Читать книгу SOKO Jana Hoffmann - Benjamin Webster - Страница 4
ОглавлениеKapitel 2 – Die Ermittlungen beginnen
Und wieder schneite es. Auf den Straßen blieb der Schnee liegen, sehr zum Leid der Autofahrer. Überall sah man orangene Lichter blinken. Sie stammten von Warnblinkanlagen von stecken gebliebenen Fahrzeugen, oder von den unentwegt fahrenden Räumfahrzeugen. Leni war mit Micki zusammen die ersten im K1. Micki warf die Kaffeemaschine an und Leni setzte heißes Wasser für ihren Earl Gray Tee auf. Danach ging Leni noch einmal die Liste der Zeugen durch, welche sie heute befragen mussten. Sie wollten das Noble House und den Big Apple einen Besuch abstatten, schließlich waren beide Lokale die letzten Örtlichkeiten, die Jana Hoffmann und ihre Freundin besucht hatten. Danach hat sie, außer dem Taxifahrer, der die beiden nach Hause fuhr, keiner mehr gesehen. Mit dem Taxifahrer hatte Micki vereinbart, dass sie ihn zwischen 12:00 und 13:00 Uhr an seinem Standort am Bahnhof treffen wollten. Sie hatten wenig Hoffnung, dass Hans Traber, so hieß der Fahrer, etwas ungewöhnliches bemerkt hatte. Auf der Liste stand weiter der Hausmeister Ralf Faller, der sich vergeblich um einen Termin bei Frau Hoffmann bemühte. Die SpuSi hatte bestätigt, dass die Spüle tropfte. Aber als erstes wollten sie noch einmal zum Kioskbesitzer Mario Jukitsch gehen. Wenn sie Glück hatten, würden sie das defekte Schloss seiner Haustür bekommen. Die KTU könnte feststellen, wie alt der Sekundenkleber in dem Schließzylinder war. Ferner waren da noch die beiden schwarzen Müllsäcke, deren Verbleib noch nicht geklärt war. Auch Fingerabdrücke mussten sie noch von ihm nehmen. Sie notierten alles auf dem Flipchart. Danach wollten sie zum Arbeitsplatz von Jana Hoffmann. Vielleicht würden sie dort mehr über ihr geschäftliches und privates Umfeld erfahren. Auf dem anderen Flipchart, stellte Micki eine Liste der Gegenstände zusammen, die der Mörder mitgenommen hatte oder vermisst wurden. Untereinander notierte sie, mindestens vier Seile oder Taue, zwei dünne Kabel, eine Büchse Montageschaum der Marke Schaumie, eine Flasche Chlor-Reiniger, ein Bettbezug, mehrere Handtücher, Verbandsmaterial, eine Flasche Liquid Axtesie inklusive eines Tropfes, ein oder mehrere Reinigungstücher. Zum Schluss schrieb sie einen leeren Pizzakarton darunter. Bevor sie sich auf den Weg machten, tranken sie noch in Ruhe ihren Kaffee bzw. Tee aus. Ausnahmsweise fuhr heute Leni, weil sie den Weg zur Herrmannstraße bereits kannte. Die Straßenverhältnisse machten ihr zu schaffen, war sie Schnee nicht gewohnt. In Hamburg und Lübeck schneit es nun einmal nicht soviel, wie hier in Karlsruhe. Und wenn doch, bleibt er nicht so schnell liegen. Sichtlich erleichtert parkte sie direkt vor dem Kiosk. Mario Jukitsch hatte gerade seinen Kiosk geöffnet und sortierte die neuen Zeitungen in die entsprechenden Ständer und Fächer ein. Er stülpte eine durchsichtige Folie darüber um den Lesestoff vor dem Schnee zu schützen. Mario begrüßte sie gleich und bat die beiden Kommissarinnen nach innen in den Kiosk. Dann fragte er: „Was kann ich heute für sie tun?“ Micki: „Sie haben uns doch gesagt, dass sie den Schließzylinder auswechseln mussten, weil er mit Sekundenkleber blockiert wurde. Haben sie ihn noch?“ Mario: „Den habe ich in den Müll geworfen, es war nicht mehr viel übrig davon. Ich habe den Zylinder aufbohren müssen und ihn dann heraus geschlagen. Wenn sie wollen hole ich ihn aus der Tonne.“ Micki: „Das wäre sehr nett Herr Jukitsch.“ Und Mario machte sich auf den Weg in den Innenhof zu den Mülltonnen. Nach fünf Minuten kam er wieder und übergab Leni die traurigen Reste des Zylinders. Dabei fragte er: „Warum brauchen sie ihn denn, wenn man fragen darf?“ Leni: „Für eine forensische Untersuchung des Klebers. Anhand der Rückstände, können unsere Spezialisten feststellen, wann der Kleber aufgebracht wurde. Aber eine andere Frage. Der Pizzabote, der am Sonntag die Pizzen für Haberle’s gebracht hat, sagte aus, das er beim verlassen des Hauses beinahe über zwei schwarze Müllsäcke auf dem Treppenabsatz bei ihnen gestolpert wäre. Haben sie die Müllsäcke auch bemerkt?“ Mario: „Ja die habe ich auch gesehen, waren die nicht von Haberle’s? Ich dachte da sei Schmutzwäsche vom Urlaub darin, deshalb habe ich sie stehen lassen. Sie waren ja am nächsten Morgen weg. Wieso, gehörten sie denn nicht den Haberle’s?“ Leni: „Nein. Sie könnten vom Mörder da abgelegt worden sein. Könnten wir von ihnen noch Fingerabdrücke haben? Wir brauchen sie, um sie mit den anderen Abdrücken zu vergleichen, um sie ausschließen zu können. Uns interessieren nur fremde Abdrücke, die nicht von den Hausbewohnern stammen.“ Bereitwillig gab ihnen Mario seine Fingerabdrücke. Von den Haberle’s brauchten sie keine, weil sie zur Tatzeit nicht anwesend waren. Dann verabschiedeten sie sich wieder und machten sich wieder auf den Weg. Mario hatte ihnen noch die Adresse und Telefonnummer der Hausverwaltung gegeben. Es war die Inter AG, die hier das Haus betreute. Wie sie später erfuhren, betreute die Inter AG insgesamt über 1200 Wohnungen in Karlsruhe und Umgebung. Als Nächstes stand der Besuch bei der Firma CSC GmbH auf der Liste. Dazu mussten sie zur Jakobistraße 31 fahren. Micki übernahm nun das Steuer. Aber auch sie rutschte mehr, als dass sie fuhr. Leni konnte es sich nicht verkneifen und meinte: „Man merkt sofort das du mehr Erfahrung bei Schnee hast, du rutscht viel eleganter als ich. Dafür habe ich wieder mehr Erfahrung bei Sturm.“ Beide lachten und Micki rutschte weiter in Richtung Jakobistraße 31. Eine halbe Stunde später, waren sie endlich dort. Vor der Eingangstür stand ein großes Schild, auf dem Call Service Center GmbH stand. Micki klingelte und eine weibliche Stimme fragte freundlich: „Wer ist da?“ Und Leni betete das übliche „Kriminalpolizei Karlsruhe“ herunter. Der Türsummer ging und die Tür ließ sich öffnen. Sie stiegen eine halbe Treppe hoch und landeten am Empfang. Beide zeigten ihre Dienstausweise und fragten nach den beiden Geschäftsführern Lukas Schneider und Eric Johanson. Die junge Dame am Empfang griff zum Hörer und fragte in der Chefetage nach, ob die Herren Zeit hätten. Dann sagte sie: „Mit dem Aufzug in den vierten Stock, dann gleich links. Die beiden Herren holen sie ab.“ Sie taten dies, wie ihnen gesagt wurde und fuhren hoch in die vierte Etage. Als die Aufzugstür aufging, warteten zwei Männer auf sie. Sie waren beide um die dreißig und sehr elegant und teuer gekleidet. Leni ging voran und sie stellte sich und Micki vor. Lukas Schneider fragte als Erster: „Kriminalpolizei? Ist was mit Jana?“ Sie gingen weiter und setzten sich in den Konferenzraum. Leni fragte: „Wie kommen sie auf Jana?“ Er antwortete: „Weil sie seit gestern nicht mehr zu erreichen ist. Heute ist sie auch noch nicht zur Arbeit erschienen. Das ist sonst gar nicht ihre Art. Ist Jana etwas zugestoßen, hatte sie einen Unfall oder so?“ Micki: „Jana Hoffmann wurde gestern Morgen in ihrer Wohnung Tod aufgefunden. Sie wurde ermordet.“ Den beiden Geschäftspartnern war das Entsetzen anzusehen. Wie versteinert saßen sie in ihren Sesseln. Nach Fassung ringend sagte Eric Johanson: „Ach du lieber Himmel. Wer tut so etwas. Wissen sie schon wer es war?“ Lukas Schneider unterbrach ihn und meinte: „Wenn die Polizei das wüsste, wären die Damen wohl kaum hier. Ich denke sie wollen nun bestimmt ihr Büro sehen und haben auch noch Fragen an uns. Einen Augenblick bitte, ich gebe unserer Sekretärin Bescheid, dass wir in der nächsten Stunde nicht gestört werden wollen. Möchten sie einen Kaffee, Tee oder etwas anderes?“ Sie nahmen einen Kaffee. „Was wollen sie wissen?“ fragte Johanson. Leni fing an mit der Befragung: „Zuerst einmal möchten wir wissen, ob Frau Hoffmann von irgendjemand bedroht wurde, oder ob sie Feinde hatte.“ Schneider: „Also innerhalb der Firma bestimmt nicht. Alle unsere Mitarbeiter stehen voll hinter der Firma. Wir haben hier ein sehr gutes Betriebsklima. Es kommt auch einmal vor, dass der eine oder andere miese Laune hat, aber deswegen bringt man doch keinen um.“ Leni: „Mit was genau verdienen sie hier ihr Geld?“ Johanson: „Wir machen Telefonmarketing, Adressenhandel, Alibiservice, Support für verschiedene Firmen und seit einem Jahr haben wir auch eine Sexhotline. Das sind unsere Betätigungsfelder. Wir haben über zwei Millionen Kunden weltweit. Unser Jahresumsatz beträgt über acht Millionen Euro jährlich und haben insgesamt 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Micki: „Alle hier angestellt?“ Johanson: „Nein. Angestellte haben wir etwas über fünfzig. Der Rest ist selbstständig, oder sitzt im Ausland und ist dort angestellt.“ Micki: „Welchen Aufgabenbereich hatte Frau Hoffmann innerhalb der Firma?“ Schneider: „Sie hatte das Callcenter unter sich. Dazu gehören, der Alibiservice, und die Sexhotline. Die anderen Bereiche stehen unter unserer Zuständigkeit. Die Aufgaben sind bei uns klar verteilt. Jeder hat sein Gebiet in dem er sein Bestes gibt. Egal was einer macht, die Bezahlung ist für die Geschäftsführer gleich. Also alle Gewinne oder Verluste, werden geteilt.“ Micki: „Kannten sie Frau Hoffmann auch privat? Ich meine, hatten sie auch private Aktivitäten?“ Johanson: „Klar, wir sind öfters einmal zum Essen oder Tanzen ausgegangen.“ Leni: „Und wo sind sie zum tanzen hingegangen?“ Schneider: „Ins „Big Apple“ natürlich. Manchmal auch ins „Noble House“. Leni: „Wann haben sie Jana zum letzten Mal gesehen, oder gesprochen?“ Johanson: „Ich habe mit ihr das letzte Mal am Freitag um 17:00 Uhr gesprochen. Ich habe ihr noch ein paar Unterlagen gebracht, die sie für den Montag brauchte. Kurz danach ist sie gegangen.“ Schneider: „Und ich habe sie um 16:00 Uhr gesprochen. Ich habe mich von ihr verabschiedet und ihr ein schönes Wochenende gewünscht.“ Leni: „Wo waren sie am Sonntagabend zwischen 20:00 Uhr und 22:00 Uhr.“ „Da waren wir bei mir und haben Karten gespielt“, meinte Johanson. Und Schneider bestätigte das durch ein „ja“ und Kopfnicken. Leni fragte weiter: „Wissen sie ob Frau Hoffmann noch Verwandte hatte?“ Schneider: „Soviel ich weiß, hatte sie keine Verwandtschaft mehr, außer einer Tante. Das war glaube ich die Schwester ihrer Mutter. Die muss irgendwo in der Schweiz wohnen. Aber wo kann ich ihnen auch nicht sagen.“ Micki: „Wie sah es denn mit ihrem Liebesleben aus, hatte sie häufig wechselnde Beziehungen, oder hatte sie einen festen Freund?“ Schneider: „Im Augenblick war sie Solo. Ihrem letzten Freund hat sie den Laufpass gegeben, weil er ihr einen Antrag gemacht hatte. Jana hatte schon immer Probleme mit den Männern. Jeder der ihr zu Nahe kam und von Hochzeit redete, wurde gefeuert. Von heute auf morgen, beendete sie die Beziehung.“ Micki: „Wissen sie noch die Namen der Verflossenen?“ Johanson: „Der Letzte war Heiko Weiss. Ein feiner Kerl. Der hat sie abgöttisch geliebt. Er hätte alles für sie getan. Mit ihm war sie circa ein Jahr zusammen. Manchmal sehe ich ihn in der Stadt, wenn er Blumen für den städtischen Bauhof gießt. Ich meine er ist Landschaftsgärtner. Und davor das war, glaube ich, Jens Dahlke. Mit ihm war sie nicht solange zusammen. Mit Uwe war sie wohl am längsten zusammen. War auch schwer in Ordnung. Der arme Kerl arbeitet auf dem Standesamt und musste seine eigene Hochzeit absagen. Der war schwer geknickt und war richtig sauer auf sie. Er hat sie Monate lang verfolgt und Telefonterror gemacht. Wie hieß der noch gleich?“ Johanson: „Matt, Uwe Matt hieß der.“ Leni: „Wie ist es eigentlich mit den Geschäftsanteilen jetzt nach ihrem Tod geregelt?“ Johanson: „Das haben wir gleich bei der Gründung notariell festgelegt. Wenn einer der Gesellschafter stirbt, erben die anderen beiden zu gleichen Teilen dessen Anteile. Wenn einer der Gesellschafter seinen Anteil verkaufen möchte, so haben die beiden anderen Gesellschafter das Vorkaufsrecht.“ Leni: „Dann haben sie ja von ihrem Tod profitiert?“ Schneider: „Materiell gesehen ja. Aber menschlich ist es ein großer Verlust. Da sie den Callcenter alleine führte, fehlt uns natürlich eine helfende Hand. Alleine bekommen wir das nicht gestemmt. Vielleicht bekommen wir adäquaten Ersatz für Jana.“ Micki: „Ihre Adressen und Telefonnummern brauchen wir noch. Wären sie bitte so gut, die Adresse usw. hier in diesen Fragebogen einzutragen. Ach ja, führen sie noch auf, wo sie am Samstag und am Sonntag tagsüber bis gegen 23:00 Uhr waren und wer ihre Angaben bestätigen kann. Können wir in der Zwischenzeit das Büro von Frau Hoffmann ansehen?“ Lukas Schneider betätigte die Gegensprechanlage und sagte: „Anna, könntest du bitte kommen?“ Anna Gruber war die gemeinsame Sekretärin der drei Gesellschafter. Als sie kam sagte er zu ihr: „Würdest du den Kommissarinnen das Büro und die Abteilung von Jana zeigen?“ Und Anna begleitete sie in das Büro von Jana Hoffmann. Es war sehr modern und geschmackvoll eingerichtet. An den Wänden hingen mehrere Gemälde. Abstrakte Kunst schien ihr zu gefallen. An der Wand hinter ihrem Schreibtisch hing aber eine Scheibe eines Felsbrockens. Sie war aus Granit und war mit Sicherheit sehr schwer. Leni gefiel es gleich und meinte: „So ein Ding hätte ich auch gerne im Wohnzimmer.“ Anna Gruber schaute sie an und sagte: „Da sind sie nicht die einzige. Wenn sie die nötigen Mittel und eine zwanzig Zentimeter verstärkte Wand haben, ist das kein Problem. Wenn sie wollen gebe ich ihnen die Adresse des Künstlers.“ Micki: „Was kostet so was?“ Anna: „Das Teil hier hat fix und fertig 180000.- Euro gekostet. Jana sagte immer das wäre die sicherste Geldanlage der Welt. Vor allem ist es Diebstahl sicher. Für den Abtransport braucht man einen Kran. Das Ding wiegt immerhin knapp drei Tonnen.“ Dem Büro sah man an, dass hier Geld verdient wurde. Auf dem Schreibtisch standen mehrere Monitore. Sie bildeten, mit der dazugehörigen Tastatur, den zentralen Punkt des Tisches. Auf dem Tisch stand nur noch ein Laptop. Zwei kleinere Schränke standen auf der rechten Seite an der Wand. Leni öffnete den ersten. Er war voller Ordner, die alphabetisch geordnet waren. Leni fragte Anna was in den Ordnern wäre. Anna: „Das sind alles Kunden Daten. Hier sind alle Kundenadressen untergebracht. Einmal im Quartal, werden die Daten aktualisiert.“ Dann öffnete sie den zweiten Schrank. Auch dieser war fast voll mit Ordnern. Leni: „Sie haben aber viele Kunden.“ Anna: „Weit über zwei Millionen und jeden Monat kommen weitere 5000 dazu.“ Ein Ordner erregte aber ihre Aufmerksamkeit. Er war rot und hatte „Privat“ als Aufschrift. Leni zog ihn heraus und blätterte darin. Nach kurzen überfliegen vom Index, waren alle Dokumente wirklich privat. Hier hatte sie alle Versicherungen und Verträge eingeordnet. Micki hatte inzwischen die Schubladen der Rollcontainer durchsucht. Aber außer Büroutensilien und Schreibpapier, hatte sie nicht besonderes gefunden. Leni ließ sich noch die E-Mail - Adresse geben, um ihre E-Mails zu checken. Sie nahmen nur den Laptop und den einen Ordner mit aus dem Büro und gingen dann wieder in den Konferenzraum zurück. Dort waren beide Geschäftsführer noch mit dem Ausfüllen des Fragebogens beschäftigt. Leni bekam, beim herein gehen, nur noch den Rest des letzten Satzes mit, den Schneider zu Johanson sagte. Und das war: „…sonst gehen wir in die Kiste.“ Ihr wurde sofort klar, dass mit Kiste das Gefängnis gemeint war. Sie sprach zu beiden: „Komme ich zu Früh, oder brauchen sie noch mehr Zeit um sich abzusprechen. Also meine Herren, was sollen wir nicht wissen, damit sie nicht in den Knast müssen?“ Beide zuckten zusammen und Schneider sagte spontan: „Sie haben mich aber erschreckt.“ Leni: „Nur den der Angst hat, oder ein schlechtes Gewissen hat, kann man erschrecken. Nun was ist? Was wollen sie uns verschweigen?“ Johanson antwortete: „Nichts Frau Kommissarin. Ich habe nur so zum Spaß gesagt, das Lukas auch die Pinkelpausen aufschreiben soll, sonst kommt er womöglich noch in die Kiste, dass war alles.“ Leni: „Und?“ Johanson: „Was und?“ Leni: „Haben sie?“ Johanson: „Was habe ich?“ Leni: „Alle Toilettengänge aufgeführt?“ Schneider: „Sie machen Scherze!“ Leni: „Ich will von ihnen wissen wo sie an beiden Tagen nachmittags und abends waren, also von 14:00 bis 22:00 Uhr. Ich glaube sie haben die Situation noch nicht erfasst. Es geht hier um Mord, um Mord an ihrer Partnerin. Das kann doch nicht schwer sein, aufzuschreiben, wo sie waren. Meine Kollegin wird so lange bei ihnen bleiben bis sie den Fragebogen ausgefüllt haben, für den Fall das sie noch fragen haben.“ Micki nickte ihr zu und setze sich an das andere Ende des Tisches und schlug den Ordner auf, den sie aus dem Büro mitgenommen hatten. Anna brachte Leni einen Stock tiefer, in die Abteilung von Jana Hoffmann. Es war ein Großraumbüro, das in kleine Kabinen unterteilt war. Auf der einen Seite, befand sich das Alibi – Service Center. Anna erklärte Leni wie das funktionierte: „Wir haben Kunden die möchten einmal eine oder zwei Stunden raus aus ihrem Alltag. Dann stellen sie ihr Telefon um auf unseren Service. Er ruft bei uns an, nennt seinen Namen und alle relevanten Daten und gibt die Zeit an, für die er Ruhe haben möchte. Er gibt uns dann an, warum er verhindert ist und wir geben diese Infos an eventuelle Anrufer weiter. Dann erledigen wir alle Anrufe, solange bis er die Rufumleitung wieder heraus nimmt.“ Leni: „Sie geben den Leuten falsche Alibis. Ist das rechtlich erlaubt?“ Anna: „Seit wann sind Notlügen verboten? Wir decken doch kein Verbrechen. Wir dehnen doch nur die Zeit etwas, zugunsten unserer Kunden.“ Leni ging in eine der Kabinen und hörte eine Weile zu. Die Telefonistin sagte mit freundlicher Stimme: „….ich werde es Dr. Hansen ausrichten. Aber wie gesagt das Meeting geht bestimmt noch zwei Stunden. Ich bedanke mich für ihren Anruf und wünsche ihnen noch einen schönen Tag.“ Bei den anderen Kabinen gaben die Mitarbeiter der Alibi Agentur ähnliche Auskünfte. Einmal war die Chefin beim Friseur, eine andere hatte das Flugzeug Verspätung usw. Leni: „Und das glauben die Leute?“ Anna: „Natürlich, warum nicht. Sie sind ja mit der richtigen Nummer verbunden, also sind sie bei uns an der richtigen Adresse.“ Leni konnte es kaum glauben. Aber sie hatte wieder etwas dazu gelernt, nämlich noch etwas genauer auf die Telefonlisten von Verdächtigen zu schauen. Auf der anderen Seite des Büros, befand sich die Support- und Sex Hotline. Die Damen und Herren von Support versuchten Kunden Bedienungsfehler an Geräten und von Software zu erklären. Eine sehr schwierige Aufgabe. Jeder der schon einmal Probleme mit der Software oder mit einem Drucker hatte und dann die Hotline angerufen hat, weiß von was ich spreche. Diese Mitarbeiter hatten ihr Geld wirklich verdient. Dann ging sie weiter zu Sex Hotline. Hier wurde nicht nur Telefonsex sondern auch virtueller Sex verkauft. Die einen hatten Monitore vor sich, die die Kunden weiterleiteten zur entsprechenden Dame oder Herren. Leni: „Das stumpft doch ab, den ganzen Tag nackte Männer und Frauen bei der Masturbation oder beim Sex zuzuschauen?“ Anna: „Das kann ich ihnen nicht beantworten. Für mich wäre das nichts.“ Die restlichen Angestellten säuselten und stöhnten was das Zeug hielt. Obwohl man heute an jeder Ecke Pornos und andere Hilfsmittel bekommt, rufen Schätzungsweise zwei Millionen Männer und Frauen diese Hotlines an. Leni sprach noch mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber alle waren mit ihrer Chefin zufrieden. Kein sagte ein böses Wort über sie. Im Gegenteil, viele lobten sie, weil sie nicht arrogant oder hochnäsig war. Bei der Abteilungsleiterin hinterließ sie einige ihrer Karten und erklärte ihr den Sachverhalt, für den Fall das einer der Mitarbeiter etwas gehört oder gesehen hätte. Sie verließ wieder die Abteilung und begab sich zusammen mit Anna nach oben. Im Fahrstuhl fragte Leni: „Wie war denn das Verhältnis der beiden Herren mit Frau Hoffmann?“ Anna Gruber: „Im Allgemeinen würde ich gut sagen. Manchmal gab es schon Probleme, vor allem wenn die ein neuer Geschäftsbereich eingeführt werden, oder ein anderer eingestellt oder gekürzt werden sollte. Aber nach ein bis zwei Wochen hatten sie sich zusammen gerauft und das Problem gelöst.“ Leni: „Gab es auch schon richtigen Zoff untereinander?“ Anna: „Eigentlich nie. Alle drei kennen sich ja schon lange, da kennt jeder den anderen und weiß genau wie weit er gehen kann.“ Leni: „Gab es auch schon Streit mit einem Kunden? Ich meine, ist einer hierher gekommen und hat richtig Zoff gemacht?“ Anna: „Nein noch nie. Da wir nur am Telefon operieren und jeder Kunde vorab auf die Preise hingewiesen wird, sind die Fronten geklärt. Vor fünf sechs Jahren hatten wir einmal einen, der wollte unbedingt eines der Mädchen kennen lernen, mit der er jeden Tag virtuell zusammen war. Das Mädchen hat ihn dann nicht mehr angenommen und Ruhe war.“ Leni: „Gibt es auch perverse unter den Kunden, die also brutale Dinge von den Mädchen wollen?“ Anna: „Die gibt es sicherlich auch. Aber die Mädchen blocken das sofort ab und trennen dann die Leitung.“ Leni stand nun wieder im Konferenzraum. Die beiden Gesellschafter von Jana waren noch am schreiben. Es sah so aus, als würden sie eine Arbeit schreiben und Micki würde als Lehrerin alles überwachen. Leni setzte sich neben sie und fragte: „Etwas gefunden?“ Micki schüttelte mit dem Kopf. Leni schaute auf die Uhr und deutete darauf was nichts anders bedeutete, das es langsam Zeit wurde, hier fertig zu werden. Leni fragte: „Wie sieht es aus meine Herren. Brauchen sie noch lange?“ Lukas Schneider schaute sie an und meinte: „Sind wir hier bei einer Klassenarbeit?“ Leni: „ Ich will von ihnen keine Details, sondern nur kurz und bündig von dann bis dann war ich da und von dann bis dann dort. Mehr nicht. Ich will auch nicht wissen was sie wann und wo gemacht haben sondern nur wo sie waren, sonst nichts.“ Johanson brachte sich nun ein: „Wissen sie überhaupt wie viel eine Stunde uns kostet?“ Leni: „Wissen sie wie viele Jahre es für Mord gibt? Wir können diese Unterhaltung auch auf dem Präsidium weiterführen, wenn ihnen das lieber ist.“ Lukas Schneider war der erste der den Bogen ausgefüllt hatte. Er stand auf und gab ihn Leni. Dann sagte er: „Das war die letzte Unterredung mit ihnen ohne Anwalt. Falls sie noch fragen haben, wenden sie sich bitte an ihn. Anna gibt ihnen seine Nummer. Einen schönen Tag wünsche ich noch.“ Dann verließ er den Raum. Johanson stand nun auch auf und legte seinen Bogen auf den Tisch. Dann sagte auch er: „Ich schließe mich den Ausführungen meines Geschäftspartners an. Guten Tag die Damen.“ Auch er verließ den Raum. Micki spitzte den Mund und meinte ironisch: „Jetzt hast du sie aber böse gemacht, Frau Oberlehrerin. Man muss mit Schülern sanft umgehen, vor allem wenn sie so sensibel sind wie die beiden.“ Leni: „Du kannst ja zu ihnen gehen und Händchen halten und sie trösten. Ich fahre dann in der Zwischenzeit an den Bahnhof zu unserem Taxifahrer, wenn du nichts dagegen hast?“ Micki: „Ich komme lieber mit, sonst verfährst du dich noch und landest in Stuttgart Hauptbahnhof.“ Leni: „Ha, ha, selten so gelacht. Was kann ich dafür das das Navi das falsche Update bekommen hat?“ Beide verließen den Firmensitz der CSC. Als sie nach draußen kamen, schneite es immer noch, doch die Straßen waren inzwischen geräumt worden. Auf der Fahrt zum Bahnhof las Micki die beiden Fragebögen durch. Dann sagte sie: „Wie es scheint waren die beiden gemeinsam unterwegs. Zusammen beim Pokalspiel beim KSC, danach sind sie nach Hause zu Johanson und haben Karten gespielt. Am Sonntag waren sie dann den ganzen Tag bei Schneider und haben Videos angeschaut und die neuen Quartalszahlen besprochen. Gegen 23:00 Uhr ist er dann nach Hause gegangen.“ Leni: „Wenn ich es mir Recht überlege, haben die beiden ein Motiv. Sie erben die Geschäftsanteile und profitieren somit von ihrem Tod. Vielleicht war nichts alles bei denen Friede, Freude Eierkuchen. Die verbergen etwas, das spüre ich. Als wir herein kamen, nach der Durchsuchung von Janas Büros, hat Schneider davon gesprochen, dass sie dann in die Kiste kommen würden.“ Micki: „Das habe ich auch verstanden. Und wenn er wirklich nur einen Witz gemacht hat?“ Leni zuckte mit den Schultern und meinte: „Wir werden auf jeden Fall ihre Alibis genau überprüfen.“ Sie bog nun auf den Bahnhofsvorplatz ein. Micki kramte einen Zettel aus ihrer Tasche und las vor: „Hans Traber, 67 Jahre alt. Er fährt den Wagen 426. Hoffentlich ist er da und hat nicht gerade eine Fahrt.“ Langsam fuhr Leni an einer Reihe von Taxis vorbei. Sie hielten Ausschau nach einem älteren Herren. So gut 60 Wagen standen da und ständig kam ein neues Taxi an und ein anderes fuhr weg. Es war ein reges Treiben auf dem Vorplatz. Kein Wunder um diese Zeit, war es doch 12:00 Uhr. Hunderte von Menschen liefen in den Bahnhof hinein oder kamen heraus. Dazu noch die Fahrgäste der Straßenbahnen die vor dem Bahnhof hielten. Leni stellte den Wagen auf einen freien Platz, der normalerweise für ein Taxi reserviert war. Sie waren kaum ausgestiegen, da kam ein Bediensteter der Bahn auf sie zu und meinte: „Hier dürfen sie nicht parken, diese Plätze sind nur für Taxis. Bitte fahren weg, oder wir lassen den Wagen kostenpflichtig abschleppen.“ Micki zückte ihren Dienstausweis und erwiderte dem schwarzen Sheriff: „Kripo Karlsruhe. Wir sind in einer Mordermittlung unterwegs. Es wäre schön wenn sie uns unterstützen könnten. Wir suchen einen Taxifahrer, der in unserem Fall ein wichtiger Zeuge ist.“ Der Bedienstete: „Wie kann ich ihnen helfen?“ Micki: „Wenn sie nur darauf achten würden, dass unser Wagen nicht abgeschleppt wird, wären wir ihnen schon sehr dankbar.“ Dabei setzte Micki ihr schönstes lächeln auf, was seine Wirkung nicht verfehlte. Er antwortete: „Sie können sich auf mich verlassen, ihr Wagen steht hier sicher. Viel Erfolg wünsche ich ihnen.“ Micki bedankte sich und lief hinter Leni her. Reihe für Reihe suchten sie nach Wagen 426 ab. Micki deutete nach einer Weile auf einen Wagen, der ziemlich weit vorne stand. Es war der Wagen den sie suchten. Leni öffnete die Beifahrertür und sagte: „Hallo Herr Traber. Sie sind doch Herr Traber?“ Der Taxifahrer nickte und fragte was sie wollte. Leni: „Ich bin Leni Herbst und das ist meine Kollegin Frau Moser. Wir sind von der Kripo Karlsruhe und ermitteln im Mordfall Hoffmann.“ Hans Traber zog die Augenbraue hoch und sagte: „Kripo? Was für ein Mordfall. Doch nicht etwa der, den sie schon den ganzen Tag im Radio bringen? Ich wüsste nicht wie ich ihnen behilflich sein könnte?“ Leni: „Doch das können sie, hoffe ich zu mindest. Sie haben am Samstag und am Sonntag die Nachtschicht gehabt?“ Herr Traber: „So wie jedes Wochenende. Ich kann sowieso nicht schlafen, also fahre ich nachts. Ist auch weniger Konkurrenz. Aber warum fragen sie?“ Leni: „Sie standen mit ihrem Wagen am Freitag auf Samstag Nacht vor dem „Big Apple“, ist das richtig?“ „Ja das stimmt“, bestätigte Hans Traber. Leni fragte weiter: „Können sie sich noch an eine Fahrt so gegen 2:00 Uhr erinnern?“ Hans Traber holte ein Buch aus der Ablage seiner Tür und schlug es auf. Dann meinte er: „Ich schreibe mir immer alle meine Fahrten auf. Mit Datum Uhrzeit und Ziel der Fahrt. So da schauen wir Mal, sagt immer der Kaiser. Also 2:00 Uhr sagten sie? Ach hier hab ich es ja. 2:10 Uhr Fahrt vom Big Apple in die Herrmannstraße 185 Ankunft 2:21 Uhr Preis 14,70 Euro. Ein Euro und dreißig Cent Trinkgeld. Ja jetzt kann ich mich erinnern. Es waren zwei nette Frauen, die habe ich schon öfters gefahren. Die waren aber nicht ausfällig oder betrunken. Na ja etwas an geschickert vielleicht, aber nicht betrunken. Die eine sollte ich noch bis vorne an die Ecke fahren, aber sie wollte die paar Meter laufen. Sie sind dann beide ausgestiegen, die eine ging in die 187 und die andere lief die Straße hinunter. Ich habe alles aufgeschrieben und mich in der Zentrale wieder frei gemeldet. Da ich ja die gleiche Richtung hatte, habe ich noch einmal angehalten und sie gefragt, ob ich sie nicht doch mitnehmen solle, aber sie hat gesagt das sie hier wohnt und nicht mehr nötig ist. Ich bin dann weiter gefahren und habe sie dann im Rückspiegel gesehen, wie sie ins Haus ging. Dann bin ich wieder zum Big Apple gefahren.“ Leni: „Ist ihnen etwas ungewöhnliches in der Straße aufgefallen? Passanten die dort liefen, Autos die anhielten oder einparkten?“ Hans Traber: „Um die Uhrzeit und bei dieser Kälte, ist nicht viel los auf der Gass. Wenn da was gewesen wäre, hätte ich das mit Sicherheit bemerkt, glauben sie mir das.“ Leni bedankte sich für die Auskunft und gab ihm noch eine Karte von sich, für den Fall das ihm doch noch etwas einfallen würde. Hans Traber tat das gleiche. Er übergab Leni und Micki eine Karte von ihm und meinte: „Für den Fall das sie einmal einen zuverlässigen Fahrer brauchen. Stehe immer gerne zu Diensten.“ Sie verabschiedeten sich und verließen den Wagen. Der schwarze Sheriff stand direkt neben ihrem Dienstwagen. Als er die beiden sah fragte er: „Schon fertig? Das ging aber schnell. Und hatten sie Erfolg?“ Micki schaute ihn nur an, bis er dann sagte: „Ah ich verstehe, laufende Ermittlungen, Dienstgeheimnis und so. Ist schon Recht. Ich werde die Presse verfolgen und hier ein wachsames Auge haben. So ich muss dann weiter. Die Damen entschuldigen mich.“ Sie bedankten sich bei ihm und verabschiedeten sich. Micki schaute auf die Uhr und meinte: „Ich weiß nicht wie es dir geht, aber mein Magen hängt auf halb acht. Ich habe Hunger oder wie der Badener sagt - ich habe Kohldampf.“ Leni lachte. Für sie als Nordlicht war der badische Dialekt immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Ab und zu rutschte ihr aber auch ein Wort auf badisch heraus. Sie fuhren zurück ins Präsidium und machten erst einmal Mittagspause. Zuvor brachten sie aber noch den Laptop und den Ordner ins K1. Nach der Mittagspause, fuhren sie zur Inter AG. Sie macht die Hausverwaltung in der Herrmannstraße 187, bei der Hausmeister Ralf Faller angestellt ist. Der Verwaltungschef Werner von Hauenstein, hatte bereitwillig einem Treffen zugesagt, obwohl er viele Termine hatte. Sie fuhren in die Kaiserstraße 27 und parkten in der dortigen Tiefgarage. Mit dem Aufzug fuhren sie in das 3. Obergeschoss. Dort gingen sie zum Empfang und meldeten sich an. Nach ein paar Minuten kam Herr von Hauenstein persönlich um die beiden abzuholen. Er begrüßte sie und nahm sie mit in die dortige Cafeteria. Als alle etwas zu trinken hatten, fragte er die Kommissarinnen: „Gibt es schon etwas neues im Mordfall Hoffmann?“ Leni: „Herr von Hauenstein, wir sind erst am Anfang unserer Ermittlungen. Im Moment befragen wir alle möglichen Zeugen, um uns ein konkretes Bild von dem Tatablauf zu machen. Es kann sein das der ein oder andere Zeuge etwas gesehen hat, was für unsere weiteren Ermittlungen sehr wichtig sein kann. Deshalb müssen wir auch ihren Hausmeister Herrn Ralf Faller befragen.“ Hauenstein hatte schon veranlasst, dass Ralf Faller in die Zentrale kommt. Hauenstein begann zu erzählen: „Wissen sie wir betreuen rund 1200 Wohnungen hier in Karlsruhe und Umgebung. Es ist schon manches in diesen Wohnungen passiert, aber einen Mord hatten wir auch noch nicht. Ich habe ihnen schon einmal, als vorab Information, das Mieterprofil von Frau Hoffmann ausgedruckt.“ Er übergab ihnen eine kleine Akte. In ihr waren alle Daten aufgeführt, die die Wohnung von Jana Hoffmann betrafen. Hier waren unter anderem, die Miete, die Nebenkosten und Reparaturen aufgeführt. Wie aus der Akte zu entnehmen war, hatte sie stets die Miete pünktlich bezahlt. Auch wurden eventuelle Nachforderungen für die Nebenkostenabrechnung, auch immer pünktlich überwiesen. Reparaturen hatte sie noch keine gehabt. Die undichte Spüle, war ihre erste Reklamation. Eine Mieterin, wie sie sich ein Vermieter nur wünschen kann. Keine klagen über sie, aber auch keine Beschwerden ihrerseits über andere Mieter. Nach zehn Minuten kam Ralf Faller zur Cafeteria herein. Er war ein älterer Mann so um die fünfzig Jahre alt, schlank und machte einen durch aus seriösem Eindruck. Er kam an den Tisch, grüßte alle und setzte sich dazu. Leni fragte den Hausmeister, ob sein Chef bleiben könne, doch er hatte nichts gegen seine Anwesenheit. Dann begann er zu schildern, wie es dazu kam, dass die Spüle immer noch nicht repariert ist. Alles was er sagte, bestätigte Herr Hauenstein. Auch seine Telefonate mit Frau Hoffmann waren vom zeitlichen Ablauf her stimmig. Er habe nichts Besonderes bemerkt, als er am Sonntagabend bei ihr um acht Uhr geklingelt hatte. Aber er ging nicht nach oben, sondern wartete vor der Eingangstür von Nummer 187. Als sie nicht aufmachte, dachte er sie sei am Wochenende nicht zu Hause gewesen. Die Befragung war nach fünf Minuten beendet und hatte absolut keine neuen Erkenntnisse gebracht. Es schien wie verhext zu sein, dass niemand etwas bemerkt hatte. Außer dem Kioskbesitzer Jukitsch, hatte niemand etwas von Frau Hoffmann gehört. Nur die Haberle’s hatten am Sonntag gegen 19:00 Uhr die Musik beim vorbeigehen gehört. Das war alles. Aber sie mussten ja noch in Noble House und in das Big Apple und die drei verflossenen Liebhaber die Schneider und Johanson genannt hatten, standen ja auch noch auf ihrer Liste. So wie es aussah, mussten sie weiter „Klinken putzen“. Auch das gehörte zu ihrem Job. Im Fernsehen sieht das meistens ganz anders aus. Der Kommissar spricht mit ein paar Leuten und schon zaubert er den Täter, dank unwiderstehlicher Kombinationsgabe, aus dem Hut. Und das innerhalb von 45 oder 90 Minuten. Sie verließen die Zentrale der Inter AG und fuhren aufs Präsidium zurück. Für einen Besuch im „Noble House“ war es noch zu Früh, die eröffneten erst um 16:00 Uhr. Und das Big Apple machte erst um 20:00 Uhr auf. Im K1 Angekommen, untersuchten sie erst die Dinge, die sie aus Janas Büro mitgenommen hatten. Micki beschäftigte sich mit dem Laptop und Leni schaute sich den roten Ordner an. Micki machte vom gesamten Inhalt des Laptops eine Kopie auf eine Externe Festplatte, damit sichergestellt war, dass keine Daten verloren gingen. Das dauerte bestimmt eine Stunde. Sie nahm sich in der Zwischenzeit die Fragebögen der Geschäftsführer, Schneider und Johanson vor. Nach einer Weile sagte sie: „Die beiden Lügen was das Zeug hält. Hör einmal was die da schreiben: „Wir fuhren um 14:30 Uhr ins Wildparkstadion, um das Pokalspiel des KSC gegen die Stuttgarter Kickers anzusehen. Eric musste sich noch eine Eintrittskarte kaufen, was ich nicht brauchte, weil ich eine Dauerkarte habe und Mitglied beim KSC bin.“ Das ist gelogen. Jeder muss bei einem Pokalspiel Eintritt bezahlen. Die Dauerkarten haben keine Gültigkeit. Warte ich frage einmal Kurti, der ist ja auch Mitglied beim KSC.“ Sie öffnete die Tür und rief Kurt Langer zu sich in den Konferenzraum. Dann fragte sie ihn: „Kannst du mir sagen, ob Dauerkartenbesitzer bei Pokalspielen, Eintritt bezahlen müssen?“ Kurti: „Dauerkarten sind nur gültig für Heimspiele innerhalb der Liga in der man spielt. Pokalspiele, UEFA Pokal, oder Champion Liga, sind grundsätzlich davon ausgeschlossen. Also musst du immer bei Pokalspielen eine Eintrittskarte kaufen. Warum fragt ihr?“ Micki zeigte ihm den Fragebogen und Kurti las die entsprechende Stelle. Dann sagte er: „Die Lügen. Hier ist was faul. Ich denke einmal, die waren gar nicht beim Spiel. Vielleicht haben sie es aufgezeichnet oder beim Pay TV nachträglich oder Live angesehen.“ Leni: „Und wie beweisen wir das, dass sie nicht dort waren?“ Kurti: „Ist bestimmt kein Problem. In allen Stadien der ersten, zweiten und dritten Liga, sind Überwachungskameras vorgeschrieben. Hier werden während des ganzen Spiels, die Zuschauer aufgenommen. Es könnte ja sein, das es einen Tumult oder ein anderes Ereignis gibt, das eine Straftat ist. Die Aufzeichnung dient zur Täterermittlung und ist als Beweismittel zugelassen. Die beiden schreiben hier, sie waren in der Westkurve gestanden, dann wollen wir das doch einmal überprüfen. Ich rufe den Manager des KSC an, der kann mir dann eine Kopie der Überwachungsbänder schicken.“ Leni: „Das wäre toll wenn das klappen würde. Danke Kurti.“ Er ging wieder und hängte sich gleich an sein Telefon und rief bei der Geschäftsstelle des KSC an. Leni grübelte einen Moment und meinte dann: „Ich habe es gewusst, das sie uns etwas verbergen. Der Satz mit der Kiste ist mir nicht aus dem Kopf gegangen. Aber was verbergen sie uns? Ich glaube zwar nicht, dass sie bei Jana Hoffmann waren. Die Gefahr dort gesehen zu werden, wäre tagsüber viel zu groß gewesen.“ Micki: „Vielleicht waren sie im Puff und haben sich geschämt es uns zu sagen?“ Leni lachte: „Wenn die im Puff gewesen wären, hätten sie damit geprahlt, verlass dich darauf. Die hätten bestimmt damit geprahlt. Nein da muss etwas anderes gewesen sein. Ich denke sie wollten irgendein krummes Ding vertuschen. Na ja, warten wir einmal ab, was die Video Auswertung bringt, vorausgesetzt wir bekommen die Bänder.“ Kurti kam herein und sagte: „Geht klar, wir bekommen eine Kopie der Überwachungsbänder. Soll ich gleich ins Stadion fahren und sie abholen?“ Leni: „Wenn du Zeit hast, sehr gerne.“ Kurti machte sich gleich auf den Weg zur Geschäftsstelle des KSC. Die Kopie vom Laptop war inzwischen auch fertig. Leni gab Biene die Liste der drei verflossenen und bat sie die Adressen von ihnen herauszusuchen. Sie sollte auch gleich nachsehen, ob es Einträge im Zentralregister gab. Die Maschinerie der Ermittlungen fuhr langsam hoch und kam auf Touren. Klaus Kramer kam nun in den Konferenzraum. Er hielt einen Blatt in der Hand und gab ihn Leni. Dann sagte er: „Mit vielen Grüßen von Oberstaatsanwalt Wenger, wir sollen einmal ein Auge auf die Sache werfen.“ Leni las laut vor was auf dem Blatt stand: „Am Sonntag Nachmittag um 14:30 ereignete sich ein schwerer Unfall mit zwei Todesopfern. Es war das Ehepaar Peter und Ina Kleinert, 28 und 26 Jahre alt, das vermutlich auf dem Weg zum Pokalspiel KSC – Stuttgarter Kickers waren. Sie fuhren in Richtung Stadion auf dem äußeren Ring. Auf der Kuppe, bei der Abzweigung Stadtmitte, wurde ihr VW Passat von einem noch unbekannten Fahrzeug überholt und geschnitten. Dabei streifte der überholende Wagen den VW Passat, dass dieser ins schleudern kam und die Böschung herunterstürzte. Dabei überschlug sich der VW Passat mehrfach. Frau Ina Kleinert war auf der Stelle Tod, Peter Kleinert verstarb auf dem Wege ins Klinikum. Der Wagen der Kleinerts, wies vorne links deutliche Kratzspuren und Lack- Anhaftungen des Unfallverursachers auf. Dabei handelt es sich um gelbe Farbe des Herstellers UNI Lack nach RAL 163-20, welcher meist für Sonderlackierungen verwendet wird und keinem speziellen Wagentyp zuzuordnen ist. Der Wagen des Unfallverursachers muss Hinten rechts beschädigt sein und beging Unfallflucht. Das Ehepaar Kleinert hinterlässt zwei Kinder, Luca und Marie im Alter von 3 und 4 Jahren. Fotos und Video können unter…“ Micki: „So eine Sauerei. Rasen wie die bekloppten und wenn sie dann Bockmist bauen, stehen sie nicht einmal dazu. Ich lade gleich die Fotos und das Video von unserem Server herunter.“ Leni sagte: „Das ist normalerweise Sache der Verkehrspolizei. Aber wir können ja ein wachsames Auge darauf haben. Ist schon etwas im KA-TV gelaufen?“ Klaus Kramer: „Ich habe keine Ahnung, werde aber bei KA-TV nachfragen. Die könnten ja unser Tatort Video gekürzt senden, wäre ja schon einmal ein Anfang. Ich kümmere mich gleich darum.“ Micki: „Schon wieder zwei Waisenkinder. Es ist wirklich zum kotzen. Die einen rasen wie die blöden und andere verlieren ihr Leben.“ Leni war der gleichen Meinung. Sie bekamen das ja jeden Tag mit, wenn wieder einmal Verkehrskontrollen waren, oder der Streifendienst, Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit, aufnehmen musste. Micki hatte die Bilder und das Video inzwischen herunter geladen. Der Passat sah schrecklich aus. Das ganze Dach war bis auf Höhe des Lenkrads zusammen gedrückt. Kein Wunder das aus dem Wagen keiner überlebt hatte. Man sah auch deutlich die gelben Lackspuren am vorderen linken Kotflügel. Micki druckte die Fotos aus und legte sie in einen Aktenordner und schrieb darauf Akte Peter und Ina Kleinert. Darunter Verkehrsunfall mit Fahrerflucht – Fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge. Mehr konnten sie im Augenblick nicht tun. Der Streifendienst hatte bestimmt schon alle Werkstätten informiert, dass Beschädigungen am hinteren rechten Kotflügel sofort zu melden sind. Das markante war die gelbe Farbe, die sofort ins Auge stach. Mit etwas Glück und Öffentlichkeitsarbeit im regionalen Fernsehen und der Presse, würden sie den Unfallverursacher bestimmt finden. Leni schaute auf die Uhr und sagte zu ihr: „Ich glaube es wird langsam Zeit. Lass uns ins „Noble House“ gehen. Hast du genügend Abzüge von Jana Hoffmann dabei?“ Micki hatte dreißig Kopien gemacht, die reichen würden. Zusätzlich steckten sie noch einige zusätzliche Visitenkarten ein, um sie im „Noble House“ und „Big Apple“ zu verteilen. Sie standen schon vor dem Aufzug, da kam gerade Kurti aus dem Aufzug. Er hielt zwei DVDs in der Hand und meinte: „Ich habe sie. Das ganze Spiel inklusive eine viertel Stunde vor dem Anpfiff und eine viertel Stunde nach Abpfiff. Das gesamte Stadion ist darauf, von acht Kameras erfasst. Soll ich gleich damit anfangen die Jungs zu suchen?“ Leni: „Wenn nichts anderes anliegt, ja. Klaus kann dir ja dabei helfen, wenn er mit der Sache Kleinert fertig ist. Ach ja du warst ja gar nicht dabei. Klaus soll‘s dir erklären, um was es bei den Kleinerts geht. Wir gehen jetzt ins Noble House und anschließend ins Big Apple und kommen heute nicht mehr ins Büro. Falls etwas sein sollte, ruft mich oder Micki an. Also dann bis morgen.“ Kurti: „Das nächste Mal gehe ich auch mit tanzen.“ Leni: „Wenn du möchtest, tausche ich gerne mit dir. Also möchtest du?“ Er wusste genau, dass es bestimmt spät werden würde bei der Befragung in den beiden Tanzlokalen. Dann blieb er lieber im Büro und schaute die Filme aus dem Wildpark an und konnte pünktlich Feierabend machen. Er lehnte dankend ab und ließ die beiden vor dem Aufzug stehen. Leni war noch nie im Noble House oder Big Apple. Micki dagegen, war früher öfters dort. Aber irgendwann kommt man in ein Alter, da mag man es nicht mehr so laut uns so hektisch. Sie fuhren in die Berliner Straße 72. Sie parkten etwas weiter weg. Die Luft roch wieder nach Schnee und war recht frisch. Der Club hatte gerade aufgemacht und sie gingen direkt zur Theke. Dort fragten sie nach dem Geschäftsführer. Eine Bedienung brachte sie in das Büro des Chefs. An der Bürotür stand auf einem polierten Messing Schild: „Kim Li Ming Direktor“ Die Bedienung klopfte und öffnete die Tür und sagte dem Direktor, das er Besuch habe. Leni und Micki traten ein und zückten gleich ihre Dienstausweise. Leni stellte sich und Micki vor. Kim Li Ming schaute sich die Ausweise genau an und bat die beiden sich doch bitte zu setzen. Dann fragte er: „Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee oder etwas anderes vielleicht? Sie entschieden sich für einen Tee. Kim fragte weiter: „Was kann ich für sie tun meine Damen?“ Leni: „Wir ermitteln im Mordfall Jana Hoffmann. Sie haben vielleicht schon in der Presse davon gehört. Unsere Ermittlungen haben ergeben, das Frau Hoffmann am Abend ihres verschwinden, bei ihnen zu Gast war.“ Micki zog nun das Foto von Jana aus der Tasche und legte es ihm auf den Schreibtisch. Leni fuhr fort: „Sie war von 21:00 bis etwa 23:30 hier. In ihrer Begleitung war eine Freundin von ihr.“ Micki legte auch von Sarah Klimm ein Foto hin. Leni fragte weiter: „Unsere frage ist nun, ob sie hier jemand getroffen hat, oder sie jemand ansprach.“ Kim schaute sich die beiden Fotos an und antwortete: „Ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Daher kann ich ihnen sagen, dass die beiden Damen schon mehrmals hier waren. So wie ich es in Erinnerung habe sind sie zuerst an der Bar gesessen und später an den kleinen, zweier - Tisch neben dem Kamin. Was sie getrunken haben, kann ich ihnen leider nicht sagen, weil ich sie nicht bedient habe. Aber das kann ihnen mein Barkeeper sagen. Sie sagten sie wurde ermordet? Und nun glauben sie, das ihr Mörder sie hier bei mir angesprochen hat?“ Leni: „Das wissen wir nicht. Wir ermitteln in alle Richtungen. Es könnte so sein, muss aber nicht.“ Kim: „Dann haben sie viel Arbeit vor sich. Ich schätze in der Zeit in der die zwei Frauen hier waren, war das Lokal bis zum letzten Platz besetzt. Unsere Bestuhlung beträgt 350 Plätze. Doch in der Regel stehen an den beiden Bars und an den Stehtischen noch einmal fünfzig Gäste. Dabei habe ich noch nicht einmal die Laufkundschaft berücksichtigt. Sie war etwa zwei ein halb Stunden hier, dass wären dann ungefähr fünf- bis sechshundert Gäste. Ich kann mich nicht daran erinnern, ob jemand die beiden angesprochen hat. Aber fragen sie doch mein Personal, vielleicht hat jemand von ihnen etwas gesehen oder gehört.“ Leni: „Sehr gerne, wenn das jetzt möglich ist?“ Kim: „Aber selbstverständlich. Hier geht es um die Aufdeckung eines abscheulichen Verbrechens, da ist es doch Pflicht zu helfen. Also fangen sie gleich an, bevor der Betrieb größer wird.“ Sie standen auf und Kim Li Ming begleitete sie hinaus. Dann fragte sie Li Ming, ob er es erlauben würde ein Foto von Jana aufzuhängen, für den Fall das eines der Gäste sie wiedererkennen würde. Er hatte nichts dagegen. Er empfahl die Bilder auch in den Toiletten aufzuhängen, da fast jeder Gast einmal am Abend, diese Örtlichkeit aufsuchen würde. Micki hängte gleich den Steckbrief von Jana auf. Leni fing inzwischen mit der Befragung des Personals. Den Anfang machte sie mit dem Barmann Florian Meinhard. Er war 28 Jahre alt und wohnte in Karlsruhe. Leni legte ihm Janas Bild hin und fragte ihn: „Können sie sich noch an diese Frau erinnern?“ Florian antwortete: „Ja klar. Sie war am Freitag hier an der Ecke gesessen. Aber sie war nicht allein, eine andere Frau war in ihrer Begleitung.“ Leni legte das Foto von Sarah Klimm daneben. Florian tippte mit dem Finger darauf und fuhr fort: „Genau, die war mit ihr. Zuerst sind sie hier an der Ecke gesessen, haben sich aber später an den kleinen Tisch neben den Kamin gesetzt.“ Leni: „Hatten die beiden Kontakt mit anderen Gästen?“ Florian: „Als sie hier gesessen sind, haben sie zwei Typen angemacht. Sie wollten aber nichts von ihnen wissen und setzten sich dann an den kleinen Tisch. Die Typen hatten es aber nur auf ihre Plätze an der Bar abgesehen, wie der eine später sagte.“ Leni: „Kannten sie die beiden?“ Florian: „Nein, die waren, denke ich, zum ersten Mal hier.“ Leni: „Haben die zwei sie danach in Ruhe gelassen?“ Florian: „Soweit ich gesehen habe, ja. Ich habe sie ja nicht die ganze Zeit beobachtet, weil noch andere Gäste an der Bar saßen. Aber fragen sie doch einmal Kylie, die hat sie am Tisch bedient.“ Leni bedankte sich und holte sich Kylie an die Bar. Sie hieß Kylie Morgan und war Schottin. Die 34 jährige hatte einen netten englischen Akzent, was bei den Gästen sehr gut ankam. Leni fragte sie das Gleiche wie zuvor Florian. Sie sagte aus, dass die beiden am Tisch neben dem Kamin saßen. Sie hat nicht beobachtet, dass sie von irgendwelchen Männern belästigt wurden. Auch die Uhrzeit, wann sie gingen, konnte sie nicht mehr genau sagen. Im Großen und Ganzen, bestätigte sie nur die Aussage ihres Kollegen Florian. Micki befragte die anderen beiden Bedienungen, die aber nichts gesehen oder gehört hatten. Sie beendeten die Befragungen und verließen das Noble House. Inzwischen war es schon 20:00 Uhr. Sie beschlossen Feierabend zu machen. Es war ein langer Tag für die beiden geworden. Morgen mussten sie dann ins Big Apple, da würde es wieder später werden, deshalb wollten sie erst um 9:00 Uhr ins Büro gehen, schließlich gibt es ja Gleitzeit. Um Punkt 9:00 kamen Leni und Micki ins Büro. Es war nicht zu überhören, dass hier die Hölle los war. Überall klingelten die Telefone. Leni war kaum in ihrem Büro, da kam auch schon Biene herein und sagte: „Wir brauchen dringend noch zwei Leute. Die Telefone stehen nicht mehr still. Alldauernd kommen Anrufe wegen des Unfalls der Kleinerts herein. Gestern hat doch Wulf im KA3 Fernsehen im wöchentlichen Polizeibericht, aufrufe wegen Jana Hoffmann und des Unfalls gemacht. Wir haben von 8:00 Uhr bis jetzt über 100 Anrufe bekommen. Das meiste davon war wegen den Kleinerts. Sie sagen alle aus, dass es scheinbar ein Rennen auf der B 10 gab. Es sollen mindestens 50 Fahrzeuge daran beteiligt gewesen sein. Auch im Fall Hoffmann hatten wir einige Anrufe, die Jana an dem Abend im Big Apple gesehen hatten. Ich liste alles auf und gebe sie dir nachher.“ Leni: „Warum weiß ich nichts davon, dass Wulf einen Aufruf im KA3 gemacht hat? Ich dachte, er wollte heute Nachmittag eine Pressekonferenz geben?“ Biene: „Er kam gestern gegen 16:30 Uhr und hat es uns gesagt. Ihr wart ja schon unterwegs. Er wollte euch selbst anrufen. Hat er das nicht getan?“ Hinter ihr stand plötzlich Kriminalrat Wulf und meinte: „Nein, das hat er nicht. Guten Morgen die Damen. Entschuldigung, das habe ich verschwitzt. Ich hatte gestern Abend so viele Termine, das ich gar nicht dazu kam ihnen Bescheid zu geben, Frau Herbst. Erst als ich aus dem Sender von KA3 herauskam, fiel es mir wieder ein. Da es aber schon 23:00 Uhr war, wollte ich sie nicht mehr stören. Ich habe ja auch nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet. Ich hole noch zwei Beamte vom Streifendienst dazu, die können sich dann um die Telefone kümmern, damit sie sich den weiteren Ermittlungen widmen können. Die beiden Kommissare Kramer und Langer, werden sie dabei unterstützen. Setzen sie die beiden ein, wo immer sie wollen. Das hier hat jetzt Priorität. So, ich muss jetzt zu Oberstaatsanwalt Wenger, also bis später.“ Er sagte es und weg war er. Biene meinte: „Uh, der hatte aber einen Zahn drauf. Übrigens haben Kramer und Langer gestern auch länger gemacht. Sie haben sie die Aufnahmen aus dem Wildpark Stadion angesehen und wie es aussieht waren Schneider und Johanson nicht im Stadion. Sie haben sie auf den Videos nicht entdeckt. Und hier sind die Adressen und Daten der drei Verflossenen von Jana Hoffmann.“ Sie legte einige Blätter auf den Tisch. Leni sagte: „Danke Biene. Gut, dann fangen mit der Besprechung an, sobald die Kollegen vom Streifendienst da sind. Gebe bitte Kramer und Langer Bescheid. Danke Biene, wenn wir dich nicht hätten, wir würden glatt im Chaos ertrinken.“ Sie verließ das Büro und Micki kam herein. Micki fragte: „Du hattest Recht gehabt. Die beiden waren nicht im Stadion. Statten wir ihnen einen Besuch ab?“ Leni: „Nein, wir bestellen sie ein. Ich rufe sie gleich an.“ Sie nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer der Firma CSC. Anna, die Sekretärin der beiden war am anderen Ende der Leitung. Sie meldete sie und Leni sagte: „Hallo Anna hier ist Leni Herbst vom K1. Ist einer der beiden Chefs zu sprechen?“ Sie verband Leni mit Lukas Schneider. „Schneider, was kann ich für sie tun, Frau Herbst? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Leni: „Nein, nein. Ich wollte sie beide nur bitten, heute noch im Präsidium vorbei zu schauen. Sie kennen das ja mit dem lästigen Papierkram. Sie müssen nur noch das Protokoll unterschreiben, damit der Amtsschimmel was zu wiehern hat. Wann passt es ihnen am besten? So gegen 14:00 Uhr würde es mir am besten passen, weil ich danach wieder unterwegs bin.“ Schneider: „14:00 Uhr, warten sie ich schaue gerade nach. Ja das geht. Wir kommen ins Präsidium. Also bis heute Nachmittag.“ Er legte auf, ballte die Fäuste und meinte: Ja, sie hat es geschluckt. Ich bin ein Genie. Der Einfall mit dem Fußballspiel war genial. Wenn er sich da Mal nicht täuschte. Micki schnalzte mit der Zunge und meinte: „Du bist ja richtig hinterfotzig. Du kannst die beiden doch nicht unter falschen Voraussetzungen hier ins Präsidium bestellen?“ Leni: „Wieso? Ich lasse sie ihre Aussagen unterschreiben und dann setze ich sie vor einen Monitor und lasse sie die Aufnahmen von den Überwachungskameras ansehen. Sobald sie sich darin sehen, geben sie Bescheid und können gehen. Sie wissen ja, dass sie nicht darauf sind, also werden sie sich die Aufnahmen gezwungener Maßen ansehen. Sie werden darauf hoffen, dass zwei Typen darauf zu sehen sind, die ihnen ähnlich sehen. Alles andere ergibt sich dann.“ Micki: „Und wenn sie ihre Anwälte holen?“ Leni: „Dann können die gleich mitschauen. Wir sagen, dass wir ihr Alibi, wegen dem Mord an ihrer Partnerin brauchen, schließlich hätten sie ein Motiv. Denn das Alibi vom Samstag ist mehr als dürftig. Sie geben sich gegenseitig ein Alibi, was eher wie eine Verdeckung einer Straftat aussieht. So wir sollten nun langsam zur Besprechung kommen, sonst packen wir das heute nicht mehr.“ Nach der Besprechung, gingen sie zuerst noch einmal in die KTU, die neben der Pathologie lag. Dr. Willi Seiler erwartete sie bereits. Nach der Begrüßung, fing er gleich an zu berichten: „Wir haben jetzt alle Ergebnisse der Spuren aus Jana Hoffmanns Wohnung und ihrem Wagen zusammen. Es sieht nicht gut aus. Wir haben keinerlei Fremd D N A gefunden, weder in ihrer Wohnung noch in ihrem Wagen. Wir haben im Wagen nur Fingerspuren von Frau Hoffmann und ihrer Freundin Sarah Klimm gefunden. Außerdem noch ein paar Hundehaare, die auf der Kleidung der Toten hafteten. Scheinbar hatte sie einmal einen Hund im Wagen befördert. Beim Schließzylinder konnten wir klar sagen, dass der Kleber am Sonntagabend aufgebracht wurde. Auf den genauen Zeitpunkt kann ich mich aber nicht festlegen. Beim vaginalen Abstrichen, konnten wir auch keine D N A Anhaftungen finden. Die Chlorbleiche, hat alles zunichte gemacht. Der gleiche Befund ist auch beim Einsatz des Montageschaums festzustellen. Dort hat die chemische Reaktion der beiden Komponenten des Schaumes, alles Spuren zerstört. Es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten für euch habe. Die Bilder von der Kamera, die eure Politesse gemacht hat, sind fertig. Vielleicht ist das ein Trost für euch.“ Leni und Micki war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Sie hatten alle darauf gehofft, etwas zu finden. Nur eine kleine Hautschuppe, einen Teil von einem Fingerabdruck, oder wenigstens ein Haar. Nur einen kleinen, klitzekleinen Hinweis, auf den Mörder von Jana Hoffmann. Die Hundehaare stammten eindeutig von dem Hund ihrer Freundin Sarah Klimm. Außer den Bildern, die Frau Hohner geschossen hat, war nichts Verwertbares dabei. Die Bilder dienten aber auch nur, zur Beweissicherung für die illegale Beschäftigung von Arbeitnehmern. Toll, ganz toll, dachte sich Leni. Eine ganze Abteilung jagt einen Mörder und überführt stattdessen einen Pizzabäcker der Schwarzarbeit. Hoch lebe der Erfolg, auch nur wenn es zufällig ist. Sie war gespannt, was noch alles ans Tageslicht kommen würde, ohne danach zu suchen. Micki war genauso geknickt. Beim verlassen der KTU sagte sie: „Wir finden was, egal wie lange es dauert. Wir finden dieses Arschloch.“ Leni: „Dein Wort in Gottes Gehörgang. Ich fürchte nur, es wird nicht der einzige Mord bleiben. Der Typ ist gut organisiert. Er suchte sein Opfer gezielt aus, oder er kannte es. Micki, es wird weiter Opfer geben, verlasse dich darauf. In Hamburg hatten wir damals auch so einen gestörten. Der hatte insgesamt fünf Prostituierte umgebracht, bis wir ihn hatten. Er sitzt heute in der Klapsmühle und kommt hoffentlich nie wieder raus. Manchmal frage ich mich schon, in was für einer gestörten Welt leben wir eigentlich.“ Sie saßen bereits im Wagen da fragte Leni: „Wie hieß der erste Freund von Jana Hoffmann auf unsere Liste?“ Micki las vor: „Der letzte dem sie den Laufpass nach knapp einem Jahr gab, war der Landschaftsgärtner Heiko Weiss. Sein Vorgänger Jens Dahlke, er ist bei der DB Bank Angestellter. Mit ihm war sie sechs Monate zusammen. Und der letzte auf unserer Liste ist der Standesbeamte Uwe Matt. Drei Jahre waren die beide ein Paar. Mit wem fangen wir an?“ Leni: „Mit dem Standesbeamten, der müsste jetzt in seinem Amt sitzen. Wenn wir Glück haben, hat er gerade keine Trauung.“ Sie fuhren ins Standesamt Nord, der Stadt Karlsruhe. Die Wegweiser, im dortigen Amt, zeigte ihnen wohin sie mussten. Im zweiten Obergeschoss befand sich sein Büro. Zimmer 214 Oberamtmann Uwe Matt, Standesbeamter. Micki klopfte. „Herein“, schallte es von innen. Micki: „Guten Tag Herr Matt, wir sind von der Kriminalpolizei Karlsruhe. Meine Name ist Michaela Moser und das ist meine Kollegin Frau Herbst.“ Sie zeigten ihm ihre Dienstausweise, und er bat sie sich zu setzen. „Was kann ich für sie tun? Wann wollten sie heiraten?“ fragte er. Micki: „Nein, nein wir wollen nicht heiraten. Wir sind hier in der Mordsache Jana Hoffmann.“ Uwe Matt zuckte zusammen und fragte weiter: „Mord? Jana Hoffmann ist Tod?“ Leni: „So ist es Herr Matt. Wir untersuchen ihren Tod. Und um ein Bild ihres Umfeldes zu bekommen, befragen wir alle ihre Bekannten und Freunde. Auch verflossene Liebhaber und Verlobte.“ Uwe: „Verstehe. Wann ist denn das passiert?“ Micki: „In der Nacht von Sonntag auf Montag dieser Woche. Sie wurde in ihrer Wohnung umgebracht.“ Uwe: „Das ist ja schrecklich. Nun wollen sie bestimmt wissen wo ich am Sonntagabend war. Das kann ich ihnen sagen, ich saß im Flieger auf dem Heimweg vom Urlaub. Ich war zusammen mit meiner Frau in den Staaten. Wir sind am Montagmorgen um 9:00 Uhr in Stuttgart gelandet.“ Er stand auf und zog einen Aktenordner aus dem Regal, klappte ihn auf und zog eine Flasche Brandwein heraus. Aus einer Schublade entnahm er ein Glas und sagte: „Ich brauche jetzt einen Schnaps. Sie trinken sicher keinen mit.“ Beide lehnten dankend ab. Er schenkte sich einen ein und trank ihn gleich aus. Leni fragte weiter: „Uns geht es eigentlich nicht um ihr Alibi, sondern wir wollen wissen wie Frau Hoffmann so war, welchen Charakter sie hatte, welcher Typ sie war.“ Uwe: „Ich war drei Jahre mit ihr zusammen und dachte damals, dass ich sie kenne. Dem war aber nicht so. Sie konnte lieb und nett sein, aber auch knallhart und ein richtiges Miststück. Bitte entschuldigen sie meine Direktheit, aber es gibt nun einmal Dinge, die kann man nicht anders beschreiben.“ Micki: „Nennen sie doch einige Beispiele.“ Uwe: „Es fällt mir nicht leicht darüber zu sprechen. Wo soll ich da nur anfangen? Ich habe sie damals in einem Café in der Karlsruher Altstadt kennengelernt. Es war Spätsommer. Ich saß draußen und hatte den letzten freien Tisch bekommen und hatte mir gerade etwas zu essen bestellt. Menü eins, Lachsfilet im Blätterteig mit Lauch-Paprika Gemüse. Sie kam und fragte, ob noch frei wäre. Ich bot ihr einen Platz an und sie wollte das gleiche Essen was ich bestellt hatte. Aber ich hatte das letzte Menü eins bekommen. Ich habe ihr dann mein Essen angeboten und sie hat es dankend angenommen. So sind wir ins Gespräch gekommen. Ich muss gestehen, ich war gleich Feuer und Flamme für sie. Wir haben uns nicht verabredet, sondern haben uns zwei Tage später wieder dort getroffen, ganz zufällig, wie ich annahm. Doch sie hatte sich bei der Bedienung erkundigt, ob ich öfters hier wäre. Sie setzte sich wieder zu mir und lud mich zum Essen ein. Beim gehen legte sie mir ihre Visitenkarte hin und meinte wenn ich wolle könnte ich sie ja einmal anrufen, man könne ja am Wochenende einmal ausgehen. Am selben Abend habe ich sie noch angerufen und wir haben uns auf den Freitag verabredet. Wir gingen essen und anschließend noch in eine Disco. Es war ein schöner Abend gewesen und ich war richtig happy. Nach vier Wochen waren wir ein Paar. Ich hatte immer das Gefühl bei ihr, dass sie eigentlich keinen echten Partner haben wollte, sondern jemand der sich um sie einfach nur kümmerte und für sie da war, wenn sie etwas brauchte. Micki: „Sie meinen Sex?“ Uwe: „Speziell das. Der Sex mit ihr war fantastisch. Aber sie brauchte auch jemand, der ihre Ideen fürs Geschäft beurteilte, oder ihr neue Impulse gab. Im Nachhinein denke ich, sie hat mich nur ausgenutzt. Wenn man ihr zu Nahe kam, blockte sie ab. Ehe und Kinder waren nie eine Option für sie. Sie wollte mit einem Mann zusammen, aber doch frei sein. Sie bediente sich einfach meiner Person. Ich habe das nicht mehr so gewollt und habe ihr einen Antrag gemacht. In meinem ganzen Leben bin ich noch nie so beschimpft worden, als ich ihr den Antrag machte. Sie glauben nicht was für Titulierungen sie für mich auf Lager hatte. Ich möchte jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber Penner, Wichser und Arschloch waren noch die mildesten aller Ausdrücke. Daraufhin habe ich meine Sachen gepackt und bin ausgezogen. Meine restlichen Dinge die ich noch bei ihr hatte, hat sie mir per Spedition geschickt. Für Anschaffungen die wir gemeinsam gekauft hatten und sie behalten hat, schickte sie mir einen großzügigen Scheck von 14000.- Euro. Das ist das Extreme von Jana gewesen. Ich habe sechs Monate gebraucht, um wieder klar denken zu können. Meine jetzige Frau hat mir über diese schwere Zeit hinweg geholfen. Ich bin Gott dankbar, dass Jana nicht ja gesagt hat. Fragen sie doch einmal meine Nachfolger, ob es ihnen nicht genauso gegangen ist. Ich könnte wetten, dass sie mit denen das gleiche Spiel gespielt hat. Vielleicht hat einer von ihnen sich gerächt, für das was sie ihm angetan hat. Sie müssen sich vorstellen, ich hatte schon das Aufgebot bestellt und einen Termin für die Hochzeit gemacht. Was denken sie wie peinlich mir das war, meine eigene Hochzeit zu stornieren. Ich war Monate lang das Gespött im Amt. Der Standesbeamte, dem die Frauen davon laufen, oder ein Beamter der sich nicht traut, waren noch die mildesten Mails die ich anonym bekommen habe. Ich habe dann erst einmal eine Auszeit von sechs Monaten genommen und mich für diese Zeit beurlauben lassen.“ Leni: „Haben sie Jana danach noch einmal getroffen oder mit ihr telefonisch gesprochen?“ Uwe Matt: „Nein. Ich hätte auch gar nicht den Mut und die Kraft dazu gehabt. Ich war froh, dass mir das erspart blieb. Noch solch eine Auseinandersetzung hätte ich nicht verkraftet. Wissen sie ich bin kein Held, oder besonders mutig.“ An der Tür klopfte es und eine junge Frau kam herein und meinte: „Herr Matt, bitte denken sie an ihren Termin in fünf Minuten.“ Dieser schaute auf seine Armbanduhr und sagte: „Was so spät schon. Bitte entschuldigen sie mich, aber ich habe in fünf Minuten eine Trauung. Sie können ja warten, oder sie kommen später noch einmal wieder.“ Sie waren eigentlich fertig mit der Befragung, deshalb verabschiedeten sie sich von ihm und ließen noch eine Karte da. Er sollte lediglich noch einmal auf dem Präsidium vorbeischauen, um das Protokoll zu unterschreiben, dann wäre die Angelegenheit für ihn erledigt. Beim herauslaufen aus dem Amt sagte Micki: „Die muss ja ein ganz schönes Miststück gewesen sein, wenn das stimmt was Herr Matt sagte.“ Leni: „Sie kann es uns ja nicht mehr beantworten. Wenn nur die Hälfte daran wahr ist, was er uns erzählt hat, hätte er ein Tatmotiv. Da er aber erst am Montag wieder aus den Staaten kam, fällt er als verdächtiger aus. Schauen wir einmal was die andern beiden Herren über sie sagen, dann können wir uns ein besseres Bild von ihr machen.“ Micki: „Schneider und Johanson haben sich aber ähnlich geäußert. Wie sagten sie doch „sie hat denen ziemlich übel mitgespielt“. Leni: „Wenn es tatsächlich so war, warum hat sie so brutal reagiert. Ein Einfaches nein beim Antrag hätte doch genügt, um all für einmal das Problem zu lösen, oder nicht?“ Micki: „Das ist richtig. Ich finde auch keine Erklärung dafür. Wir hätten ihn noch fragen sollen, ob er seinen Vorgänger, Nachfolger oder Schneider und Johanson gekannt hat.“ Leni notierte sich die Frage in ihrem kleinen Notizblock und schrieb noch dahinter: Nachfragen ob Matt und Frau auf der Passagierliste standen am Montagmorgen, wegen Alibi und Tante aus der Schweiz klären. Als nächstes besuchten sie den Bankangestellten Jens Dahlke in der DB Bank. Sie betraten die Schalterhalle der Bank und erkundigten sich nach ihm. Sie bekamen aber nur die Auskunft, dass Jens Dahlke heute nicht zur Arbeit erschienen ist, weil er einen Unfall hatte. Sie fragten vorsichtshalber nach, ob die Adresse Malvenweg noch aktuell sei. Die Bankangestellte bestätigte dies. Jens Dahlke hatte einen Haushaltsunfall, wie die Bankerin sagte. Er sei gestürzt und hätte sich den Arm gebrochen. Also musste er wohl zu Hause sein. Der Malvenweg, war eine aneinander liegende Doppelhaushälfte Siedlung. Bei der Nummer 12 läutete Leni. Zuerst schien es so, als sei niemand da, aber nach zwei Minuten hörte sie jemanden die Treppe herunterkommen. Die Tür öffnete sich und Jens Dahlke stand mit einem eingegipsten linken Unterarm vor ihnen und fragte mürrisch: „Was wollen sie?“ Leni zückte ihren Ausweis und hob ihn ihm vor die Nase. Er las ihn und sagte: „Kripo? Ich bin doch nur von der Leiter gefallen. Hat die AOK Angst ich mache Schwarzarbeit? Kommen sie rein, ich zeige ihnen wo es passiert ist. Liegt noch alles so da, habe nichts weggeräumt.“ Er ging voran und führte sie ins Wohnzimmer. Er fuhr fort: „Sehen sie da liegt noch alles. Dieser blöde Dübel wollte einfach nicht halten, da habe ich mit dem Hammer nachgeholfen, was auch nichts half. Seit wann ist dieKrankenkasse so hinter ihren Beitragszahlern her?“ Leni: „Wenn sie uns hätten ausreden lassen, wüssten sie warum wir hier sind. Also der Form halber, sie sind Jens Dahlke und arbeiten in der DB Bank?“ Er nickte nur zustimmend. Leni fuhr fort: „Wir sind hier, weil wir den Mordfall Jana Hoffmann ermitteln und haben ein paar Fragen an sie.“ Jens Dahlke setzte sich und fragte nach: „Mord an Jana Hoffmann? Was ist passiert?“ Micki: „Sie waren doch mit Frau Hoffmann zusammen. Wann haben sie sie zum letzten Mal gesehen oder gesprochen?“ Jens: „Mein Gott, das ist bestimmt ein halbes Jahr her. Verdächtigen sie mich etwa, mit ihrem Tod etwas zu tun zu haben?“ Leni: „Herr Dahlke, das hier ist eine Befragung und keine Vernehmung. Wir wollen uns nur ein Bild davon machen, wie Jana Hoffmann so in der Vergangenheit gelebt hat und wer mit ihr zusammen war. Erzählen sie doch etwas von ihrer Beziehung mit ihr. Sie waren doch mit ihr zusammen, oder nicht? Wie haben sie Frau Hoffmann kennen gelernt?“ Jens: „Wir haben uns in der Bank kennen gelernt. Sie war Kundin bei uns. Sie kam eines Tages zu mir an den Schalter. Ich bin normalerweise nicht am Schalter, sondern in der Kundenbetreuung tätig. Jana ist mir sofort aufgefallen, war Sie doch so elegant und weiblich gekleidet. Sie machte bei mir einige Überweisungen. Da habe ich sie einfach einmal gefragt, ob sie das nicht auch Online machen möchte, obwohl ich das nicht so schön fände, weil mir sonst der Anblick einer wunderschönen Frau fehlen würde. Ich habe ihr die Software mitgegeben und ihr gesagt, dass ich ihr helfen würde, wenn sie Probleme mit der Installation hätte. Noch am selben Abend hat sie mich angerufen und bat mich bei vorbei zu kommen, weil sie mit der Software nicht zu Recht kam. Ich bin zu ihr hin und habe alles installiert und ihr es erklärt, wie man die Software handhabt. Dann haben wir uns noch einige Male getroffen und sind ausgegangen. Nach einem Monat waren wir ein Paar. In der ersten Zeit habe ich immer gedacht, sie lege viel Wert auf meine Meinung. Jeden Tag kam sie mit neuen Fragen und Vorschlägen, was ihr Geschäft betraf. In Wirklichkeit wollte sie von mir eigentlich nur, die Marktchancen ihrer Ideen analysiert haben. Sie wollte einfach das OK dafür, aus wirtschaftlicher Sicht haben. Nehmen sie doch z.B. den Support für fremde Firmen. Ich habe ihr gesagt, es ist doch ganz egal für wen du den Support übernimmst. Setzte ein paar Leute hin die Betriebsanleitungen für Drucker oder Waschmaschinen lesen können und lasse sie einfach die Fragen der Kunden, für zwei Euro die Minute beantworten. Jetzt rechne dir aus was der Mitarbeiter in der Stunde kostet und was er bringt. Gebe ihm neun Euro die Stunde und der Typ ist Happy, weil er einen Euro über Tarif verdient. Und das multiplizierst du dann Mal 100 und schon hast du in einem Jahr wieder eine Million mehr in der Kasse. Das hat sie dann auch getan. Ihre Ideen, waren in Wirklichkeit, immer die Ideen der anderen. Sie hat sie nur umgesetzt. Zum Schluss habe ich das nicht mehr mitgemacht und habe mehr Privatsphäre von ihr verlangt. Das ging auch eine Weile gut, bis zu dem Tag an dem ich ihr einen Antrag machte. Mann, war ich verliebt in diese Frau. Ich habe ihr einen sündhaft teuren Diamantring gekauft. Ein Kunde von uns ist Juwelier, der hat mir den Ring günstiger gegeben. Ich bin an dem Abend vor ihr auf die Knie gegangen und habe um ihre Hand angehalten. Sie glauben nicht was dann los war. Sie ist völlig ausgetickt. Zuerst hat sie geschrien und mich auf das übelste beschimpft und beleidigt, dann flogen Gegenstände und zum Schluss wurde ich geschlagen und hinausgeworfen. Das war der Schock meines Lebens. Am nächsten Tag habe ich meine Klamotten geholt. Den Rest hat sie mir mit der Spedition bringen lassen. Dinge die wir gemeinsam gekauft hatten und sie behalten wollte, hat sie mir großzügig bezahlt.“ Micki: „Wie viel hat sie ihnen dafür gegeben?“ Jens: „Insgesamt 6000.- Euro. Zuerst wollte ich ihr das Geld wieder zurück schicken. Aber mein Abteilungsleiter hat mich davon abgehalten. Zum Glück, muss ich sagen. Warten sie, den Ring habe ich immer noch.“ Er stand auf und kramte in einer Schublade des Sideboards. Dann zog er eine kleine Schachtel heraus und öffnete ihn. Zum Vorschein kam ein eineinhalb Karäter, gefasst von mehreren Brillanten. Eingearbeitet in Platin. Ein schönes Stück. Jens: „Falls sie sich einmal ein solchen Ring kaufen möchten, über den Preis kann man verhandeln.“ Leni: „Ein sehr schöner Ring. Sie haben einen guten Geschmack. Wie lange waren sie denn mit Jana zusammen?“ Jens: „Sechs Monate und sechs Tage. Mann, war das eine Frau. Wow! Aber sagen sie, wie wurde sie getötet?“ Leni: „Sie wurde erwürgt, von Sonntag auf Montag Nacht. Wo waren sie eigentlich in dieser Zeit?“ Jens: „Dieses Wochenende? Da war ich bei meiner Schwester in Heidelberg. Sie hatte am Samstag Geburtstag und da geht es immer hoch her. Ich sehe sie ja so selten, vielleicht zweimal im Jahr. Weihnachten und Geburtstag, mehr Zeit habe ich nun einmal nicht. Ja und am Sonntagabend bin ich wieder nach Hause gefahren. Ich bin gegen acht angekommen und dann in meine Stammkneipe, vorne an der Ecke, Essen gegangen. Um 23:00 Uhr war ich wieder zu Hause.“ Micki: „Und wie heißt die Kneipe?“ Jens: „Das ist der „Kleine Kurfürst“. Die haben jeden Tag zwei Stammessen und führen eine gut bürgerliche Küche. Preiswert ist es auch.“ Micki: „Bitte geben sie uns noch die Telefonnummer ihrer Schwester. Kennen sie noch andere Freunde oder Freundinnen von Jana?“ Sven: „Sie ist regelmäßig mit ihrer Freundin Sarah weggegangen. Nachnamen weiß ich nicht mehr. Ach ja, ihre beiden Partner, mit denen ist sie auch öfters ausgegangen, meistens zum Essen. Ansonsten fällt mir niemand mehr ein, tut mir leid.“ Leni: „Hatte sie spezielle Vorlieben oder Hobbys?“ Jens: „Das einzige was sie immer im Kopf hatte, war ihre Firma, sonst nichts. Selbst am Wochenende war sie immer eine Stunde mit der Firma verbunden. Hobbys hatte sie keine. Für sie war nur die Firma und Kohle wichtig. Ich habe ja gewusst wie viel sie auf ihrem Konto hatte, aber mir war das immer egal, dass sie so gut verdiente. Aber wie gesagt, nach unserer Trennung hat sie ihr Konto gleich am nächsten Tag gekündigt und ist zur Badischen Zentral Bank gegangen.“ Leni notierte sich noch die Nummer von Svens Schwester und verabschiedete sich von ihm und wünschte ihm gute Besserung wegen seinen gebrochenen Arm. Der nächste Weg führte sie in die Gaststätte Kleiner Kurfürst, am Ende der Straße. Der Wirt und die Bedienung bestätigten, dass Jens Dahlke bis 23:00 Uhr hier war. Somit konnten sie, wenn seine Angaben von der Schwester bestätigt wurden, wieder einen von ihrer Liste der Verdächtigen streichen. Jetzt blieb nur noch Heiko Weiss übrig, der letzte Freund oder Liebhaber, der mit Jana zusammen war. Da der aber mit Sicherheit bis am Abend arbeitete, wollten sie erst andere Dinge überprüfen. Sie wollten auf jeden Fall noch einmal in die Wohnung von Jana gehen. Vielleicht hatten sie doch etwas übersehen. Bei der Gelegenheit, wollten sie auch den Briefkasten leeren und noch einmal bei Mario Jukitsch vorbei gehen. Schon beim einbiegen in die Herrmannstraße, sahen sie dass ein Abschleppwagen, wieder einmal einen Falschparker auflud. Leni und Micki fiel sofort Politesse Hohner ein. Aber die machte hier keinen Dienst. Die beiden suchten sich einen regulären Parkplatz, um nicht wieder Schwierigkeiten zu bekommen. Micki hatte die Schlüssel der Wohnung von Jana und schloss die Eingangstür auf. Danach suchte sie den Briefkastenschlüssel und öffnete ihn. Es lagen mehrere Briefe und Werbung darin. Ein Brief stach ihnen gleich ins Auge. Es war ein Kondolenzbrief. In einem normaler Briefumschlag, hatte aber einen schwarzen Rand. Sie fragten sich gleich, wer schickt einer Toten solch einen Brief? Jana hatte ja keine Familie oder Freund, mit dem sie zusammen lebte. Sie gingen hoch in die Wohnung und setzten sich an den Küchentisch. Beide zogen sich Handschuhe an und Micki nahm ein spitzes Küchenmesser aus dem Messerblock. Vorsichtig schnitt sie den Umschlag auf. Darin war eine Karte, die den gleichen schwarzen Rand hatte, wie der Umschlag. Mit den Fingerspitzen zog die die Karte heraus. Micki las vor: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Jesaja 43.1. Sie las ihn noch einmal vor. Den beiden war klar, dass dies kein Kondolenzbrief war, sondern eine Botschaft des Mörders. Leni zog eine Plastiktüte aus ihrer Jacke und verstaute sie darin. Micki fragte: „Was ist dass denn? Haben wir es mit einem religiösen Spinner zu tun?“ Leni: „Ich kann es dir nicht sagen. Er beschreibt einfach nur, in biblische Worte verpackt: Ich habe dich ausgewählt und dann getötet. Ich bin nicht Bibelfest und weiß nicht um was es an dieser Stelle geht. Aber ich glaube, dass der Satz nichts mit Jesaja zu tun hat. Er hat ihn speziell für seinen Zweck gesucht und wie wir sehen, auch gefunden.“ Micki: „Und was soll das bringen? Wenn man den Satz wörtlich nimmt, sagte er nichts anderes als: Ich habe dich gesucht und gefunden und ab jetzt gehörst du mir.“ Leni: „Und dass meint er auch so. Komm lass uns den Rest der Post durch schauen.“ Sie sortierten erst einmal die Werbung heraus, bis nur noch drei Briefe übrig blieben. Der eine war von der Bank, der zweite von einem Notar und der dritte von einem Partnerservice. Sie öffneten die Briefe nicht, dies wollten sie der KTU überlassen. Es könnte ja sein, das der Täter die Post auch durchgesehen hat und vielleicht Spuren hinterlassen hatte. Sie sahen sich noch einmal in der Wohnung gründlich um, fanden aber nur einige Kontoauszüge, die in einer Schublade zwischen zwei Briefen gerutscht waren. Jana hatte keine Fotos und persönlichen Briefe hinterlassen. Dies konnte auch ein Hinweis darauf sein, das der Täter sie mitgenommen hat. Es war nur Spekulation. Auf dem Anrufbeantworter hatte auch niemand eine Nachricht hinterlassen. Irgendwie ernüchternd. Nichts was sie hätten noch verwerten können. Es schien geradeso, als wenn jemand aus der Wohnung das Private genommen hätte. Sie wirkte steril, ohne persönliche Note. Außer den modernen Gemälden, hing nichts privates an den Wänden. Sie verschlossen und versiegelten die Wohnung wieder und schauten noch einmal bei Mario Jukitsch vorbei. Micki: „Hallo Herr Jukitsch. Wir wollten nur noch einmal nachfragen, ob ihnen noch etwas eingefallen ist, oder im Hausflur einen Fremden gesehen haben?“ Mario: „Nein leider nicht. Weder ist mir etwas eingefallen, noch habe ich einen Fremden im Hause gesehen. Aber sobald etwas geschieht, rufe ich sie an, ich habe ja ihre Karte.“ Sie verließen die Herrmannstraße und fuhren wieder ins Präsidium. Auf dem Schreibtisch von Leni, lagen mehrere Stapel von Zettel. Einer hatte Hinweise zu der Unfallflucht, der andere Stapel hatte Infos zum Fall Jana Hoffmann. Leni erkundigte sich bei Biene, ob sie in der Zwischenzeit etwas über die Tante von Jana herausgefunden hat. Sie hatte die Adresse und Telefonnummer heraus bekommen. Es dauerte deshalb so lange, weil sie bereits zum zweiten Mal verheiratet war und ihren Mädchennamen Hoffmann abgelegt hatte. Sie hieß nun Bellinger und wohnte in der Nähe von Zürich. Sie gab Biene den Auftrag, den Flug von den Staaten nach Stuttgart zu recherchieren, ob das Ehepaar Matt auf einer Maschine war. Auch sollte sie bei der Schwester von Jens Dahlke anrufen und sein Alibi überprüfen. Dann widmeten sich die Kommissarinnen den Hinweisen, die den ganzen Morgen herein kamen. Jetzt kamen noch ihre Kollegen Kramer und Langer dazu. Sie berichteten was alles an Hinweisen herein kam. Die meisten Hinweise kamen zum Fall Kleinert. Die Anrufer bestätigten übereinstimmend, das von der Autobahn her, bis zur B 10 ein nach Karlsruhe hinein, ein Rennen von etwa vierzig Autos stattfand. Einer hat auf der Gegenfahrbahn ein Geschehen beobachtet, wie ein getunter AMG Mercedes einen Passat überholte. Er konnte aber nicht sehen ob der Passat von der Straße gedrängt wurde, weil dort eine Kuppe war und er keinen weiteren Einblick mehr auf die Straße hatte. Der AMG Mercedes, war der letzte in der Kolonne von Rasern, sagte er. An die Farbe des Wagens konnte er sich nicht mehr erinnern, meinte dann, es könnte Silbermetallic gewesen sein. Er sah aber, dass auf dem Heck des Wagens, eine Art gelber Pfeil lackiert war. Einige der Zeugen wurden auch geschnitten, so dass es in mehreren Fällen zu beinahe Unfällen gekommen ist. Sieben KFZ Kennzeichen hatten sich die Zeugen gemerkt oder notiert. Die Überprüfung war gerade im Gange. Im Fall Hoffmann gab es auch viele Hinweise. Die meisten davon betrafen den Freitagabend. Sie haben Jana entweder im „Noble House“ oder im „Big Apple“ gesehen. Auch sagten sie übereinstimmend, dass sie in weiblicher Begleitung war. Zwei Hinweise, waren aber äußerst interessant. Sie behaupteten, dass sie Ex- Freunde von Jana waren. Nach ihren Aussagen zu Folge, waren es die Vorgänger von den Dreien bisher bekannten Weiss, Dahlke und Matt. Inzwischen waren auch die Kopien von den Briefen die sie gefunden hatten eingetroffen. Leni informierte Kriminalrat Wulf, dass er auch zur Besprechung kommen solle. Biene hatte inzwischen die Schwester von Dahlke erreicht, die seine Angaben bestätigte. Somit war auch er, aus dem Kreis der Verdächtigen, endgültig raus. Biene machte von den Briefen Kopien bis Wulf kam. Fünf Minuten später waren sie vollzählig. Leni fing an zu referieren: „Diese drei Briefe lagen heute Morgen im Briefkasten des Opfers Jana Hoffmann. Das erste Schreiben, ist die Bestätigung einer Datingagentur, bei der sich Frau Hoffmann angemeldet hatte. Die Agentur vermittelt, je nach Wunsch Heiratswillige, Sexpartner oder Freundschaften für Unternehmungen. Sie hatte alle drei Sparten gebucht. Wie wir in der Zwischenzeit erfahren haben, nutzte Frau Hoffmann alle Gelegenheiten, um an neue Geschäftsideen zu gelangen. Wie uns zwei ihrer Ex Freunde erzählten, wurden sie gnadenlos von ihr diesbezüglich ausgenutzt. Wenn die Partner dann eine Heirat wollten, beendete sie sofort das Verhältnis. Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Entweder wollte sie diese Geschäftsidee auch bei sich in ihrer Firma installieren, oder sie suchte auf diesem Wege einen neuen Partner. Zum zweiten Brief kann ich noch nichts Konkretes sagen, weil wir erst den Inhalt auf dem Notariat und der Bank überprüfen müssen. Wie es scheint, hat Frau Hofmann ein Haus in der Schweiz gekauft. Auch ist in dem Brief von einem Bankschließfach die Rede, von dem wir noch nichts wussten. Wir werden das heute noch überprüfen. Und nun zum dritten Brief. Der Deutung des Inhaltes überlasse ich jedem selbst. Aber das Zitat oder Spruch „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Jesaja 43.1., lässt meiner Meinung nur den Schluss zu, das es vom Mörder stammt.“ Leni setzte sich. Biene brachte eine Bibel herein und legte sie auf den Tisch. Kriminalrat Wulf nahm sie und suchte die zitierte Passage. Er las dann das Kapitel vor. In ihm ging es um Jakob und um Israel. Dann meinte er: „Das Zitat wurde meiner Meinung nach, bewusst ausgesucht. Ich denke, es soll soviel heißen wie, schaut her ich habe dich ausgesucht und nun mache ich mit dir was ich will. Und erlösen steht gleich mit töten. Ich denke auch, dass es vom Täter ist. Dieser Spruch hat mit einer normalen Kondolenz nichts zu tun. Im Übrigen war es an Frau Hoffmann gerichtet und wie alle wissen, ist sie nicht mehr am Leben.“ Leni: „Wenn es vom Täter ist, werden wir noch mehr von ihm bekommen. Scheinbar sucht er die Bühne um sich zu profilieren. Hoffentlich gibt es nicht noch mehr Opfer.“ Micki: „Kann die Tat, auch einen religiösen Hintergrund haben?“ Micki löste damit eine Debatte aus. Langer und Wulf verneinten es. Kramer schloss es, genau wie Leni, nicht aus. Wie lautet der Standardspruch der Polizei: „Wir ermitteln in alle Richtungen“. So wollten sie es auch halten. Auch der Fall Kleinert kam noch zur Sprache. Die Anrufer hatten ja konkrete KFZ Kennzeichen genannt, welche jetzt zur Anzeige kamen. Die Führerscheine der Beteiligten dürfen bis zu sechs Monate weg sein. Und für den Fahrer des Unfallwagens, der verantwortlich für den Tod der Kleinerts führte, würde eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre fällig sein. Leni ging nach der Besprechung zuerst zu Oberstaatsanwalt Wenger. Sie bat ihn eine richterliche Anordnung einzuholen, um an das Schließfach in der Badischen Zentral Bank, von Jana Hoffmann zu gelangen. Sie hatten die Wohnung schon drei Mal durchsucht, hatten aber weder einen schriftlichen Hinweis, noch einen Schlüssel dafür gefunden. Sie unterrichtete Wenger auch kurz über die anderen beiden Briefen, sowie die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen. Wenger wollte sich gleich darum kümmern. Danach machte sie Mittagspause. Micki hatte inzwischen die Tante von Jana erreicht. Sie brachte es Frau Bellinger schonend bei, dass ihre Nichte Opfer eines Kapitalverbrechens wurde. Auf nähere Details verzichtete sie. Wenn sie nach Karlsruhe kam, war es immer noch Zeit dafür, ihr die schrecklichen Einzelheiten der Tat zu erzählen. Oberstaatsanwalt Wenger kam strahlend ins Büro von Leni. Er hatte auf die Schnelle einen Durchsuchungsbeschluss von Richter Saalberg bekommen. Er sagte: „Hier Frau Herbst, der Durchsuchungsbeschluss für das Schließfach von Frau Hoffmann. Der Beschluss gilt auch für die Freigabe aller Kundendaten von ihr. Falls die Bank trotzdem Schwierigkeiten, wegen des Erbscheines macht, dann verweisen sie die Herren einfach an mich. Hoffentlich finden sie etwas, was sie weiterbringt.“ Leni: „Sie wissen ja Herr Wenger, die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Wenger: „Deshalb sollten sie die Hoffnung niemals aufgeben. Also viel Glück.“ Sie fuhren gleich zur BZB in die Kaiserstraße. An einem Kundenschalter verlangten sie nach dem Direktor der Bank. Nach einigen Minuten, kam ein gut gekleideter älterer Herr und sagte: „Guten Tag die Damen, mein Name ist Bartus, Dr. Johann Bartus. Ich bin der Direktor der BZB. Was kann ich für sie tun?“ Micki und Leni stellten sich ihm vor und zeigten ihre Dienstausweise. Sie erklärten ihm, dass sie im Mordfall Hoffmann ermittelten und nun Einblick in die Bankgeschäfte von Frau Hoffmann wollten. Der Banker führte sie in sein Büro und sagte dann: „Sie wissen ja, das dies nur mit richterlichem Beschluss möglich ist. Aber ich denke sie wissen das selbst.“ Leni: „Wir hatten uns schon so etwas gedacht und haben die Verfügung gleich mitgebracht. Bitte, hier ist er.“ Leni reichte ihm den Beschluss über den Schreitisch. Er schaute es kurz an und meinte: „Sie wollen über alle Konten verfügen? Dazu brauche ich den Erbschein von ihnen.“ Leni: „Wir hatten uns schon gedacht, dass sie das sagen würden, aber Oberstaatsanwalt Wenger meinte sie möchten ihn doch bitte anrufen um diese Frage zu klären.“ Leni nahm ihr Handy und wählte Oberstaatsanwalt Wenger an. Dann übergab sie Dr. Bartus das Handy. Nach einem fünf Minuten war die Sache geklärt. Dr. Bartus stellte seinen Computer an und sagte: „So dann wollen wir doch einmal sehen, was Frau Hoffmann alles bei uns hat. Also geben wir einmal ihre Daten ein.“ Er gab die Daten ein und auf dem Bildschirm zeigte eine Maske zahlreiche Dateien an. Bartus: „Ich drucke ihnen alles aus, auch die Überweisungen an die Auslandkonten in der Schweiz. Wir können in der Zwischenzeit in den Keller zu den Schließfächern gehen. Wie ich sehe, hatte Frau Hoffmann zwei Schließfächer. Eines war privat und das andere hatte sie auf die CSC GmbH. Haben sie die Schlüssel dafür? Wenn nicht, muss ich erst noch den Generalschlüssel für die Kundenschlüssel holen. Wenn sie mir bitte folgen würden.“ Er ging voraus und holte sich an der Hauptkasse noch den Generalschlüssel, dann stiegen sie hinab in den Keller. Unten ging es rechts zum Tresorraum und zur linken Seite zu den Schließfächern. Dr. Bartus suchte das erste Schließfach mit der Nummer 128. Er schloss das Fach auf und zog eine längliche Stahlkassette heraus. Danach öffnete er das zweite Fach mit der Nummer 245. Auch hier zog er die Stahlkassette heraus und stellte sie daneben auf den Tisch. Dr. Bartus wollte sich schon entfernen, da bat ihn Leni zu bleiben und als Zeuge zu fungieren. Micki machte ihr Handy fertig, zum fotografieren. Leni öffnete die erste Kassette, in der die privaten Unterlagen von Jana Hoffmann lagen. Leni hatte die Gummihandschuhe angelegt, um keine Spuren von sich zu hinterlassen. Micki dokumentierte alles was Leni herausnahm und schrieb mit, was auf dem entsprechenden Dokument stand. Das gleiche taten sie mit dem Inhalt der anderen Kassette. Leni hatte alles eingetütet und beschriftet. Als sie fertig waren, unterschrieben sie alle das Protokoll das Micki erstellt hatte. Dieser Teil war nun erledigt und sie gingen wieder nach oben. Dort stand schon der Hauptkassierer und hatte alle ausgedruckten Unterlagen in mehrere Umschläge verpackt. Der Job war erledigt und sie fuhren wieder ins Präsidium. Micki fuhr aber nicht in die Tiefgarage zum parken, sondern wollte ihn oben am Eingang abstellen. Sie wollten nur die Unterlagen aus der Bank in die KTU bringen. Sie gaben sie Dr. Seiler mit der Bitte, schnellstmöglich Kopien der Unterlagen anzufertigen. Eine viertel Stunde später war alles erledigt und sie gingen wieder ins K1. Dort warteten schon seit zehn Minuten die beiden Partner von Jana Hoffmann, Schneider und Johanson. Beide waren etwas ungehalten, weil sie warten mussten. Leni entschuldigte sich höflich für ihre Verspätung und holte KK Langer hinzu. Der kam mit einem Laptop und drei DVDs und stelle alles auf den Tisch. Leni fing an: „So meine Herren, hier sind die Protokolle von unserer Befragung in ihrem Büro. Als Anhang finden sie den Fragebogen, den sie dort ausgefüllt haben. Bitte lesen sie alles noch einmal in Ruhe durch, damit wir sicher sind, dass alles seine Richtigkeit hat.“ Sie schob jedem ein Protokoll hin. Schneider und Johanson wollten es ungelesen unterschreiben, da wiederholte Leni noch einmal, dass sie es durchlesen sollten. Schneider meinte: „Wenn wir der Polizei nicht vertrauen können, dann frage ich mich wem sonst?“ Dann unterschrieben er und Johanson. Die beiden standen auf und wollten schon gehen, da meinte Leni: „Eine Frage habe ich noch an sie?“ Johanson drehte sich um und fragte: „Und was für eine?“ Leni: „Wo waren sie am Sonntag Nachmittag? Beim Pokalspiel des KSC waren sie definitiv nicht. Also, ich warte.“ Schneider drehte sich nun auch um und rief empört: „Was soll das. Wenn wir sagen wir waren beim Pokalspiel, dann waren wir auch dort. Beweisen sie uns doch das Gegenteil. So und nun gehen wir.“ Leni war aber noch nicht fertig mit den beiden: „Das trifft sich gut meinen Herren. Ich werde ihnen beweisen, dass sie nicht dort waren. Setzen sie sich wieder.“ Schneider: „Das müssen wir uns nicht gefallen lassen. Wir kennen unsere Rechte.“ Leni: „Dann wissen sie auch, dass ich sie als Tatverdächtige 48 Stunden festhalten kann. Und das tue ich hiermit und nehme sie vorübergehend fest.“ Johanson: „Wir wollen sofort unsere Anwälte sprechen. Wir werden gegen sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde machen, wenn unsere Anwälte mit ihnen fertig sind, können sie sich als Politesse bewerben.“ Leni schaltete den Laptop an und legte eine DVD ein. Auf dem Monitor sah man das Bild vom Wildparkstadion. Unten rechts lief eine Uhr in Echtzeit mit. Dann meinte sie: „Ich gebe ihnen die Chance sich selbst zu suchen. Wenn sie sich auf den Videoaufnahmen wiedererkennen geben sie dem Kollegen Polizeimeister Auer Bescheid. Sind sie es, können sie sofort gehen. Können sie den Verdacht nicht entkräften, verhafte ich sie wegen Mordverdacht oder der Verschleierung einer Straftat. Hier ist ein Telefon, damit sie ihre Anwälte anrufen können. So, und nun schauen sie sich das Video an. Wenn ihre Anwälte kommen, können sie ihnen ja beim suchen helfen, sie wissen ja, acht Augen sehen mehr als vier. Mich müssen sie leider entschuldigen, aber die Pflicht ruft. Einen schönen Tag wünsche ich noch.“ Micki hatte schon veranlasst, dass die beiden in das Vernehmungszimmer zwei verlegt wurden. Auer und ein Kollege vom Streifendienst sollten auf sie aufpassen. Falls sie noch nicht zurück sein sollten, würde Kramer das Verhör leiten, weil er die Videos gesichtet hatte. Im Zweifel, sollte Kriminalrat Wulf entscheiden, wie zu verfahren sei. Aber an Hand der Tatsache, dass die beiden nicht beim Spiel waren, mussten sie irgendwann mit der Wahrheit herausrücken. Leni spürte es förmlich, dass die zwei etwas zu verbergen hatten. Der Spruch im Büro mit: …sonst gehen wir in die Kiste, hallte immer noch in ihrem Ohr. Falls sie nichts zugeben sollten, hatte sie eben Pech gehabt und musste sie wieder auf freien Fuß lassen. Aber noch war es nicht soweit. Micki und Leni saßen wieder in ihrem Wagen. Micki fragte: „Ich bin gespannt, welche Ausrede sich die beiden dieses Mal einfallen lassen.“ Leni: „Die Wahrheit wäre am besten. Aber ich denke, die beiden sind entweder in einer peinlichen, oder bösen Sache verwickelt. Aber was kann so schlimm sein, dass ich lieber eine Mordanklage in Kauf nehme? Ich glaube ja nicht, das sie mit dem Mord etwas zu tun haben.“ Micki: „Ich auch nicht. Vielleicht besinnen sie sich noch und rücken mit der Wahrheit heraus. Bin gespannt was Jana Hoffmann alles in ihren Schließfächern aufbewahrt hat. Vielleicht hilft es uns ja weiter.“ Leni: „Heute Abend wissen wir mehr. Ich denke, dass Willi bis dahin alles kopiert hat. Welche Hausnummer war das noch einmal? Micki schaute auf die Akte und sagte: „Kleistweg 35. Heiko Weiss, 33 Jahre ist er alt und Landschaftsgärtner. Was macht ein Landschaftsgärtner im Winter, vor allem wie jetzt, wenn überall Schnee liegt?“ Leni: „Ich habe keine Ahnung, vielleicht schüttelt er den Schnee von den Bäumen.“ Leni hielt vor der Nummer 35. Es brannte Licht in der Wohnung. Sie klingelten und ein Mann in grüner Latzhose öffnete die Tür. Im Flur standen Gummistiefel, die er scheinbar gerade ausgezogen hatte, weil noch Schnee daran herunter tropfte. „Guten Abend, ich bin Frau Herbst und das ist meine Kollegin Frau Moser. Wir sind von der Kripo Karlsruhe und untersuchen den Mordfall Hoffmann. Wir hätten ein paar Fragen an sie. Haben sie einen Moment Zeit für uns?“ Wortlos machte er die Tür ganz auf und zeigte mit der Hand in den Flur. Dann sagte er: „Schuhe ausziehen. Da hinten stehen Pantoffeln. Ich habe mir schon gedacht, dass sie zu mir kommen würden. Wollen sie einen Kaffee, ich mache gerade frischen?“ Er führte sie in die gemütliche Wohnküche und stellte ihnen Tassen, Zucker und Milch hin. Zum Schluss bekam jede noch einen Löffel und ein verpacktes Gebäckstück. Dann fuhr er fort: „Als ich am Dienstagabend im KA3 den Bericht sah, wusste ich gleich das sie auch zu mir kommen. Soll ich ihnen was sagen? Mich wundert es nicht, dass sie jemand platt gemacht hat. So mies wie sie die Männer behandelt hat, ist das nicht verwunderlich.“ Der Kaffee war fertig und Heiko schenkte ein. Die beiden hatten noch kein Wort gesagt und ihn einfach reden lassen. Leni fing mit der Befragung an: „Herr Weiss, wir wissen, dass sie der letzte feste Freund von Jana Hoffmann waren. Wie lange waren sie mit ihr zusammen und seit wann sind sie getrennt?“ Heiko: „Ich war knapp ein Jahr mit ihr zusammen und seit sechs Wochen waren wir getrennt.“ Micki: „Wie haben sie sich kennengelernt?“ Heiko: „ Das war eine komische Sache. Ich stand in meiner Bank und wollte einige Überweisungen machen, da steht dieser Engel neben mir. Damals empfand ich es so. Sie fragte mich ob sie vorgehen dürfte, weil sie im Halteverbot stand und Angst hatte, abgeschleppt zu werden. Da ich ein Gentleman bin, habe ich sie vorgelassen. Als sie am Schalter fertig war und zum Ausgang gehen wollte, fielen ihr alle Belege aus der Hand. Ich habe ihr dann geholfen sie wieder aufzuheben. Ich hatte mein T-Shirt an, auf dem „Ich bin ein Bonsai“ darauf stand. Sie las das und lachte, fragte mich aber gleich, ob ich mich mit Bonsai auskenne. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich Gärtner bin und mich damit mit auskenne. Sie erzählte mir, dass sie einige Bonsais hätte, doch die würden immer größer, ob ich sie mir nicht einmal anschauen könnte. Jana gab mir ihre Karte und bat mich sie anzurufen. Dies habe ich auch am Wochenende getan. Sie war zu Hause und ich sollte gleich kommen. Ich habe ihr dann die Bäumchen wieder in Form gebracht und geschnitten. Zur Pflege habe ich ihr noch einige Tipps gegeben und einige Produkte aufgeschrieben, die gut für die Bäume waren. Sie hat mich auf ein Glas Wein eingeladen und so sind wir ins Gespräch gekommen. Dabei hat sie mir erzählt, dass sie Teilhaberin einer kleinen Firma sei und Probleme mit neuen Produkten hat. Sie bräuchte neue Ideen, weil sie sonst ihre Firma verlieren würde.“ Leni: „Und sie haben ihr dann geholfen?“ Heiko: „Natürlich. Im Laufe der Zeit verstand ich ihr Gewerbe. Ich habe ihr dann das ein oder andere gesagt, wo sie effizienter werden konnte. Aber das Beste habe ich ihr kurz vor unserer Trennung erarbeitet. Eine telefonische Datingagentur. Egal was einer sucht, er bekommt es. Ein Mann sucht einen Sex Partner, wir vermitteln die entsprechende Telefonnummer. Sie reden dann über die betriebliche Hotline und die kostet dann ein bis zwei Euro die Minute. Eine Frau sucht einen Freund zum Wandern, oder zum heiraten, egal was, wir vermitteln es. Und jede Minute klingelt die Kasse.“ Leni musste gleich an die Post denken, die am Morgen im Briefkasten lag. Micki: „Und warum haben sie sich getrennt?“ Heiko: „Das war der Hammer. Ich habe schon viel erlebt in meinem Leben, aber das war die Härte. Ich habe diese Frau abgöttisch geliebt. Gut, sie hatte ihre Macken, aber wer hat keine. Ich habe da großzügig darüber hinweg gesehen. Ich habe mir dann gedacht, mach ihr einfach einen Heiratsantrag, bevor sie dir ein anderer wegschnappt. Das hätte ich lieber nicht gemacht.“ Leni: „Wieso, hat sie sie abgewiesen?“ Heiko: „Wenn sie einfach nur nein gesagt hätte, wäre es nicht so schlimm gewesen. Na ja schon schlimm, aber ich wäre dann trotzdem noch mit ihr zusammen. Aber kaum hatte ich ihr den Antrag gemacht und ihr den Ring gezeigt, da ist sie völlig ausgerastet. Sie hat mich beschimpft, auf Teufel komm raus. Ich wollte sie beruhigen und hab sie in den Arm genommen, da wurde sie gewalttätig. Sie schlug auf mich ein und warf Dinge nach mir. Sie sammelte einige Klamotten von mir ein und warf sie aus dem Fenster. Als ich nach unten ging um die Sachen aufzuheben, kam der Rest meiner Sachen hinterher. In die Wohnung hat sie mich nicht mehr gelassen. Zwei Tage später stand eine Speditionsfirma vor meiner Tür und hat mir den Rest aus ihrer Wohnung gebracht. Manche Sachen, die wir gemeinsam gekauft hatten und die sie behalten wollte, hat sie mir einfach abgekauft.“ Leni: „Wie viel hat sie ihnen denn bezahlt?“ Heiko: „Sie hat mir einen Scheck mit 7000.- Euro geschickt. Das war viel zu viel. Ich habe versucht sie anzurufen, aber ihre Telefonnummer war plötzlich tot. Die Festnetznummer, hatte ich ja nicht, weil die ja nur fürs Geschäft war. Sie glauben nicht wie fertig ich damals war. Jetzt geht es wieder. Aber damals wusste ich nicht mehr was ich machen sollte. Ich wusste nicht, was ich getan habe, weshalb sie so ausgetickt ist. Ich dachte sogar an Selbstmord.“ Seine Augen wurden wässerig, die Stimme undeutlicher. Micki: „Gott sei Dank haben sie das nicht getan. Ich glaube, wir alle haben das auch schon einmal durchgemacht. Aber wie heißt es doch so schön: Die Zeit heilt Wunden. In ein paar Monaten sehen sie alles ganz anders.“ Heiko nahm seine Tasse und fragte dann: „Und nun wollen sie bestimmt mein Alibi wissen?“ Micki: „Nein, wollten wir eigentlich nicht. Aber wenn sie es freiwillig sagen, bitte warum nicht. Also, wo waren sie am Wochenende?“ Heiko: „Am Samstag war ich mit Freunden unterwegs und bin erst am Sonntag Nachmittag wieder nach Hause gekommen. Übernachtet habe ich meinem Kumpel Axel Neuhaus. Ich schreibe ihnen die Telefonnummer und Adresse auf. Er wird ihnen das bestätigen.“ Leni: „Danke für ihre Mithilfe. Wann haben sie zum letzten Mal mit Jana gesprochen?“ Heiko: „Vor sechs Wochen. Ich habe sie nicht mehr erreicht. Weder im Büro, noch am Handy. Wie gesagt ihre Nummer war plötzlich tot.“ Leni: „Sie sagten gerade, sie wurden auch in ihrem Büro nicht verbunden. Mit wem haben sie denn dort gesprochen?“ Heiko: „Das war ihre Sekretärin Anna. Sie hat mich immer abgewimmelt. Einmal war sie im Meeting, dann war sie außer Haus, oder auf Geschäftsreise. Jedes Mal eine andere Ausrede. Irgendwann habe ich es dann gelassen. Es war mir dann einfach zu blöde, dauernd verarscht zu werden. Im nach hinein bin ich sogar froh darum das es so gekommen ist. Diese ständige Fragerei, ob das Konzept besser ist, oder ob die Analyse stimmen könnte. Einmal sollte ich mich vor ein Kaufhaus stellen und eine Umfrage machen. Umfragen waren sowieso ihr Lieblings Thema.“ Micki: „Kennen sie einen ihre Vorgänger?“ Heiko: „Persönlich nicht. Ich habe nur einmal ein kleines Album gesehen, da waren lauter Männerfotos darin. Als ich sie fragte wer sie sind, sagte sie das wäre nicht ihr Album, sondern gehöre ihrer Tante, die hat es beim letzten Besuch vergessen mitzunehmen. Es seien Fotos von der Familie ihres Mannes in der Schweiz.“ Micki: „Sie sagten gerade persönlich haben sie keinen kennengelernt, wie dann?“ Heiko: „Sie hat ab und zu den einen oder anderen erwähnt. Und glauben sie mir, sie hat nichts Gutes über sie erzählt. Sie sei von fast allen geschlagen worden, einige hätten sie finanziell fast ruiniert, oder sie wurde mit einer anderen betrogen. Lauter solche Horrorgeschichten.“ Leni: „Sind auch Namen gefallen? Können sie sich vielleicht an den einen oder anderen Namen erinnern?“ Er schüttelte mit dem Kopf und sagte dann: „Nicht so richtig. Welcher Mann denkt schon über seine Vorgänger nach, die seine jetzige Freundin betrogen oder geschlagen hat. Es gibt ja keinen Grund dafür, weil man sich selbst für einen besseren Mann hält und so etwas nicht macht.“ Die Befragung ging zu Ende. Beide bedankten sich für die Kooperation und verabschiedeten sich von ihm. Sie zogen die Pantoffeln wieder aus und tauschten sie gegen ihre eigene wieder ein. Beim herausgehen fragte Micki noch: „Können sie mir sagen, was ein Landschaftsgärtner im Winter alles macht, obwohl Schnee liegt?“ Heiko lachte und sagte: „Diese Frage hab ich schon öfters gehört. Aber mir ist der Sommer lieber, weil ich im Winter mehr arbeiten muss wie im Sommer. Meistens schlagen wir im Gemeindewald Holz. Holz wird immer im Winter geschlagen, weil dann nicht viel Wasser im Holz ist. Dann müssen wir in den Gewächshäusern neue Blumen und Pflanzen ziehen. Das macht viel Arbeit. Auch müssen wir Stecklinge für junge Bäume setzen. Also haben wir viel zu tun.“ Micki: „Im Schnee Bäume fällen? Ich kann mir schöneres vorstellen.“ Heiko: „Verstümmelte, oder verweste Leichen anschauen, da könnte ich mir, schöneres vorstellen. Jeder Job hat seine Sonnen- und Schattenseiten, bei ihnen wie bei mir.“ Derweil war es dunkel geworden und es fing wieder an zu schneien. Im Wagen rief Leni den Freund von Heiko an. Axel Neuhaus bestätigte das Alibi von Heiko Weiss. Damit war auch er aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen. Sie hatte gerade aufgelegt, da klingelte ihr Handy. Sie nahm das Gespräch an. Am anderen Ende war Heiko Weiss. Leni: „Was gibt es Herr Weiss?“ Er antwortete: „Sie haben doch vorhin gefragt, ob ich noch einen Namen meiner Vorgänger wüsste. Mir sind gerade zwei eingefallen. Der eine ist Uwe Mast oder Matt und der andere ist Martin Brauer oder Brauner. Aber wo sie wohnen oder gewohnt haben, kann ich ihnen beim besten Willen nicht sagen.“ Leni: „Vielen Dank Herr Weiss, sie haben uns sehr geholfen. Auf Wiederhören.“ Leni notiert sich den Namen Martin Brauer oder Brauner in ihr Büchlein. Micki hatte alles mitgehört und meinte: „Die Hoffmann hatte aber einen großen Verschleiß an Männern. So langsam sollte es einmal genug sein.“ Leni antwortete: „Und wenn einer von ihnen der Mörder ist?“ Micki: „Dann verhaften wir ihn und schießen ihm die Eier und den Schniedel ab.“ Beide lachten und Micki fuhr weiter ins Präsidium. Wieder fuhr sie direkt vor das Präsidium, weil sie noch die Kopien der Schriftstücke von mittags holen wollte. Plötzlich sagte Leni: „Halt an, Halt an!“ Micki bremste und kam nach zehn Metern zum stehen. Leni sagte weiter: „Fahre ein Stück zurück.“ Micki tat wie ihr gesagt und fragte dann: „Was ist los, hast du den Nikolaus oder Weihnachtsmann gesehen?“ Leni: „Stopp. Nein das nicht. Aber ich habe etwas anderes gesehen. Noch ein kleines Stück zurück. Stopp das reicht. Siehst du was ich sehe?“ Micki schaute nach vorne und sah nur parkende Autos. Teilweise mit Schnee bedeckt, andere ohne. Sie bemerkte nichts. Da meinte Leni: „Kannst du dich noch erinnern was ich die am Montag Morgen gesagt habe, als der Wagen abgeschleppt wurde?“ Micki überlegte und meinte dann: „Du meinst das mit der Analyse und dem beobachten drum herum?“ Leni: „Genau das meine ich. Also, was siehst du?“ Micki schaute nun genauer hin. Im Nächsten Augenblick sah sie es auch. Sie stieg aus und zeigte mit dem Finger darauf und sagte: „Du meinst bestimmt das hier, oder täusche ich mich?“ Leni: „Nein du täuschst dich nicht. Hast du noch eine Tüte da?“ Micki holte eine Tüte aus ihrer Jacke und gab sie ihr. Vor ihnen stand ein AMG Mercedes. So ein richtig aufgemotztes Teil. Der Wagen hatte eine weiße Grundlackierung. Aber nach hinten hin, schlugen aufgemalte Flammen über das Heck. Unten waren die Flammen Gelb, aber oben gingen sie ins rote über. Und durch das Scheinwerferlicht beim vorbeifahren, sah man deutlich, das unten die Gelbe Lackierung deutliche Kratzer hatte und der Kotflügel leicht eingedellt war. Es konnte gut sein, das dies der Wagen war, den sie im Zusammenhang des Unfalls mit den Kleinerts suchten. Leni öffnete das kleine Taschenmesser, dass sie am Schlüsselbund trug und kratzte etwas Lack ab und schob ihn in die Tüte. Leni: „Ich leg ein Ei, wenn das der Wagen ist den wir suchen.“ Micki war bereits am Handy und sagte: „Hallo Biene, hier ist Micki. Kannst du einmal eine Halterabfrage machen? Das Kennzeichen ist Konrad, Anton minus 123. Ich wiederhole, Konrad, Anton minus 123. Rufe mich bitte zurück, wenn du den Halter hast. Danke.“ Sie stellten den Wagen etwas weiter ab und gingen in die KTU. Als sie herein kamen, wollte Dr. Wille Seiler gerade gehen. Leni hob ihm die Tüte hin und meinte: „Was glaubst du was ich hier habe, Willi?“ Er schaute die Tüte an und sagte: „Eine Tüte voll Arbeit, oder irre ich mich? Und wie ich euch zwei kenne, soll ich mich jetzt hinstellen und das Zeug auf irgendeinen Mist hin untersuchen, richtig?“ Leni: „Ich bewundere immer wieder deine Auffassungsgabe und deinen Weitblick. Ich habe schon öfters gedacht, was würden wir nur ohne dich tun. Wir wären aufgeschmissen. Wir würden nur die Hälfte, ach was nur ein drittel aller Fälle lösen….“ Willi nahm ihr die Tüte aus der Hand und sagte: „Hör schon auf zu schleimen, sonst rutscht du noch auf der Schleimspur beim herausgehen aus. Also was soll ich tun?“ Er hob den Inhalt gegen das Licht und sah die Farbpartikel die darin lagen. Dann meinte er: „Sag nichts. Ich habe gerade eine Vision. Mein Weitblick und die damit verbundene Auffassungsgabe sagen mir gerade, dass ich diesen Lack mit dem Lackspuren des Wagens der Kleinerts vergleichen soll.“ Micki: „Du bist doch der Beste.“ Und Willi bemerkte: „Ich weiß das. Aber es wäre schön, wenn du das meiner Frau sagen würdest, denn die sieht das völlig anders. So nun lasst mich endlich meine Arbeit machen. Wenn ich fertig bin, bringe ich es euch hoch ins K1.“ Sie bedankten sich noch einmal und gingen zu Fuß ins K 1. Mickis Handy klingelte und nach einem „Was, wer, und bist du sicher, war das Gespräch beendet. Leni schaute sie fragend an. Micki grinste nur und sagte nichts. Leni wurde ungeduldig und meinte: „Nun sag schon was los ist.“ Micki: „Das rätst du nie?“ Leni: „Mach es nicht so spannend. Also, was ist los?“ Micki: „Rate einmal wer der Halter der AMG Mercedes ist. Da kommst du nie darauf.“ Leni überlegte, aber ihr fiel beim besten Willen niemand ein der so einen Wagen fährt. Sie schüttelte mit dem Kopf und sagte: „Keine Ahnung.“ Micki: „Der Wagen ist auf die Firma CSC GmbH zugelassen.“ Leni: „Jetzt wissen wir auch, warum sie ein falsches Alibi angegeben haben. Na wartet ihr zwei hübschen. Nun muss es nur noch eine Übereinstimmung mit den Lackproben geben.“ Micki: „Dann üb schon einmal, ein Ei zu legen.“ Leni: „Ich werde mir Mühe geben. Wir müssen nachher noch ins Big Apple. Biene soll nachher noch nach dem Martin Brauer oder Brauner suchen. Vielleicht haben wir eine Übereinstimmung mit den beiden, die sich als Ex Freunde ausgegeben haben. Du weißt ja wie das manchmal ist, mit den sich wichtig Machern und all den Trittbrettfahrern.“ Sie betraten das K1 und Leni gab ihr den Namen, den Heiko Weiss ihr gegeben hatte. Auf dem Weg in den Verhörraum zwei, kam ihnen Klaus Kramer entgegen. Er schaute sie lächelnd an und sprach: „Du glaubst nicht wie viele Mal die sich darin gesehen haben wollten. Selbst ihre Anwälte schüttelten mit den Köpfen. Ich habe sie jetzt alleine gelassen und gesagt, dass ich auf die Toilette muss. Gibt es bei euch etwas Neues?“ Micki grinste und sagte: „Wie es aussieht, haben wir den Unfallwagen gefunden. Und rate einmal wem er gehört?“ Kramer wusste gleich, dass es sich nur um einen der beiden handeln musste. Sie waren noch nicht einmal fertig mit ihrer kleinen Besprechung, da kam Willi von der KTU. Er hatte ein Blatt Papier dabei und die Tüte. Er hob beides hoch und sagte: „Bingo, Volltreffer. Die Proben stimmen zu 100% überein. So und nun viel Spaß. Ich bin dann einmal weg. Ach ja, die Kopien liegen bei Biene vorne. Schönen Abend noch.“ Kramer: „Ihr habt tatsächlich den Wagen gefunden, und der gehört den beiden da drin?“ Leni und Micki nickten heftig mit dem Kopf. Kramer: „Deshalb lügen sie wie gedruckt. Von wegen Wildpark. Bin gespannt was sie jetzt zu sagen haben.“ Leni griff zum Handy und sagte: „Guten Abend Jupp. Ich habe eine große Bitte an dich. Vor dem Präsidium steht ein weißer AMG Mercedes mit dem Kennzeichen Konrad, Anton minus 123. Könntest du ihn bitte zur Garage der KTU schleppen lassen. Es ist das Tatfahrzeug im Fall Kleinert. Und sage ihnen bitte sie sollen im ganzen Innenraum die Spuren sichern und vermerken wo sie die Spuren gefunden haben, das ist wichtig. Alle verwertbaren Fingerabdrücke, Haare und D N A usw.“ Jupp, der Chef des Fuhrparks, meinte er würde alles veranlassen. Sie rief danach Oberstaatsanwalt Wenger an und schilderte ihm die Situation und bat um einen Durchsuchungsbeschluss für den Wagen. Als Grund gab sie an: Ermittlung des Fahrers bei einer Straftat. Sie beendete das Gespräch und meinte: „Dann wollen wir einmal. Auf zur Märchenstunde.“ Sie öffnete die Tür und betrat die Höhle des Löwen, den Verhörraum zwei. Im Raum waren die beiden Verdächtigen Schneider und Johanson, sowie ihre Anwälte Sascha Kappler und Lars Sachse. Leni: „Guten Abend meine Herren. Entschuldigen sie, es hat etwas länger gedauert. Wie ich höre, ist ihre Suche fruchtlos verlaufen. Das lässt nur den Schluss zu, dass ihre Mandanten, nicht beim Pokalspiel im Wildpark waren.“ Lars Sachse widersprach: „Nicht zwangsläufig. Es kann durchaus sein, das die Kamera sie nicht sichtbar erfasst hat, weil sie durch andere Personen verdeckt wurden. Und bei uns gilt immer noch „In dubio pro reo“, im Zweifel, für den Angeklagten.“ Leni: „Wie wäre es mit „Quid pro quo“ Sie geben mir etwas und sie bekommen etwas zurück. Ich biete ihren Mandanten die Möglichkeit eines Geständnisses und dafür bekommen sie nicht die Höchststrafe.“ Sascha Kappler meldete sich nun zu Wort: „Frau Herbst, die Mordanklage ist völlig haltlos, sie haben doch keinerlei Beweise dafür das unsere Mandanten etwas damit zu tun haben. Es gibt weder Zeugen noch sonstige Spuren, die unsere Mandanten belasten könnten. Sie stützen sich nur auf eine zehn Jahre alte Vereinbarung, die gegenseitige Vererbung von Geschäftsanteilen im Todesfall regelt. Damit kommen sie bei keinem Richter durch. Ich schlage vor, wir beenden dieses Gespräch und gehen alle nach Hause.“ Leni: „Gut, wenn sie es nicht anders wollen, gehen wir „ in medias res“. Wissen sie warum ihre Mandanten nicht zur fraglichen Zeit im Wildpark waren? Weil sie an einem illegalen Rennen zwischen Stuttgart und Karlsruhe teilgenommen haben. Im Verlauf des Rennens, schnitt ihr Mandant den Wagen der Familie Kleinert, die dadurch von der Fahrbahn gedrängt wurden und in Folge des Überschlages zu Tode kamen. Ich glaube, sie sollten sich jetzt mit ihren Mandanten beraten. Ich verhafte sie beide, Lukas Schneider und Eric Johanson, wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen. Ich gebe ihnen zehn Minuten Zeit. Sollten sie dann zu keiner Zusammenarbeit bereit sein, lasse ich sie In die JVA bringen und am Freitag dem Haftrichter vorführen. Ich hoffe, ihre Mandanten haben mich dieses Mal verstanden.“ Sie legte eine Kopie der „Akte Kleinert“ auf den Tisch und blickte in vier verblüffte Gesichter. Dann verließen die drei den Vernehmungsraum zwei. Vor der Tür fragte Kramer, Leni: „Glaubst du, das sie jetzt ein Geständnis ablegen?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Ich glaube, das sie sich entweder gegenseitig beschuldigen, oder keiner von ihnen will gefahren sein. Deshalb habe ich auch den Wagen sicherstellen lassen und in die KTU gebracht. Auf jeden Fall werde ich sie wegen Verdunklungsgefahr sitzen lassen. Vielleicht hellen, eine oder zwei Nächte im Knast, ihren Geist wieder auf. Aber lasst uns doch in der Zwischenzeit die Kopien aus der Bank ansehen.“ Biene hatte in der Zwischenzeit für jeden eine Kopie gemacht. Leni hatte Biene auch dazu geholt. Sie sollte die Hintergrund Recherche machen. Micki stellte zwei weitere Flipcharts hin. Auf der linken klebte sie die Bilder aus dem Album hin und schrieb die Namen darunter. Scheinbar war es das Album, das Heiko Weiss bei Jana gesehen hatte. Es waren alles unbekannte Männer mit unbekannten Namen. Leni öffnete den Umschlag mit den Kontoauszügen. Sie sagte erstaunt: „Schaut euch das an. Die war richtig reich. Sie hatte über 1.565 Millionen auf ihrem Konto.“ Micki: „Das sind über eine Million Gründe, von denen wir nichts wussten. Nach außen spielte sie die Normalverdienerin, die bei jedem neuen Typ eine auf kurz vor der Pleite stehende macht.“ Kramer pfiff: „Sie hat ein Haus im Tessin in Locarno, am Lago Maggiore gekauft. Vor genau zwei Wochen, für sage und schreibe 850.000.- Euro. Sie hat die Hütte bar bezahlt. Hier sind der Grundbucheintrag und die Steuerbescheide mit anderen Gebühren. Alles cash bezahlt.“ Micki: „Sie hatte auch noch ein Konto bei der Schweizer National Bank. Da sind auch 485.000 Schweizer Franken drauf.“ Leni: „Wir sollten die Steuerfahndung einschalten. Ich werde gleich Wenger anrufen, er muss den Durchsuchungsbeschluss erweitern. Für die Geschäfts- und Privaträume der beiden. Ich wette, wir finden noch jede Menge Unterlagen aus der Schweiz.“ Kramer: „Wir sagen denen aber nichts von unserem Fund in der Bank, oder?“ Leni: „Natürlich nicht. Morgen nach der Durchsuchung, ist früh genug. So ihr könnt ja schon einmal Bestandsaufnahme machen. Ich gehe schon einmal rüber zu unseren Märchenerzählern. Bin gespannt, was sie sich jetzt wieder ausgedacht haben.“ Micki: „Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.“ Leni schaute auf die Uhr. Es war schon 20:00 Uhr. Es wurde Zeit die Scharade zu beenden. Sie öffnete die Tür vom Vernehmungsraum zwei und kam ohne Umschweife gleich zur Sache: „Also meine Herren, wie haben sie sich entschieden?“ RA Kappler antwortete: „Unsere Mandanten streiten jegliche Beteiligung an dem Rennen ab. Auch haben sie nichts von einem Unfall bemerkt. Somit steht Aussage gegen Aussage. Eine Inhaftierung ist nicht nötig, da das soziale Umfeld in Ordnung ist. Fluchtgefahr besteht auch nicht, da unsere Mandanten hier in Karlsruhe einen festen Wohnsitz ihre Firma haben.“ Leni: „Das sieht der Oberstaatsanwalt anders. Da eine Haftstrafe von über fünf Jahre in Aussicht steht, ist eine Hafterlassung nicht gegeben. Herr Wachtmeister Moser überführen sie die beiden Beschuldigten in die JVA.“ Moser legte beiden Handschellen an. Ein Kollege half ihm dabei. Leni zu den beiden Anwälten: „Sie können ja morgen Mittag einen Termin mit unserem Kommissariat ausmachen, falls sie etwas zu Protokoll geben möchten. Ansonsten sehen wir uns am Freitag, vor dem Haftrichter. Der Oberstaatsanwalt wird ihnen bestimmt noch den Termin zukommen lassen. Also, wenn sie mich jetzt entschuldigen wollen, aber ich habe noch einen Termin und bin schon spät dran. Auf wiedersehen, meine Herren.“ Sie wies den beiden Anwälten die Tür und ging wieder zurück zum kleinen Konferenzraum. Die beiden hatten inzwischen die Unterlagen sortiert. Leni sagte zu Micki: „Ich glaube wir sollten so langsam aufbrechen, sonst wird es wieder so spät. Und Klaus, du solltest auch bald nach Hause gehen.“ Kramer wollte nur noch die Kopien wegschließen, und auf Kurt Langer warten, der heute Bereitschaft hatte. Micki und Leni waren unterwegs zu ihrem letzten Termin heute. Sie wollten noch das Personal und den Chef vom „Big Apple“ befragen. Die Disco lag am Stadtrand von Karlsruhe, am Rande des Industriegebietes Nord. Es war kurz vor 21:00 Uhr. In wenigen Minuten würde das Big Apple öffnen. Micki fuhr direkt neben den Eingang und parkte auch dort. Kaum das sie ausgestiegen waren, kam auch schon ein älterer Herr vom Sicherheitsdienst. Er sagte freundlich: „Guten Abend die Damen. Leider können sie hier nicht parken. Wenn sie bitte so freundlich…“ Weiter kam er nicht, weil Leni ihm den Dienstausweis entgegen hielt. Der Sicherheitsmann schaute sich den Ausweis genau an und meinte: „Die werden auch immer kleiner. Zu meiner Zeit hatten wir noch Hundemarken.“ Damit meinte er die ovalen Marken aus Messing, auf denen ein Stern abgebildet war und darunter Kriminalpolizei. Leni: „Sie waren auch einmal bei uns?“ Der Sicherheitsmann antwortete: „Ja das war ich, ist aber schon einige Jahre her. Übrigens ich heiße Werner Gerber, Ex Polizeiobermeister a.D.“ Leni: „Warum sind sie nicht mehr dabei?“ Gerber: „Ich hatte eine Begegnung mit einem sehr unfreundlichen Menschen, der mir vier Kugeln verpasst hat. Danach war es aus mit dem Streifendienst. Ich war über zwei Jahre Dienstunfähig, dann hat man mich pensioniert.“ Leni: „Das tut mir leid für sie. Hat man diesen unfreundlichen Mensch wenigstens gefasst?“ Gerber: „Ja. Er hatte keine Möglichkeit mehr, eine fünfte Kugel zu verpassen. Ich habe ihn mitten in die Brust getroffen. Dies war mein erster und letzter Waffengebrauch. In der Theorie lernt man ja alle möglichen Situationen und spielt viele Szenarien durch, aber in der Praxis sieht das ganz anders aus. Aber was möchten sie hier Frau Herbst?“ Leni holte ein Foto von Jana Hoffmann aus der Tasche und zeigte es ihm mit der Frage: „Haben sie die Frau schon einmal gesehen?“ Gerber: „Ja, in der Zeitung, aber nicht hier. Ich bin hier für die Sicherheit zuständig. Wenn der Apfel voll ist, sind über 1500 Gäste da. Glauben sie mir, da fällt der einzelne, in der Masse, nicht auf. Es sei denn er macht Rabatz und fängt an zu schlägern. Und Leute die das tun, werden von mir und meinen Mitarbeitern nach draußen verfrachtet. Diese Leute merken wir uns und nur diese. Von Typen die bei uns unangenehm Aufgefallen sind, machen wir sogar Fotos, mit Datum und Uhrzeit. Beim zweiten Mal gibt es dann Hausverbot. Sprechen sie mit den Bedienungen oder den Barmännern, da besteht eher die Möglichkeit, dass sie jemand gesehen hat.“ Micki: „Können wir schon herein?“ Gerber: „Ich bringe sie, folgen sie mir.“ Er ging voran und öffnete mit einem Schlüssel eine kleine Seitentür. Durch einen Flur gelangten sie in ein Lager und von dort, hinter die große Bar. Es war alles hell erleuchtet, so dass man die Wände und Decken klar erkennen konnte, obwohl sie schwarz gestrichen waren. Unter der Decke hingen dutzende von Rohren, Scheinwerfer und Boxen. Schön sah das nicht aus, aber wenn erst einmal das normale Licht aus war und die Licht- und Lasershow lief, sah man das alles nicht mehr. Eine Putzkolonne war gerade dabei, den letzten Schmutz zu beseitigen und wischte Tische und Stühle ab. Andere Bedienstete legten kleine Tischdecken und Kerzen auf die Tische und stellten die Stühle richtig hin. Der Barmann stapelte Massenhaft Gläser auf den Tresen und schaltete die Kaffeemaschinen und Geschirrspüler ein. Es war wie in einem Supermarkt, der kurz vor der Eröffnung stand. Gerber brachte sie zu einer jungen Frau und stellte sie vor: „Das ist die Chefin des Personals, Frau Franziska Jung. Sie kann ihnen alles zeigen und mit ihr können sie alles besprechen. Der Herr dahinten, ist Edmund Ohl und ist der Bar Chef. Er ist der Herr der Getränke. So und nun entschuldigen sie mich, ich muss noch meinen Kontrollgang machen, bevor die Meute kommt.“ Gerber zog davon und ließ die beiden allein mit Franziska Jung zurück. Micki stellte sich vor und fragte sie: „Wo können wir einigermaßen ungestört mit dem gesamten Personal sprechen. Wir haben einige Fragen zu Jana Hoffmann, die öfters hier war.“ Franziska Jung: „Ich habe es in der Zeitung gelesen. Eine schreckliche Sache. Ich schlage vor wir gehen in unseren Aufenthaltsraum, da ist es ruhiger, weil gleich die Musik anfängt.“ Sie zeigte ihnen den Weg und Leni fragte: „Ist der Chef auch schon hier?“ Franziska nickte und rief eine der Mädchen herbei und sagte ihr, dass sie Leni zu ihm bringen solle. Micki übernahm derweil die Befragung des Personals. Franziska bestand aber darauf, dass der Barmann als erstes befragt werden sollte, damit die Gäste nicht so lange auf ihre Getränke warten mussten. Das Mädchen brachte Leni, über eine Wendeltreppe, zu Herrn Schöller. Sie klopfte an und schickte dann Leni in das Büro von ihm. Sie sagte zu ihm: „Guten Abend Herr Schöller, ich bin Leni Herbst von der Kriminalpolizei Karlsruhe. Ich führe Ermittlungen durch im Mordfall Jana Hoffmann.“ Während sie das sagte zeigte sie ihm ihren Dienstausweis. Schöller: „Bitte setzen sich doch. Darf ich ihnen einen Kaffee oder etwas anderes anbieten? Leni nahm den Kaffee dankend an. Schöller stellte ihr eine Tasse, mit Zucker und Milch hin. Während Schöller den Kaffee umrührte, fragte er sie: „Was kann ich für sie tun, Frau Herbst?“ Leni: „Wie gesagt, wir untersuchen den Mord an Frau Hoffmann. Jetzt suchen wir alle Lokalitäten auf, in denen Frau Hoffmann in den letzten Tagen und Stunden verkehrte. Sie besuchte auch ihre Disco am Vorabend ihres Todes.“ Sie zog nun das Foto aus ihrer Tasche und legte es ihm auf den Schreibtisch. Er schaute es an und sagte: „Das ist das Bild aus der Zeitung heute Morgen. Aber ich muss sie leider enttäuschen, ich kenne diese Frau nicht. Wie sie sicherlich bemerkt haben, bin ich nicht unten im Lokal, sondern sitze hier in meinem Büro. Und das mache ich die ganze Zeit, in der ich hier bin. Ich habe keinen großen Kontakt zu meinen Gästen. Wir haben jeden Abend zwischen 1200 und 1500 Gäste hier. Letztes Jahr war es, in knapp elf Monaten, über 235000 Besucher. Teils sind es Stammgäste, oder Neue Gäste die noch nie hier waren. Das Einzugsgebiet unserer Gäste reicht von Pforzheim, nach Heidelberg und geht bis runter nach Freiburg. Es ist ja nicht das einzige Lokal das ich besitze. Ich muss mich auch um zwei andere Big Appels kümmern. Eines davon in Stuttgart und das andere in Frankfurt. Ich sitze jeden Abend hier in meinem Büro und mache Abrechnungen, Bestellungen und Statistiken. Bis um 2:00 Uhr morgens muss ich die Bestellung der Getränke für Karlsruhe fertig haben. Je eine Stunde später für Stuttgart und Frankfurt. Dann ist jeden Abend die Kassenabrechnung vom Vortag zu machen und am Monatsende kommt die Lohnbuchhaltung noch dazu. Und das schlimmste kommt immer in der Mitte des Monats; das Finanzamt. Sie sehen, ich habe groß keine Zeit, mich um die Gäste zu kümmern. Wenn ich ehrlich bin, habe ich auch keine Lust dazu, denn ich bin eine miserable Bedienung. Für den Service habe ich meine Leute, die das alles besser können wie ich.“ Leni: „Dann haben sie jede Menge um die Ohren. Warum stellen sie nicht noch jemanden ein, der ihnen hilft?“ Schöller: „Sie wissen ja wie das ist, mit dem Personal. Ich hatte schon zwei Geschäftsführer. Der eine hat sich aufgeführt wie der Big Boss und der andere war faul und immer krank. Da mache ich es lieber selber. Haben sie schon mein Personal befragt, die können ihnen bestimmt besser helfen als ich.“ Leni: „Meine Kollegin ist bereits dabei.“ Schöller: „Haben sie schon eine Spur oder einen Hinweis auf dem Mörder oder Mörderin? Wer tut so etwas, schrecklich.“ Leni: „Das darf ich ihnen nicht beantworten, aus ermittlungstaktischen Gründen. Ich habe aber eine Bitte an sie. Könnte ich auf den Toiletten und im Ein-und Ausgangsbereich ein Foto mit der Nummer unserer Behörde aufhängen?“ Schöller: „Selbstverständlich können sie das. Ich werde Franziska Bescheid geben, die macht das dann für sie. Ich hoffe das andere Ladenbesitzer ihnen auch dabei behilflich sind.“ Leni: „Bis jetzt war jeder dazu bereit. Ich lasse ihnen noch meine Karte hier, für den Fall das sich noch etwas ergibt. So, dass wars auch schon. Vielen Dank für ihre Hilfsbereitschaft und für den Kaffee.“ Schöller: „Nicht der Rede wert, ist doch selbstverständlich. Man hilft ja wo man kann. Wenn sie noch fragen haben, stehe ich ihnen gerne zu Verfügung.“ Leni: „Wie lange haben sie schon das Big Apple?“ Schöller: „Hier in Karlsruhe seit vier Jahren. In Frankfurt seit drei und in Stuttgart seit zwei Jahren. Mein ganzes Geld steckt in den Äpfeln. Jeden Cent Gewinn investiere ich wieder. Die einzigen die sich darüber freuen, ist mein Banker und das Finanzamt.“ Leni: „Aber ich denke es wird schon etwas hängen bleiben, sonst würden sie es sicherlich nicht tun.“ Schöller: „Natürlich bleibt etwas hängen. Es sind schon große Umsätze die ich jeden Monat mache. Aber es sind auch enorme Kosten die ich habe. Personal, Getränke, Security, Pacht, Strom Gas etc. da läppert sich schon was zusammen. Aber ich kann nicht klagen. Da fällt mir gerade ein, fragen sie doch einmal die Sicherheitsfirma, der Chef heißt Gerber und ist ein ehemaliger Polizist.“ Leni: „Wir haben schon mit ihm gesprochen. Danke für den Tipp. Aber ich muss dann. Also auf Wiedersehen und viel Spaß noch mit ihren Tabellen und so.“ Sie öffnete die Bürotür und ein riesen Lärm schlug ihr entgegen. Das Büro war sehr gut schallgedämmt, aber hier war es schlimm. Je weiter sie nach unten ging, desto unerträglicher wurde es. Leni ging zum Barmann und fragte ihn, ob er Micki gesehen hatte. Der zeigte nur auf die Tür des Personalraumes und nickte dabei. Inzwischen waren schon viele Gäste im Lokal. Sie ging in den Aufenthaltsraum wo Micki gerade die letzte Bedienung befragte. Franziska kam auch dazu und fragte gleich nach den Fotos zum aufhängen. Micki gab sie ihr und legte noch einige Visitenkarten dazu. Ihr Job war erledigt für heute. Endlich Feierabend, es war derweil 22:30 Uhr. Morgen um 10:00 Uhr mussten sie wieder im Büro sein. Fazit der Befragung: Einige haben Jana Hoffmann mit Sarah zusammen gesehen, aber keiner mit einem Mann. Pleite auf der ganzen Linie. Sie hatten sich eigentlich nichts anderes erhofft. Je mehr Menschen auf einem Haufen sind, desto geringer ist die Chance, dass der einzelne auffällt.