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Von Neidenburg nach Johannisburg.

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Über dem schneebedeckten Neidenburg mit seinen zweihundert Brandruinen lag goldener Sonnenschein. Inmitten, auf dem weiten Platz, herrschte reges Marktleben; doch nur schwer konnte man durch das Gewirr der Buden, durch die Wagenburg kommen — eine Marktordnung fehlte — das Rathaus lag seit Monden in Trümmern. Für mich galt‘s zuerst, eine geschichtliche und literargeschichtliche Tatsache klarzustellen. In einer Kölner Zeitung hatte ein Berichterstatter über die zweite Invasion der Russen geschrieben, auch über deren Barbarismus gewettert, da sie droben, in der angeschossenen Neidenburg, aus reinem Mutwillen die Originalmanuskripte des berühmten Geschichtsschreibers Gregorovius vernichtet hätten. Ich erfuhr, dass auf der Neidenburg ein kundiger Mann säße, der Bescheid wüsste, der Obersteuerrevisor B. . .

„Eine zweite Invasion? Nein, Neidenburg hat seit der ersten keinen bewaffneten Russen mehr gesehen, nur eine zweite Auflage von Granaten erhalten, und die Manuskripte sind schon beim ersten Einfall zugleich mit dem Rathaus verbrannt. — Die Russen haben so viele tatsächliche Verbrechen in Ostpreußen begangen, dass man nicht erst nötig hat, ihnen noch welche anzudichten.“

Das war auch meine Meinung. Der Sonnenschein lockte mich zu einer Wanderung nach dem Schlachtfelde von Muschaken. Zwischen Neidenburg und Robertshof erinnerten zahlreiche Russengräber, Drahtverhaue und Schützengräben an den schweren Kampf. Die Frühjahrssonne besaß eine unerfreuliche Kraft; sie schmolz auf der zerfahrenen Chaussee Schnee und Eis und schuf einen weichen, saftigen Morast. Ein freundlicher Leutnant, der vorüber fuhr, hatte Mitleid mit dem Wandersmann und nötigte ihn auf den Krümperwagen hinauf. Er wollte in Gerbersdorf Einkäufe machen. Unterwegs schimpfte er wie ein Rohrsperling über das eintönige Etappenleben; ihn drängte es dorthin, woher von Zeit zu Zeit Kanonendonner dröhnte. Man hört‘s gern von so frischem, jungem Blut, — der rechte Soldat will an die Front.

Hinter Gerbersdorf trieb mich der Morast waldeinwärts. Die Richtung des Schlachtfeldes lag vor mir; der hochragende Kirchturm von Muschaken gab dafür das Ziel. Mitten im Walde tauchte ein Bauernhof auf. Dort war ein Etappenquartier unsrer Feldgrauen. Sie arbeiteten in der Scheune, sonnten sich vor dem Hause, lungerten auf dem Hofe umher. Hier stand eine Gulaschkanone, an der ein junger Soldat hantierte. Mittagszeit war nahe.

„Was gibt's heut‘ Gutes, Landsmann?“

„Graupensuppe mit Rindfleisch.“

„Sind Sie von Hause aus Koch?“

Ein Kopfschütteln.

„Kaufmann.“

„Aber er kocht gut“, lobte und tröstete ihn einer der bärtigen Wehrmänner ob des verfehlten Berufes. — —

Zwei Stunden später war ich im tiefen Forst, an der schauerlichen Stätte des Schlachtfeldes. Überall erhoben sich Grabhügel, sah man Erdhaufen, aus denen nicht selten Beine, mit Hufen daran, hervorragten. Weiterhin lag eine große Zahl abgehäuteter Pferde in ihrem blutroten, gefrorenen Fleisch, darauf Krähen und Raben. Von der Kriegsbeute lag noch einiges unter dem Schnee, — eine rote Signalflagge schimmerte wie eine Blutlache hindurch. Lange stand ich an einem Baum, den eine Granate zersplittert hatte, schaute ans den Kampfplatz, auf die Gräber — —

Um eine Waldecke bog ein Leiterwagen. Ein Feldgrauer saß darauf; ein anderer ritt daneben, sprengte dann querüber auf mich zu. Es war ein Unteroffizier, dessen Bart weniger an eine Parkanlage, mehr an einen Urwald erinnerte. Wir begrüßten uns. Er wies auf das Klafter Holz in meiner Nähe.

„Wollen‘s einfahre für die Feldbäckerei in Muschaken.“

Ich erkannte den Schwaben und erfuhr, dass er aus der Ulmer Gegend stammte. Während der Soldat das Holz auflud, erzählte jener vom Tage der Mobilmachung, von seinen Kämpfen im Westen, Osten, bei Suwalki und anderswo. Dieser Schwab hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Wir sprachen über die Dauer des Krieges. Er strich den Bart.

„Kann scho gut noch mal so lang dauere, meinshalbe! Man tut sich ebe eingewöhne!“

Das klang gleichmütig: dabei wusste ich, wie nötig man ihn daheim brauchte. Wir schieden mit einem kräftigen, herzlichen Händedruck.

Auf der Rückzugsstraße der Russen — Richtung Muschaken — lagen zahlreiche Rucksäcke, Mützen, Baschliks; manch Blatt der Feldkanzlei, manche Generalstabskarte war in die Schonung hinein geflattert, moderte dort.

In Muschaken erfuhr ich: „Der Personenverkehr ist eingestellt.“ Der liebenswürdige Ortskommandant bestätigte und unterstempelte, dass ich den nächsten Militärzug bis Johannisburg benutzen dürfte. Man sprach von sieben Uhr.

„Vielleicht“, sagte der Stationsvorsteher, „sonst sicherlich später.“

In Muschaken gab‘s keine Langeweile, weder inmitten der Feldgrauen bei einem Glase Bier, noch an der Seite der Sanitätssoldaten, die mit mir auf der Spezialkarte die Richtung Jankowo suchten, wo Verwundete ihrer harrten, am wenigsten bei der Feldbäckerei, deren Schornsteine tüchtig qualmten. Es wurde scharf gebacken. Erstaunlich, was diese sechs Öfen leisteten, — täglich 13 000 Brote!

Um acht Uhr fuhr der Zug von 45 Wagen, halb Munitions-, halb Transportzug, doch ohne jeden Lichtschimmer, von Muschaken ab. In meinem Abteil saßen zwei Soldaten. Schon nach wenigen Minuten schnarchten sie, — gesundes Blut, Müdigkeit, vielleicht beides. Der Zug fuhr im Schneckentempo, unterbrach es aber durch Halten, Halten, Halten.

Um Mitternacht schimmerten die Lichter von Ortelsburg auf. — Hier übernachten oder in Johannisburg? — das war die Frage. Der Zugführer entschied:

„In Johannisburg. Dort gibt‘s sicher Quartier.“

Ich glaubte ihm. Um zwei Uhr hielt wieder der Zug vor einem völlig verfinsterten Bahnhof. Ich fragte den Lokomotivführer:

„Ist hier Johannisburg?“

„Ja.“

„Wo ist der Ausgang?“

Er lachte.

„Überall, wo Sie hinausgehen!“

Ich ging um die Lokomotive herum, an einer Brandruine vorbei, überstieg Balken, Gerümpel, einen niedrigen Zaun und befand mich auf der Landstraße. Dann schlug ich aufs Geratewohl den Weg nach links ein. Im Dunkel tauchte hier, dort ein hohes, massives Haus auf. Es hatte offene Türen, öde Fensterhöhlen. Weiter ging’s in die zerschossene Stadt hinein. Aus der Ferne, offenbar von Lomza her, schallte Kanonendonner herüber. Der Mond brach durch die Wolken, und nun erst sah ich das grausige Stadtbild. Es war bitterkalt. Beim Schein der Taschenlampe las ich an der nächsten Ecke: Schanzenstraße. Dort stand — inmitten — ein Wachtposten, im Schafpelz, Gewehr im Arm.

„Landsmann, wo finde ich ein Hotel?“

„Am Marktplatz, der ‚Königliche Hof‘; aber da gibt‘s kein Zimmer, kein Bett, ‘s ist alles ausgeplündert.“

Ich war ratlos.

„Was mach‘ ich nur?“

„Wenn‘s Ihnen recht ist, — in der Wachtstube ist‘s wenigstens warm.“

Er wies auf das Erdgeschoss, wo hinter gardinenlosen Fenstern eine Küchenlampe mit halb zerbrochenem Zylinder gar trübselig brannte. Sonst war‘s ein stattliches, dreistöckiges Gebäude, noch neu, mit Rundgiebel, die Balken bayerisch blau gestrichen. Der Wachtstube gegenüber befand sich — einst — ein Tapetengeschäft. Der Eintritt war frei, durch Tür und Schaufenster, in dem noch Fetzen der ausgehängten Tapeten hingen. Der Gegensatz — hier und drüben — wirkte; die Wachtstube erschien mir so traulich, gemütlich. Ich nahm die Einladung mit Dank an. Der Posten führte mich durch den finsteren Flur und öffnete eine Tür; sie knarrte.

„Otto, der Herr wird hier übernachten!“

Otto, ein Soldat, hob den Kopf. Er lag am Fußboden, im Pelz, mit Stiefeln, inmitten eines wüsten Durcheinanders. Eine freundliche Handbewegung.

„Bitte, machen Sie sich‘s bequem!“

Und Otto streckte sich wieder aus. Ich blickte umher. Auf vier ungehobelten Brettern, die auf Böcken ruhten, lagen noch zwei Kameraden, auch im Schafpelz, gestiefelt und gespornt, das Gewehr an die Wand gelehnt, zur Hand, rechts und links. Sie schnarchten; der eine fing an zu „sägen“. Ich überschaute die Lage. Der Länge nach war aus den Brettern nicht mehr Platz, also quer. Ich schob einen wackeligen Stuhl dagegen, legte den Rucksack als Kopfkissen darauf und deckte mich mit dem Mantel zu. Das Lager war nicht bequem, etwas hart, und da immer nach zwei Stunden abgelöst wurde, hatte das Wort „Schlaf“ nur symbolische Bedeutung. — Es dämmerte. Um fünf Uhr war allgemeines Wecken. Hinaus lockte mich‘s nicht; es schneite in dichten Flocken. Schon lag der Schnee einen halben Meter hoch. „Natürlich sind Sie unser Gast“, sagte der eine Kamerad, ein Arbeiter aus Essen, dessen Gesicht ebenso derb und ehrlich, wie die Hand, die durch einen Druck die Einladung bestätigte, kräftig war. Meine Schlafgenossen gehörten zu den Schweren Minenwerfern. Ein anderer Kamerad verschwand mit einem großen Blecheimer, kam wieder, brachte darin Kaffee.

„So, nun wollen wir mal Platz schaffen!“

Das war nicht so einfach. Der Kaffee wurde aus kleinen Kesseln getrunken; dazu gab‘s Schmalzbrot und Wurst. Sie gingen so kameradschaftlich mit mir um, als trüge ich Feldgrau. Die Mannschaftswohnung lag im ersten Stockwerk. Dort sollte ich aber erst willkommen sein, nachdem aufgeräumt worden. Um sieben Uhr traten die Mädchen für alles an, drei russische Gefangene, von sibirischen Regimentern, stramme Burschen, die Lammfellmütze keck zur Seite, sonst echte Kalmückengesichter. Sie fegten die Stuben, holten Wasser, zerkleinerten Holz, drängten sich besonders gern in die Küche hinein, — ihr Appetit wurde allgemein gerühmt.

Die Mannschaft bewohnte nur die eine Seite des ersten Stockwerks, Wohn-, Schlafstube und Küche. Die Möbel waren aus andern Häusern zusammengeschleppt. Wir saßen um einen Mahagonitisch, ich, der Ehrengast, in einem Klubsessel, die andern je aus einem Polsterstuhl ohne Bezug, auf einem halben, gestützten Sofa und einer Holzbank. An der Wand hingen noch Rahmen ohne Glas und Bild: von zwei Schränken fehlten die Türen, die die Russen herausgehauen hatten. Wie diese sonst gehaust, sah ich in nächster Nähe, in der gegenüberliegenden Wohnung, die einem Gerichtsvollzieher gehörte. Keine Phantasie malt Wirklichkeit. Jedes Stück war buchstäblich zerschlagen, zertrümmert, zerrissen. Nichts war darin ganz geblieben, nicht einmal, was niet- und nagelfest war.

Der Koch der Mannschaftsstube lud mich für zwölf Uhr zum Mittagessen ein. So war ich nun aller Sorge ums tägliche Brot los und ledig und konnte indessen Johannisburg und Umgegend durchstreifen. Überall schaufelten russische Gefangene Schnee und kehrten die Steige. Die Straßen boten fast immer das gleiche Bild: niedergebrannte, zusammengeschossene oder ausgeplünderte Häuser. Von „Kaisers Kaffee-Geschäft“ war seltsamerweise, wie so oft in andern Städten, nur die Firma geblieben. Auf dem Marktplatz sah ich auch das Hotel „Königlicher Hof“. Es trug zu seinem hochtönenden Namen nur einen schäbigen Bettlermantel. In der Fischerstraße durchstöberte ich viele Häuser, die allesamt offen standen, deren Bewohner geflohen und noch nicht zurückgekehrt waren. In der Stube eines Seminaristen standen noch die Bücher auf dem Regal; doch jedes war in zwei, drei Stücke zerschnitten. Auf dem Tisch, der mit zwei Beinen gegen das Fenster lehnte, lag ein Band Uhland; das Bild des Dichters war verschmiert, ein Teil der Balladen herausgerissen, — ein Beispiel für viele von der kindlichen Zerstörungswut der Russen. Die Mühlenstraße zeigte ein kriegerisches Bild. In ihrem Zuge lagen die geschickt angelegten russischen Schützengräben mit Unterständen, für die der benachbarte Holzplatz Stämme und Balken geliefert hatte. Auf der jenseits der Straße befindlichen Wiese zogen sich drei Reihen Stacheldrahtzäune hin, hier und dort von deutschen Stürmern durchhauen. Drahtverhaue sperrten auch den prächtigen Alleeweg zur „Johannishöhe“, dem Schützenhause, das mit Saal und Stallungen ein einziges Trümmerfeld war. Selbst an den Bänken, die in der Allee für Spaziergänger aufgestellt waren, hatten Russenhände gefrevelt, — sie waren durch Beilhiebe zerkerbt. Hinter „Johannishöhe“ war der Wald weithin für freies Schussfeld niedergelegt worden; doch der Wasserturn: stand unversehrt; er hatte den Russen gegen die anrückenden Deutschen als Beobachtungsturm gedient. Bis zu dem Grabe, in dem vierzehn Russen ruhten, auf dessen Doppelkreuz Pelzmützen sibirischer Schützen hingen, wanderte ich ungehindert; dann war‘s mit der Freiheit vorbei. An jedem Straßenausgang, jeder Wegkreuzung standen Landstürmer, ließen niemand durch; auch der Ausweis hatte seine Kraft verloren. Da half der Ortskommandant aus; er schrieb und unterstempelte: Darf die Postenkette passieren. — Nun war‘s wieder richtig.

Punkt zwölf Uhr betrat der Gast die Mannschaftsstube. Der Mahagonitisch trug fünf Gedecke; mit Ausnahme der Servietten fehlte eigentlich nichts. Teilnehmer waren außer dem Gast und Koch ein Ingenieur von der Schichauwerft, Landwehrmann, ein Architekt, Freiwilliger, beide aus Elbing gebürtig, und ein Grubenbesitzer aus Mansfeld. Es gab Knorrsuppe, Büchsenfleisch mit grünen Erbsen, prachtvolle Kartoffeln und zum Schluss eine Tasse Mokka und eine vortreffliche Zigarre.

Inzwischen war es im zweiten Stockwerk ruchbar geworden, dass im ersten ein Zivilgast eingekehrt sei. Dort oben residierten die Chargen, drei Unteroffiziere, ein etatsmäßiger Feldwebel, und ein Offizierstellvertreter. Der eine Unteroffizier überbrachte auf höheren Befehl eine Einladung zum Nachmittagskaffee. Das Wohnzimmer der Chargen war größer, reicher möbliert. Es standen zwei Schreibtische darin, eigentlich nur deren Aufsätze. Als gemeinsames Postament diente ihnen ein großer, türloser Schrank, der seitlich darniederlag, mit der Öffnung nach außen, so dass man bequem die Füße hineinstellen konnte; auch an Sitzgelegenheit um den großen Holztisch fehlte es nicht. Aus Sofa-, Kanapee- und Sesselteilen hatte man die verschiedensten Formen zusammengebastelt, mit und ohne Bezug, mit mehr oder minder heraushängendem Werg. Einzelne Fensterscheiben waren zwar durch Pappe, eine sogar durch ein Brett ersetzt, von den Wänden hing die Tapete in Fetzen herab, aber die eine Wandecke übertraf doch alle Erwartungen. Es war eine Staatsecke. Was die Tapetenhandlung im Erdgeschoss noch an heilen Resten auszubieten vermochte, war hier verklebt worden, auf mehr als Meterbreite rechts und links. Dort leuchteten sie in allen Farben, und — nicht genug — Goldleisten zogen sich, nicht, wie üblich, an der Decke entlang, sondern von oben nach unten, glänzten als Abschluss einer jeden Rolle, und damit nichts fehle, waren noch drei Bilder aufgehängt, angenagelt: Friedrich der Große, Tolstoi und die heilige Cäcilie, In dieser Renommierecke, für die ein entsprechendes Eckkanapee gebaut war, wurden fotografische Aufnahmen gemacht, entstanden die Bilder für die Lieben in der Heimat, ihnen zum Zeichen — ein frommer Betrug — wie feudal man in Johannisburg wohne.

Unten, im ersten Stockwerk, herrschte mehr Ernst, hier mehr Humor. Den Mittelpunkt bildete der Benjamin des Kreises, der zum Fahnenjunker eingereichte, wohlgenährte Unteroffizier Detlev M. der durch seine kurzen, trockenen Bemerkungen jede Situation einzurenken verstand, dabei beständig Papier und Bleistift zur Hand hatte, um gelungene Karikaturen zu zeichnen. Von dieser Kunst behauptete er allen Ernstes, dass ihn seine Danziger Lehrer nicht einmal während der Unterrichtsstunden daran gehindert hätten, weil nach ihrer Meinung für ihn die Entwicklung seines stillen Talentes ersprießlicher wäre als für sie die Pflicht, seine Vorträge und Antworten korrigieren zu müssen.

Meine Kenntnisse von der Masurenschlacht, insbesondere von den Vorgängen in und um Johannisburg, hauptsächlich aus dem Bericht des Hauptquartieres geschöpft, wurden Ursache, dass sich alle Chargen entschlossen, zum Studium des Schlachtgeländes sich meiner Führung anzuvertrauen.

Bald war ich der Geführte; denn die Augen der Frontsoldaten sahen anders und mehr als die des Laien, fanden bald heraus, wo und wie die Deutschen beim Angriff vorgegangen waren, ob die Russen, ob die Unsrigen die Gräben ausgehoben, jene Löcher aufgeworfen, wie die Anfahrt, wo die Stellung der Batterien, die der Maschinengewehre gewesen. — — Dort stand noch der Stumpf eines Baumes, der in der Schusslinie eines Maschinengewehres gestanden hatte und von sechs Kugeln glatt abrasiert war, — der dicht nebeneinander liegende Lauf der Geschosse war deutlich zu sehen.

Mit einem Faschinenmesser wurde der Stumpf abgesägt und mir am Abend feierlich zum Andenken überreicht.

Dass ich Gastfreund der Chargen blieb, galt für selbstverständlich, sowohl zum Abendessen, wobei ich zum ersten Mal „Königsberger Maitrank“ kennen lernte — viel Rum und etwas Wasser, — als auch für die Nacht. Der brave Offizierbursche schob die entsprechenden Sitzgelegenheiten geschickt zu einer Art Bett zusammen und ergänzte es durch zwei Schafpelze. Ich lag nicht hart, nicht weich, den Umständen angemessen, jedenfalls nicht schlechter als die Chargen, die im Nachbarraum auf Stroh schliefen.

Was ich im Osten sah

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