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III. Unterschiedliche Sichtweise von Ärzten und Juristen
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In diesem Zusammenhang darf auch eine bei der Heilbehandlung zutage tretende unterschiedliche Sichtweise nicht außer Betracht gelassen werden:[18] Der Mediziner knüpft an den hilfsbedürftigen Patienten an und richtet seinen Blick in die Zukunft; zu ihrer positiven Gestaltung ist er bereit, Risiken einzugehen. Demgegenüber ist der Blick des Juristen eher auf Minimierung von Risiken, auf Steuerung und Kontrolle gerichtet. Da er im Konfliktfalle, also bei dem Fehlschlag ärztlichen Bemühens, den Blick auf Kausalverläufe der Vergangenheit richtet, tritt der Jurist dem Arzt als normorientierter Dogmatiker gegenüber, während sich der Arzt als seinsorientierter Empiriker begreift.[19] Ärztliche Binnensteuerung und (straf)rechtliche Regulierung stehen aber nicht unverbunden nebeneinander, da sich bei der juristischen Beurteilung ärztlicher Tätigkeit faktische und normative Elemente verschlingen (Schreiber), wie dies ja auch vom Todeszeitpunkt als Ende strafrechtlichen Lebensschutzes her bekannt ist.[20] Dies ändert aber nichts daran, dass für die nachfolgend zu beurteilenden Rechtsfragen primär juristische Maßstäbe zu gelten haben. Da der Patient Fehler des Arztes und seiner Hilfspersonen nur in sehr seltenen Ausnahmefällen rechtzeitig erkennen und selbst Gegenmaßnahmen treffen kann,[21] hat das (Straf)Recht zum Schutze des Patienten eigene Maßstäbe zu setzen, die von denen der ärztlichen Profession ggf. abweichen können.[22] Hiervon unberührt bleibt die Notwendigkeit, dass die rechtliche Beurteilung von den medizinischen Möglichkeiten auszugehen[23] und gerade auch zum Wohle des Patienten die Vielfältigkeit ärztlicher Entscheidungsoptionen durch Einräumen eines Beurteilungs-und Entscheidungsspielraums zu respektieren hat.[24] Entscheidungsabläufe außerhalb der eigentlichen ärztlichen Behandlungstätigkeit, also insbesondere organisatorische Fragen (etwa i.Z.m. arbeitsteiligem Vorgehen) sind hingegen einer eigenständigen rechtlichen Bewertung eher zugänglich.[25]