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Los Angeles 2010
ОглавлениеFür Helge
Fluchend kämpfte sich O´Maley durch die fiebrige Hitze, die Los Angeles seit Tagen wie ein Leichentuch umhüllte. Die säuerliche Brise aus Schweiß und Urin, die aus Poren und Kleidung dampfte, vermittelte ihm ein Gefühl der Vertrautheit. Für heute konnte er zufrieden sein, auch wenn zwei Kisten Obst, in Zeitungspapier verpackte Essensreste und ein Dutzend leere Flaschen, für die es auf dem Markt ein paar Cent an Pfand gab, als Altersvorsorge kaum ausreichten. Seine Hand fuhr prüfend über die schäbige Jacke, sie suchte die Flasche mit dem billigen Fusel, den ihm ein Ladenbesitzer in einem Brei aus Mitleid und Verachtung zugesteckt hatte. Alkohol machte ihn unempfindlich, selbst gegen physische Attacken. Auch das Bein schien ihm keinen Ärger zu bereiten, kein Schmerz, kein Ziehen, einfach nichts. Er hatte es im Krieg gelassen, zerfetzt durch eine Granate. Ein ganzes Dorf musste dran glauben. Und sein Bein.
Der Einkaufswagen, den er zielstrebig vor sich herschob, stoppte abrupt. Eine lose Steinplatte blockierte die Vorderräder, hart und absolut wie eine Wand aus Granit. Die oben liegenden Äpfel wurden nach vorne geschleudert und sprangen auf die belebte Straße. O`Maley reagierte instinktiv. Mit einer Geschwindigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, humpelte er ungelenk hinterher.
Der heranrasende Pick Up ließ ihm keine Chance. Es knallte dumpf, sein Kopf touchierte die Motorhaube, und er schleuderte im hohen Bogen auf die Fahrbahn. Er war bereits bewusstlos, als sein Körper auf den Boden klatschte, das falsche Bein im rechten Winkel abgeknickt. Der kleine dunkle Fleck, der sich unter seinem Kopf ausbreitete, vermischte sich mit dem Alkohol aus der zerbrochenen Flasche zu einer hellroten Lache.
O´Maley riss die Augen auf. Das grelle Weiß, das sich explosions- artig in seinem Kopf ausbreitete, verblasste zu einem diffusen Grau, aus dem sich verschwommene Gestalten geisterhaft herausschälten. Stimmen durchdrangen in Wellen sein Bewusstsein und verschwanden wieder im Nichts. Der Boden öffnete sich, und er fiel zurück in ein tiefes, schwarzes Loch.
Trotz ihrer Jugend mangelte es der Stationsärztin nicht an Erfahrung. Sie hob behutsam ein Augenlid des Patienten und schüttelte verwundert den Kopf.
„Er träumt, muss über einen starken Willen verfügen. Erstaunlich, dass er solange durchgehalten hat.“
Die Nachtschwester an ihrer Seite nickte gleichmütig.
„Das Leben ist ein mächtiger Motor. Was soll mit ihm geschehen?“
„Er bleibt vorerst auf der Intensivstation, muss sich anstrengen, wenn er durchkommen will.“
Die beiden Frauen verließen das Krankenzimmer, ohne sich noch einmal umzusehen.
Der mit dem Tode ringende Patient bekam von dem Gespräch nichts mit. Er trieb hilflos im Strudel seiner Erinnerungen, bis längst vergangene Geschehnisse sein Bewusstsein überfluteten und Ereignisse von damals wieder zum Leben erweckten.
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