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Alkoholiker sind intelligent, erfolgreich und einkommensstark

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Die meisten Alkoholiker sind intelligent, haben ein gutes bis sehr gutes Einkommen und einen gehobenen Sozialstatus. So steht es im „Alkoholatlas“, den die deutsche Bundesregierung erstellen ließ. Immerhin: Allein war ich also nicht.

Ähnliche Erhebungen gibt es aus anderen Ländern, im Prinzip gilt dies für die gesamte westliche Welt. Ein Engländer beispielsweise, der 40.000 Pfund pro Jahr verdient, trinkt mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit zu viel Alkohol wie jemand aus unteren Einkommensschichten. Von einzelnen Berufsgruppen weiß man, dass ihre Vertreter besonders oft zur Flasche greifen. Ganz vorn dabei: Ärzte und Lehrer.

Der Engländer Craig Beck hält Seminare zum Alkoholausstieg. Über 100.000 Menschen haben ihm bereits zugehört. Er stellt fest: „Jeder Einzelne von ihnen war intelligent. Jeder, den ich treffe, ist hochfunktional und höchst erfolgreich. Ich habe Millionäre getroffen. Menschen, die mit mehreren eigenen Unternehmen erfolgreich sind, ich habe Arbeitgeber getroffen, die mehrere Zehntausend Menschen beschäftigen. Alle hatten dasselbe Problem: Sie kamen einfach nicht mehr vom Alkohol los.“

Ich habe mich auch auf YouTube umgesehen. Ich habe Videos über Menschen jeden Alters gefunden. Unternehmer, Sport- und Fernsehpromis, Hausfrauen oder Handwerker. Alle sprechen vor der Kamera offen über ihre Alkoholprobleme. Auf unserer Website www.alkohol-ade.com/videos haben wir Ihnen einige Links dazu zusammengestellt.

Eines schönen Tages googelte ich dann das erste Mal. Nur so ganz unverbindlich. Wollte ja nur mal schauen. „Habe ich ein A…?“ Den Rest brauchte ich nicht mal mehr zu tippen. Scheint ein paar mehr Leute zu interessieren, ob sie ein Alkoholproblem haben. Die Suche landet deutlich vor „Habe ich ein Abo auf dem Handy?“. Bei „bin ich A…?“ rätseln allerdings offenbar noch mehr Menschen: „Bin ich attraktiv?“ Kann man ja auch verstehen. Fraglich allerdings, ob Google darauf die Antwort kennt.

Anders als auf die Frage, ob man ein Alkoholproblem hat. Die Antwort fiel für mich leider ziemlich eindeutig aus. Das Gute ist aber: Es gibt im Internet unendlich viele Selbst-Tests. Auf der Suche nach dem Persilschein kann man so lange suchen, bis man den passenden findet.

Als Wissenschaftsjournalistin fand ich es allerdings frappierend, dass es offenbar keine handfesten Kriterien für Alkoholismus gibt. Die Tests unterschieden sich alle, manchmal sogar ziemlich krass. Einer fragte mich, ob ich bereits morgens trinken würde und ob mir ohne Alkohol die Hände zittern. Erleichtert konnte ich verneinen. Ein anderes beliebtes K.-o.-Kriterium: „Trinken Sie allein?“ Klare Antwort: „Nein!“ (Der Hund war ja immer da). Damit war das Thema erst mal wieder erledigt.

Sag ich doch: Ich habe kein Alkoholproblem. Ich trinke nur zu viel.

Sehr viel später habe ich aber eines gelernt. Sobald man sich fragt, ob man ein Alkoholproblem hat – dann hat man auch eins. Eigentlich weiß man es schon, der Selbstbetrug ist nur so perfektioniert. Ich gehe davon aus, dass Sie dieses Buch nicht wegen seines schönen Covers gekauft haben. Somit kann ich Ihnen ins Ohr flüstern: Sehr wahrscheinlich sind wir schon zu zweit. Aber vielleicht wissen Sie das ja schon. Oder Sie sind Angehöriger.

Gehen wir also mal davon aus, Sie haben ein Alkoholproblem. Ob das so ist, verrät Ihnen unser Test, den Sie auf unserer Website anonym machen können: https://www.alkohol-ade.com/test.

„Ich habe ein Alkoholproblem“, das konnte ich nach einiger Zeit dann doch hinausquetschen. Jedenfalls gedanklich. Probleme lassen sich ja lösen, in der Regel liegt das in der eigenen Hand. „Ich bin Alkoholikerin“ aber – das ging irgendwie gar nicht. Daran hinderte mich nicht mal mehr so sehr der Gedanke an die armen Gestalten vor dem Hauptbahnhof. Vielmehr störte mich die Aussicht, dieses Etikett lebenslang mit mir rumzutragen. Laut Lehrmeinung ist man ja selbst dann noch Alkoholiker, wenn das letzte Glas schon Jahrzehnte zurückliegt. Dann heißt man „trockener Alkoholiker“. Warum eigentlich? Es gibt doch auch keine „trockenen Raucher“ oder „trockene Heroinsüchtige“. Letztere adelt man im Gegenteil sogar mit dem Etikett „clean“.

Einmal am Alkohol kleben geblieben – lebenslang krank. Egal, ob man noch trinkt oder nicht. Eine Jammertal-Perspektive, fand ich. Ich will aber nicht lebenslang krank sein. Ich will wieder gesund werden. So gesund, wie ich es vor den alkoholgetränkten Jahren war. Auch will ich mich nicht noch nach Jahren vor eine Selbsthilfegruppe stellen und sagen: „Ich bin Alkoholikerin.“

Als Wissenschaftsjournalistin guckte ich mir natürlich auch an, wie man Menschen mit Alkoholproblemen helfen will, davon wieder wegzukommen. Mein Frust wuchs ins Unendliche. Der Standard: körperliche Entgiftung, danach Langzeittherapie und lebenslanger Besuch einer Selbsthilfegruppe. Erfolgsquote: miserabel. Etwa einer von fünf schafft es so, die Finger langfristig vom Glas zu lassen.

Ich war mir sicher, noch nicht so stark abhängig zu sein, dass ich einen Entzug in der Klinik brauchen würde. Langzeittherapie? Unmöglich. Allein zeitlich – drei Kinder, selbstständig, beruflich voll eingespannt? Ein klares Nein. Und außerdem: Körbchenflechten und Specksteinschnitzen fand ich schon in der Schule doof.

Stopp! Bevor Sie jetzt innerlich feixend applaudieren – ich habe jetzt bewusst mal ganz tief in die Kiste mit Vorurteilen gegriffen. Bitte legen Sie diese ab – genau wie ich. Ob jemand in die Klinik zur Entgiftung muss oder nicht, das ist überhaupt nicht leicht zu entscheiden. Allein und kalt zu entziehen birgt – je nach Abhängigkeitsgrad – große Risiken. Ich war in einer besonderen Situation: Mein Mann ist Arzt. Hätte ich mich getäuscht und es wäre doch zu körperlichen Entzugserscheinungen gekommen, hätte er fachkundig eingegriffen. Im Extremfall kann ein kalter Entzug auch tödlich enden. Witzig geht wirklich anders.

Zweitens: Eine Langzeittherapie bietet natürlich mehr als Malen, Basteln und Stuhlkreis. Das habe ich aber erst später von Menschen gehört, die sie absolviert haben und denen sie geholfen hat. Ich habe mich wie gesagt dagegen entschieden – und es hat bei mir auch ohne geklappt.

Was ich über Hilfen zum Alkoholausstieg erfahren konnte, hinterließ anfangs trotzdem mehr Fragezeichen als Antworten. Denn vieles passte nicht zu dem, wie ich mich selbst wahrnahm. Ich hatte nie das Gefühl, mein ständiger Drang zum Glas hätte etwas mit meiner Psyche zu tun. Mir ging es ja gut. Ich musste mir keinen Kummer wegschwemmen oder Mut antrinken, Freunde hatte ich genug und glücklich war ich auch. Ich konnte trotzdem nicht aufhören.

Ich war mir sicher: Das lag nicht an meinem zu schwachen Willen. Im Gegenteil. Ich bin ein sehr willensstarker Mensch, Durchsetzung ist mein zweiter Vorname.

Nur beim Wein, da klappte das nicht.

Für mich fühlte sich das körperlich an. Etwa so, wie meine zuckerkranke Schwiegermutter ihren übermächtigen Drang nach Schokolade, Kuchen und Co beschrieb. Diabetiker hecheln dem Zucker ja auch nicht hinterher, weil sie ein „Psychoproblem“ haben. Das hat handfeste medizinische Gründe.War da vielleicht eine Parallele?

Alkohol adé

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