnte. Danach ging sie wieder zurück in die Küche zu den anderen. Julia fragte Maria: „Und gefällt ihr das Zimmer?“ Maria: „Also, wenn ihr das nicht gefällt, dann weiß ich auch nicht. Es ist das schönste auf dem ganzen Stock. Aber ich denke, sie wird müde sein, schließlich ist sie seit 4:00 Uhr heute Morgen unterwegs. Karl ist schon längst im Bett.“ Franz sah auf die Uhr und meinte: „Für mich wird es auch langsam Zeit zu gehen.“ Julia: „Kommt gar nicht in Frage, wir haben noch genügend Zimmer hier, suche dir eins heraus und bleibe über Nacht. Und morgen früh nach dem Frühstück, fahren wir ins Krankenhaus zu Thomas. Maria, ist noch etwas vom Abendessen da, ich habe nämlich tierischen Kohldampf.“ 10 Minuten später hatten Franz und Julia ein leckeres Essen vor sich stehen. Um 22:30 Uhr war bei den Bergmanns Schicht in Schacht. Alle Lichter gingen aus und sie lagen in den Betten. Kathi dachte immer noch es sei alles ein Traum. Vorgestern noch hatte sie in Frankfurt gearbeitet und jetzt lag sie hier in Potsdam im Bett einer Traumvilla. Bisher hatte sie nichts bereut. Heimlich erwischte sie sich dabei, wie sie betete, dass ihr Chef wieder gesund werden würde. Von all dem, bekam Thomas nichts mit. Er lag mit inzwischen 39,9° Fieber in einer Art Koma. Sein Gehirn hat einfach auf einen Schutzmodus umgeschaltet, damit dass Immunstem die Krankheit bekämpfen konnte. Dr. Herrmann überwachte ihn besonders sorgfältig, weil Lebensgefahr bestand. Das hatte nichts damit zu tun, weil er der Bruder einer geschätzten Kollegin war, noch damit dass er Privatpatient war. Gegen Mitternacht kletterte die Temperatur auf 40°. Er ließ ihn jetzt mit Kühlpads belegen, um so die Temperatur zu senken. Morgens um vier Uhr zeigte diese Maßnahme endlich Wirkung. Zusammen mit dem Antibiotikum, fiel die Temperatur auf 39,5°. Man spürte, dass sich Tommis Körper gegen die Sepsis wehrte. Um sieben Uhr war die Temperatur auf 39,3° gefallen. Der Arzt ließ nun die Pads wieder entfernen, um zu sehen, ob das Antibiotikum wirkte. Er wusste genau, wenn Tommi gegen dieses Antibiotikum resistent war, würde er den Kampf verlieren. Als eine Stunde später das Fieber nicht mehr stieg, übergab er den Patienten Bergmann, seinem Kollegen der Tagesschicht. Gegen 9:00 Uhr kamen Jule, Franzi, Charly, Nele und Franz ins Krankenhaus. Der Arzt Dr. Häusler, nahm Jule gleich in Empfang. Sie wollte natürlich wissen wie es ihm geht: „Ihr Bruder ist im Augenblick stabil. Dr. Herrmann hatte ihn in der Nacht kühlen müssen. Bis 7:00 Uhr, dann brach er die Kühlung ab. Das Antibiotikum hat angeschlagen und wie es scheint, wirkt es ganz gut. Aber lassen sie uns die nächsten 12 Stunden abwarten, dann wissen wir mehr. Ihr Bruder hat eine gute Konstitution und ist auch so gesund, er wird es bestimmt schaffen, da bin ich guter Dinge. Wenn er ein paar Stunden später gekommen wäre, hätte er es nicht überlebt.“ Jule: „Danke Herr Kollege. Können wir zu ihm?“ Häusler: „Er schläft jetzt, aber sie können zu ihm. Sie kennen ja das Prozedere.“ Damit meinte er, dass jeder einen Mundschutz und einen Kittel anziehen musste. Gemeinsam gingen sie in sein Zimmer. Thomas lag ganz blass in seinem Bett. An einer Hand tropfte die Infusionslösung durch einen Schlauch herein. An der anderen, hatte er die Klemme am Finger für das Monitoring. Sein Herz schlug schnell, aber gleichmäßig. Das in einer solchen Situation der Puls erhöht ist, war ganz normal. Abwechselnd hielten sie seine Hände. Sie wünschten ihm alle eine gute Besserung, obwohl er sie nicht verstand. Eine Stunde später verließen sie wieder das Krankenhaus. Sie wollten noch einmal gegen Abend nach ihm sehen. Als die fünf nach Hause kamen, saß Kathi mit Maria in der Küche. Kathi war beim frühstücken und Maria schnitt gerade grüne Bohnen. Jule kam als erste in die Küche und Kathi fragte sie gleich: „Und wie geht es ihm? Ist das Fieber herunter?“ Nun waren auch ihre anderen drei Schwestern herein gekommen. Franzi fragte Jule: „Ist das unser Gast?“ Jule hob beide Hände und sagte: „Eine nach der anderen, zuerst du Kathi. Thomas geht es besser, das Fieber ist gesunken es besteht im Augenblick keine Lebensgefahr. Und nun du Franzi, ja dass ist unser Gast. Darf ich vorstellen, das ist die alte und neue Sekretärin von Thomas, sie heißt Katharina Haber und wohnt solange bei uns, bis sie eine geeignete Wohnung gefunden hat. Und die anderen drei Damen sind meine Schwestern, von links nach rechts Charlotte, genannt „Charly“, Cornelia genannt „Nele“ und die Letzte im Bunde ist Franziska Spitzname „Franzi“. So, und nun hoffe ich, dass ich niemand vergessen habe.“ Sie gaben alle brav Pfötchen, wollten sie doch einen guten Eindruck hinterlassen. Jule fügte noch an: „Und lasst sie in Ruhe frühstücken, ihr könnt sie ja später mit euren Fragen löchern. Kathi, lass dir nichts gefallen, die können manchmal richtig fies sein.“ Franzi erwiderte: „Und du willst unsere Schwester sein?“ Jule schlagfertig: „Von wollen war nie die Rede, man hat mich nicht gefragt, ob ich solche Schwestern haben möchte.“ Kathi: „Würdest du denn gern andere haben?“ Jule: „Ich merke du beherrscht das Spiel. Aber um deine Frage zu beantworten, natürlich nicht, denn inzwischen kenne ich meine Pappenheimer.“ Sie schaute dabei Kathi an und blinzelte mit einem Auge, so dass alle lachen mussten. Nur Maria sah das nicht so und meinte: „In der größten Not werdet ihr alle noch froh sein, Geschwister zu haben. Es gibt nichts Schlimmeres als ein Einzelkind zu sein. So und wer von den Bergmann Damen hilft mir beim Essen kochen?“ Der Raum wurde deutlich leerer. Nur noch Jule und Kathi saßen am Tisch und natürlich Franz. Der war der stille und heimliche Beobachter. Er stand auf und sagte: „Lass die zwei, die haben bestimmt noch etwas anderes zu tun. Aber wenn ich dir helfen kann, dann mache ich es gerne. Wo ist denn die Schürze?“ Kathi schaute Jule an und zwinkerte auch mit einem Auge. Julia merkte schon lange, dass Franz nicht ungern mit Maria manchmal Kaffee trank oder in der Küche half. Das war ja nicht verwunderlich, kannten die beiden sich schon über zwanzig Jahre. Zuerst sprachen die beiden nur sporadisch miteinander, wenn Franz auf Herrn Bergmann senior wartete, weil dieser sich wieder einmal zu einem Termin verspätete. Aber seit einigen Jahren, führte sein Weg immer zuerst in die Küche zu Maria und dann erst zu Herrmann Bergmann. Julia fragte Kathi: „Ich fahre nach Berlin, möchtest du mitkommen?“ Da sie sowieso nichts zu tun hatte, ging sie mit Jule. Eine willkommene Gelegenheit, Berlin etwas kennenzulernen. Jule erklärte beim einsteigen in ihren Wagen: „Ich fahre die gleiche Strecke, die auch der Bus fährt, mit dem du direkt ins Werk kommst. Es ist die Linie 36.“ Sie fuhr bis kurz vor das Werk in Spandau und bog ab nach Charlottenburg, um dann in die Stadtmitte zu gelangen. Julia parkte den Wagen in einem Parkhaus, weil es hier nur ganz wenige Parkplätze gab und die Damen von Ordnungsamt sehr schnell Knöllchen verteilten. Unterwegs unterhielten sie sich über Thomas Verletzung. Kathi: „Was so ein paar Glassplitter alles anrichten können.“ Julia: „Es waren nicht direkt die Splitter, sondern die giftigen Farben die auf und an den Splittern waren. Ich denke, dass diese Pokale innen mit Farbe bestrichen waren, die Kobalt und Kadmium enthielten. Und das sind sehr giftige Stoffe. Da reichen schon einige Milligramm in der Blutbahn, um einen Menschen zu töten.“ Kathi: „Du bist Ärztin? Welches Fachgebiet hast du denn?“ Julia: „Orthopädie.“ Kathi: „Knochenbrecher, hat mein Vater immer gesagt.“ Julia: „Mit den Knochen haben die Orthopäden am wenigsten zu tun, die meisten Probleme machen Sehnen, Bänder oder Knorpelschäden. Natürlich sind auch viele Brüche dabei, die flicken wir dann so gut es eben geht wieder zusammen. Wenn ich meinen Facharzt habe, würde ich gerne eine eigene Praxis aufmachen.“ Kathi: „Und was kostet so etwas?“ Julia: „Frag nicht, sonst wird mir schwindlig. Da geht locker ein Zweifamilienhaus drauf.“ Kathi: „Dann must du eben Lotto spielen, vielleicht hast du das Glück mit einem sechser.“ Julia: „Da arbeite ich lieber weiter und spare, da ist die Wahrscheinlichkeit größer zu einer Praxis zu kommen.“ Kathi: „Darf ich Thomas besuchen?“ Julia: „Natürlich, warum nicht. Nur zu, schließlich kennt ihr euch ja schon lange. Ich denke, er wird sich über einen Besuch von dir freuen. Ich gebe dir nachher noch die Adresse. Wenn du heute Abend gehen möchtest, kannst du meinen Wagen nehmen, ich brauche ihn nicht mehr. Du hast doch einen Führerschein, oder nicht?“ Kathi: „Ich habe einen Führerschein und sogar ein Auto. Die Kiste ist aber schon 15 Jahre alt und hätte die Fahrt nach Berlin bestimmt nicht überlebt.“ Julia: „Hier in Berlin sollte man schon ein Auto haben. In der Stadtmitte sind die Busse und Bahn Verbindungen prima, aber wenn man weiter draußen wohnt ist das schon schwieriger. Ich höre mich einmal in meinem Bekanntenkreis um, vielleicht verkauft einer von ihnen günstig ein Auto. Wenn nicht, gibt es genug Autohändler hier, da wird schon etwas für dich dabei sein.“ Kathi: „Im Moment ist das nicht so wichtig, wichtiger ist eine günstige Wohnung.“ Julia: „Das machen Thomas und Franz, die haben bestimmt bald eine für dich. Du bist ja im Augenblick gut untergebracht, oder gefällt es dir nicht bei den Bergmanns?“ Kathi: „Doch, doch es ist schön bei euch. Aber eine eigene Bude ist doch immer besser. Schon alleine wegen der Arbeit. Wie sieht denn das aus, wenn die Sekretärin beim Chef wohnt?“ Julia: „Du bist nicht der erste Mitarbeiter der Bergmann Werke, der bei uns wohnt. Das waren schon einige und da hat auch keiner etwas gesagt. Und nun wird geshoppt, lass und ins KaDeWe gehen.“ Kathi konnte mit dem Begriff KaDeWe nichts anfangen, aber Julia erklärte es ihr, was KaDeWe war und bedeutete.

Am späten Nachmittag, besuchten alle Thomas im Krankenhaus. Es ging ihm deutlich besser und er war wieder aufgewacht. Die Medikamente haben Wirkung gezeigt und er würde in ein paar Tagen wieder nach Hause gehen. Das einzige Problem, waren seine Fußsohlen. Die Entzündung hatte großen Schaden angerichtet. Es würde noch Wochen dauern, bis er wieder ohne Hilfe laufen konnte. Es gab also nur zwei Möglichkeiten. Entweder er bliebe im Bett bis alles einigermaßen verheilt ist, oder er setzte sich in einen Rollstuhl. So war die Aussage von Dr. Herrmann. Thomas war alles andere als erfreut darüber, musste sich aber in sein Schicksal fügen. Alternativen gab es keine. So lange im Bett liegen zu bleiben, kam für ihn nicht in Frage, ein Rollstuhl musste her. Und da er keinerlei Übung im Rollstuhl fahren hatte, brauchte er noch jemand, der ihm dabei zur Hand ging. Zumindest für den Anfang, bis er etwas mehr Übung damit bekam. Thomas musste wieder ins Werk, gerade jetzt wo doch einige Dinge geklärt werden mussten. Da waren die Umstrukturierungen in der Firma, um sie effektiver und profitabler zu machen. Die Frage des hohen Ausschusses musste auch dringend geklärt werden. Laut den Unterlagen der Buchhaltung, geht es immerhin, um fast 10.000 Euro Schaden, der Monat für Monat entstand. Geld das die Firma dringend für andere Dinge gebrauchen könnte. Dann standen noch die Besuche in den Niederlassungen in Österreich und in Schanghai auf dem Plan. Als neuer Besitzer musste er dorthin, schon alleine um Flagge zu zeigen. Nichts ist schlimmer in einer Firma, wie wenn der Schlendrian Einzug hält. Mitten in seinen Überlegungen, klopfte es an der Tür und Kathi kam herein. In der Hand hatte sie eine Tüte mit Obst. Sie begrüßte ihn und sagte dann: „Hier ist Obst, an Stelle von Blumen. Wie geht es ihnen, Thomas?“ Er antwortete: „Ich bin noch einmal der Notschlachtung entgangen. Es war eng, haben Jule und Dr. Herrmann gemeint. Aber wie sie sehen, bin ich dem Sensenmann entwischt. Wie geht es ihnen Kathi, haben sie sich schon in der Villa zu Recht gefunden?“ Kathi: „Karl hat meine Klamotten gestern Abend in das blaue Zimmer gebracht. Ein sehr schönes Zimmer mit Blick zum See. Und sonst war ich nur in der Küche und habe mit Maria gekocht. Ach ja, mit Jule war ich heute Mittag shoppen, im KaDeWe, im Kaufhaus des Westens.“ Thomas: „Da hat sie dich gleich, in den größten Einkaufstempel von Berlin geschleppt. Haben sie eigentlich schon meine anderen Schwestern kennen gelernt?“ Kathi: „Ja, heute Morgen, aber nur ganz kurz. Als Maria gefragt hat, wer ihr beim kochen hilft, haben sie sich gleich verdrückt. Ich habe Jule gefragt, wo die drei denn arbeiten, da hat sie nur gelacht und gesagt, ich solle sie selber fragen. Ist dass so geheim oder schlimm was sie arbeiten?“ Thomas lachte nun auch und meinte: „Entschuldigung, aber die arbeiten nichts. Die drei sind faul wie die Nacht. Franzi hat seit ihrem Abi vor zwei Jahren, eine Auszeit genommen, um sich zu finden. Nele hat zwei Semester Kunst studiert und dann die Prüfung verhauen. Seit drei Jahren rührt sie keinen Finger mehr. Und Charly hat ein Semester Musik studiert und ist dann einfach nicht mehr hingegangen. Sie hat seit Jahren keinen Bock, überhaupt etwas zu tun. Sie sehen, die Damen wissen zu leben. Aber bitte sagen sie es nicht weiter.“ Kathi: „Und von was leben die drei, haben die Ersparnisse oder haben sie geerbt?“ Thomas: „Unser Vater hat ihnen alles bezahlt, dass erzähle ich ihnen ein anderes Mal. Aber fragen sie die drei selbst warum sie nicht arbeiten, ich bin gespannt was sie ihnen antworten.“ Kathi: „Es geht mich ja auch nichts an. Wissen sie schon, wann sie wieder hier herauskommen?“ Thomas: „In ein paar Tagen hat der Arzt gesagt. Nur habe ich das Problem, dass ich nicht laufen darf, bis meine Füße verheilt sind.“ Kathi: „Dann setzen sie sich eben in einen Rollstuhl und lassen sich schieben. Sie sind doch der Chef, da will sie doch jeder durch den Betrieb schieben.“ Thomas: „Ich dachte eigentlich das Gleiche. Nur möchte ich dann immer die gleiche Person die mich schiebt. Ich dachte zuerst an Franz oder Karl. Aber beide sind schon über 50, das kann ich den beiden nicht zumuten. Na ja, ich habe ja noch ein paar Tage Zeit, mir das zu überlegen. Aber ich habe ein ganz andere Problem.“ Kathi: „So? Und welches?“ Thomas: „Ich würde so gerne eine Zigarette rauchen. Aber erstens, habe ich keine hier, zweitens darf ich im Zimmer nicht rauchen und drittens, es ist sehr weit zum laufen ins Raucherzimmer.“ Kathi lachte und meinte: „Dem Manne kann geholfen werden. Ich komme gleich wieder.“ Sie stand auf und verließ das Zimmer. Nach einigen Minuten kam sie wieder, mit einem Rollstuhl im Schlepptau. Dann sagte sie: „Darf ich bitten, sogar mit Genehmigung der Oberschwester Doris. Und Zigaretten und Feuer habe ich auch.“ Thomas: „Sie sind halt doch eine Perle, ich habe es ja immer gesagt. Fehlt nur noch der Schampus und zwei Gläser.“ Kathi: „Schampus habe ich keinen, aber wenn es Sekt auch tut?“ Sie zog zwei Piccolo aus ihrer Handtasche und stellte sie auf den Nachttisch. Kathi schaute im Bad nach, wegen Gläser. Sie fand dort zwei Zahnputzbecher, aber in der Not frisst der Teufel die Wurst auch ohne Brot. Thomas hat sich inzwischen aus dem Bett in den Rollstuhl gedreht. Kathi schob ihn zum Zimmer heraus in Richtung Fahrstuhl. Thomas fragte wohin sie wollte und Kathi sagte: „Ich habe eine Ecke gefunden da darf man auch rauchen, da ist es viel schöner als in dem verqualmten Raucherzimmer. Vertrauen sie mir.“ Sie hatte es kaum ausgesprochen, da schrie Thomas: „Verdammte Scheiße, nichts wie weg hier. Des Teufels General kommt.“ Kathi wusste nicht was er meinte, sah aber wie er nach unten vor den Aufzug schaute. Jetzt sah es auch Kathi. Vor dem Aufzug im Erdgeschoss stand eine Frau mit zwei Krücken. Es war zweifellos Isabell. Kathi fragte: „Und wohin?“ Thomas: „Keine Ahnung, aber nur weg von hier.“ Kathi kam die Idee. Sie nahm ein Papiertaschentuch und wartete bis sich die Aufzugstür öffnete. Thomas schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Der fährt doch zuerst nach unten und da will ich bestimmt nicht hin.“ Kathi: „Ich ja auch nicht.“ Sie steckte das Taschentuch in das eine Loch der Lichtschranke und schon ging nichts mehr. Die Tür blieb einfach offen. Unten drückte Isabell schon zum zweiten Mal auf den Knopf. Ungeduldig stand sie vor dem Aufzug. Kathi lachte verschmitzt und meinte: „Mit den Krücken läuft sie nie Treppe hoch. Also haben wir nun genügend Zeit zur Flucht.“ Sie schob Thomas auf die andere Seite des Gebäudes. Dort gab es zwei Aufzüge für Patienten, die in den OP gebracht werden sollten. „Nur für Personal“ stand auf der Tür. Kathi drückte auf den Knopf und die Tür ging auf. Drinnen standen zwei Schwestern und schauten sie skeptisch an. Eine von ihnen bemerkte: „Sie wissen schon, dass dieser Fahrstuhl nur für Personal ist?“ Da sagte Kathi: „Sorry, er muss in die Ambulanz zu Frau Dr. Bergmann. Wollen sie ihn bitte hinbringen, ich nehme dann die Treppe. Der andere Fahrstuhl geht nämlich nicht.“ Da antwortete die andere Schwester: „Wir haben leider keine Zeit, bringen sie doch den Patienten dorthin. Danke.“ Kathi: „Dann drücken sie doch bitte den Knopf für das Erdgeschoss.“ Eine der Schwestern drehte sich um und drückte ihn. Im nächsten Stock stiegen die beiden Schwestern aus und der Aufzug fuhr nun ins Erdgeschoss. Kathi schob ihn aus dem Aufzug und Thomas fragte sie: „Und, was machen wir jetzt? Haben sie ihr Handy dabei?“ Kathi zog es aus der Tasche und gab es ihm. Er wählte eine Nummer und wartete auf die Verbindung: „Hallo, ich bin es. Was brauchst du, wenn du mich zu Hause behandelst?“ Er war still und hörte zu. Dann sagte er: „Unmöglich, Isabell ist hier. Keine zehn Pferde bekommen mich wieder in dieses Krankenhaus. Nun, was brauchst du?“ Thomas hörte wieder geduldig zu und meinte dann: „OK, dann rufe dort an, wir holen es dort in fünf Minuten ab. Ach, ehe ich es vergesse, ich leihe mir einen Rollstuhl von euch aus. Bis bald.“ Er legte auf und gab Kathi das Handy wieder. Kathi wollte natürlich wissen, mit wem er gerade telefoniert hatte. Thomas: „Na, mit Jule. Sie kann mich genauso gut zu Hause behandeln, wozu bin ich denn privat versichert?“ Kathi: „Und was wollten sie abholen?“ Thomas: „Die Medikamente und den Kram, den Jule zum verbinden und so braucht. Die in der Ambulanz richten es gerade. Sie können es in fünf Minuten dort abholen und danach fahren wir mit dem Taxi nach Hause.“ Kathi: „Aber ich habe doch Jules Auto, wir brauchen kein Taxi.“ Thomas: „Um so besser. Schieben sie mich bitte zu ihrem Wagen, bevor Isabell uns noch entdeckt.“ Kathi brachte ihn zum Wagen und ging zurück in die Ambulanz. Eine Schwester hatte tatsächlich eine Tüte mit verschiedenen Sachen gerichtet. Eine halbe Stunde später fuhren sie die Einfahrt zur Villa hoch. Dort standen alle und erwarteten sie. Vier Schwestern, Maria und Karl. Franz hatte sich schon am Nachmittag verabschiedet, zum Leidwesen von Maria. Sie halfen Thomas aus dem Wagen, setzten ihn in den Rollstuhl und fuhren ihn in den blauen Salon. Jede von ihnen stellte ihm Fragen, aber Thomas zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an, die ihm Kathi gegeben hatte. Dann zog er den Rauch genüsslich ein und sagte zu Kathi: „Wo bleibt der Schampus, my Lady?“ Sie öffnete ihre Handtasche und holte die beiden Piccolos, mitsamt den Zahnputzbechern heraus und öffnete eine Flasche. Sie schenkte ein und fragte: „Möchte sonst noch jemand ein Glas?“ Alle lehnten ab und warteten auf die Erklärung, weshalb er aus dem Krankenhaus mehr oder minder geflohen ist. Thomas und Kathi erzählten abwechselnd, was im Krankenhaus geschah. Alle waren sprachlos, nur Jule war sauer. Sie machte ihrem Bruder schwere Vorwürfe: „Vor nicht einmal 24 Stunden lagst du auf der Intensivstation mit 40° Fieber. Es war haarscharf an der Grenze. Jetzt sitzt du hier, als wenn nichts gewesen wäre. Und nun glaubst du, dass ich die Krankenschwester für dich spiele, nur weil ich deine Schwester bin? Thomas, du bist ein Idiot. Haut aus dem Krankenhaus ab, nur weil ihn seine Ex-Verlobte besuchen möchte. Du hättest sie hochkant hinausschmeißen können. Diese dumme Kuh ist doch an allem Schuld und was machst du? Du nimmst Reißaus vor ihr. Ich hätte sie angezeigt, nein zuerst hätte ich ihr eine reingehauen und dann angezeigt. Die Alte hat doch nicht mehr alle Lichter am Baum. Ich schöre, wenn sie hierher kommt, passiert etwas. Und nun mach deine Haxen auf den Stuhl, dass ich dich verarzten kann. Mann, oh Mann. Männer. Die einen sind zu brutal, die anderen haben kein Hirn und die dritte Sorte, lässt sich fast alles gefallen.“ Thomas legte die Füße auf den Schemel und ließ Jule Dampf ablassen. Als sie den Verband weg hatte, meinte sie: „Bruderherz, das sieht echt beschissen aus. Wenn dass nicht in einer Woche besser ist, dann musst du unters Messer. Das geht noch mindestens sechs Wochen, bis es anständig verheilt ist.“ Sie zog ihr Handy heraus und machte Fotos von beiden Fußsohlen. Die Salbe die Jule auf die Wunden auftrug, kühlte den Fuß etwas. Es war richtig angenehm. Das erste Mal seit langer Zeit, war die ganze Familie zusammen gesessen. Trotz des Verlustes der Eltern vor ein paar Wochen, alberten sie herum und erzählten sich Geschichten aus der Jugendzeit. Nur einer konnte nicht so viel dazu beitragen, das war Thomas. Weil er im Internat war, kannte er seine Geschwister nur von den Ferien her. Nur ungefähr 12 Wochen im Jahr waren alle fünf zusammen. Dann hatte sein Vater immer gesagt: „Mutter schau, das sind unsere vier Schnegge und eine Nudel.“ Sie waren immer stolz auf die fünf, obwohl sie ihnen mehr als einmal Ärger gemacht hatten. Thomas war immer der Musterknabe in der Familie. Er musste auch studieren, die Mädchen dagegen, hatten die freie Wahl. Thomas war sozusagen der Kronprinz, er sollte eines Tages die Firma übernehmen und weiterführen. Die Mädchen hatten noch eine Flasche Sekt aufgemacht. Selbst Maria trank noch ein Glas mit. Nur Karl war eisern, er trank grundsätzlich kein Alkohol. Er war sozusagen als Chauffeur immer im Dienst. Die Stimmung war ausgelassen, als plötzlich das Telefon klingelte. Jule sah auf die Uhr und meinte: „Wer ruft denn noch um 22:30 Uhr an?“ Sie hob ab und meldete sich. Dann hörte sie eine ganze Weile zu und sagte dann: „Nein, dem geht es gut, mehr braucht sie nicht zu wissen. Geben sie ihr auf keinen Fall seine Adresse. Diese Frau ist unberechenbar.“ Dann hörte sie wieder zu. Zum Schluss sprach sie: „Ich verlasse mich auf sie Herr Kollege. Danke, für den Anruf und eine ruhige Schicht wünsche ich ihnen.“ Dann ging sie wieder zurück in den blauen Salon. Sie erklärte, dass es einer ihrer Kollegen war, der nur etwas über einen ihrer Patienten wissen wollte. Der Anruf war gleich wieder vergessen. Nur eine halbe Stunde später läutete das Telefon wieder. Jule ging wieder dran. Nach fünf Minuten kam sie zurück und bog sich vor Lachen. Es ging bestimmt zwei bis drei Minuten, bis sie wieder klar reden konnte. Dann erzählte sie, was sie am Telefon in beiden Gesprächen erfahren hatte. Die ganze Geschichte fing damit an, dass Isabell vor dem Aufzug wartete, den Kathi mit einem Taschentuch blockierte. Sie drückte mehrfach den Knopf um den Aufzug nach unten zu holen. Doch nichts geschah. Sie drückte wieder und wieder den Knopf, aber wieder geschah nichts. Sie herrschte eine Schwester an: „Was ist das denn für ein Saftladen, indem nicht einmal ein Aufzug funktioniert? Holen sie mir dieses verdammte Ding nach unten. Sie sehen ja, dass ich keine Treppen steigen kann.“ Dabei hob sie ihre Krücken in die Höhe. Die Schwester erwiderte ihr aber, dass sie kein Aufzugsmonteur sei, sondern Krankenschwester. Diese wollte gerade gehen, als Isabell eine Krücke zwischen sich und der Krankenschwester an die Aufzugswand drückte, so dass sie nicht mehr weitergehen konnte. In einem scharfen Ton befahl ihr Isabell: „Sie holen mir diesen verfluchten Aufzug hierher, oder ich sorge dafür, das sie sich nach einem neuen Job umsehen müssen.“ Der Schwester blieb nichts anderes übrig als die Treppen hochzugehen um zu sehen wo der Aufzug blieb. Als sie in der dritten Etage das Taschentuch entdeckte, entfernte sie es und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Vor der Tür stand immer noch Isabell. Die Tür öffnete sich was Isabell veranlasste noch einmal zu schimpfen: „Es geht doch. Faules Angestellten Pack, warum nicht gleich so.“ Sie fuhr nach oben in die dritte Etage und begab sich auf Thomas Zimmer. Da er nicht da war, beschloss sie auf ihn zu warten. Als Thomas nach zwanzig Minuten immer noch nicht kam, humpelte sie hinaus und fragte gleich die erstbeste Schwester, wo Herr Bergmann sei. Da sie es nicht wusste, ging sie wieder zurück in Thomas sein Zimmer und wartete wieder eine halbe Stunde. Als dann Oberschwester Doris ins Zimmer kam, eskalierte alles. Isabell schrie die Oberschwester an: „Wo zum Teufel ist Herr Bergmann?“ Die Oberschwester: „Gewöhnen sie sich einen anderen Ton an, sonst lasse ich sie vom Sicherheitsdienst aus dem Krankenhaus entfernen. Herr Bergmann ist vorhin mit seiner Begleitung eine Zigarette rauchen gegangen.“ Isabell: „Und wohin genau?“ Oberschwester: „Das kann ich ihnen auch nicht sagen, die Patienten melden sich bei mir nicht ab.“ Isabell: „Da muss es doch ein bestimmtes Zimmer oder so etwas geben, wo man Rauchen darf?“ Oberschwester: „Dann versuchen sie es doch einmal im Raucherzimmer.“ Isabell: „Und wo ist das?“ Oberschwester: „Den Flur entlang und dann links ab, geradeaus und dann ist es das letzte Zimmer.“ Isabell: „Das ist mir zu beschwerlich, sehen sie nach ob er dort ist.“ Oberschwester: „Sehr gerne, wenn sie in der Zwischenzeit bei Herrn Schaub die Bettpfanne wechseln, sehe ich gerne nach. Und nun entschuldigen sie mich, ich habe zu tun.“ Isabell: „Nix da, sie holen mir sofort Herrn Bergmann hierher.“ Dabei stupfte Isabell die Oberschwester mit einer Krücke in den Bauch. Das hätte sie lieber nicht getan. Die Oberschwester zog an der Krücke und nahm sie ihr weg. Daraufhin drehte Isabell ganz durch. Sie nahm nun ihre zweite Krücke und schlug auf die Oberschwester ein. Sie traf sie am Kopf und auf der Schulter, sogar Blut floss. Doris blieb nichts anderes übrig, als den Rückzug zu nehmen. Sie flüchtete aus dem Zimmer und verschloss es, so dass Isabell darin eingesperrt war. Isabell merkte dies sofort und fing an zu randalieren und warf alles an die Tür, was ihr in die Hände fiel. Oberschwester Doris hatte inzwischen den Stationsarzt informiert und der hatte kurz zuvor mit Jule telefoniert, weil Isabell schon bei ihm war und die Adresse von Thomas haben wollte. Weil er aber sah, dass auch sie Fußverletzungen hatte, dachte er gleich an häusliche Gewalt, die aber bestimmt nicht von Thomas Bergmann ausging. Als Dr. Häusler von der Attacke an der Oberschwester erfuhr, rief er die Polizei. Die sah was Isabell aus dem Zimmer gemacht hatte. Es war das reinste Schlachtfeld. Der Einsatzleiter fragte Dr. Häusler: „Was für einen psychischen Eindruck haben sie von der Frau?“ Dr. Häusler: „Sie ist desorientiert und psychisch labil. Ein Kollege von der Psychiatrie sollte sie sich einmal ansehen.“ Zu dritt mussten sie Isabell aus dem Zimmer holen und mit dem Rollstuhl in den Streifenwagen setzen. Die Beamten fuhren sie gleich in die psychiatrische Abteilung in die Charité. Als dies Jule erzählte, fingen alle an zu lachen. Franzi: „Sie sitzt jetzt in der Klapse?“ Jule: „Ja, für die nächsten 48 Stunden. Stellt der Psychiater fest, dass sie psychische Probleme hat, kann sie für sechs Wochen eingewiesen werden, sofern sie eine Gefahr für die Allgemeinheit ist. Ich wünsche das niemanden. War man erst einmal in der Psychiatrie, hat man für immer den Makel, verrückt zu sein.“ Charly: „Und wenn sie tatsächlich eine Klatsche hat?“ Jule: „Dann bleibt sie drin.“ Thomas warf ein: „Das glaube ich nicht. Egal ob sie krank ist oder nicht, ihr Vater wird sie bis spätestens morgen Abend wieder herausholen. Der hat so viele Freunde, Bekannte und Beziehungen. Isabell ist nicht krank, sie ist einfach ein verzogenes Göhr. Sie hat immer alles bekommen und verkraftet es nicht, dass ihr jemand einen Korb gegeben hat. Es ist gekränkte Eitelkeit was sie hat.“ Kathi: „Aber das rechtfertigt doch nicht, dass man andere, vor lauter Wut verletzt. Wenn sie diese Schwester falsch getroffen hätte, wäre sie vielleicht daran gestorben.“ Jule dachte gerade das Gleiche, meinte aber nicht die Schwester, sondern ihren Bruder Thomas. Hätte ihn einer der Pokale am Kopf getroffen, wäre es nicht so glimpflich ausgegangen, obwohl die Sepsis auch nicht gerade ein Spaziergang war.

4 Schnecken und eine Nudel

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