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Exkurs: Die Samaritaner

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Die Rekonstruktion der Ursprünge und theologischen Anschauungen der bis heute existenten Samaritaner wird dadurch erschwert, dass sie sich über weite Strecken auf Quellen stützen muss, die den Samaritanern gegenüber feindselig eingestellt sind. Während die Samaritaner von jüdischer Seite des Synkretismus und Abfalls vom wahren Jahweglauben bezichtigt werden, ist Samarien aus christlicher Perspektive als Heimat von Simon Magus (Apg 8,9) die Wiege der gnostischen Häresien.

Untergang des Nordreichs

Die Geschichte der Samaritaner geht bis in die Zeit der getrennten Reiche zurück. Nach dem Tod Salomos war das von David geschaffene jüdische Staatsgebilde in das Nordreich Israel und das Südreich Juda als eigenständige Königtümer zerfallen. Samarien stellt als Territorium der Stämme Ephraim und Manasse das Kerngebiet des Nordreiches dar. Unter der Dynastie der Omriden (881–845) wurde das neu gegründete Samaria zur Residenzstadt des Nordreiches. Mitte des 9. Jh. v. Chr. geriet das Nordreich unter zunehmenden Druck der assyrischen Könige, die ihren Einflussbereich nach Palästina auszudehnen begannen. Nachdem Hosea, der letzte König des Nordreiches, in völliger Fehleinschätzung der politischen Situation die Vasallenverpflichtungen gegenüber den Assyrern aufgekündigt und ein Bündnis mit Ägypten angestrebt hatte, fiel sein Territorium 722 v. Chr. der assyrischen Eroberung zum Opfer. Dies zog eine Degradierung der israelitischen Königsstadt Samaria zur assyrischen Provinzmetropole nach sich. Die Oberschicht des Nordreiches Israel wurde deportiert und über unterschiedliche Orte des assyrischen Herrschaftsgebietes verstreut, womit sich ihre Spur verliert. Die Mehrheit der israelitischen Bevölkerung konnte allerdings im Land verbleiben. Ohne sie wird die Entwicklung des späteren Samaritanismus mit seinem monotheistischen Jahweglauben nicht verständlich. An Stelle der ins Exil verbannten Oberschicht siedelten die Assyrer in größerem Umfang Kolonisten aus dem Zweistromland in Samarien an, wo es in der Folgezeit zu einer Vermischung der im Land verbliebenen Israeliten mit den hinzugezogenen Fremden kam. In religiöser Hinsicht hatte dies eine intensive Begegnung des Jahweglaubens mit den paganen Kulten Mesopotamiens zur Folge. In der Zeit Alexanders des Großen wurde durch die Errichtung einer makedonischen Militärsiedlung in Samaria das heidnische Element nochmals gestärkt.

Samarier und Samaritaner

Terminologisch hat es sich eingebürgert, vor diesem Hintergrund zwischen Samariern und Samaritanern zu unterscheiden. Der Begriff Samarier dient allgemein zur Bezeichnung der Bewohner des politischen Distrikts Samarien, während man unter Samaritanern speziell die dort lebenden Anhänger des Jahweglaubens versteht. Aufgrund der zentralen kultischen Bedeutung von Sichem mit dem heiligen Berg Garizim wurden sie, solange dort der samaritanische Tempel existierte, auch als Sichemiter bezeichnet. Wenn in jüdischen Quellen zudem von Kutäern die Rede ist, handelt es sich um eine polemische Anspielung darauf, dass ein Großteil der von den Assyrern in Samarien angesiedelten Personen aus der babylonischen Stadt Kuta stammte (2Kön 17,24). Dabei werden die Jahweverehrer Samariens aus jüdischer Perspektive undifferenziert als heidnische Kolonisten betrachtet. Diese Sehweise, dass die Samaritaner ethnisch nicht von den Israeliten abstammten, sondern nur deren Religion übernommen und synkretistisch verwässert hätten, ist von deuteronomistischer Polemik gegen das ehemalige Nordreich geprägt und entspricht nicht den Tatsachen.

Bruch zwischen Juden und Samaritanern

Die unterschwelligen politischen wie religiösen Spannungen zwischen Samarien und Juda traten nach dem Ende des babylonischen Exils offen zu Tage und führten schließlich zum samaritanischen Schisma. Von den Babyloniern war Juda nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar (586 v. Chr.) der politischen Eigenständigkeit beraubt und der benachbarten Provinz Samarien eingegliedert worden. Auch unter den Persern blieb Juda innerhalb der Satrapie Transeuphrat zunächst Bestandteil der Provinz Samarien. Jerusalem war weit von seiner früheren Bedeutung entfernt, zumal längst nicht alle Juden aus dem babylonischen Exil zurückkehrten und der Wiederaufbau des Tempels nur mühsam in Gang kam. Erst die Reformen Esras und Nehemias, die beide Mitte des 5. Jh. v. Chr. von Babylon nach Jerusalem gekommen waren, stellten verfassungsrechtlich und religionsgeschichtlich einen Wendepunkt dar. Die historische Bedeutung Esras liegt darin, dass er die Tora als verbindliche Lebensordnung und lokal gültiges persisches Reichsrecht für die Juden der Satrapie Transeuphrat durchsetzte. Dahinter stand das Interesse der Perser, die Rechtspraxis der unterworfenen Völker zu stützen und gleichzeitig zu normieren. Der jüdischen Volksgruppe bot dies die Möglichkeit, mit Unterstützung der persischen Reichsverwaltung ihre kulturelle und religiöse Identität zu sichern. Nehemia verfolgte vorrangig politisch-militärische Ziele. Juda hatte durch den Wiederaufbau des Tempels politisch wie ökonomisch an Gewicht gewonnen und wurde vom Perserkönig Artaxerxes I. in den Rang einer eigenen Provinz erhoben. Gegen den Widerstand des samarischen Statthalters Sanballat I., der eine Schwächung seiner Provinz zu verhindern suchte, setzte Nehemia als Statthalter eine Befestigung Jerusalems durch und förderte die verwaltungstechnische Verselbstständigung Judas. Damit einher gingen Sozialreformen zur Integration der Schwachen und eine religiös-nationale Absonderung der neuen Provinz durch schroffe Abgrenzung nach außen, die als Garant für ein Überleben der Juden im Meer der Völker betrachtet wurde. Die Kritik richtete sich auch gegen verwandtschaftliche Beziehungen der hohenpriesterlichen Familie mit dem samarischen Statthalter Sanballat I., bei dem es sich um einen Jahwe-Verehrer gehandelt haben dürfte. Die Abneigung gegen die heidnischen Kolonisten im ehemaligen Nordreich wurde nun unterschiedslos auf sämtliche Bewohner Samariens übertragen und damit die Grundlage für die allmähliche Ausgrenzung der Samaritaner aus dem Judentum geschaffen.

Der Tempel auf dem Garizim

Infolge der strengen Ehegesetze Esras und Nehemias mussten die in Ehen mit samarischen Frauen lebenden Priester Jerusalem verlassen und fanden in Samarien ein neues Wirkungsfeld. Im 4. Jh. v. Chr. kam es, wie auch der archäologische Befund zeigt, zum Bau eines samaritanischen Tempels auf dem heiligen Berg Garizim. Dafür waren nicht zuletzt religionspolitische Gründe ausschlaggebend, denn mit der Ausgliederung des theokratischen Tempelstaates Juda aus der Provinz Samarien verfügte diese nicht mehr über ein angemessenes Heiligtum auf ihrem Territorium. Der von antisamaritanischen Tendenzen geprägte Bericht des Josephus (Ant. 11,321–324), der die einzige literarische Quelle für den Tempelbau auf dem Garizim darstellt, weist einige Ungereimtheiten auf. Er enthält aber als verlässliche Information, dass die Initiative zu dem Bauvorhaben von Sanballat III. ausging, der zur Zeit des Perserkönigs Dareios III. als Statthalter Samariens amtierte. Als Alexander der Große auf dem Weg nach Ägypten die palästinische Küstenebene durchzog, hat sich Sanballat III. von den Persern abgewandt und Alexander bei der Belagerung von Tyros unterstützt. Im Gegenzug soll er die Genehmigung erhalten haben, auf dem Garizim nahe Sichem einen Tempel zu errichten, der nun für die Samaritaner zum zentralen Ort der Gottesverehrung wurde. Ob Alexander der Große tatsächlich den Tempelbau genehmigte oder die Samaritaner im Nachhinein für das Heiligtum auf dem Garizim einen ähnlich prominenten Ahnherrn reklamierten, wie ihn der Jerusalemer Tempel mit Kyros aufweisen konnte, muss offen bleiben.

Der Tempel auf dem Garizim belastete die ohnehin konfliktträchtigen Beziehungen Samarias zu Jerusalem zusätzlich, da er den dortigen Bestrebungen nach Kultzentralisation zuwiderlief. Die Spannungen zu den gesetzestreuen Kreisen Jerusalems wuchsen während der Religionsverfolgung unter Antiochos IV., als die Samaritaner ihr Heiligtum auf dem Garizim Zeus Xenios weihten, um formal der Forderung nach einer Hellenisierung des Kultes Genüge zu tun. In der Hasmonäerzeit erfolgte der endgültige Bruch der Samaritaner mit dem Judentum. Das von jüdischer Seite wegen des religiös-nationalen Alleinvertretungsanspruchs Jerusalems als unzumutbare Konkurrenz zum Zion empfundene Heiligtum auf dem Garizim wurde durch Johannes Hyrkan (134–104) rücksichtslos dem Erdboden gleichgemacht. Seitdem haben die Samaritaner keinen eigentlichen Opferkult mehr. Als Folge dieser Ereignisse war das Tischtuch zwischen Samaritanern und Juden zerschnitten. Bei Reisen zwischen Judäa und Galiläa mieden Juden häufig das Territorium Samarias, indem sie den Umweg über das Ostjordanland wählten.

Der Glaube der Samaritaner

Juden und Samaritaner haben gemeinsame Wurzeln, von denen aus sie sich in unterschiedlicher Weise entwickelt haben. Religionsgeschichtlich ist es daher unzutreffend, die Samaritaner als Zweig oder gar abweichlerische Sekte des Judentums zu betrachten. Die Samaritaner sind Repräsentanten der alten jüdischen Volksreligion, die in nachexilischer Zeit von den babylonischen Juden und den nach Jerusalem zurückgekehrten Exilanten mit deren exklusivem Anspruch, das wahre und geläuterte Israel zu sein, ausgegrenzt und diffamiert wurden. Als autoritative Schrift akzeptierten die Samaritaner, in dieser konservativen Haltung den Sadduzäern vergleichbar, allein den Pentateuch, die fünf Bücher Moses. Wegen der einzigartigen Heiligkeit des Propheten Mose haben sie die Prophetenbücher des im Entstehen begriffenen jüdischen Kanons nicht als verbindlich anerkannt. Das deuteronomistische Geschichtswerk mit der kritischen Darstellung der Geschichte des Nordreichs und pauschalen Abwertung seiner Bewohner war für die Samaritaner ebenso wenig annehmbar, wie die mit ihrer Zionstheologie auf Jerusalem ausgerichteten Psalmen. Der samaritanische Pentateuch weist einige Eigenheiten auf. Im Mittelpunkt steht dabei die Betonung der Heiligkeit von Sichem und dem Garizim. In Dtn 27,4 ist vom Garizim statt Ebal als Ort der Gottesverehrung die Rede. Im Dekalog der Samaritaner findet sich nach Ex 20,17 bzw. Dtn 5,22 ein Gebot, das den Bau eines Altars auf dem Garizim anordnet. Diese aus unterschiedlichen biblischen Belegen komponierte Erweiterung soll die Priorität des Garizim gegenüber dem Zion sicherstellen. Im Deuteronomium verlegt der samaritanische Pentateuch an zahlreichen Stellen die Erwählung des heiligen Ortes in die Vergangenheit und bezieht ihn damit auf Sichem.

Die samaritanische Eschatologie ist von der Erwartung des Dtn 18,15.18 verheißenen Endzeitpropheten nach dem Vorbild Moses geprägt, wie ihn auch die samaritanische Frau Joh 4,19 im Sinn zu haben scheint. Dieser messianischen Hoffnung wurde besonderer Nachdruck verliehen, indem sie Ex 20,21 als weiterer Zusatz in den samaritanischen Dekalog Einzug hielt. Das hohe Alter dieser Erweiterung wird durch die Qumranschriften verbürgt. Die Erscheinung des messianischen Propheten wie Mose wurde auf dem Garizim erwartet. Ein eindrückliches Beispiel dafür bietet das in die Zeit von Pontius Pilatus fallende Auftreten eines samaritanischen Zeichenpropheten, der eine große Volksmenge auf den Garizim führte und den Anbruch der Heilszeit in Aussicht stellte. Da die antiken Samaritaner den Pentateuch als einzige autoritative Offenbarungsquelle betrachteten, haben sie analog zu den Sadduzäern die Auferstehung der Toten nicht als verbindlichen Glaubensgegenstand betrachtet.

Nach dem Schisma war die Beurteilung der Samaritaner durch das Judentum divergent. Vereinzelt wurden sie im Bewusstsein der gemeinsamen Wurzeln nach wie vor als Israeliten anerkannt. In Gesetzesdiskussionen der rabbinischen Tradition nehmen sie rechtlich überwiegend eine Mittelstellung zwischen Juden und Heiden ein. Dass sie aber auch pauschal mit Heiden auf eine Stufe gestellt werden konnten, zeigt der Eliezer ben Hyrkanus zugeschriebene Ausspruch „Wer das Brot eines Samaritaners isst, gleicht dem, der Schweinefleisch isst“ (Schebiit VIII,10). Die hier behauptete kultische Unreinheit aller Samaritaner spiegelt sich auch in der Erzählung von der Begegnung Jesu mit einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen von Sychar wider (Joh 4,9). Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, in welch positivem Lichte die Samaritaner in der Jesustradition begegnen, wobei neben Joh 4 vor allem an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu denken ist.

Alexander in Persien und Indien

Nachdem Alexander die Verhältnisse in Ägypten in seinem Sinne neu geordnet und damit die Herrschaft über den östlichen Mittelmeerraum stabilisiert hatte, rückte er im Frühjahr 331 über Phönizien und Syrien in das Zentrum des Perserreiches vor, um dieses zu erobern und Dareios endgültig auszuschalten. In der Ebene von Gaugamela nahe der Stadt Arbela kam es zur Entscheidungsschlacht gegen die Streitmacht der Perser, bei der Alexander mit seinem zahlenmäßig unterlegenen Heer erneut auf ganzer Linie siegte. Nach dem Triumph fielen die alten Residenzstädte Babylon, Susa und Persepolis nahezu kampflos in seine Hände. In Susa bestieg Alexander demonstrativ den Königsthron und brachte damit symbolträchtig den Anspruch zum Ausdruck, rechtmäßiger Erbe der persischen Großkönige zu sein. Alexander wurde nun zunehmend von orientalischen Konzepten des göttlichen Königtums und der Weltherrschaft geprägt, die zwar notwendig waren, um das Perserreich zu regieren, aber in deutlichem Widerspruch zu den demokratischen Idealen Griechenlands standen. Der am Perserfeldzug als Historiograph beteiligte Kallisthenes, der den Ruhm Alexanders verbreitet hatte, verweigerte ihm demonstrativ die Proskynese, den nach persischer Tradition üblichen Kniefall vor dem als unnahbar geltenden König, und bezahlte dies später mit dem Leben. Nachdem Dareios auf der Flucht von einem seiner eigenen Satrapen ermordet worden war, trat Alexander offiziell die Nachfolge des Perserkönigs an und übernahm dabei wesentliche Elemente des persischen Hofzeremoniells. Es schlossen sich die Eroberung Zentralasiens und der legendäre Indienfeldzug an. Auch wenn Alexander sein Vorhaben, den Ganges zu erreichen, nicht verwirklichen konnte, hatte er die ursprünglichen Ziele des von Philipp geplanten Perserfeldzuges bei weitem übertroffen. Es war ihm mit unbedingtem Willen zur Macht und immensem militärischem Geschick, aber auch mit unvorstellbarer Brutalität und rücksichtsloser Durchsetzung seiner Ansprüche gelungen, ein Herrschaftsgebiet bis dahin unvorstellbaren Ausmaßes zu errichten. Nach der Rückkehr aus Indien machte Alexander Babylon zur neuen Hauptstadt seines Großreiches und traf die Vorbereitungen für einen Arabienfeldzug. Bevor es dazu kam, starb er im Juni 323 im Alter von nicht ganz 33 Jahren an Sumpffieber.

Hellenismus

In den nur dreizehn Jahren seiner Herrschaft hat Alexander die Welt grundlegend geändert. Mit ihm wurde nicht nur politisch, sondern auch geistesgeschichtlich ein neues Zeitalter eingeläutet, indem er den Hellenismus etablierte. Mit diesem Begriff der neuzeitlichen Geschichtswissenschaft bezeichnet man jene Epoche der Antike, die das klassische Griechentum ablöste und politisch mit der Herrschaft Roms über den östlichen Mittelmeerraum ihr Ende fand, geistig aber weit darüber hinaus wirkte. Alexander, zu dessen Lehrern Aristoteles zählte, hat auf seinen Feldzügen das Denken der Griechen in den nahen und mittleren Osten gebracht. Kennzeichnend für den Hellenismus ist die intensive Begegnung von griechischer und orientalischer Kultur, ermöglicht und gestützt durch den beispiellosen Erfolg des makedonischen Heeres. Dass Alexander wie kaum ein anderer Mensch vor oder nach ihm die Weltgeschichte geprägt hat, stellt eine unbestrittene Tatsache dar, während das Urteil über ihn sehr unterschiedlich ausfällt. Die Bandbreite reicht von verklärten Darstellungen Alexanders als eines ruhmreichen Helden, der mit einer panhellenischen Verschmelzungspolitik die Verbrüderung der Menschheit angestrebt habe, bis hin zu einer ausgesprochen negativen Betrachtung des Makedonenkönigs als eines skrupellosen Machtmenschen und Zerstörers.

Wolfgang Will über Alexander den Großen

Wenn Alexander als „Geschäftsführer des Weltgeistes“ einer angeblich überlegenen Kultur Bahn brach, die Epoche des sogenannten Hellenismus einleitete, so ist auch dies zwar allzu oft gerühmtes, doch zweifelhaftes Verdienst. Es beruhte auf der Zerstörung einer noch intakten anderen Kultur. Losgelöst von der Frage, wieweit Hellenisierung des Ostens geschichtlichen Fortschritt bedeutete, war diese außerdem auf friedlichem Weg längst in Gang gekommen. Alexanders hauptsächliches Werk ist Eroberung und Zerstörung, Plünderung und Mord; Hunderttausende von Toten, die der Zug kostete, seien es Zivilpersonen, die von plündernden Truppen erschlagen bzw. von Alexander hingerichtet wurden oder die nach den Requirierungen an Hunger zugrunde gingen, seien es die persischen, indischen, baktrischen Soldaten, Makedonen oder griechische Söldner, die im Kampf fielen, an den Strapazen des Marsches, an Unglücksfällen oder Krankheiten starben, sind sein Beitrag zur Lösung des Bevölkerungsproblems. Die Vernichtung des durchaus noch lebensfähigen Perserreiches – alle gegenteiligen Behauptungen sind Hilfskonstruktion, um Alexanders Vormarsch zu erklären und als welthistorische Notwendigkeit zu deuten – schuf zudem ein machtpolitisches Vakuum, das Jahrzehnte währende Kämpfe nach sich zog. Ob der König den Westen erobern wollte, ist umstritten. Eingeleitet hat er mit Sicherheit die gegenteilige Entwicklung: die hellenistischen Einzelstaaten wurden eine Beute der Römer.

(W. WILL, Alexander der Große, Stuttgart 1986, 191f.)

Auswirkungen des Hellenismus

Die von Alexander betriebene Hellenisierung des Ostens blieb nicht ohne massive Rückwirkungen auf das griechische Leben und Denken. Im politischen Bereich führte der enge Kontakt mit der neuen Umwelt und ihren Traditionen dazu, dass wichtige Elemente der orientalischen Herrschaftsorganisation und ihrer ideologischen Fundierung übernommen wurden, womit die demokratischen Ideale des alten Griechenland in den Hintergrund traten und einer Entpolitisierung der Gesellschaft Vorschub geleistet wurde. Auch im Bereich der Religion kam es nicht zu einer einseitigen Ausbreitung der griechischen Kultur im Orient, sondern zu einer Begegnung unterschiedlicher Denkformen mit weitreichenden Rückwirkungen, indem griechische Gottheiten orientalische Züge annahmen und Kulte aus dem Osten die westliche Welt eroberten. Durch den Hellenismus wurden geistige, religiöse und wirtschaftliche Entwicklungen in Gang gesetzt, die der Welt ein neues Gepräge gaben, indem sie das Zeitalter der hellenistischen Großreiche weit überdauerten und sich bis in die Spätantike als wirksam erwiesen.

Das Aufblühen der neuen, kosmopolitischen Zivilisation wurde durch die rund siebzig Stadtgründungen Alexanders im Orient systematisch gefördert. In diesen Städten war das hellenistische Element tonangebend. Die Siedler bestanden weitgehend aus griechischen Söldnern oder Veteranen. Das geistige und religiöse Leben war durch die typischen Kennzeichen griechischer Kultur geprägt. Tempel griechischer Gottheiten, Theater, Gymnasien und griechischsprachige Säulen oder Inschriften wurden zum festen Bestandteil des Stadtbildes. Alexandria in Ägypten, die bedeutendste Gründung Alexanders des Großen, wurde mit seiner prachtvollen Bibliothek bald das Zentrum hellenistischer Gelehrsamkeit schlechthin. Diese Öffnung des gesamten Vorderen Orients gegenüber dem griechischen Einfluss färbte auch auf Palästina ab. Die alten Phönizier- und Philisterstädte an der Mittelmeerküste gingen bald vollständig in der Welt des Hellenismus auf. Tyros war nach der Eroberung durch Alexander ohnehin mit Griechen neu besiedelt worden. In Samaria entstand eine makedonische Militärkolonie. Viele Städte gaben sich nicht nur einen griechischen Namen, sondern auch die Verfassung einer griechischen Polis. Die Siedler brachten ihre Kultur und Zivilisation nach Palästina. Im gesamten Osten setzte sich das Griechische als Verkehrssprache durch, die auch von vielen palästinischen Juden erlernt wurde und für Diasporajuden bald die Muttersprache darstellte.

Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte

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