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21. November 1552 NGZ
SOL, im Sphärenlabyrinth
Vier Tage vorher:
Der große Holokubus, der über dem Tisch im Besprechungsraum des SOL-Mittelteils hing, zeigte noch immer den dichten, jede Orientierung raubenden Nebel des Sphärenlabyrinths. In diesem Nicht-Ort zwischen den Universen war man unweigerlich verloren, wenn man nicht über außergewöhnliche Hilfe verfügte. Es lag etwas Hypnotisches in diesem wallenden Weiß und zugleich etwas sehr Beunruhigendes, fand Perry Rhodan.
Nicht ohne Grund gehörte Nebel nach Jahrtausenden der Erzählkunst noch immer zu den Standardmotiven vieler terranischer Schauergeschichten. Nebel bedeutete Kontrollverlust und Orientierungslosigkeit – zumindest für die meisten Menschen, die sich sehr auf ihr primäres Sinnesorgan, die Augen, verließen. Und mit der Unfähigkeit, die eigene Umgebung erfassen zu können, ging stets die Angst einher, dass sich etwas Grausiges in diesem dichten, alles verhüllenden Weiß aufhalten mochte. Etwas, das man nicht kommen sehen würde, wenn es sich anschlich, um seine Beute zu schlagen.
Ungeheuer waren nichts, was Perry Rhodan schreckte. Er hatte in seinem langen Leben so viele Monster gesehen, manche abgrundtief hässlich, manche von betörender Schönheit. Vor allem aber hatte er gelernt, dass nicht alles, das wie ein Ungeheuer aussah, tatsächlich eins war. Man durfte sich eben nicht nur auf seine Augen verlassen, erst recht nicht, wenn man durch den Nebel irrte.
Auch die SOL, das legendäre, in sein goldenes Kleid aus Solonium gehüllte Fernraumschiff der Terraner, tat das nicht. Es hätte ihr tatsächlich wenig gebracht, denn all ihre künstlichen Sinne, vom simplen Radar bis zur hoch spezialisierten Ultra-Giraffe, waren in diesem speziellen Nebel blind und nutzlos. Außerhalb der Soloniumhülle war scheinbar absolut nichts.
Rhodan starrte auf das Hologramm, auf die Strukturen, die sich bildeten und wieder vergingen. Es ist wirklich wie ein Nebel, dachte er, und wir sind wie blind.
Es gab, wie Rhodan und die Mannschaft der SOL auf die harte Tour herausgefunden hatten, nur zwei Möglichkeiten, zielgerichtet im Sphärenlabyrinth zu agieren. Von dem geheimen Stützpunkt, den die Ritter der Superintelligenz BARIL im Mauritiussystem in der Galaxis Yahouna errichtet hatten, starteten ständig Schiffe in die Nebel.
Sie alle hatten einen sogenannten Kompanten an Bord. Ein solches Intelligenzwesen, gezüchtet in grausigen Apparaturen, war imstande, das bizarre Netzwerk aus Kugelschalen und flirrenden Lichtbändern wahrzunehmen und für Schiffssysteme abzubilden, was sich in dem weißen Dunst verbarg und das eigentliche Sphärenlabyrinth darstellte.
Der Kompant, den BARILS Stimme der SOL zur Verfügung gestellt hatte, war allerdings direkt nach dem Eintritt in den Nebel gestorben. Glücklicherweise hatten sie Eroin Blitzer an Bord, den Zwergandroiden. Als Bote der Kosmokraten verfügte er über außergewöhnliche Gaben, mit denen er unter anderem die Wahrnehmung der Kompanten simulieren konnte.
Daher saß Blitzer derzeit in der Zentrale der SOL, die SERT-Haube über dem Kopf. Er steuerte das riesige Hantelschiff durch diese unheimliche Zwischendimension auf dem Weg zurück ins heimische Universum.
Rhodan musterte die Zeitanzeige im Hologramm. Wer würde der Erste sein, der bei der Strategiesitzung eintraf? Er hatte sie anberaumt, um das weitere Vorgehen zu planen.
Tatsächlich war Blitzer der Erste – aber nur als Hologramm, das am Tisch materialisierte. »Wo sind die anderen?«, fragte Blitzer ohne Vorrede, obwohl er selbst fünf Minuten zu früh dran war.
»Hier kommen sie schon«, verkündete Roi Danton, der gemeinsam mit Tess Qumisha den Raum betrat. »Sind wir zu spät?«
»Keineswegs«, entgegnete Rhodan. »Unser guter Freund Blitzer ist nur übereifrig.«
»Ah, das beruhigt mich.« Die beiden gesellten sich zu Rhodan und dem Hologramm.
»Es fehlt nur noch A-Kuatond, dann sind wir komplett.« Rhodan argwöhnte, dass die Zentrifaal bewusst etwas zu spät kommen würde. Ohne Diskussion war er ihr – als BARILS Ritterin – als Orbiter zugeteilt worden. Damit war er nun, recht frei übersetzt, ihre »rechte Hand«.
BARILS Stimme war die oberste Entscheidungsgewalt in der Galaxis Yahouna; sie hatte entschieden, dass die SOL der Ritterin als Flaggschiff dienen sollte, bis ihr eigenes repariert worden war. Pikanterweise war es ausgerechnet Rhodan gewesen, der die Schlachtspitze während eines Gefechts stark beschädigt hatte.
Aus diesem Grund war die Beziehung der beiden nach wie vor etwas angespannt, die Führungssituation auf der SOL sowieso. Jedenfalls ließ die Zentrifaal, die im Orden der sieben Ritter BARILS die Rolle der Kriegerin innehatte, keine Gelegenheit ungenutzt, um herauszustreichen, wer aktuell das Sagen hatte.
Auch mit billigen Tricks, ergänzte Rhodan in Gedanken, wie einfach verspätet zu kommen.
Exakt fünf Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt tauchte A-Kuatond auf. Sie bat weder um Entschuldigung, noch erklärte sie ihre Verspätung. Stattdessen nickte die Ritterin zufrieden und baute sich vor den Übrigen auf, als hätte sie diese Besprechung vorgeschlagen – und nicht Rhodan. Sie legte die Krallen- und die Schaufelhand hinter den Rücken und bedachte die Anwesenden mit einem schwer zu deutenden Blick aus dem schwarzen Augenband, das oberhalb ihrer schmalen Nasenschlitze quer über ihr fahles Gesicht lief.
»Sehr gut, es sind alle da«, sagte sie ruhig. »Dann können wir beginnen.«
Rhodan nickte. »Ich schlage vor, dass uns zuerst Mike – ich meine Roi Danton – schildert, welche Ergebnisse sein Ausflug eingebracht hat. Und wie es ihn ins Sphärenlabyrinth verschlagen hat.«
»Einverstanden.« Rhodans Sohn trat an den Holokubus. »Ich habe ein paar Aufnahmen aus unseren SERUNS überspielt, um meinen Bericht zu ergänzen.«
Bilder lösten das weiße Wallen im Holokubus ab. Manche von ihnen kannte Rhodan schon, etwa das der bedrohlich schwarzen, zylindrischen Station mit den seitlich aufgesetzten Noppen. Sie diente als Zentrum der Operation Sphärenlabyrinth und war der Stützpunkt für BARILS Stimme. Andere waren ihm neu, so die Aufnahme vom Innern der Skapalm-Bark, in deren Beiboot sie seinen Sohn, dessen Team und 44 entkommene Gefangene aufgelesen hatten.
»Den Koordinaten folgend, die Perry auf Kessaila gestohlen hat, erreichten wir ein Proto-Sternsystem, das ich Mauritiussystem taufte«, referierte Danton. »Dort fanden wir die Nebelzone, in deren Inneren wir uns gegenwärtig aufhalten. Sie war von zwölf unterschiedlichen Raumstationen umgeben, die an den Eckpunkten eines gedachten Ikosaeders im Raum hingen und mithilfe von röhrenförmigen Aufsätzen Strahlen in den Nebel emittierten.«
Im Holokubus tauchten nacheinander die Raumstationen auf. Manche Aufnahmen waren exakt, andere eher verschwommen.
Danton wies auf den Holokubus. »Was genau sie da treiben, wissen wir nicht. Haben sie die Zone erschaffen? Haben sie nur ein natürlich hier existierendes Phänomen stabilisiert?«
»Da immer von einem Projekt die Rede war, an dem BARILS Ritter arbeiten, halte ich den Zugang zum Sphärenlabyrinth für künstlich geschaffen«, meinte Rhodan.
»Dem stimme ich zu«, ließ sich Blitzer vernehmen.
»Wir entschieden uns, Nachforschungen anzustellen, und kamen, getarnt als falsche Hyperphysiker, auf die Station, die wir S-1 getauft haben.« Danton deutete auf den schwarzen Noppenzylinder. »Wir erkannten, dass BARILS Stimme, in Wahrheit ein Geschöpf namens Haldukass, treibende Kraft hinter diesem Projekt ist. Viel erschreckender jedoch war die Erkenntnis, dass sie offenbar mit Abgesandten der Terminalen Kolonne TRAITOR zusammenarbeitet. Es ist zwar eine von Streit und Argwohn geprägte Partnerschaft, aber eine, die bereits gefährliche Früchte trägt. Damit meine ich diese stabile extrauniversale Portalsektion, wie die Wissenschaftler auf S-1 die Nebelzone nennen. Und die Kompanten, die von den Kolonnen-Anatomen erschaffen wurden, in perversen Experimenten, die Zigtausende Leben kosteten.«
Eine Reihe von verschiedenartigen Lebewesen wurde eingeblendet, teilweise in riesigen Glasbehältern schwebend, an Schläuche angeschlossen und allesamt eher krank wirkend.
Danton hielt kurz inne. »Ist euch allen bewusst, was das bedeutet?«
»Sie bauen irgendeine Art von Transportsystem, das verschiedene Universen miteinander verbindet?«, gab Qumisha in Form einer Gegenfrage zurück.
»Nicht irgendeins. Ein perfektes! Dank der Kompantin, die gerade am Erwachen war, als wir die Skapalm-Bark entführten, konnten wir bis zu einem anderen Ausgang des Sphärenlabyrinths fliegen. Wir erreichten ein Universum, in dem völlig andere Naturkonstanten vorherrschten – ohne den geringsten Strangeness-Schock zu erleben!«
Qumisha wurde bleich. »Das heißt, wenn TRAITOR sich diese Fortbewegungsmethode zunutze macht ...«
»... könnte die Terminale Kolonne praktisch überall auftauchen und wäre sofort einsatzbereit für den Kampf.« Danton nickte finster.
Fürchterliche Vorstellung, dachte Rhodan grimmig. Jeder in der Runde hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht, als sie das Beiboot aufgelesen hatten, das eindeutig eine chaotarchische Bauweise aufwies. Aber nun zeigte Danton, was tatsächlich vor sich ging, in seinem ganzen, schrecklichen Ausmaß.
Eroin Blitzer schlug mit der Hand auf den Tisch. Es gab nicht das geringste Geräusch, der optische Effekt des Hologramms wirkte trotzdem.
»Wir haben genug gehört«, sagte der Androide. »Es gilt sofort zu handeln. Der Befehl lautet: Wir verlassen sofort das Labyrinth und schlagen mit der gesamten Kampfkraft der SOL zu, mit allen Waffen, auch der chaotarchischen. In diesem Moment heiligt der Zweck die Mittel. Unser Ziel ist die Raumstation, auf der Haldukass residiert. Wenn wir danach noch Gelegenheit haben, weitere Stationen zu vernichten, werden wir diese nutzen, und zwar so lange, bis der Widerstand zu groß wird und wir zum Rückzug gezwungen werden.«
»Das werden wir nicht tun.« A-Kuatonds Einwand kam für Rhodan nicht überraschend.
»Wer glaubst du zu sein, dass du mir Befehle geben kannst?«, fragte Blitzer sie spitz.
A-Kuatond richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, womit sie den Zwergandroiden deutlich überragte. »Ich bin eine Ritterin BARILS, und BARIL ist das Herz und die Seele, die Herrscherin und Beschützerin Yahounas. Ich lasse nicht zu, dass BARILS Stimme ein Leid zustößt, bevor ich nicht felsenfest davon überzeugt bin, dass sie Schuld auf sich geladen hat.«
»Ich habe mitbekommen, wie Haldukass mit einem Hoch-Medokogh TRAITORS namens Krefferk verhandelt hat«, erinnerte Danton. »Ich habe Aufzeichnungen davon, die ich dir überspielen kann. Außerdem haben wir ein ganzes Chaosgeschwader Traitanks im Sphärenlabyrinth angetroffen, alle 484 Schiffe, und wir konnten ihm nur mit knapper Not entgehen.«
A-Kuatond hob die linke Hand so, dass der muskulöse Hautlappen wie eine kräftige Schaufel wirkte. Eine Abwehrgeste der Zentrifaal, wie Rhodan wusste.
»Trotzdem kennen wir nicht die ganze Wahrheit«, sagte sie. »Es muss eine sinnvolle Erklärung dafür geben. Es kann nicht sein, dass Haldukass und TRAITOR kooperieren. BARIL verhält sich im Kampf der Hohen Mächte neutral. Das war schon immer so.«
»Für ein Mitglied des inneren Kreises um BARIL weißt du nicht viel über das Handeln eurer Superintelligenz«, stellte Blitzer fest. »Doch ich bin bereit, dich aufzuklären. BARIL war nie neutral. Viele Jahrtausende hat sie die Kosmokraten unterstützt. Sie mag es nicht aktiv und offen getan haben, aber sie hat Yahouna stets den Mächten der Ordnung als heimlichen Rückzugsraum zur Verfügung gestellt. Erst seit zweihundert Jahren zeigt BARIL einen gewissen Widerwillen. Sie mag sich den Kosmokraten nicht widersetzt haben, aber angeblich können ihre Anforderungen nicht mehr vollständig erfüllt werden. Daraufhin haben diese anderen Galaxien die Aufgaben zugewiesen, die zuvor Yahouna übernommen hatte.«
Misstrauisch musterte A-Kuatond den Androiden, während sie die Arme hinter dem Rücken verschränkte. »Wer bist du, dass du so viel über BARIL und die Kosmokraten zu wissen behauptest?«
Die Frage ist nicht unberechtigt, musste Rhodan zugeben. Die Solaner hatten Blitzer bei seinem ersten Auftauchen in der SOL-Zentrale A-Kuatond gegenüber etwas vage als irgendwie gehört er zu uns vorgestellt. Je mehr sich Blitzer, der eigentlich nur ein Beobachter sein sollte, ins Geschehen einmischte, desto verwirrender wurde diese Aussage
»Wer ich bin, spielt keine Rolle«, erwiderte Blitzer unverändert kryptisch. »Wichtig ist nur, dass alles, was ich sage, der Wahrheit entspricht. Und dass wir auf derselben Seite stehen.«
»Tun wir das, Perry?«, wandte sich die Ritterin an Rhodan. »Ich frage dich als meinen Orbiter, der mir zur Treue verpflichtet ist.«
»Es steht mir nicht zu, Informationen über Eroin Blitzer preiszugeben, die er selbst nicht preisgeben will«, antwortete Rhodan diplomatisch. »Aber ich bekräftige gern, was ich in der Zentrale schon sagte: Ich traue ihm. Was nicht heißt, dass ich einer Meinung mit ihm bin!«
Einen Augenblick lang wirkte A-Kuatond sehr nachdenklich. Tatsächlich glaubte Rhodan sogar Erschütterung auf den Zügen der Zentrifaal zu erkennen. Er konnte das nachvollziehen. Das zentrale Glaubensbekenntnis des Ritterordens war die Neutralität BARILS, die Wahrung des Gleichgewichts. Wenn BARIL in Wahrheit einst den Kosmokraten gedient hatte und mittlerweile mit den Chaotarchen unter einer Decke steckte – was ergab für die Ritter überhaupt noch Sinn?
»Das kann nicht sein«, beharrte A-Kuatond. »Wenn du nicht lügst, musst du irren. BARIL ist das Gleichgewicht, das Yahouna erhält. So war es immer und so wird es immer sein.«
»Wie dem auch sei, die Kooperation von Haldukass mit den Chaotarchen lässt sich nicht leugnen«, erinnerte Danton. »Die Gespräche zwischen Haldukass und Krefferk sind passiert und belegt. Das Sphärenlabyrinth und die Traitanks, die darin operieren, ebenso.«
»Das muss gegen BARILS Willen geschehen«, beharrte A-Kuatond. Und dann sagte sie etwas, das noch am Vortag ein schrecklicher Frevel für sie gewesen wäre: »BARILS Stimme muss ein Verräter sein.«
»Das würde zumindest erklären, warum er wollte, dass wir uns im Sphärenlabyrinth verlieren«, überlegte Rhodan.
Er hatte diesen Verdacht bereits zuvor geäußert. Haldukass hatte ihnen einen Kompanten überlassen, um die entführte Skapalm-Bark zu jagen. Das bedauernswerte Geschöpf war allerdings kurz nach seinem Eintreffen auf der SOL gestorben – man hatte es vergiftet, schon bevor sie es an Bord genommen hatten.
Blitzer wirkte triumphierend. »Wenn Haldukass ein Verräter ist, können wir seine Station ja endlich angreifen. Oder hast du immer noch Einwände?«
»Ich habe Einwände«, sagte Rhodan, bevor A-Kuatond sich äußern konnte. »Haldukass mag sich des Verrats an BARIL und den Mächten der Ordnung schuldig gemacht haben. Aber wir wissen nicht, wie weit die Kreise sind, die diese Verschwörung zieht. Sind seine Untergebenen, seine Forscher und Arbeiter, in die Zusammenarbeit mit TRAITOR eingeweiht? Oder tischt Haldukass ihnen allen seine Lügen auf? Sind sie schuldig? Bevor wir nicht mehr wissen, werde ich auf keinen Fall eine Raumstation mit Tausenden oder Zehntausenden Lebewesen an Bord attackieren.«
»Was auf dieser Mission geschieht, bestimmst nicht du«, erinnerte ihn Blitzer. »Ich habe dich gewarnt, was passiert, wenn du dich den Kosmokraten widersetzt.«
Das musste er nicht betonen. Rhodan würde die grauenvolle Vision, die er von der Zerstörung der SOL durch die Kanonen der NEUBEGINN gehabt hatte, nicht so schnell vergessen.
Aber die NEUBEGINN war in Tare-Scharm, Millionen von Lichtjahren entfernt. Im Grunde hatte Blitzer also kein direktes Druckmittel mehr gegen ihn in der Hand. Seine Worte waren nichts als heiße Luft.
Aber was, wenn nicht ... Rhodan wollte es ungern auf die harte Tour herausfinden.
Dennoch dachte er nicht daran, Blitzer mehr operative Befugnisse zuzugestehen als nötig. Solange sie am Ende ein Ergebnis zu bieten hatten, das die Kosmokraten zufriedenstellen würde, sollte die Vorgehensweise von den Solanern bestimmt werden.
Aber das werde ich nicht vor A-Kuatond mit ihm klären, dachte er, während er versuchte, seine Gesichtszüge zu beherrschen.
Er appellierte an Blitzers Vernunft. »Ich habe nicht vor, mich den Kosmokraten zu widersetzen. Ich möchte vielmehr alle Puzzlestücke zu einem kompletten Bild zusammensetzen. Es ist besser, die Strategie des Feindes zu vereiteln, als sich in einen Kampf zu stürzen. Niemand zwingt uns, sofort gegen Haldukass ins Feld zu ziehen. Wäre es daher nicht sinnvoller, zunächst herauszufinden, was Haldukass und TRAITOR eigentlich vorhaben?«
»Falls du vorhast, Haldukass auszuspionieren, wird das nicht leicht werden«, warf A-Kuatond ein. »Wenn er mit den Chaotarchen im Bunde ist und uns wirklich töten wollte, wird er uns niemals trauen, selbst wenn wir uns nach unserer Rückkehr arglos geben und so tun, als hätten wir seine Ränkespiele nicht bemerkt.«
Rhodan nickte. »Da gebe ich dir recht. Im Augenblick können wir nicht direkt gegen Haldukass vorgehen. Aber es existiert noch ein anderer Ansatzpunkt.«
»Welcher?«, fragte Qumisha.
»Semmaru«, antwortete Rhodan trocken. »Ich habe die Koordinaten des Sphärenlabyrinths aus seinem Computersystem auf Kessaila gestohlen. Wieso wusste Semmaru von diesem Projekt, wenn A-Kuatond es nicht kannte? Offiziell sind die beiden Ritter gleichrangig. Hat es damit zu tun, dass er der Diplomat unter den Rittern ist und das Projekt Sphärenlabyrinth der Versuch eines Bündnisses zwischen wem auch immer und TRAITOR ist? Wir sollten versuchen, das herauszufinden.«
»Damit bin ich einverstanden«, sagte A-Kuatond sofort. Sie war nicht sonderlich gut auf Semmaru zu sprechen. Diese Abneigung teilte Rhodan mit ihr, seit Semmaru ihn hatte umbringen lassen wollen und ihm danach einen Mord in die Schuhe geschoben hatte.
»Also gut«, stimmte Blitzer zu. »Sammeln wir weitere Informationen.«
Rhodan nickte Qumisha zu. »Tess?«
»Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll«, gestand die Kommandantin der SOL, »aber eines weiß ich mit Sicherheit: Ich fliege lieber auf eine Spionagemission als in eine Schlacht gegen Diener der Chaotarchen.«
»Das werte ich als Zustimmung.« Rhodan wandte sich seinem Sohn zu. »Mike?«
»Ich bin dafür«, gab Danton zurück. »schlage aber zusätzlich vor, TRAITOR ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Mit unserer Kompantin Kalfa kann die CALAMAR innerhalb des Sphärenlabyrinths navigieren und dort nach TRAITOR-Standorten suchen, die man infiltrieren könnte. Ich habe auf der Skapalm-Bark einige Anhaltspunkte gefunden, wo so etwas Erfolg haben dürfte.«
Die Idee gefiel Rhodan nicht sonderlich. Sie klang naheliegend und dürfte von einem Mann wie Roi Danton vermutlich sogar umzusetzen sein. Aber Rhodan hegte nach wie vor leise Zweifel an Blitzer und wusste nicht genau, zu welchem Handeln der Zwergandroide neigen mochte.
»Ich weiß nicht, ob es klug wäre, wenn einige von uns im Sphärenlabyrinth zurückbleiben«, sagte er. »Das ist kein sicherer Ort. Wir wissen nicht, wie stabil diese Region wirklich ist. Was, wenn die Portalsektion im Mauritiussystem kollabiert? Dann werdet ihr auf ewig in einem fremden Universum gestrandet sein.«
Danton lächelte. »Wir finden immer einen Weg zurück – und wenn es mit deiner Hilfe ist. Abgesehen davon gäbe es keinen so regen Raumverkehr durch das Sphärenlabyrinth, wenn es nicht grundsätzlich sicher wäre. Ich vertraue darauf. Die Mission ist zu wichtig. Wenn wir im Kampf gegen TRAITOR eins in der Vergangenheit gelernt haben: Nur die Terminale Kolonne weiß, welche Pläne sie wirklich verfolgt. Was immer Haldukass oder Semmaru zu wissen glauben, muss nicht der Wahrheit entsprechen.« Er nickte bekräftigend. »Mein Entschluss steht fest.«
Rhodan hielt ihm die Hand hin. »Dann gibt es für mich nur eins zu tun: dir viel Glück zu wünschen.«
Keine Stunde später schleuste die CALAMAR aus dem Hangar der SOL aus. Wenig später verließ der Hantelraumer das Sphärenlabyrinth und wechselte im selben Sekundenbruchteil in den Hypertaktmodus.
Rhodan, der in der Zentrale stand und das Manöver angespannt verfolgt hatte, atmete tief durch. Er hoffte inständig, dass Haldukass nichts von ihrer Rückkehr mitbekommen hatte. Allerdings war es durchaus möglich, dass er seinen Mitverschwörer Semmaru vor der SOL warnte.
In diesem Fall flogen sie von einer Falle direkt in die nächste.