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Kapitel 2: Mythos Jakobsweg

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In den letzten Jahren nahm die Anzahl der Pilgerschaften zu. Es sind Männer, Frauen, Familien, Berufstätige, Studenten, Rentner und Arbeitslose, sie kommen aus allen Schichten der Gesellschaft. Sie kommen aus ganz Europa und anderen Kontinenten.

Die meisten, die auf dem Jakobsweg unterwegs waren, kommen völlig gewandelt nach Hause zurück. Sie haben etwas gewonnen und erfahren, ihr Selbstwertgefühl ist gestiegen und sie haben die Faszination des Weges für sich entdecken können. Noch ist es möglich auf dem Jakobsweg abzutauchen, um die einzigartige Naturlandschaft und die unterschiedlichen Kulturen kennen zu lernen. Man lernt, sich selbst nicht mehr so wichtig zu nehmen. Zu Fuß und mit Rucksack ist man den Elementen ausgesetzt, meistens geht es auf einsamen Pfaden durch eine unberührte Natur. Es ist schon bewegend, wenn sie Autolärm und Abgasen oder dem Lärm der Großstädte entfliehen und stattdessen dem Klang der Natur folgen.

Menschen in der Pilgergemeinschaft, auch das ist ein Grund sich auf den Jakobsweg zu begeben. Wer neue Freunde kennen lernen möchte, ist sicherlich auf dem Jakobsweg auf dem richtigen Weg. Wer auf den großen Hauptrouten unterwegs ist wie z.B. in Frankreich auf der Via Podiensis oder in Spanien auf dem Camino Francés, trifft auf eine große Pilgergemeinschaft der Toleranz. Jeder Pilger ist sozusagen auch für den anderen da, es sind Freunde und Gleichgesinnte, die einem in der Not helfen und Trost spenden. Der Jakobsweg ist der Spiegel des Lebens, der Erkenntnisse und der Emotionen. Tag ein und Tag aus sammelt man neue Erfahrungen, man kommt an seine Grenzen.

Schon seit dem Mittelalter (um 830) verbindet der Jakobsweg Europa miteinander, die Wallfahrten nach Santiago de Compostela im weit entfernten Galicien waren von jeher ein Pilgerweg der christlichen Frömmigkeit. Adlige, Ritter, Ordensleute, Abenteurer und Arme pilgerten in ihrer festen religiösen Gesinnung nach Spanien. Genau wie heute wanderten sie alleine oder in kleinen Gruppen. Es war eine nicht ungefährliche Reise, die so manches Mal beendet war, bevor sie Santiago erreicht hatten. Auf den unwegsamen Wegen lauerten viele Gefahren, Hunger, Durst und Krankheiten und nicht zuletzt durch Räuber und Wölfe scheiterte die Reise. Auch bei Unwetter und Hochwasser und den Flussüberquerungen waren die Pilger stets Gefahren ausgesetzt.

Es waren Dank-, Bitt- und Sühnewallfahrten, die in einer Zeit der Reliquienverehrung zum Grab des Apostels Jakobs führten. Viele Monate waren sie unterwegs, sie waren Fremde, reisende Menschen, die in ihrem festen Glauben und in der Hoffnung nach Antworten suchten. Die Jakobsmuschel am Hut, Mantel oder auf der Brottasche war das Zeichen für Jakobspilger. Sie hatten einen besonderen Status und wurden geschützt. In Städten und Dörfern gab man ihnen etwas zu essen und eine angemessene Übernachtung.

Im Laufe der großen Pilgerschaften (11.-14. Jahrhundert) gab es immer mehr Klöster, Hospize und Herbergen, die am Jakobsweg lagen, auch Flüsse konnten über sichere Brücken überwunden werden. Der Pilgerboom dauerte über Jahrhunderte an, erst die Reformation durch Luther und Calvin brachte die Wallfahrten zum Erliegen. Der bis dahin andauende Pilgerboom auf dem Jakobsweg geriet im 15./16. Jahrhundert ins Abseits, doch zum Ende des 19. Jahrhunderts bestätigte Papst Leo XIII. die Echtheit des Apostelgrabs, daraufhin setzte eine erneute Pilgerbewegung ein, die bis heute andauert.

Heute im 21. Jahrhundert ist der Jakobsweg „Kult“ und vereint die Europäer. Eine Vernetzung findet fast in jeder europäischen Stadt statt. Eine Entwicklung, die zunimmt und zum Nachdenken anregt. Warum sind es so viele, was ist passiert? Ist es nur eine Selbstfindung seiner selbst oder auch aus einer Religiosität heraus. Die Antwort darauf kann sich nur jeder selbst geben. Aber Tatsache ist, dass es jedes Jahr mehr werden. Sie kommen aus ganz Europa und anderen Kontinenten und alle haben das gleiche Ziel, sie wollen Santiago de Compostela erreichen. Sie pilgern alleine oder in Gruppen, dabei tauschen sie sich aus und tragen so dazu bei, dass sich Menschen aus verschieden Nationen näher kommen. Europa wächst zusammen und wird immer friedlicher, man findet Gemeinsamkeiten, die verbinden und der Jakobsweg trägt dazu bei.

Das Ziel ist erreicht - und dann? Wer einmal Santiago de Compostela erreicht hat, wird bestätigen, dass dies nicht das Ende einer langen Pilgerreise ist, sondern der Anfang einer neuen Erkenntnis. Ein Neuanfang! Der Jakobsweg und das Unterwegssein gaben vielen Pilgern einen neuen Lebensinhalt.

Gedanken eines Pilgers

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