Читать книгу Mission SOL 2020 / 5: Der violette Tod - Bernd Perplies - Страница 8

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3.

22. November 1552 NGZ

SOL, im Transit

Kein Plan überlebte den Feindkontakt – diese Weisheit war so alt wie die menschliche Kriegsführung. Und manchmal überlebte ein Plan selbst dann nicht, wenn es keinen Feindkontakt gab. Beispielsweise weil der Feind nicht da war, wo man ihn eigentlich erwartet hätte.

Genau so erging es Rhodan und der Besatzung der SOL, als sie einen Tag, nachdem sie sich auf den Weg nach Kessaila gemacht hatten, eine Nachricht des Ritterordens erhielten.

»Ritter Semmaru bittet um dringende Hilfe bei einer zeitkritischen Mission«, lautete die Botschaft knapp. »Dein Schiff, Ritterin A-Kuatond, ist das einzige in Reichweite. Bitte begib dich unverzüglich zum Planeten Paraytiap im Prarantalsystem.« Weitere Details wurden nicht genannt.

»Wie kann es sein, dass dieser Mörder frei herumläuft und irgendwelche Aufgaben innerhalb des Ordens übernimmt?«, wunderte sich Rhodan, nachdem sie die Nachricht abgespielt hatten. Eigentlich waren sie davon ausgegangen, Semmaru in einer Zelle vorzufinden. »Immerhin hat er drei Leben genommen und dann versucht, mir mit unschuldiger Miene den Mord anzuhängen.«

»Eine Anklage ist noch keine Verurteilung«, argumentierte A-Kuatond. »Natürlich werden die Mordvorwürfe untersucht. Das hat BARILS Stimme so verkündet. Aber solange die Ermittlungen dauern, gibt es aus Sicht des Ordens keine Gründe, Semmaru festzusetzen. Er geht seinen Rittergeschäften nach.«

Zähneknirschend musste sich Rhodan eingestehen, dass dieses Rechtsverständnis dem der Terraner nicht unähnlich war. Solange nur ein Verdacht ohne eindeutige Beweise existierte und keine akute Fluchtgefahr bestand, wurden auch Menschen – oder auf der Erde angeklagte Nichtmenschen – nicht eingesperrt. Man verpasste ihnen womöglich einen Peilsender, aber ansonsten durften sie sich frei bewegen, bis ihre Schuld bewiesen war.

Aber Rhodan wurde nicht ohne Grund als Sofortumschalter bezeichnet. Wenn Plan A nicht funktionierte, musste eben ein Plan B her. Glücklicherweise präsentierte sich der mit Semmarus Ersuchen um Hilfe praktisch von selbst.

»Dann lass uns ins Prarantalsystem fliegen«, schlug Rhodan A-Kuatond vor, »und Semmaru unsere Hilfe anbieten. Was ist besser, um jemanden auszuspionieren, als eng mit ihm zusammenzuarbeiten?«

»Unter anderen Umständen würde sich meine Begeisterung, Semmaru bei etwas behilflich zu sein, in Grenzen halten«, gab die Ritterin zu. »Aber dein Vorschlag klingt sinnvoll, mein Orbiter. Außerdem können wir BARILS Willen nicht einfach ignorieren. Wenn BARIL seine Ritter ins Prarantalsystem ruft, müssen wir diesem Ruf Folge leisten.« Sie wandte sich an Tess Qumisha. »Gib den Befehl, den Kurs zu wechseln. Und lass deine Leute Kessaila unterrichten, dass wir uns auf den Weg machen.«

»BARILS Wille hin oder her, sollten wir nicht Semmarus Abwesenheit von Kessaila nutzen, um uns noch einmal in seinem Computersystem umzuschauen?«, entgegnete die Kommandantin. »So eine Chance kommt vielleicht nicht so schnell wieder.«

Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle, dass uns das neue Erkenntnisse bringen wird. So heikle Daten wird Semmaru nicht in seinem privaten Computersystem zurückgelassen haben. Nicht, nachdem ich schon einmal in sein Quartier eingebrochen bin. Wenn Semmaru wirklich mit Haldukass unter einer Decke steckt, hat der ihm sicher gemeldet, dass die SOL im Mauritiussystem aufgetaucht ist. Einen besseren Beleg dafür, dass ich in seinem System war, kann es nicht geben.«

»Ich stimme zu«, sagte A-Kuatond. »Nein, unsere einzig sinnvolle Option liegt darin, Semmaru für seinen Einsatz Unterstützung anzubieten. Auf diese Weise dienen wir BARIL und können zugleich Semmaru unauffällig auskundschaften. Er mag uns gegenüber argwöhnisch sein, aber dass wir dort auftauchen, entspricht ganz den Prinzipien des Ordens: Ritter helfen einander. Jederzeit. Daher sollte Semmaru über unser Erscheinen nicht übermäßig beunruhigt sein. Zudem kann er leicht nachprüfen, dass die SOL wirklich das einzige Schiff ist, das schnell hatte reagieren können.«

»Gut«, lenkte Qumisha ein. »Soll ich eine Nachricht an Semmarus Schiff schicken lassen, um unsere Ankunft anzukündigen?«

»Nein«, entschied A-Kuatond. »Wir lassen ihn über unser Kommen im Unklaren. Er soll keine Zeit haben, sich auf unsere Ankunft vorzubereiten.«

Das klang sinnvoll. Aber wenn Rhodan das leicht belustigte Zucken ihrer Mundpartie richtig interpretierte, freute sich die Zentrifaal obendrein diebisch auf Semmarus Miene, wenn er erfuhr, dass ausgerechnet sie auftauchte, um ihm unter die Arme zu greifen.

*

Zwei Tage später erreichten sie das Prarantalsystem: Eine ziemlich unscheinbare gelbe Sonne wurde von zwölf Planeten umkreist. Zwei davon befanden sich in der habitablen Zone, aber nur auf einem hatte sich den Fernsensoren der SOL zufolge eine moderne Zivilisation entwickelt: Als Praraytiap stand die Welt in den Katalogen der Ritter BARILS, die A-Kuatond teilweise zur Verfügung gestellt hatte.

»Eine Minute bis zur Ankunft über Praraytiap«, meldete Rytanaia, die den Hypertaktflug der SOL überwachte. Die blasse, dunkelhaarige Neu-Solanerin hatte sich binnen erstaunlich kurzer Zeit ihren festen Platz in der Mannschaft erarbeitet und war mittlerweile häufig in der Zentrale anzutreffen.

»Vielen Dank«, bestätigte Qumisha von ihrem Kommandoplatz aus. Sie wandte sich an Rhodan und A-Kuatond, die beide an der Station des Expeditionsleiters standen. »Seid ihr bereit?«

Rhodan nickte. »Das sind wir.«

»Wissen wir eigentlich etwas über die Art der Mission, die Semmaru leitet?«

»Bisher noch nicht, aber wir werden es sicher schnell erfahren.«

Hoffentlich geraten wir nicht mitten in eine Ernte, ging es Rhodan durch den Kopf.

Diese Sorge verfolgte ihn, seit sie Semmarus sehr allgemein gehaltenen Ruf erhalten hatten. Die Vorstellung, dem Ritter zu helfen, eine Planetenbevölkerung auszulöschen, entsetzte ihn zutiefst. Andererseits sprach der Aspekt der Zeitnot dagegen. Wieso sollten die mächtigen Ritter BARILS in Eile sein, um die Angehörigen einer verurteilten Spezies durch die riesigen Energiebögen zu schicken, die jeden Körper auflösten und mit dem Geist was auch immer anstellten? Das passte in kein Szenario. Also hatten die Solaner vielleicht Glück und konnten bei etwas Konstruktivem auf der bislang unbekannten Welt mitwirken.

»Ankunft über Praraytiap in drei ... zwei ... eins ... jetzt.«

Rytanaia desaktivierte den Hypertaktmodus, und von einer Sekunde zur nächsten hing ein einzelner Planet im großen zentralen Holokubus, der von drei kleinen Monden umgeben war. Praraytiap glich einem grün-blauen Flickenteppich. Große Ozeane wie auf Terra gab es keine. Dafür sprenkelten Tausende kleinere Binnenmeere den Globus und sorgten für eine unglaublich reiche Flora, die von den milderen Polarregionen bis zum Äquator reichte. Ein weißlicher Schleier hing in großer Höhe wie eine Glocke über der ganzen Oberfläche, Dunst, der von unzähligen Gewässern aufstieg.

»Ortung, wo ist Semmarus Schiff?«, fragte Qumisha.

Das Bild sprang heran, und im nächsten Moment wurde die zwei Kilometer lange, violette Walze sichtbar. »Es ist die ZHIRAL«, sagte A-Kuatond ruhig, »Semmarus Schiff.«

Die Proportionen der ZHIRAL erinnerten an den Mittelteil der SOL, aber die Oberfläche war über und über mit filigranen Aufbauten unklaren Zwecks bedeckt. Zahlreiche ausgeschleuste Beiboote waren von dem riesigen Zylinder zur Oberfläche der Welt unterwegs oder kehrten von dort zurück.

»Wir werden gerufen«, kam die Meldung von der Funkstation.

»Verbindung öffnen!«, befahl Qumisha. Sie nickte A-Kuatond zu. »Bitte schön.«

Im nächsten Augenblick wechselte das Bild, und Semmaru tauchte im Holokubus auf. Sein kaum ein Meter großer, birnenförmiger Körper versank beinahe in einem wuchtigen Kommandostuhl. Die vier dürren Armpaare, die aus seiner Brust wuchsen und in langen Klauen endeten, ruhten auf schmalen, mehrstöckigen Kontrollkonsolen, die von links und rechts herangezogen werden konnten.

Als er A-Kuatond erblickte, stieß er die Konsolen mit einer heftigen Bewegung aller acht Arme von sich und sprang auf die dürren Beine. Der Rüssel in seinem Insektenschädel zuckte. »A-Kuatond! Was machst du hier?« Die sirrenden Laute, die er von sich gab, wurden von den Translatoren problemlos übersetzt.

Die Zentrifaal gab sich irritiert. »Was ich hier mache, Semmaru? Du hast doch um Hilfe bei deiner Mission gebeten.«

»Aber nicht dich oder diesen Perry Rhodan und seine Leute!«

»Glaube mir, Semmaru, ich könnte auch etwas Besseres mit meiner Zeit anfangen, als dir zu helfen«, gab A-Kuatond spitz zurück. »Aber noch sind wir beide Ritter und dienen gemeinsam BARIL. Und wenn es BARILS Wille ist, dass sich unsere Wege kreuzen und wir unsere Kräfte bündeln, steht es uns dann zu, diesen Willen zu hinterfragen?«

Währenddessen scannte die Besatzung der Zentrale schweigend den Planeten und das umgebende All, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Dabei bekam man vielleicht heraus, woran Semmaru arbeitete. Rhodan ließ sich alle Ergebnisse direkt anzeigen.

Die Zeichen waren unverkennbar, die Bewegungen der Beiboote, die Energiesignaturen überall auf der Planetenoberfläche: Auf Praraytiap fand offensichtlich eine Ernte statt, genau wie auf Diulu an dem Tag, als die SOL in Yahouna eingetroffen war. Semmarus Schiffe projizierten die riesigen Portale, in denen die Bewohner des Planeten in Scharen im Nichts verschwanden.

Jede Faser in Rhodans Körpers weigerte sich, die geplante Scharade weiter aufrechtzuerhalten. Er erinnerte sich an die vierbeinigen Truvaud, die von gefühllosen Robotern durch glitzernde Energiefelder getrieben wurden. Es war eine Sache, persönliche Gefühle gegenüber Semmaru zurückzustellen und ihm bei einer Mission zu helfen, um ihn gleichzeitig auszuspionieren – aber eine ganz andere, wenn es bei der Mission um einen Völkermord ging.

Wir brauchen einen Plan C.

Rhodans Gedanken überschlugen sich, während er ihre Optionen durchging. Sie waren nicht sehr zahlreich. Es stand nicht mehr zur Debatte, Semmaru zu helfen, Sie konnten aber ebenso wenig einfach wegfliegen, denn sie mussten herausfinden, was der Ritter über das Sphärenlabyrinth und die Kooperation zwischen Haldukass und TRAITOR wusste.

Vielleicht ist die Zeit für Subtilität vorbei.

Die SOL war ein mächtiges Schiff und das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Wenn sie schnell handelten, konnten sie Semmarus Walzenschiff vermutlich kampfunfähig schießen. Dann konnten sie es entern und übernehmen. Die Ritter verließen sich so sehr auf ihre technologische Überlegenheit, dass sie anfällig für den Einfallsreichtum einer ebenfalls hoch entwickelten Gruppierung wie der Solaner waren. Das hatte sich in der Vergangenheit bereits gezeigt.

Danach beordern wir die Beiboote zurück, und Spezialisten nehmen den Schiffscomputer auseinander. Damit hatten sie beide Ziele auf einen Schlag erreicht. Die Gräuel der Ernte waren beendet und die Geheiminformationen des Verschwörers sichergestellt.

Ein solches Unterfangen konnte nur Erfolg haben, wenn es ihm gelang, A-Kuatond davon zu überzeugen, dass dieses Vorgehen richtig und notwendig war. Sie allein kannte das volle Potenzial der Rittertechnologie und wusste, wie man sie neutralisierte.

Abgesehen davon waren nach wie vor ihre Quapyr-Beiboote mit den Hangars der SOL verschmolzen. Dort dienten sie als explosive Drohkulisse, um zu verhindern, dass etwas an Bord gegen ihren Willen geschah – oder über ihre Leiche hinweg.

An diesem Punkt seines Plans wurde es knifflig für Rhodan. Er konnte sich durchaus vorstellen, wie er Semmarus Walze übernehmen würde. Erfahrung in Kommandoaktionen jeder Art hatte er mehr als genug. Aber wie sollte er die störrische Ritterin dazu bewegen, offensiv gegen einen der ihren vorzugehen und obendrein eine von BARIL erwünschte Ernte abzubrechen?

Unterdessen hatten A-Kuatond und Semmaru ihrer wechselseitigen Abneigung ausführlich Ausdruck verliehen. Der Tenor blieb unverändert. Semmaru wollte eigentlich keine Hilfe von A-Kuatond. Die Ritterin wiederum tat zumindest so, als wäre sie alles andere als begeistert, ihm beizustehen. Doch zu BARILS Gefallen mussten sie eben alle Opfer bringen.

Und dann überraschte Semmaru sie. »Na gut«, sagte er mit gerümpftem Rüssel. »Ich stimme einer Kooperation zu. Aber nur, weil ich wirklich jede Hilfe gut gebrauchen kann. Die Rettung der Prar stellt mich allein vor eine schier unlösbare Aufgabe.«

»Die Rettung?« Rhodan konnte nicht länger an sich halten. Ein derartiger Zynismus ließ bittere Galle in ihm aufsteigen. »Du nennst eure Ernte, den systematischen Mord an Millionen Lebewesen, eine Rettung? Habt ihr die Truvaud auch gerettet?«

»Mein Orbiter möge schweigen«, tadelte ihn A-Kuatond.

Semmaru faltete die Armpaare vor dem Bauch. Er wirkte ein bisschen wie ein rundlicher Tausendfüßler, der als Prediger sein Glück machen wollte.

»Du missverstehst die Situation, Perry Rhodan«, sagte er. »Die Ernte auf Praraytiap dient nicht dem Zweck, ein Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch eine radikal aggressive Spezies ins Wanken geraten ist.«

»Vielleicht wäre endlich der Zeitpunkt gekommen, um uns die Natur deiner Mission zu enthüllen«, soufflierte A-Kuatond. »Wenn wir dir helfen sollen, müssen wir mehr wissen.«

»Natürlich.« Semmaru ließ sich wieder auf seinem wuchtigen Kommandostuhl nieder. »Ich übermittle euch die nötigen Informationen zur Lage auf dem Planeten.«

Bildaufnahmen wurden in den Holokubus projiziert. Die Bilder zeigten unterschiedlichste Lebensformen, kleine, pelzige Vierbeiner mit zwei flauschigen Puschelschwänzen und Raubtiergebissen ebenso wie nackthäutige, sechsbeinige Geschöpfe, die ungefähr die Größe eines Pferdes zu haben schienen, aber einen Kopf, der Rhodan an eine Sockenpuppe erinnerte. Am Ufer eines Meeres ruhten riesenhafte Geschöpfe, etwas zwischen Seelöwe und Schildkröte, sowie zweibeinig dahinschlurfende Pelzwesen mit langen Armen und irgendwie sympathisch wirkenden Faultiergesichtern.

Die Geschöpfe, die ihnen Semmaru zuletzt zeigte, trugen Kleider – überwiegend weite, luftige Stoffe in bunten Farben –, und sie hielten sich zwischen seltsam gewachsen wirkenden Bauwerken auf. Daher nahm Rhodan an, dass es sich bei ihnen um die Intelligenzspezies vor Ort handelte.

Allen Wesen, vom kleinsten bis zum größten, waren zwei Dinge gemein. Egal welche Haut- oder Fellfarbe sie normalerweise hatten, sie wiesen deutliche violette Verfärbungen am Körper auf, mal in Fleckenform, mal in Streifen. Außerdem wirkten sie alle lethargisch und stark fiebrig. Einige hechelten mit heraushängender Zunge, andere hatten glasige Augen.

»Auf Praraytiap ist eine tödliche Seuche ausgebrochen, die sämtliche Säugetiere und damit auch die dominante örtliche Lebensform, die Prar, befällt«, erläuterte Semmaru. »Die Einheimischen nennen sie den violetten Tod. Woher der Name rührt, dürfte klar sein. Unklar ist, woher die Seuche stammt. Eine Kontamination mit Krankheitserregern, die nicht von dieser Welt stammen, gilt derzeit als wahrscheinlich, denn die Prar haben erst seit weniger als einem Jahr Kontakt mit Spezies von anderen Welten. Sie sind sehr gastfreundlich, aber unvorsichtig.«

»Wenn es eine Seuche ist, wieso schickst du die Prar dann durch die Portale, statt zu versuchen, ihnen zu helfen?«, fragte Rhodan. »Die Medizintechnologie der Ritter BARILS muss doch um ein Vielfaches fortschrittlicher sein als die der Prar.«

»Das ist wahr. Aber ich habe kein Mittel gegen den violetten Tod finden können – ebenso wenig wie die Prar selbst.« Semmaru breitete die Arme aus. »Der Untergang der Prar muss der Wille BARILS sein. Doch ich biete ihnen eine Alternative zum Seuchentod, der das absolute Ende darstellt: die Ernte.«

»Wer durch die Portale geht, stirbt doch genauso!«

»Das stimmt nicht«, widersprach A-Kuatond. »Der Körper mag ausgelöscht werden. Aber der Geist wechselt in eine andere Sphäre über.«

»Was für eine Sphäre soll das sein?«, fragte Rhodan, der diese Information nun schon zum zweiten Mal in diesem Gespräch hörte.

»Das weiß nur BARIL.«

»Aus diesem Grund gehen große Teile der Bevölkerung freiwillig in die Portale«, fügte Semmaru hinzu, »weil sie darauf hoffen, dass dadurch ihre mentale Essenz erhalten bleibt. Die Situation ist also vollkommen anders als bei den Truvaud. Das soll aber nicht heißen, dass die Ernte der Truvaud nicht genauso BARILS Wille gewesen wäre wie die Ernte der Prar.«

Rhodan verschlug es einen Moment lang die Sprache. Dieser Zynismus!, dachte er ohnmächtig.

Daher war es A-Kuatond, die die naheliegende nächste Frage stellte. »Wie können wir helfen?«

»Millionen Prar sind bereits erkrankt«, sagte Semmaru ernst. »Sie alle wollen zu den Portalen, doch viele von ihnen sind von der kräftezehrenden Seuche so geschwächt, dass sie es nicht schaffen, weil die Reise zum nächsten Portal zu weit ist. Praraytiap ist groß, und meine Beiboote können nicht überall sein. Ich bitte daher darum, dass ihr mir beisteht, weitere Portale zu projizieren. Außerdem brauche ich zusätzliches Personal, um Kranke zu transportieren, die den Weg allein nicht mehr gehen können.«

Je mehr Rhodan hörte, desto mehr fühlte er sich, als wäre er in einem Albtraum gefangen. Schlimmer noch: Er fühlte sich an die Tests erinnert, denen er sich auf Kessaila hatte unterziehen müssen. Dort hatte er beweisen sollen, dass er würdig war, in den Orden der Ritter BARILS aufgenommen zu werden.

Diese Prüfungen hatten ihn vor moralische Dilemmata verschiedener Art gestellt. Doch nichts kam diesem hier gleich. Was machte man mit einer planetaren Bevölkerung, die aus Angst vor dem Tod freiwillig Selbstmord beging?

»Helft mir!«, bat Semmaru erneut. »Helft mir, die Prar zu ernten, bevor alle gestorben sind.«

Mission SOL 2020 / 5: Der violette Tod

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