Читать книгу Märchenfieber! - Erich Röthlisberger, Bernadette Maria Kaufmann - Страница 5
2.Lola und die Regentrude
ОглавлениеEs ist noch gar nicht lange her, da herrschte wirklich viele Wochen extreme Hitze. Bald hofften die Menschen verzweifelt, dass es endlich wieder einmal regnen würde, denn viele Landstriche waren schon ganz ausgetrocknet, und vor allem für die Bauern wurde das zu einem Problem. Sie konnten weder ihr Vieh versorgen, noch ihre Felder vernünftig bewässern – und so wurde all das auch für alle anderen Menschen zum Problem. Wer will denn unentwegt Ananas essen, und nur mehr Rind aus Argentinien?!
Zu Beginn ihrer Sommerferien hörte Lola, wie ihre Mama zur Großtante Liesbeth sagte: „Wenn es so weitergeht, müssen wir wohl auch wie die Müllers alle unsere Schafe schlachten lassen. Ich weiß jetzt wirklich bald nicht mehr, wie und wovon ich das teure Wasser beim Bürgermeister bezahlen soll. Lange kann ich mir das jedenfalls nicht mehr leisten.“
Lola erschrak.
Dann musste Mama bestimmt auch die süßen Zwillingsschäfchen von Bella und Flocki, ihren beiden Lieblingsschafen, schlachten lassen!
Die Kleinen hatten noch gar keine Namen bekommen, bis jetzt…
Ja, und überhaupt: Bella und Flocki!
Und alle anderen Schafe…
Sie begann zu weinen.
Die Katze, die sich gerade vor dem Kamin wusch, schaute überrascht auf. „Nicht weinen, Lola!“ sagte sie. „Wir müssen nur die Regentrude wecken! Dann verjagt sie die Hitze und den wütenden Feuermann, schickt ihre Wolken – und lässt es wieder regnen! Und dann sind auch alle deine Schafe gerettet, und es geht uns allen wieder gut.“
Sie stand auf und kam zu dem Mädchen hin.
Sie strich um Lolas Beine.
„Du erinnerst dich doch bestimmt noch an das Märchen von der Regentrude! Deine Oma hat es dir ganz oft erzählt. Du hast es geliebt!“
Lola schluckte. „Aber das ist doch schon so lange her! Und… es ist ja nur ein Märchen.“
Die Katze setzte sich und blickte Lola an. „Na und? Märchen haben doch immer einen Funken Wahrheit in sich. Hast du das vergessen?“
Die beiden blickten einander an.
Sehr lange blickten sie einander an, und keiner der beiden sagte ein Wort.
Dann meinte Lola: „Na schön. Angenommen, es gibt sie – die Regentrude. Wo finde ich sie? Kann ich sie anrufen?“
„Oh mein…“ sagte die Katze. „Anrufen?! Die Regentrude?!! Na ja.“
Sie rannte aus der Küche.
Lola schaute ihr ein wenig ratlos nach. Offenbar hatte sie die Katze Lucky geärgert. Aber warum war sie so schnell weggerannt?
Lola setzte sich an den Kamin. Ja, doch… es war ja ganz interessant gewesen, das Märchen.
Aber erstens: es war nur ein Märchen.
Und zweitens: wie sollte sie sich ganz alleine auf den Weg machen – zu – Lola begann zu lachen. Jetzt überlegte sie schon, wie sie eine Märchenfigur kontaktieren konnte. Das war wohl wirklich die Hitze.
Da stand plötzlich wieder Lucky vor ihr, und: sie hatte den Nachbarshund mit, Bello. Und außerdem die Nachbarskinder Luzie und Theodor.
Lola schluckte nochmals. Also irgendwie…
Luzie grinste sie an. „Ja. Ich denke, die drei sind verrückt. Teddy glaubt den Vierbeinern natürlich…“ Sie musterte kurz Hund und Katze. „Ich mein, das ist ja wieder mal typisch für meinen Bruder.“
Lola schaute von Luzie zu Teddy, und wieder zu Luzie. „Na ja“ sagte sie nur. „Es ist ja nicht so, dass ich Lucky nicht glaube. Aber es ist halt schon sehr…“
„Verrückt“ ergänzte Luzie ein wenig spöttisch.
„Nein, es stimmt!“ stellte Teddy klar. „Die zwei haben recht! Ich weiß es!“
Hund und Katze musterten die beiden Mädchen interessiert.
„Na ja“ meinte Bello etwas erheitert. „Es ist ja egal, ob ihr das verrückt findet. Aber wollt ihr verdursten? Und vorher eure Schafe und Pferde verwursten? Ach so… und die Katze und mich, natürlich auch noch.“
„Meine Güte“ zischte Luzie. „Ihr macht mich alle fertig! Wenn ich jetzt wenigstens ein Eis haben könnte…“
Da lachte Teddy. „Ach, darum geht’s! Wir essen später eins. Aber zuerst…“
Ja, zuerst machten sich die Kinder auf den Weg, um die Regentrude zu finden. Sie wussten, wo sie lang gehen mussten. Denn das Märchen hatten sie oft gehört und mitgefiebert, wenn es darum ging, sie zu finden und aufzuwecken.
„Mensch, ist das heiß!“ maulte Luzie auf dem Weg durch die Hitze angewidert. „Immer redet ihr beide mir so einen Mist ein! Selbstverständlich mit tierischer Unterstützung…“ Sie warf Hund und Katze einen bösen Blick zu.
Teddy tat, als höre er nichts. Lola kicherte.
Eineinhalb Stunden später waren sie endlich bei dem großen Baum angekommen. Es war eine große Weide, an deren Vorderfront sich eine Öffnung zeigte.
„Endlich!“ sagte die Katze nur. „Mir brennen die Pfoten…“
„Ja, ich schlage vor, dass du dich im Inneren des Baums an einem kühlen Plätzchen ausruhst… und vielleicht bleibt auch Bello bei dir, und passt auf dich auf. Nicht, dass euch beiden was passiert…“
„Und ich pass auf euch auf“ beschloss Luzie. „Weil: mir reicht es jetzt! Wenn ihr beide euch zum Deppen machen wollt – dann noch viel Spaß im Inneren des Baums.“ Sie setzte sich demonstrativ und nahm die Katze auf den Schoß.
Teddy grinste Lola an. „Lassen wir sie hier sitzen. Da kann sie wenigstens nix anstellen.“
Über diesen Hinweis regte seine Schwester sich nicht mal auf.
Also gingen die beiden Kinder alleine weiter.
Jetzt wurde es dann aber wirklich ganz schön anstrengend.
Sie stiegen den Baum hinab und kamen in eine komische, lang gezogene Höhle.
Sie gingen vorüber an glänzenden Steinen, von denen Teddy behauptete, es könnte Gold sein, und an so mancher im Dunklen blühenden Pflanze.
Aber… kurz bevor Lola so wirklich ans Aufgeben dachte, hatte die Höhle ein Ende.
Sie standen vor einem unterirdischen Haus.
Oder war es nicht sogar ein Schloss?!
Teddy öffnete die Eingangstür.
In dem Schloss herrschte eine Stille, die beide Kinder noch nie kennen gelernt hatten… es war irgendwie unheimlich.
Eine große Halle lag vor ihnen. Darin waren zwei weiße Hündchen, die in großen, fein ausstaffierten Hundebetten schliefen, und viele Orchideen standen darin und blühten wunderschön. Sie verströmten einen überaus ansprechenden Duft.
Eine große Marmortreppe führte ins obere Stockwerk.
Lola schaute Teddy unschlüssig an. „Nach oben?“
Teddy überlegte kurz und nickte schließlich.
Also stiegen die Kinder ins obere Stockwerk.
Darin erwartete sie ein einziger, riesiger Raum. Dieser war herrlich eingerichtet, es gab große Fenster, die schöne Landschaften aus der ganzen Welt zeigten, und wenige Möbel, zum Beispiel einen großen Schreibtisch mit zwei Stühlen davor und einem außerirdisch anmutenden Computer.
Außerdem Regale voller Bücher, und ein Regal, in das ausschließlich Fotografien gestapelt waren.
Und es gab ein großes Bett, das unter einem goldfarbenem Moskitonetz versteckt war.
Lola schlich vorsichtig zum Bett.
Teddy tapste hinterher.
Beim Bett angekommen, hoben die Kinder das Moskitonetz.
Im Bett lag eine wunderschöne schlafende Frau.
„Die ist ja hübsch!“ sagte Teddy.
„Ja“ sagte Lola. „Aber darum geht’s jetzt nicht.“
Sie griff nach der Hand der Frau und stupste sie.
Teddy lachte. „Na, ob die Regentrude davon wach wird! Ich weiß nicht…“
„Machs besser!“ schnappte Lola.
Teddy zog sie an einer ihrer langen roten Locken.
„Au!“ Die Regentrude fuhr hoch und blickte die Kinder entsetzt an.
„Siehst du“ erklärte Teddy ganz ruhig. „Bei meiner Schwester funktioniert das auch immer!“
Jetzt lachte Lola.
Die Regentrude musterte die Kinder interessiert. „Wer seid ihr?“
Zwei Stunden später fanden die Kinder die schlafende Luzie am Eingang der Höhle vor. Die Tiere hatten sich an das Mädchen gekuschelt, und auch sie schliefen.
„Menschenskind“ sagte Lola. „Hier gibt’s wohl irgendeinen Schlafvirus!“
„Ach wo“ meinte Teddy. „Luzie hat gestern Abend nur wieder endlos Videospiele gemacht.“ Er zog sie an den Haaren, und Luzie fuhr hoch. „Sag mal, spinnst du, Teddy!“
„Ja“ erwiderte Teddy gelassen. „Übrigens können wir jetzt nach Hause.“
„Nichts anderes hab ich erwartet.“ Luzie nahm die Katze auf den Arm.
„Gehen wir.“
„Du könntest wenigstens-“ begann Lola.
„Vergiss es“ sagte Teddy schnell. „Da kann man bei Luzie lange warten.“
Er nahm Lola bei der Hand, und die zwei liefen los.
„Hey!“ brüllte Luzie empört. „Wartet doch wenigstens!“
Sie rannte ihnen nach, und der Hund lief fröhlich bellend neben ihr.
Da begann es zu regnen: die ersten Regentropfen fielen zu Boden, immer schneller, und endlich kamen die Frische und der Wohlstand wieder.
Übrigens hatte Lola jetzt auch die perfekten Namen für die kleinen Schäfchen: Regen und Trude.
Und diese Namen gefielen auch dem Rest der Familie so gut, dass die Schafbabies die heimlichen Stars des Hofs wurden. Beim großen Herbstfest des Dorfs hatten sie dann auch eine spezielle Rolle und bekamen sogar einen Preis – aber das ist wieder eine andere Geschichte…