Читать книгу Das Recht katholischer Laien auf Anerkennung ihrer bürgerlichen Freiheiten (c. 227 CIC / c. 402 CCEO) - Bernhard Sven Anuth - Страница 8
Оглавление1. EINLEITUNG
1.1 Problemstellung
Nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils ist den katholischen Laien in besonderer Weise der „Weltcharakter“ eigen (LG 31). Laien haben deshalb einen spezifischen Auftrag zum Weltdienst: Sie sind zwar nicht ausschließlich, aber doch „eigentlich […] zuständig für die weltlichen Aufgaben und Tätigkeiten“ (GS 43). Dies impliziert ein Engagement in unterschiedlichen gesellschaftlichen bzw. politischen Kontexten und die Ausübung jener Rechte, die den Laien als Bürgerinnen und Bürgern ihres Staates zukommen. Ihre „gerechte Freiheit, die allen im irdischen bürgerlichen Bereich zusteht, sollen die Hirten sorgfältig anerkennen“ (LG 37). Damit, so der Politikwissenschaftler und spätere ZdK-Vorsitzende Hans Maier schon 1968 in seiner Studie Der Christ in der Demokratie, habe das II. Vatikanische Konzil die politische Betätigung der Laien „in eine Selbständigkeit entlassen, die neu ist und der Einübung bedarf.“1 Der „‚Machtverzicht‘ der Hierarchie“ auf dem Gebiet des Politischen bedeute, dass „an die Stelle institutioneller Einwirkung […] stärker als bisher der seelsorgliche Dienst am christlichen Politiker tritt“2. In einer Ansprache an den Vierten Nationalen Kongress der katholischen Kirche in Italien hat Papst Benedikt XVI. dies am 19. Oktober 2006 bekräftigt: „Die unmittelbare Aufgabe zum Handeln im politischen Bereich, das dem Aufbau einer gerechten Gesellschaftsordnung dient, kommt […] nicht der Kirche als solcher zu, sondern den Laien, die als Staatsbürger in eigener Verantwortlichkeit wirken […], erleuchtet durch den Glauben und durch das Lehramt der Kirche und beseelt von der Liebe Christi.“3 Und auch Papst Franziskus hat zuletzt betont: Wenn sich Laien eines direkten Einsatzes in der Politik enthielten, würden sie ihre Mission verraten, auf diese Weise Salz und Licht der Welt zu sein.4
Papst Johannes Paul II. hat die beiden kirchlichen Gesetzbücher von 1983 und 1990 ausdrücklich als „Ergänzung“ bzw. „Vervollständigung“ (novum complementum) der Lehren des II. Vatikanischen Konzils bezeichnet, insbesondere von Lumen gentium und Gaudium et spes.5 Sowohl im CIC wie auch im CCEO ist die o. g. Verantwortung der Laien als Rechtspflicht verankert: Nach c. 225 § 2 CIC6 haben die Laien „die besondere Pflicht, und zwar jeder gemäß seiner eigenen Stellung, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen und so in besonderer Weise bei der Besorgung dieser Dinge und bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen.“ Ähnlich formuliert c. 401 CCEO, Laien hätten „aufgrund der eigenen Berufung durch die Gestaltung und gottgemäße Ordnung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen und daher im privaten, familiären und politisch-sozialen Leben Zeugen für Christus zu sein und ihn anderen offenbar zu machen, sich für gerechte Gesetze in der Gesellschaft einzusetzen und, erfüllt von Glaube, Hoffnung und Liebe, nach Art des Sauerteiges zur Heiligung der Welt beizutragen.“ Mit dieser ausdrücklichen Laien-Pflicht korrespondiert in beiden Gesetzbüchern das spezifische Recht von Laien, dass ihnen „in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens jene Freiheit zuerkannt wird, die allen Bürgern zukommt“ (c. 227 CIC; c. 402 CCEO).
Katholische Laien sind also verpflichtet, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Welt mit christlichem Geist zu durchdringen.7 Wie frei aber können sie ihr gesellschaftliches Engagement und ihre politische Betätigung dabei gestalten? Sind sie tatsächlich nur ihrem Gewissen verpflichtet? Auseinandersetzungen wie die in den 1990er Jahren um die Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland oder die bis heute in verschiedenen Ländern Europas und darüber hinaus aktuelle Debatte um die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften bzw. Ehen haben gezeigt: Das von c. 227 CIC und c. 402 CCEO verbürgte Freiheitsrecht wird sehr unterschiedlich ausgelegt. Die Kongregation für die Glaubenslehre sah sich 2002 veranlasst, in einer Nota doctrinalis zu einigen Fragen des Einsatzes und Verhaltens von Katholik(inn)en im politischen Leben Stellung zu nehmen.8 „Bei den sich oft überstürzenden Ereignissen der letzten Zeit traten nämlich zweideutige Auffassungen und bedenkliche Positionen zu Tage“, so dass der Kongregation „eine Klärung wichtiger Aspekte und Dimensionen dieses Themas angebracht“ erschien.9 Unter anderem stellte sie in diesem Zusammenhang fest: „Es wäre ein Irrtum, die richtige Autonomie, die sich die Katholiken in der Politik zu eigen machen müssen, mit der Forderung nach einem Prinzip zu verwechseln, das von der Moral- und Soziallehre der Kirche absieht.“10 Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kard. Lehmann, hat die Nota doctrinalis als „wichtige[n] Beitrag zum gesellschaftlichpolitischen Zeugnis katholischer Christen“ begrüßt und im Namen der deutschen Bischöfe „um eine freundliche Aufnahme des Textes und um eine sachliche engagierte Diskussion über diese lebenswichtigen Fragen“11 gebeten.
Auch nach 2002 sahen sich Diözesanbischöfe bzw. Bischofskonferenzen allerdings verschiedentlich veranlasst, katholische Politiker bei aktuellen politischen Entscheidungen zur Einhaltung der kirchlichen Lehre aufzufordern bzw. ein Abweichen von ihr zu sanktionieren.12 Wohl auch mit Bezug auf diese Ereignisse hat der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, in einem zu Pfingsten 2007 veröffentlichten Interview unmissverständlich klargestellt, die Bischöfe könnten sich „leider nicht immer in Lebensschutzfragen auf unsere christlichen Politiker verlassen, die auf diesem Gebiet Verantwortung zu tragen haben.“13
Mit den Aufgaben von Katholik(inn)en im öffentlichen Leben und in der Politik hat sich vom 20.-22. Mai 2010 auch der Päpstliche Rat für die Laien bei seiner jährlichen Vollversammlung befasst. Das Thema „Zeugen Christi in der politischen Gemeinschaft“14, so Papst Benedikt XVI. bei seiner Audienz für die Teilnehmer, habe „besondere Bedeutung“15, denn die Politik sei „ein sehr wichtiger Bereich des Liebesdienstes, der ‚caritas‘“. Es bedürfe daher „wahrhaft christlicher Politiker, an erster Stelle jedoch gläubiger Laien, die Zeugen Christi und des Evangeliums in der zivilen und politischen Gemeinschaft sind.“16 Dem müssten die Ausbildungsgänge der kirchlichen Gemeinschaften Rechnung tragen; zudem würden neue Formen der Begleitung und Unterstützung durch die Hirten verlangt.17
Das dementsprechende Selbstverständnis katholischer Laien hat etwa 2012 der damalige ZdK-Präsident Alois Glück betont: Das Engagement katholischer Laien sei ein „wichtiger und unverzichtbarer Wesenskern unserer Kirche […]. Kirche lebt durch das Volk Gottes, wir Laien machen – in der ganzen Vielfalt unseres Engagements – Kirche präsent, wo sie nur durch uns präsent sein kann, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der sozialen Gruppe, in der Nachbarschaft, in der Gemeinschaft vor Ort.“ Wenn Christ(inn)en keine politische Verantwortung übernähmen und die „Option für die Armen“ nicht mehr in die Gesellschaft einbrächten, werde „das Diakonische in unserer Kirche schwächer.“ Doch nicht nur die katholischen Laien müssten sich „verstärkt zum öffentlichen Engagement bekennen“. „Freilich“, so Glück, sei auch erforderlich, „dass wir Laien durch die kirchliche Verkündigung hierin bestärkt werden. Dies gilt – ausdrücklich und insbesondere – auch im Hinblick auf die Bedingungen einer pluralen Gesellschaft und die damit oft verbundene Notwendigkeit kompromisshaften Handelns.“18
1.2 Forschungsstand
In der Kanonistik haben c. 227 CIC und c. 402 CCEO bisher eher geringe Beachtung gefunden.19 Einzelne Autoren gehen selbst in kirchenrechtlichen Lehrbüchern ganz über den jeweiligen Canon hinweg20, andere bieten kaum mehr als eine Paraphrase des Normtextes.21 Über die Kommentarliteratur hinaus kommen c. 227 und c. 402 CCEO v. a. im Kontext von Arbeiten zum Verhältnis von Kirche und Staat bzw. Öffentlichkeit22 sowie zur kirchlichen (Rechts-)Stellung der Laien zur Sprache. Häufig wird die Norm dabei u. a. als Konsequenz aus der konziliaren Anerkennung der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten (GS 36) verstanden.23 Die bisher einzige monographische Studie zu c. 227 hat Stefano Mazzotti mit seiner 2004 an der Päpstlichen Universität Gregoriana angenommenen und 2007 veröffentlichten Dissertation vorgelegt. Darin kommt er zu dem Ergebnis, c. 227 sei ein Kompromiss zwischen der Kirchlichkeit der Laien i. S. ihrer aktiven Beteiligung an der Sendung der Kirche und ihrer Autonomie und würdigt die Norm als maßgebliche kirchliche Anerkennung des spezifisch laikalen Welthandelns, das seiner Natur nach nur in Freiheit möglich sei.24
Zuvor hatte noch Gerald Göbel 1993 in seiner Studie über „Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem CIC von 1983“ zutreffend eine „gewisse Verwirrung“25 im Schrifttum festgestellt: Denn bei einigen Autoren erscheint c. 227 tatsächlich „als bloße Verstärkung der grundsätzlichen Aussage in c. 225 § 2 und bleibt somit funktionslos, während andere Autoren zwar einen spezifischen Bezug zu den neuzeitlichen Menschen- und Bürgerrechten sehen, diesen aber nicht allein für den Laien vindiziert sehen wollen, so daß eine Aufnahme in den Katalog der allgemeinen Rechte der Gläubigen nähergelegen hätte.“26 Dagegen kommt Göbel zu dem Schluss, c. 227 normiere ein Vorrecht der Laien im spezifisch politischen Bereich und impliziere damit, „daß (1) die katholische Kirche ihren Frieden mit den modernen Menschen- und Bürgerrechten gemacht hat und (2) der CIC offenbar als Staatsmodell ein demokratisches im Auge hat“27. Eine Verbindung zwischen weltlichem und kirchlichem Rechtsbereich entsteht durch c. 227 gleichwohl nicht, wie Stephan Haering nachgewiesen hat.28
Elisabeth Braunbeck hat die einschlägigen Canones der kirchlichen Gesetzbücher von 1983 und 1990 mit Blick auf den Weltcharakter der Laien ausgewertet. Für sie ist c. 227 „ein geistliches Freiheitsrecht im Sinne der von W. Aymans getroffenen Unterscheidung“29, das „in direkter Verbindung mit c. 225 stehen [sollte], damit in dieser Zuordnung die theologische Wurzel des Rechtes auf ‚Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens‘ deutlich wird.“30 Der kirchliche Gesetzgeber sei zwar bestrebt gewesen, die konziliare Aussage aufzunehmen, habe ihr aber durch Herauslösung aus dem Kontext eine veränderte Sinnrichtung gegeben.31 Gegen Knut Walf, der in cc. 225-227 das „klassische Bild“ des katholischen Laien skizziert sieht, dessen Dienst für die Kirche im gesellschaftlichen Kontext „in gehorsamer Gefolgschaft gegenüber den kirchlichen Hierarchen“32 besteht, beschreibt Braunbeck die Bindung der Laien an das Lehramt als „Selbstbeschränkung der kirchlichen Autorität in ausgesprochen weltlichen Angelegenheiten.“33
Ausgehend von einer Symmetrie zwischen Religionsfreiheit und weltlicher Freiheit der Laien resultiert für José Tomás Martín de Agar aus der Nichtzuständigkeit der Kirche im weltlichen Bereich die Pflicht der kirchlichen Hierarchie, „sich jeglicher Aktionen zu enthalten, die die Freiheit der Gläubigen im weltlichen Bereich einschränken können.“34 Allerdings treffe diese Pflicht nicht nur die Hirten, sondern alle Gläubigen.35
Wie Martín de Agar36 sprechen auch andere Autoren in Bezug auf c. 227 von einer „Autonomie“ der Laien im Bereich des bürgerlichen Gemeinwesens. Diesen Begriff hatte 1969 schon Alvaro del Portillo gebraucht, um den Inhalt des entsprechenden Rechts im Entwurf des Katalogs der Rechte und Pflichten der Laien zu charakterisieren.37 Die Reichweite dieser Autonomie wird in der Kommentar- und Forschungsliteratur zu c. 227 unterschiedlich bestimmt.38 Julián Herranz betont: „to speak of the autonomy of the laity in the development of their specific task of sanctifying the temporal order is not to say independence or indifference with regard to the moral and canonical demands of their Christian personality.“39 Eine extensive Auslegung vertritt dagegen Edward W. Doherty: Katholik(inn)en hätten das Recht, „sich am politischen Leben ihrer Gemeinschaften ohne Einmischung oder Einschüchterung durch die institutionalisierte Kirche zu beteiligen,“ und seien durch c. 227 geschützt „gegen Versuche von Amtsträgern ihrer Kirche, politische Entscheidungen für sie zu treffen, z. B. ihnen zu sagen, was sie in politischen Streitfragen oder wen sie als Kandidaten zu wählen haben.“40
Gegen eine solche Auffassung hat Ilona Riedel-Spangenberger 1998 auf einer Studientagung der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz ausgeführt, den Laien komme aufgrund von c. 227 zwar das grundsätzliche Recht zu, im politisch-sozialen Bereich frei und eigenverantwortlich zu wirken; seine Ausübung unterliege jedoch der doppelten Bindung an Evangelium und kirchliche Lehre. Die Vermittlung zwischen Freiheit und Bindung sei „das eigentliche Kernproblem in der Wahrnehmung des kirchlichen Weltauftrages.“41 Insofern aber die Aufgabe der Hirten lediglich darin bestehe, die für den kirchlichen Weltauftrag tätigen Laien durch sittliche und geistliche Hilfen zu „konditionieren“, ergebe sich „ein Programm des kooperativen und relationalen Zusammenwirkens der Hirten und Laien in sozial-politischer Hinsicht.“42
Mit einigen anderen Autoren43 vertritt Georg Schmidt in seiner Dissertation über „Kirche und Öffentlichkeit“ (1998) die Meinung, c. 227 wolle die bürgerliche Freiheit der Laien gegenüber dem Staat sichern. Nach Schmidt mache die Kirche damit „deutlich, daß sie nicht bereit ist, einen minderen gesellschaftlichen Status von Katholiken in der staatlichen Ordnung hinzunehmen.“44 Zwar verleihe c. 227 „dem einzelnen Gläubigen kein prozessual einklagbares, wohl aber ein moralisches Recht auf Beistand, Solidarität und Hilfe seiner Kirche, wenn er rechtlichen oder faktischen Diskriminierungen ausgesetzt ist“45.
Für Burkhard Josef Berkmann ist die kirchliche Anerkennung bürgerlicher Freiheiten das kirchlicherseits „eigentlich Komplementäre“ zur staatlich-weltlichen Anerkennung der Religionsfreiheit.46 In seiner aus einer juristischen und einer theologischen Dissertation zusammengefügten Studie „Katholische Kirche und Europäische Union im Dialog für die Menschen“ (2008) vergleicht Berkmann EU-Recht und römisch-katholisches Kirchenrecht, „um festzustellen, ob sie zueinander passen oder ob es hier und dort Anpassungsbedarf gibt.“47 Dabei prüft er die Vereinbarkeit beider Rechtsordnungen nach dem Prinzip der Komplementarität.48 Aufgrund dieser Zielsetzung ist es ihm ein Anliegen, die kirchliche Anerkennung bürgerlicher Freiheit als Recht aller Gläubigen zu erweisen.49
Vor diesem Hintergrund50 behandelt er sodann ausgewählte Aspekte aus den Lebensbereichen Familie, Beruf und Politik als Inhalte der bürgerlichen Freiheit i. S. v. c. 227, wobei er auch hier sein Hauptaugenmerk auf die Komplementarität beider Rechtsordnungen richtet, „also auf die Frage, wie weit das, was die Kirche als bürgerliche Freiheit anerkennt, mit dem zusammenpasst, was im weltlichen Bereich von der Europäischen Union geregelt wird.“51
In den letzten Jahren hat sich auch Helmuth Pree in verschiedenen Beiträgen mit dem Spannungsfeld von kirchlicher und weltlicher Ordnung befasst und die Rechtsstellung geistlicher Personen in der zivilen Sphäre52, die Autorität der Kirche in (rein) weltlichen Fragen53 und eben die Freiheit der Laien i. S. v. c. 22754 untersucht: „Dieser in seiner Bedeutung oft unterschätzte Kanon“, so Pree, markiere „den Ort, an dem die Kirche durch die einzelnen Gläubigen und daher in nicht-amtlicher Form der weltlichen Wirklichkeit […] begegnet“55. Das Laienrecht auf Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens liege insofern an der Schnittstelle kirchlicher und weltlicher Kompetenz und mache den Weltlaien zum „Bindeglied zwischen geistlicher und weltlicher Ordnung“56. Inhaltlich bedeute c. 227 eine „Begrenzung der Reichweite der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt gegenüber Katholiken“57. Die Norm trage sowohl dem laikalen Weltcharakter als auch der konziliaren Anerkennung der iusta autonomia rerum terrenarum Rechnung, gewähre jedoch „nicht einen Freiheitsraum um seiner selbst willen, sondern um ihn inhaltlich durch Verwirklichung der laikalen Berufung […] zu füllen.“58
Unter den jüngeren Arbeiten zu c. 227 sind darüber hinaus die Studien von María Blanco (2011)59 und Luis Navarro (2012)60 zu erwähnen. Auch sie sehen c. 227 im Kontext der konziliaren Lehre von der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten: Das darin gewährte Recht komme aber allen Gläubigen zu61, wenngleich es nach Navarro für Laien wegen ihres Weltcharakters spezielle Bedeutung habe.62 Nach ihm gewähre der c. 227 in weltlichen Angelegenheiten Freiheit von Zwang seitens der Kirche, die hier abgesehen von sehr speziellen Fällen keine jurisdiktionelle Kompetenz habe.63 Auch Blanco spricht von einer „autonomia nell’ambito temporale“, erkennt aber zugleich an: Es sei nicht ausgeschlossen, dass die kirchliche Hierarchie in bestimmten Fällen ein konkretes moralisches Urteil fälle.64
Gegenüber wem und in welchem Ausmaß können sich katholische Christ(inn)en in ihrem gesellschaftlichen und politischen Handeln also auf die ihnen gemäß c. 227 CIC bzw. c. 402 CCEO zukommende Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens berufen? Rechtfertigen c. 227 CIC und c. 402 CCEO die Rede von einer Autonomie der Laien in den weltlichen Dingen? Wie weit reicht ihre Freiheit in kirchenrechtlicher Sicht? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
1.3 Zielsetzung und Methode
Die vorliegende Untersuchung geht nicht von einem bestimmten Begriff bzw. einer Definition des Laien im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil oder die nachkonziliare Theologie aus. Ihr Gegenstand ist weder der besondere Weltbezug der Laien (LG 31) noch die im Kontext von c. 227 CIC häufig angeführte Autonomie der irdischen Wirklichkeiten (GS 36), sondern das in c. 227 CIC und c. 402 CCEO positivierte Recht der Laien auf Anerkennung ihrer bürgerlichen Freiheiten sowie deren Bindung an und durch das kanonische Recht. Dabei verfolgt die Arbeit ein rechtsdogmatisches Ziel65: Durch Analyse und Auslegung des Normtextes werden Inhalt und Konsequenzen beider Canones bestimmt. So lassen sich Umfang und Grenzen der Freiheit katholischer Laien in ihrem gesellschaftlichen bzw. politischen Handeln rechtlich konturieren.
Im Aufbau folgt die vorliegende Studie dem Wortlaut von c. 227 CIC, der in c. 402 CCEO als lex posterior weitgehend identisch übernommen wurde. So wird zunächst das Rechtssubjekt des vorliegenden Laienrechts näher bestimmt (2.1). In einem zweiten Schritt wird das gegenständliche Recht als Freiheitsrecht in den Blick genommen (2.2): Wer sind seine Adressaten (2.2.1), welches ist sein Gegenstandsbereich (2.2.2) und worin genau besteht der Rechtsanspruch auf „Anerkennung“ der bürgerlichen Freiheit (2.2.3)? In einem dritten Schritt werden die Grenzen untersucht, die der Normtext für den Gebrauch der bürgerlichen Freiheit formuliert (2.3): Dies sind die Bindung an den Geist des Evangeliums (2.3.1) und die lehramtlich verbindlich vorgelegte Lehre (2.3.2) sowie das Verbot, in lehramtlich noch nicht entschiedenen Fragen die eigene Meinung als Lehre der Kirche auszugeben (2.3.3). Abschließend werden die Ergebnisse dieser gründlichen Canonexegese zusammengefasst (3.1) sowie kritisch gewürdigt und auf weitere Forschungsdesiderate hin befragt (3.2).
Bei der Auslegung des c. 227 CIC und c. 402 CCEO und der in Verbindung damit einschlägigen Bestimmungen sind die gesetzlichen Interpretationsregeln zu befolgen.66 Besondere Beachtung verdienen dabei c. 17 CIC bzw. c. 1499 CCEO. Demnach sind kirchliche Gesetze zu verstehen gemäß der eigenen Bedeutung ihrer Worte in Text und Kontext (1. HS).67 Erst wenn die philologische bzw. grammatikalischlogische Interpretation68 eines Gesetzes nicht zu einem klaren Ergebnis führt, der Gesetzestext also zweifelhaft und uneindeutig bleibt, darf gemäß dem 2. HS subsidiär auf etwaige Parallelstellen, auf Zweck und Umstände des Gesetzes sowie auf die Absicht des Gesetzgebers zurückgegriffen werden.69 Diese Auslegungsregeln galten weitgehend identisch schon im CIC/1917. Ihre Übernahme in den CIC/1983 und entsprechend in den CCEO ist „als bewußte methodologische Entscheidung des Gesetzgebers“70 zu verstehen. Der/die Interpret/in ist an sie gebunden.
Dieser Ansatz einer kodexkonformen Auslegung ist in der Kanonistik umstritten. Seine Kritiker(innen) sehen darin „a new kind of positivism“71 bzw. einen „normativistische[n] Positivismus“, der „dem Wesen der Rechtsordnung nicht gerecht wird“72.
Dagegen wird eine theologische, von den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils, insbesondere seiner Ekklesiologie, geprägte Auslegung des kanonischen Rechts stark gemacht. Schließlich, so Papst Johannes Paul II., mache diese Ekklesiologie auch „das Neue im neuen Codex“73 aus. Zwar hat sich dieses Neue, wie Remigiusz Sobański feststellt, „nicht auf die auslegerische Diktion ausgewirkt“74. Dennoch fordern namhafte Kanonist(inn)en und Theolog(inn)en nachdrücklich eine Interpretation der Gesetzestexte im Geist und Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils.75 Libero Gerosa vertritt gar die Meinung, eine theologische Interpretation der kanonischen Gesetze werde „nur von jenen ‚progressiven‘ oder ‚konservativen‘ Kanonisten zurückgewiesen, die durch eine ihnen gemeinsame Überbetonung der positivistischen Auffassung des Kirchenrechts bestimmte kirchenpolitische Anliegen und Ausrichtungen verteidigen wollen.“76 Für den Dogmatiker Bernd J. Hilberath „geht es in der Nachkonzilszeit nicht zuletzt darum, wem die Interpretationsmacht zukommt.“77 2014 hat sich Thomas Meckel in seiner Würzburger Habilitationsschrift daher noch einmal ausführlich mit dem Verhältnis von „Konzil und Codex“ beschäftigt.78
Die vorliegende Arbeit verfolgt kein rechtsoder kirchenpolitisches Ziel. Eine mit Verweis auf das II. Vatikanum vom Wortlaut eines kirchlichen Gesetzes absehende Auslegung muss gleichwohl als unzulässig zurückgewiesen werden.79 Sie trifft auch nicht das Selbstverständnis des Gesetzgebers. Schließlich trägt der CIC/1983 nach Papst Johannes Paul II. sowohl inhaltlich wie auch aufgrund seiner Entstehung den Geist des II. Vatikanischen Konzils80: Der Codex müsse als Versuch des Gesetzgebers verstanden werden, die konziliare Ekklesiologie in eine rechtliche Sprache zu übersetzen.81 Er sei insofern die „Vervollständigung“ der Lehren des Konzils.82 Als Ergebnis „langer, geduldiger und sorgfältiger Arbeit […] stellt er einen maßgeblichen Wegweiser für die Anwendung des Zweiten Vatikanischen Konzils dar“83 und könne sogar als „letztes Konzilsdokument“ bezeichnet werden.84 Damit aber ist klar: Nicht die Codex ist im Licht des II. Vatikanums zu interpretieren, sondern es gilt umgekehrt: „Der CIC macht deutlich, wie der Gesetzgeber die Konzilstexte versteht und verstanden wissen will.“85 Gegen den klaren, in Text und Kontext erwogenen Wortlaut eines Gesetzes kann eine vermeintlich „konzilsnahe“ oder „konzilskonforme“ Interpretation nicht durchdringen. „Das Konzil kann kein Rettungsanker gegen inakzeptabel erscheinendes positives Recht sein.“86 Man kann dies bedauern und die gesetzlichen Interpretationsregeln, insbesondere den c. 17, mit guten Gründen „als positivistisch, voluntaristisch, statisch, nicht-hermeneutisch oder anachronistisch kritisieren“87. Der kirchliche Gesetzgeber hat sie im CIC/1983 gleichwohl „erneut ausdrücklich bekräftigt“88 und den/die Interpretierenden damit gesetzlich gebunden.89 Der c. 17 CIC entsprechende c. 1499 CCEO bestätigt diese methodologische Entscheidung des Gesetzgebers im Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen, das nach Papst Johannes Paul II. wie der CIC als eine Ergänzung der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils anzusehen ist.90
Die lege artis durchgeführte Auslegung kirchlicher Gesetze kann „zu erstaunlichen, gelegentlich auch erschreckenden Ergebnissen“91 führen. Dessen ungeachtet ist zwischen Auslegung und Kritik des Gesetzestextes zu unterscheiden: „Die beiden Fragen, was gilt und was gelten sollte, sind auseinanderzuhalten und dürfen nicht ineinsgesetzt werden.“92 Da sich die Kirche auch in ihrer rechtlichen Ordnungsgestalt verwirklicht, dürfen Gläubige „nicht durch ein idealisierend bzw. harmonisierend weichgezeichnetes Bild der katholischen Kirche getäuscht werden. […] Mit aller Nüchternheit die Rechtslage zu klären, bedeutet nicht, sich zu ihrem Apologeten zu machen.“93
1 MAIER, Christ, 79. Denn: „Während früher die Tendenz des kirchlichen Lehramtes nicht selten dahin ging, die Mitarbeit der Christen in den modernen verfassungsstaatlichen Institutionen ausschließlich oder doch vorwiegend im Hinblick auf Erhaltung und Festigung der öffentlichen Stellung der Kirche zu betrachten, ihr aber keinen Eigenwert zuzuerkennen, nimmt das Konzil das Politische in einer neuen Weise ernst und stellt es den Christen als Aufgabe vor Augen.“ (ebd., 69.).
2 Ebd., 80.
3 PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache v. 19. Okt. 2006, 9.
4 Vgl. PAPST FRANZISKUS, Ansprache v. 30. April 2015, 8: „Se i cristiani si disimpegnassero dall’impegno diretto nella politica, sarebbe tradire la missione dei fedeli laici, chiamati ad essere sale e luce nel mondo anche attraverso questa modalità di presenza.“
5 Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XII sowie DERS., ApKonst „Sacri canones“ v. 18. Okt. 1990, 1038, dort ohne Verweis auf LG und GS, dafür mit dem Zusatz, durch den CCEO werde die kanonische Ordnung der Kirche schließlich vollendet. Vgl. Lederhilger, Kirchenrecht, 249.
6 Der Zusatz „CIC“ wird im Folgenden nur verwendet, wenn er zur Unterscheidung von Canones aus CIC und CCEO erforderlich ist. Canones-Angaben ohne Zusatz beziehen sich also immer auf den CIC/1983.
7 Vgl. KKK-Kompendium, n. 519: „Die gläubigen Laien greifen direkt in das politische und gesellschaftliche Leben ein, indem sie die irdischen Bereiche mit christlichem Geist durchdringen und als echte Zeugen des Evangeliums und als Diener des Friedens und der Gerechtigkeit mit allen zusammenarbeiten.“
8 Vgl. C. DOCFID, Nota doctrinalis v. 24. Feb. 2002, in: AAS 96 (2004) 359–370. Damit wollte die Kongregation nach eigener Auskunft „einige dem christlichen Gewissen eigene Prinzipien in Erinnerung rufen, die den sozialen und politischen Einsatz der Katholiken in den demokratischen Gesellschaften inspirieren“ (ebd., n. 1, 360f.; dt.: VAS 158, 7).
9 Ebd., n. 1, 361; dt.: VAS 158, 7.
10 Ebd., n. 6, 367; dt.: VAS 158, 15.
11 LEHMANN, Stellungnahme, o. S.
12 So z. B. 2004 im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den USA, als der Bischof von Colorado Springs, Michael J. Sheridan, in einem Pastoralbrief vom 1. Mai 2004 versuchte, das Gewissen katholischer Wähler(innen) und Politiker(innen) hinsichtlich gesetzlicher Regelungen zur Abtreibung, embryonalen Stammzellforschung und zu homosexuellen Lebenspartnerschaften zu schärfen. Anlass hierfür war die v. a. in der Abtreibungsfrage von der kirchlichen Lehre abweichende Haltung des katholischen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, John Kerry. Für Aufsehen sorgte im Umfeld der Lateinamerika-Reise Papst Benedikts XVI. 2007 die Behauptung bzw. Androhung der Exkommunikation von Politikern des Lokalparlaments von Mexiko-Stadt, die am 24. April 2007 Abtreibung im Hauptstadt-Distrikt weitgehend straffrei gestellt hatten. Der Papst billigte diese restriktive Reaktion des mexikanischen Episkopats, insbesondere des Erzbischofs von Mexiko-Stadt: „Die Exkommunikation ist nicht etwas Willkürliches, sondern vom Codex […] vorgesehen. Es steht also einfach im kanonischen Recht, daß die Tötung eines unschuldigen Kindes unvereinbar ist mit dem Gang zur Kommunion, wo man den Leib Christi empfängt.“ (PAPST BENEDIKT XVI., Interview v. 9. Mai 2007, 6). Ein ähnlicher Konflikt ereignete sich Anfang Juni 2007 in Australien: Im Vorfeld der Verabschiedung eines Gesetzes zur Freigabe des therapeutischen Klonens im australischen Bundesstaat New South Wales hatte der damalige Erzbischof von Sydney, George Kardinal Pell, den Politikern wiederholt geraten, sich die Folgen ihrer Beschlüsse klar zu machen. In den Medien wurde dies als Hinweis auf eine mögliche Exkommunikation verstanden (vgl. hierzu PRIVILEGES COMMITTEE, Report, 3–7). Auch Erzbischof Barry Hickey von Perth hatte gegenüber einer Zeitung erklärt: „Catholics who vote for the cloning of embryos destined for destruction are acting against the teaching of the Church on a very serious matter and they should in conscience not vote that way, but if they do in conscience they should not go to communion.“ Diese als „Drohung“ gegen katholische Politiker aufgefasste Aussage wurde Gegenstand einer offiziellen Ermittlung des Westaustralischen Parlaments gegen den Erzbischof (vgl. AA.VV., MPs, o. S.). – Am 13. Mai 2009 veröffentlichte die Polnische Bischofskonferenz unter dem Titel „Der Wahrheit über Ehe und Familie dienen“ ein 100 Seiten starkes Dokument, in dem sie die kirchliche Lehre über Ehe und Familie, Fortpflanzung und Abtreibung zusammenfasst und darlegt, welche Pflichten sich daraus für die Gesellschaft ergeben (vgl. KONFERENCJA EPISKOPATU POLSKI, Służyć prawdzie). Mediale Aufmerksamkeit erhielt das Dokument v. a. wegen seiner Warnung, katholische Politiker zögen sich die Tatstrafe der Exkommunikation zu, wenn sie öffentlich für Abtreibung einträten (vgl. z. B. CRAINE/ BAKLINSKI, Polish Bishops, o. S.).
13 MEISNER, in: EINIG, Tarnkappen, 5. Anders als in Deutschland stellt sich die Situation aktuell in Polen dar: Dort hat der Parteichef der seit 2015 allein regierenden PiS-Partei, Jaroslaw Kaczyñski, ausdrücklich erklärt, dass er sich als gläubiger Katholik den Bischöfen unterordnen müsse (vgl. HASSEL, Familienplanung, 9).
14 Vgl. PCL (Hg.), Testimoni di Cristo nella comunità politica. Atti della XXIV Assemblea plenaria del Pontificio Consiglio per i Laici (Roma, 20-22 maggio 2010) (= Laici oggi 19), Vatikanstadt 2011.
15 PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache v. 21. Mai 2010, 348.
16 Ebd., 349.
17 Vgl. ebd. Wenn Katholiken kirchlichen Vereinen oder Bewegungen bzw. den neuen Gemeinschaften angehörten, könne dies „eine gute Schule für diese Jünger und Zeugen sein, unterstützt durch den charismatischen, gemeinschaftlichen, erzieherischen und missionarischen Reichtum, der diesen Wirklichkeiten zueigen ist“ (ebd.).
18 GLÜCK, Dialog, 3.
19 Als spezielle Studien zum Recht (der Laien) auf Freiheit im weltlichen Bereich lagen bis vor wenigen Jahren lediglich aus dem spanischen Sprachraum vor: J. FERRER ORTIZ, El derecho del laico a la libertad en lo temporal, in: A. Sarmiento u. a. (Hg.), La misión del laico en la Iglesia y en el mundo. VIII Simposio Internacional de Teología de la Universidad de Navarra (Colección teológica 53), Pamplona 1987, 629–635; J. HERVADA, Magisterio social de la Iglesia y libertad del fiel en materias temporales, in: Studi in memoria di Mario Condorelli, Vol. 1: Studi di diritto ecclesiastico, diritto canonico, storia dei rapporti stato-chiesa, Teil II, Mailand 1988, 793–825; J. T. MARTÍN DE AGAR, Il diritto alla libertà nell’ambito temporale, in: Persona y Derecho. Lex nova 1 (1991) 125–164 (leicht überarb. Fassung von: DERS., El derecho de los laicos a la libertad en lo temporal, in: IusCan 26 [1986] 531–562); M. BLANCO, La libertad de los fieles en lo temporal, in: Persona y derecho / Fidelium Iura 3 (1993) 13–35. Seit einigen Jahren befasst sich von den deutschsprachigen Kanonist(inn)en Helmuth Pree mit c. 227. Vgl. PREE, Libertad y responsabilidad del laico en los asuntos temporales. Visión canónica, in: AADC 12 (2005) 233–277; DERS., Die Autorität der Kirche in Fragen der zeitlichen Ordnung, in: J. I. Arrieta (Hg.), Il ius divinum nella Vita della Chiesa. XIII Congresso Internazionale di Diritto Canonico, Palazzo Ducale – Isola di San Servolo, Venezia 17-21 settembre 2008, Venedig 2010, 1115–1141 sowie zuletzt DERS., Die (fundamentale) Freiheit des Christen in weltlichen Angelegenheiten (can. 227 CIC/1983, can. 402 CCE0/1990), in: A. Loretan (Hg.), Religionsfreiheit im Kontext der Grundrechte (= Ed. NZN bei TVZ), Zürich 2011, 361–376. – Die Frage nach der Beteiligung von Katholiken am öffentlichen Leben findet insbesondere in Spanien Beachtung. Vgl. neben A. GARCÍA-GASCO Y VICENTE, La participación de los católicos en la vida pública, in: IusCan 32 (1992) 69–82; J. HERVADA, La participación del cristiano en la vida pública, in: Persona y derecho / Fidelium Iura 5 (1995) 117–143 v. a. die seit 1999 regelmäßig zu verschiedenen Schwerpunktthemen stattfindenden Kongresse „Católicos y Vida Pública“, organisiert von der Fundación Universitaria San Pablo-CEU und der Asociación Católica de Propagandistas (vgl. http://congreso.ceu.es [30. Mai 2015] sowie die jeweiligen Tagungsbände, hg. v. Fundación Universitaria San Pablo-CEU). In Italien hatte zuvor vom 9.12. Nov. 1994 das erste und einzige „Colloquio sui cattolici nella società pluralista“ stattgefunden. Die Tagungsbeiträge sind veröffentlich in: JOBLIN/TREMBLAY (Hg.), Cattolici (1996).
20 So z. B. KRÄMER, Kirchenrecht II; RUF, Recht. Allenfalls als implizite Erwähnung kann die Formulierung bei PUZA, Kirchenrecht, 177 gelten, Laien hätten aufgrund ihrer Pflicht und ihres Rechts, „in Kirche und Welt an der Verkündigung der göttlichen Heilsbotschaft mitzuwirken“, „die gleichen Freiheitsrechte im Staat zu beanspruchen wie alle Bürger.“ So schon PUZA, Laie, 95, obgleich er sich nach eigener Auskunft „bemüht, […] ein möglichst umfassendes Bild vom Laien im neuen Kirchenrecht zu vermitteln“ (ebd., 102). Mit ähnlicher Absicht tritt NABBEFELD, Rechte, 49–125 an (vgl. ebd., 49), geht über c. 227 jedoch ganz hinweg.
21 Vgl. etwa BOEKHOLT, Laie, 70f.; CENALMOR/MIRAS, Diritto, 169f.; GLAUBITZ, Laie, 154f.; INCITTI, Il popolo, 95; MORRISEY, Laity, 140; SCHWENDENWEIN, Kirchenrecht, 135; WALF, Laie, 61f. Ebenso KAISER, Laien, 187, der sich an anderer Stelle sogar auf die Wiedergabe des in c. 227 Satz 2 formulierten Verbots beschränkt, bei quaestiones opinabiles die eigene Ansicht als Lehre der Kirche auszugeben (vgl. KAISER, Laienrecht, 369).
22 Vgl. z. B. HAFNER, Kirchen, 267 bzw. SCHMIDT, Kirche, 177f. und SCHWARZ, Strukturen, 274f.; dagegen beschränkt sich z. B. MATUSIAK in seiner sozialethischen Studie zur politischen Dimension des Laienapostolates („Kirche und Politik“) auf die Auswertung der Dokumente des II. Vatikanischen Konzils.
23 So etwa BOEKHOLT, Laie, 70f.; HAFNER, Kirchen, 267; REINHARDT, in: MKCIC 227, Rn. 1–3; RIEDEL-SPANGENBERGER, Prinzipien, 177; SCHWENDENWEIN, Kirchenrecht, 135 oder STOFFEL, Recht, 69.
24 Vgl. MAZZOTTI, Stefano, La libertà dei fedeli laici nelle realtà temporali (C. 227 C.I.C.) (= Tesi Gregoriana: Serie diritto canonico 78), Rom 2007, 283 u. 294. Auf dem Weg dorthin setzt sich Mazzotti zunächst ausführlich und in explizit theologischer Sicht mit dem Verhältnis von Kirche und Welt sowie der Säkularität der Laien auf der Grundlage der konziliaren Ekklesiologie sowie der nachkonziliaren Theologie auseinander (Kap. I: „Il rapporto Chiesamondo“, 9–82). Diese Vorrangstellung der theologischen vor der (kirchen-)rechtlichen Analyse ergebe sich aus der Besonderheit des kanonischen Rechts, „heilige Wissenschaft“ („scienza sacra“) zu sein, die an die Offenbarung und deshalb an die Theologie gebunden sei (vgl. ebd., 9). Es folgen ein Kapitel über die Gläubigenrechte (Kap. II: „Il fedele e i suoi diritti“, 83–112), da c. 227 als Recht einer bestimmten Kategorie von Gläubigen nur innerhalb des „Genus“ der christifideles und ihrer Pflichten und Rechte zu verstehen sei (vgl. ebd., 83), sowie eines über die konziliaren Quellen von c. 227 (Kap. III: „Fonti conciliari“, 113–189, wobei er unter diese Überschrift neben LG 37, GS 43, PO 9 und AA 24 als „le fonti prossime del canone“ [115] auch GS 36, LG 36 und AA 7 subsumiert). Der kanonistischen Analyse von c. 227 ist erst das letzte Kapitel der Studie gewidmet (Kap. IV: „Portata e limiti del c. 227“, 191–283). Dabei behandelt Mazzotti zunächst allgemein die Stellung der Laien im CIC/1983 (191–199) und referiert die Textgenese von c. 227 (200–211), bevor er sich der eigentlichen Analyse des Normtextes zuwendet (211–228). Sodann thematisiert er überblicksartig die in c. 227 formulierten „Condizioni di esercizio“ des Rechts auf Freiheit in den bürgerlichen Angelegenheiten (228–231), von denen er im Anschluss nur die Bindung der Laien an lehramtliche Vorgaben vertieft („La libertà di laici e il magistero“, 231–263). Es folgen ein Abschnitt zu innerkodikarischen Bezügen von c. 227, v. a. im Hinblick auf Pflichten von Bischof und Pfarrer, einzelne Gemeinrechte und das Lehrrecht („La proiezione del c. 227 nel Codice“, 263–274) sowie einige Bemerkungen zu c. 402 CCEO (275–277) und eine Zusammenfassung (277–283). Die Studie schließt mit ausführlichen „Conclusioni“ (285–295), in denen Mazzotti zum einen auf die theologische Grundlage des Rechts auf Freiheit im weltlichen Bereich (285–289) und zum anderen auf die Nota doctrinalis der C. DocFid v. 24. Feb. 2002 eingeht, durch die er seine Analyse bestätigt sieht („Una verifica: la Nota dottrinale“, 289–295).
25 GÖBEL, Verhältnis, 170.
26 Ebd. Für diesen Eindruck lassen sich über die von Göbel genannten Belege hinaus wietere anführen: Neben KAISER, Laien, 187 und REINHARDT, in: MKCIC 227, Rnn. 1f., auf die Göbel verweist, verstehen auch GEROSA, Recht, 220 und CORECCO, Aspekte, 133 c. 227 als Ergänzung bzw. Verstärkung von c. 225 § 2. Demnach verbürge c. 227 lediglich „das Recht auf die zur Erfüllung dieser Aufgabe [von c. 225 § 2] notwendige Freiheit“ (ebd.; vgl. CORECCO, L’identità, 168; DERS., Laici, 209). Vgl. DEMEL, Christen, 561; DIES., Handbuch, 403; DALLA TORRE, [Komm. zu c. 227], 134 sowie STOFFEL, Recht, 69. Zudem sprechen AYMANS-MÖRSDORF, KanR II, 117 von einer Präzisierung des Grundgedankens von c. 225 § 2, während RIEDL, Laien, 309 in c. 227 die Rahmenbedingungen des Apostolates der Laien gemäß cc. 225f. normiert sieht.
Die zweite Meinung belegt Göbel lediglich mit PROVOST, Christian Faithful, 163. Sie wird ebenfalls vertreten von REINHARDT, in: MKCIC 227, Rnn. 2f. i. V. m. DERS., in: MKCIC Einf. vor 224, Rnn. 6f. und KAISER, Neues, 267. Vgl. ARRIETA, Diritto soggettivo, 7: „[I]l diritto di libertà nell’ordine delle realtà temporali, attribuito dal codice ai soli laici (can. 227), ma appartenente a tutti i fedeli, anche se i chierici e i religiosi si trovino in situazioni personali in cui venga limitato, più o meno ampiamente, il suo esercizio.“ Ähnlich konstatiert BARR, Obligations, 295 mit Bezug auf c. 227: „Clergy and religious are also recognized as posessing such liberties, but their exercise of some rights is circumscribed in various ways because of their special ministry within the Church.“ Ohne entsprechenden Hinweis identifiziert MARTÍN DE AGAR, Handbook, 51 das Rechtssubjekt von c. 227 mit „the faithful“. HERVADA, Magisterio, 793 spricht ebenfalls von einem „derecho del fiel“. Die von c. 227 vorgenommene Charakterisierung als Laienrecht sei eine „cierta inexactitud“ (ebd.). Vgl. HERVADA, Dialogo [1989], 281. Ähnlich versucht dezidiert auch BLANCO, Libertad, bes. 29–32 und noch einmal BLANCO, Protezione, 308–311, die Geltung des Rechts auf bürgerliche Freiheit für alle Christgläubigen zu erweisen. Vgl. auch FERRER ORTIZ, Derecho, 629–631 sowie hierzu im Einzelnen unter 2.1.
27 GÖBEL, Verhältnis, 171. Im LKStKR konstatiert Göbel 2002, zwar sei dem CIC/1983 eine „Favorisierung einer bestimmten Staatsform“ nicht zu entnehmen, der kirchliche Gesetzgeber nehme jedoch „das demokratische Staatsmodell als politischen Leittypus der Gegenwart“ wahr (DERS., Kirche, 460f.).
28 Vgl. HAERING, Rezeption, 70. C. 227 nimmt demnach „in einer Weise auf weltliches Recht bzw. weltlich-rechtliche Institutionen Bezug, die als ‚einfache Erwähnung‘ qualifiziert werden kann“ (ebd., 311).
29 BRAUNBECK, Weltcharakter, 367.
30 Ebd. – Basierend auf den Ergebnissen ihrer Studie schlägt Braunbeck einen stark revidierten Titel über die Pflichten und Rechte der Laien vor, der u. a. den von ihr identifizierten rechtssystematischen Zusammenhang von cc. 225 u. 227 berücksichtigt (vgl. ebd., 368–370).
31 Vgl. ebd., 192f.
32 WALF, Laie, 9.
33 BRAUNBECK, Weltcharakter, 328 (Anm. 93). Ähnlich spricht PREE, Autorität, 1128 für c. 227 von einer „Begrenzung der Reichweite der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt gegenüber Katholiken in inhaltlicher Hinsicht“ (vgl. u. Anm. 57).
34 MARTÍN DE AGAR, Diritto, 141 (eig. Übers.). Zur angesprochenen Symmetrie vgl. ebd., 135 sowie HERVADA, [Komm. zu c. 227], 182, der die „rechtliche Stellung des Laien in Bezug auf die kirchliche und die bürgerliche Gesellschaft […] durch zwei fundamentale Rechte“ geprägt sieht: „Das Recht auf Religionsfreiheit innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und das Recht auf Freiheit in den weltlichen Dingen innerhalb der kirchlichen Gesellschaft. Der Staat hat keine Kompetenz in religiösen Dingen wie die Kirche keine in den weltlichen Dingen hat“ (eig. Übers.).
35 Vgl. MARTÍN DE AGAR, Diritto, 144.
36 Vgl. DERS., Handbook, 51.
37 Demnach umfasse das nunmehr in c. 227 normierte Recht der Laien auf Freiheit in den bürgerlichen Angelegenheiten „folgende Aspekte: 1. Autonomie gegenüber der kirchlichen Autorität; 2. das Recht, Meinungen zu vertreten, die von Meinungen anderer Christen abweichen; 3. die Pflicht, die Botschaft des Evangeliums nicht für die eigene Meinung in Beschlag zu nehmen, d. h. die Autorität der Kirche nicht für sich allein und zugunsten der eigenen Meinung in Anspruch zu nehmen“ (DEL PORTILLO, Gläubige, 166; i. O. z. T. hervorgeh.).
38 DALLA TORRE, [Komm. zu c. 227], 135 spricht von einem „Autonomierecht der Laien“ und der daraus resultierenden Pflicht der kirchlichen Autorität, „sich aller Eingriffe in die zeitliche Ordnung zu enthalten, welche eine Verletzung der laikalen Freiheit und Missbrauch der klerikalen Funktion darstellen“ (eig. Übers.). Ähnlich CAPARROS, Rechristianisation, 52 u. 56f. sowie DERS., [Komm. zu c. 227], in: CECDC3, 180f. Nach VALDRINI, Droit, 55 Rn. 98 genießen die Laien „Freiheit der Wahl und Autonomie des Handelns“, sind in der Verwirklichung ihrer Freiheit jedoch an die kirchliche Soziallehre gebunden und an „die Grenzen, die die Kirche ihrer Ausübung setzt“ (ebd., 55f. Rn. 99; eig. Übers.). BLANCO, Libertad, 29 sieht die Grenzen der Freiheit der Laien im weltlichen Bereich im kirchlichen Lehramt, in der Moral und den Rechten Dritter, insbesondere in der Freiheit, die den übrigen Gläubigen in den zeitlichen Dingen zukommt.
39 HERRANZ, Status, 304.
40 DOHERTY, Angelegenheiten, 121. Als Eingriff in diese von c. 227 geschützte Freiheit katholischer Bürger(innen) versteht Doherty dabei z. B. Wahlaufrufe mit konkreten Hinwiesen auf (nicht) zu wählende Kandidat(inn)en oder Parteien. Sie seien „fast immer eine Verletzung der politischen Rechte der Katholiken“ (ebd., 122).
41 RIEDEL-SPANGENBERGER, Prinzipien, 179.
42 Ebd., 191f. Wirklich frei und eigenverantwortlich handelten Laien allerdings nur dort, wo der Anspruch des Lehramtes auf Verkündung der sittlichen Grundsätze gemäß c. 747 § 2 nicht mehr greife (vgl. ebd., 184). - Ähnlich wie Riedel-Spangenberger hatte schon HERRANZ, Status, 307 bezüglich c. 227 und der korrespondierenden kodikarischen Normen von einer „harmonischen Balance zwischen persönlicher Freiheit und Verantwortung“ gesprochen und darin „ein optimales Instrument“ erkannt, „um die menschliche und christliche Reifung der Persönlichkeit der Laien zu fördern.“
43 Vgl. FUMAGALLI CARULLI, Laici, 496 sowie KAISER, Laien, 187, der c. 227 gleichrangig mit der Setzung eines innerkirchlichen Freiheitsrechts als „Appell an die außerkirchlichen gesellschaftlichen Kräfte“ verstanden wissen will (ähnlich DALLA TORRE, [Komm. zu c. 227], 134 sowie HAERING, Rezeption, 69f. und SÉRIAUX, Droit, 137), während nach GHIRLANDA, De obligationibus, 61 unklar bleibe, ob das in c. 227 formulierte Freiheitsrecht gegenüber der Kirche oder der Zivilgesellschaft gesichert werden soll.
44 SCHMIDT, Kirche, 177.
45 Ebd., 177f.
46 Vgl. BERKMANN, Kirche, 80: „So wie nämlich die bürgerliche Autorität die religiöse Freiheit des Individuums anzuerkennen hat, so hat in spiegelbildlicher Weise die religiöse Autorität dessen bürgerliche Freiheit anzuerkennen.“
47 Ebd., 35.
48 Vgl. ebd., 36. Dabei versteht er eine weltliche und eine kirchliche Rechtsnorm dann als „komplementär, wenn sie sich gegenseitig ergänzen. Sie sind nicht komplementär, wenn sie nicht gleichzeitig erfüllbar sind, also wenn einem weltlichen Gebot ein kirchliches Verbot desselben Inhalts gegenübersteht oder umgekehrt. Komplementarietät [sic!] erschöpft sich aber nicht in der Widerspruchsfreiheit, sondern erfordert auch, dass die Normen aus beiden Bereichen so miteinander zusammenhängen, dass sie eine sinnvolle Regelungseinheit ergeben. […] Im Bereich der Rechte Einzelner besteht die typische Konstellation, die dem Komplementärprinzip entspricht, darin, dass einem Recht auf der einen Seite eine Pflicht auf der anderen gegenübersteht“ (ebd., 36f.).
49 Sollte nämlich c. 227 CIC die bürgerliche Freiheit nicht auch für Kleriker und Ordensleute anerkennen, „so wäre zunächst nach einer anderen Rechtsgrundlage zu suchen. Sonst bliebe nur die Feststellung, dass die individuelle bürgerliche Freiheit in der kirchlichen Rechtsordnung auf einen bestimmten Teil der Rechtsunterworfenen beschränkt ist und daher nur eine teilweise Komplementarität zur Religionsfreiheit in der weltlichen Rechtsordnung besteht, die ja allen garantiert wird“ (ebd., 83f.).
50 Zwar sprächen Wortlaut und rechtssystematische Einordnung von c. 227 „eindeutig für eine Beschränkung auf die Laien“ (ebd. 84). Dennoch kommt Berkmann zu dem Ergebnis, „dass die bürgerliche Freiheit grundsätzlich allen Christgläubigen zukommt und damit der religiösen Freiheit des weltlichen Bereichs hinsichtlich des personalen Geltungsbereiches tatsächlich komplementär ist“ (ebd., 87).
51 Ebd., 92. Vgl. für die Einzelaspekte nachfolgend ebd., 93–105.
52 Vgl. H. PREE, Die politische und gewerkschaftliche Betätigung geistlicher Personen im CIC (1983) und im CCEO (1990), in: Folia Canonica 6 (2003) 7–40 und DERS., Kirchliche Sendung und weltliches Mandat. Zur Rechtsstellung geistlicher Personen in der zivilen Sphäre, in: H. de Wall / M. Germann (Hg.), Bürgerliche Freiheit und Christliche Verantwortung. FS Christoph Link, Tübingen 2003, 371–385.
53 PREE, Autorität (2010); vgl. bereits o. Anm. 19.
54 DERS., Libertad (2005); DERS., Freiheit (2011); vgl. bereits o. Anm. 19.
55 DERS., Autorität, 1128. Vgl. DERS., Freiheit, 362.
56 DERS., Freiheit, 374. Vor dem Hintergrund der Anerkennung der iusta autonomia rerum terrenarum und der Religionsfreiheit stehe c. 227 auch dafür, dass „der Laie durch sein Wirken in rebus civitatis terrenae zum Protagonisten der Beseelung der zeitlichen Wirklichkeit von innen her mit dem Geist des Evangeliums“ geworden sei (ebd.).
57 DERS., Autorität, 1128. Vgl. o. Anm. 33 und DERS., Freiheit, 374, wonach der „mit res civitatis terrenae umschriebene Schutzbereich des Rechts […] die Grenze des kirchlichen Jurisdiktionsanspruches, auch für den Laien als Katholiken“ (H. i. O.), bezeichne. Vgl. bereits DERS., Libertad, 277.
58 DERS., Autorität, 1129.
59 Vgl. BLANCO, María, Protezione della libertà e dell’identità cristiana dei laici, in: IusEccl 23 (2011) 297–318. Die Autorin hatte sich schon 18 Jahre zuvor unter dem Titel „La libertad de los fieles en lo temporal“, in: Persona y derecho / Fidelium Iura 3 (1993) 13–35, mit c. 227 befasst.
60 Vgl. NAVARRO, Luis, Les ressources du droit canonique pour comprendre le rôle du fidèle dans la société civile, in: ACan 54 (2012) 149–165.
61 Vgl. BLANCO, Protezione, 308–311 sowie bereits DIES., Libertad, bes. 29–32.
62 Vgl. NAVARRO, Ressources, 161.
63 Vgl. ebd., 161. Im weltlichen Recht entspreche c. 227 das Recht auf Religionsfreiheit als „droit parallèle“ (ebd., 164). Vgl. BLANCO, Protezione, 315f.
64 Vgl. ebd., 313f
65 Vgl. AYMANS-MÖRSDORF, KanR I, 72.
66 Vgl. cc. 16-22 CIC und cc. 1498-1504 CCEO.
67 Zu dem aus philosophischer und theologischer Sicht grundsätzlich bestehenden Problem der Annahme einer feststehenden „eigenen Wortbedeutung“ vgl. TORFS, Propria verborum significatio, 179–192.
68 Vgl. SOCHA, in: MKCIC 17, Rn. 8.
69 Es gilt die Grundannahme, „daß der Gesetzgeber die Worte so wählt, daß sie seinen Willen in der dem Gegenstand angemessenen Weise zum Ausdruck bringen.“ (MAY/EGLER, Einführung, 195; vgl. SOCHA, in: MKCIC 17 [1990], Rn. 7 sowie entsprechend schon MÖRSDORF, Lb I, 108: „es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als in seinen klaren Worten ausgesprochen ist. Cum in verbis nulla ambiguitas est, non debet admitti voluntatis quaestio. Verba clara non admittunt interpretationem neque voluntatis coniecturam.“). Wer diese Voraussetzung grundsätzlich in Frage stelle, so SOCHA, in: MKCIC 17 [1990], Rn. 7 mit CASTILLO LARA, Interpretatione, 284 (vgl. dt.: DERS., Auslegung, 225), beraube die kirchlichen Gesetze „ihrer verpflichtenden Kraft, untergräbt das Vertrauen in die kirchliche Rechtsordnung, macht letztlich jede sinnvolle, rational überprüfbare Kommunikation unmöglich“. Daher gilt: Führt die Analyse „des sprachlichen Erscheinungsbildes zu einem eindeutigen Gesetzesverständnis, […] endet die Aufgabe des Interpreten“ (SOCHA, in: MKCIC 17 [1990], Rn. 7). Vgl. AYMANS-MÖRSDORF, KanR I, 182; BIER, Diözesanbischofsamt, 79f.; JESTAEDT, Auslegung, 103f.; LÜDECKE, Grundnormen, 77. Die im 2. HS von c. 17 genannten Regeln werden daher auch als „Aushilfsregeln“ bezeichnet (so z. B. AYMANS-MÖRSDORF, KanR I, 183 und bis 2012 auch SOCHA, in: MKCIC [1990], 17 Rn. 3). Mit Überarbeitung seines Kommentars zu cc. 1-22 für die 47. Ergänzungslieferung des MKCIC vom Feb. 2012 hat Hubert Socha seine oben zitierte Meinung allerdings geändert. „In den letzten Jahren“ sei „unter den Kommentatoren die aus der Tradition, Reflexion und persönlichen Erfahrung gewonnene Einsicht“ gewachsen, dass „die in 17 gewählte Ausdrucksweise lediglich ein sprachliches Stilmittel“ sei (ebd., Rn. 7b). Mit diesem Argument vertritt Socha nun die Auffassung, bei der Interpretation müssten „stets auch die in 17 Satz 2 genannten Wege beschritten werden“ (DERS., in: MKCIC 17, Rn. 11). Vor ihm ging z. B. schon PUZA, Kirchenrecht, 127 davon aus, c. 17 lege nicht eine Rangfolge der Interpretationsregeln fest. Auch HEIMERL/PREE, Kirchenrecht, 44 wollen eine zwingende Hierarchie der Interpretationsmethoden unbeschadet des subsidiären Charakters der in c. 17, 2. HS genannten nicht gelten lassen. Der Gesetzgeber könne eine andere als die klare Wortbedeutung eines Gesetzes beabsichtigt haben (vgl. ebd.). SCHÜLLER, Barmherzigkeit, 226 sah darin 1993 eine sich durchsetzende Ansicht. Dem ist entgegenzuhalten: Es kommt allein dem Gesetzgeber zu, eine solche Abweichung durch Gesetzesänderung oder authentische Interpretation zu korrigieren. Solange er dies nicht tut, gilt: „Nicht was der Gesetzgeber hätte bestimmen wollen, ist Gegenstand der Interpretation, sondern was er bestimmt hat. Gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut eines Gesetzes kann keine noch so gut bewiesene Auffassung des Gesetzgebers durchdringen; denn nicht sie, sondern das Gesetz ist im Gesetzblatt verkündet“ (MAY/EGLER, Einführung, 209). Vgl. BIER, Diözesanbischofsamt, 80 Anm. 7 bzw. DERS., Einführung, 156.
C. 17 normiert den Vorrang der grammatikalisch-logischen Interpretation vor den übrigen subsidiären Auslegungsmethoden. Für deren Anwendung wird eine Präferenzordnung nicht vorgegeben. „Es ist Aufgabe der Ausleger herauszufinden, welche dieser Mittel für die Interpretation einer konkreten Norm am ehesten zielführend sind“ (DERS., Einführung, 155). Zu dem daraus resultierenden Problem der Relevanz unterschiedlicher Auslegungsverfahren und - ergebnisse sowie insbesondere dem Vorschlag B. Th. Drößlers, nur das Ergebnis einer nichtauthentischen Interpretation sei „sachlich zutreffend, das dem einer jeweils und jederzeit möglichen authentischen Interpretation entspricht“ (DRÖßLER, Bemerkungen, 28), vgl. die Diskussion bei LÜDECKE, Grundnormen, 78–81. Demnach „bleibt dem Kanonisten methodisch doch nur die kumulative Anwendung der unterschiedlichen subsidiären Interpretationsmethoden.“ Allerdings könne sein Auslegungsergebnis „jederzeit durch eine authentische Interpretation überholt werden“ (ebd., 81).
70 DRÖßLER, Bemerkungen, 15. Vgl. zustimmend SOCHA, in: MKCIC 17, Rn. 3; SCHMITZ, Wertungen, 26; LÜDECKE, Grundnormen, 76f.
71 WIJLENS, Bishops, 213 Anm. 6 sowie 221. Vgl. LEDERHILGER, Kirchenrecht, 258f. sowie für die Gegenmeinung z. B. SCHIMA, Meinungsfreiheit, 165 sowie im Folgenden.
72 MÜLLER, Kirchenrecht, 378. Tatsächlich wäre ein „rechtspositivistischer“ Ansatz nur zu konstatieren und zu kritisieren, wenn „die Auffassung vertreten würde, jeder beliebige Inhalt könne Recht sein und was legal sei, sei stets auch legitim“ (BIER, Einführung, 162). Das ist in der Kanonistik jedoch nicht der Fall, denn: „Niemand bestreitet ernsthaft, kirchliches Recht müsse durch übergeordnete rechtliche Maßgaben (göttliches Recht, moralische Wahrheit) legitimiert sein. Gerade wegen der Rückbindung an das göttliche Recht kann die kirchliche Rechtsordnung per definitionem rechtspositivistisch nicht erfasst werden“ (ebd., H. i. O.). Einen solchen Positivismus, der „das Naturrecht und das positive göttliche Recht sowie die lebenswichtige Beziehung eines jeden Rechts zur Gemeinschaft und Sendung der Kirche praktisch vergißt“, hat auch PAPST BENEDIKT XVI., Rota-Ansprache v. 21. Jan. 2012, 8 zurückgewiesen. Eine entsprechende „Auffassung würde eine deutliche Verarmung mit sich bringen“: Werde das Kirchenrecht mit dem System kirchlicher Gesetze identifiziert, „dann bestünde die Kenntnis dessen, was in der Kirche rechtlich ist, im wesentlichen darin zu verstehen, was die Rechtstexte bestimmen.“ Dies aber beraube „die Arbeit des Auslegers der lebenswichtigen Verbindung mit der kirchlichen Wirklichkeit“. „In letzter Zeit“, so der frühere Papst, hätten „einige Denkströmungen vor einer übertriebenen Treue gegenüber den Gesetzen der Kirche […] gewarnt“ und „hermeneutische Wege vorgeschlagen, die einen Ansatz zulassen, der den theologischen Grundlagen und den auch pastoralen Anliegen der Kirchengesetzgebung besser entspricht. Dies hat zu einer Kreativität im rechtlichen Bereich geführt, bei der die einzelne Situation zum entscheidenden Faktor bei der Feststellung der wahren Bedeutung der Rechtsvorschrift im konkreten Fall wird. Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, ‚oikonomia‘ – sehr geschätzt in der östlichen Tradition – sind einige der Begriffe, auf die man bei dieser Auslegungstätigkeit zurückgreift.“ Hierzu stellte Papst Benedikt XVI. klar: Dieser Ansatz überwinde den kritisierten Positivismus nicht, sondern ersetze ihn lediglich durch einen anderen, „in dem die menschliche Auslegungstätigkeit sich zum Protagonisten aufschwingt bei der Bestimmung dessen, was rechtlich ist.“ Es fehle das Bewusstsein für ein objektives Recht, insofern das Recht „Spielball von Überlegungen“ bleibe, „die den Anspruch erheben, theologisch oder pastoral zu sein, am Ende jedoch der Gefahr der Willkür ausgesetzt sind.“ So aber werde die Rechtshermeneutik ausgehöhlt. Letztlich bestehe „kein Interesse daran, die Gesetzesweisung zu verstehen, da sie jeder Lösung dynamisch angepaßt werden kann, auch wenn diese dem Buchstaben des Gesetzes widerspricht“ (ebd.).
73 PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIX.
74 SOBANSKI, Interpretationsregeln, 705. Dabei versteht Sobanski „die die Interpretation betreffenden Weisungen […] als Ausdruck einer bestimmten ekklesiologischen Option […], die in der Literatur als ecclesiologia societatis bezeichnet wird“ (ebd.).
75 Für GEROSA, Gesetzesauslegung, 109 verpflichtet die „Besonderheit des Rechts der Kirche […] dazu, daß der Codex des kanonischen Rechts stets im Licht der Konzilslehren ausgelegt und angewendet wird.“ Vgl. PUZA, Kirchenrecht, 127. Für BORRAS, Auslegung, 314 hat die „konziliare Lehre von der Kirche […] die Funktion eines Proto-Textes, der das Abschließen des kanonischen Textes des Codex verhindert.“ MÜLLER, Codex und Konzil, 479 vertritt die Meinung, die „konziliare Lehre insgesamt“ bilde „den Kontext für die Interpretation der Normen der kirchlichen Gesetzbücher“ (zur Kritik an seiner These vgl. BIER, Diözesanbischofsamt, 81f. Anm. 8). Ähnlich WIJLENS, Verhältnisbestimmung, 337f.; DIES., II. Vatikanum, 8 sowie DIES., Bishops, 221 unter Bezugnahme auf die Arbeiten von L. Örsy (vgl. grundlegend ÖRSY, Theology, bes. 53–58). Für SOBANSKI, Interpretationsregeln, 705 steht fest: „Obwohl die Weisungen des can. 17 ein statisches Interpretationsmodell abbilden, so muß doch mit Rücksicht auf die den Kodex selbst begründenden Motive […] festgestellt werden, daß nur eine dynamische Auslegung zum rechten Verständnis des Kirchenrechts führt.“ Vgl. BAUSENHART, Desiderate, 363, wonach der „für den Codex konstitutive Bezug auf das Konzil […] das Verständnis des CIC als eines autonomen Textcorpus [verbietet], das in seinen Normen allein nach philologischen, grammatischen und logischen Methoden auszulegen wäre. Die in c. 17 CIC niedergelegte Interpretationsregel ist zwar zunächst kanon-immanent formuliert, gibt aber doch auch den Blick frei auf kanon-externe Faktoren wie ‚die Absicht des Gesetzgebers‘, der hinreichend deutlich gemacht hat, dass der CIC/1983 im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verstehen sei.“ Auch DEMEL/MÜLLER, Einführung, 13 haben 2007 stellvertretend für die Autor(inn)en der Festschrift für Peter Krämer betont, „nach wie vor“ sei das II. Vatikanum „der maßgebliche Interpretationsrahmen für das kirchliche Recht.“
76 GEROSA, Gesetzesauslegung, 139.
77 HILBERATH, „Nur der Geist …“, 269. Es sei in ekklesiologischer Hinsicht „unzureichend, den Gesetzgeber zugleich und allein zur absoluten Auslegungsinstanz zu erklären bzw. eine solche hermeneutische Praxis zu etablieren und zu dulden. Weder sollten allein die Kanonisten herausfinden, was der Wille des Gesetzgebers war, noch darf sich dieser allein von hierher inspirieren oder instruieren lassen. Die Dogmatiker sind nicht nur Tagträumer, sondern auch Anwälte und Interpreten wichtiger Konzilstexte […]. […] Die Canones des Codex und ihre Interpretation sind daran auszurichten, was wir im Verbund der Subjekte in der Communio der Kirche als Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils erkennen“ (DERS., CIC, 48). Wer in dieser Weise das Konzil über den Wortlaut des Gesetzes stellt, wird tatsächlich mitunter bedauernd feststellen, konziliare Vorgaben seien im Codex nicht rezipiert. „Genauer“, so BIER, Einführung, 161, „müsste indes formuliert werden: Der Gesetzgeber hat konziliare Vorgaben nicht in der vom jeweiligen Ausleger gewünschten Weise berücksichtigt. Denn dass der Gesetzgeber alle relevanten Vorgaben in der von ihm für sachgerecht angesehenen Weise aufgenommen hat, dafür verbürgt er sich durch den Hinweis, der Codex sei die Übersetzung des Konzils in die Sprache des Rechts“ (H. i. O.).
78 Vgl. MECKEL, Konzil und Codex. Die Arbeit war bis zum 30. Mai 2016 noch nicht publiziert und konnte daher in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt werden.
79 Vgl. DRÖßLER, Bemerkungen, 17; SCHMITZ, Wertungen, 26; GEHR, Qualifikation, 191; BIER, Diözesanbischofsamt, 81. Mit Inkrafttreten des CIC/1983 ist der Legitimationsgrund einer streng konzilskonformen Auslegung, „ein durch die Summe der Konzilsbeschlüsse des II. Vaticanum gegenüber dem CIC/1917 verursachter ‚Verfassungswandel‘, entfallen. […] Selbstverständlich bleiben die Dokumente des II. Vaticanum für die Gesetzesauslegung auch weiterhin relevant, aber nur insofern, als sie nun im Rahmen der gesetzlichen Interpretationsmethoden, z. B. als Entstehungsumstände der Normen des CIC oder als Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen sind“ (DRÖßLER, Bemerkungen, 17f.). Zur Bewertung einer Auslegung im „Geist des Konzils“ vor dem CIC/1983 vgl. SCHULZ, Geist, bes. 459f. sowie GEHR, Qualifikation, bes. 188–192.
80 Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIII sowie dem entsprechend jüngst REES, Papst, 48: Der CIC/1983 sei „das unmittelbare Ergebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils und von dessen Ekklesiologie her bestimmt.“
81 Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIX. Dabei sei „sicher, daß die Forderungen des Konzils, wie die praktischen, dem Dienst der Kirche gegebenen Richtlinien in dem neuen Kodex genaue und gewissenhafte, bisweilen bis in die wörtliche Formulierung gehende Entsprechungen finden“ (DERS., Ansprache v. 3. Feb. 1983, 154).
82 Vgl. DERS., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XII.
83 DERS., Ansprache v. 26. Jan. 1984, 131.
84 Vgl. z. B. DERS., Ansprache v. 21. Nov. 1983, 518; DERS., Ansprache v. 26. Jan. 1984, 131. - Von diesem „letzten Konzilsdokument“ wünschte der Papst: „Gebe also Gott, dass […] was das Haupt anordnet, vom Leib eingehalten wird“ (DERS., ApKonst „Sacra disciplinae leges“, XIII). Damit aber besteht kein Zweifel: Für Johannes Paul II. „ist der Codex, was er nach Johannes XXIII. sein sollte: die Krönung des II. Vatikanischen Konzils“ (LÜDECKE, Codex, 45; H. i. O.). Nachdrücklich gegen diese Sicht haben sich 2007 unter dem Titel „Krönung oder Entwertung des Konzils?“ die Autor(inn)en der Festschrift für Peter Krämer ausgesprochen (vgl. DEMEL/MÜLLER, Einführung, 12f.).
85 BIER, Diözesanbischofsamt, 86. Der CIC ist die in päpstlicher Autorität vorgenommene rechtliche Transformation des II. Vatikanums (vgl. LÜDECKE, Codice, 348). Es ist daher unzulässig, das Konzil gegen den CIC auszuspielen. „Die Rezeption und die Auslegung der Konzilsdokumente seit 1983 können nicht mehr absehen von der Interpretation, die der CIC als „letztes Konzilsdokument“ implizit vorgibt.“ (BIER, Rechtsstellung, 21). Anderer Meinung ist GRAULICH, Anpassung, 388: Eine „rechte Interpretation des CIC/1983“ könne „nicht vom Kontext des Konzils und vor allem nicht von seinen Dokumenten absehen“. Der Text der Konzilsbeschlüsse gehöre „zum Kontext des Gesetzes [i. S. v. c. 17] und ist in jedem Fall von Anfang an bei seiner Interpretation zu berücksichtigen.“ (ebd., 388). Vgl. MECKEL, Aktion, 97. Bei aller inhaltlichen Kritik spricht allerdings auch HÜNERMANN, Rezeption, 87 vom CIC „als wesentlicher Form des Rezeptionsvorganges des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Papst und Kurie“. Gleichwohl hält er Vertretern einer codexkonformen Auslegung vor, c. 17 diene ihnen „als Schutzschild, um jeden Versuch auszuschließen, unter Rückgriff auf Dokumente des II. Vatikanischen Konzils gewisse Grenzen der Gesetzestexte aufzuweisen“ (DERS., CIC, 18). Hünermann übersieht dabei, dass der kirchliche Gesetzgeber diesen „Schutzschild“ errichtet und die Ausleger(innen) darauf verpflichtet hat. Vgl. dazu im Folgenden.
86 LÜDECKE, „Krönung“, 236 sowie DERS., Codice, 348. Auch LÜDICKE, Bischofsamt, 74f. konzediert, die Konzilsbeschlüsse seien „nicht ‚geltendes Recht‘, sondern Programm für die Gestaltung des Rechtes. Dieselbe Autorität, die die Konzilsdokumente unterzeichnet hat, hat auch den Codex in Kraft gesetzt.“ Wenn dieses Programm im CIC nicht adäquat umgesetzt worden sei, bleibe es „doch das ‚Gewissen‘ des Rechtes in der Kirche, bleibt der Auftrag an den Gesetzgeber, das Leben der Kirche auch rechtlich nach der Lehre des im Konzil wirkenden Bischofskollegiums zu gestalten.“ (ebd., 75). SCHMIEDL, Ende, 18f. kann Lüdeckes Position zwar nicht zustimmen, erkennt aber an, dass sich bis heute „in allen Anweisungen und Schreiben der vatikanischen Behörden […] die Ambivalenz von Berufung auf das Konzil bei gleichzeitiger Fortschreibung seiner oft nur im Allgemeinen gebliebenen Texte“ zeigt.
87 SOCHA, in: MKCIC 17 [1990], Rn. 7 mit exemplarischem Verweis auf PREE, Interpretation, 162–163 u. 205–207; SCHULZ, Geist, 454–459 und POTZ, Interpretation, 63 u. 73–75.
88 SOCHA, in: MKCIC 17 [1990], Rn. 7. Vgl. LÜDECKE, Grundnormen, 81. Nach DRÖßLER, Bemerkungen, 14 können die Interpretationsnormen des CIC daher „als eindrucksvoller Beleg gelten für die Kontinuitätsthese bezüglich der Rechtsentwicklung in der kanonischen Gesetzgebung.“ Für JESTAEDT, Auslegung, 114f. legen die positivierten Auslegungsregeln des CIC/1983 „– nicht anders als die Rechtserzeugungsbefugnisse – beredtes Zeugnis davon ab“, dass sich die kodikarischen Normen „einem Gesetzesverständnis verpflichtet [fühlen], welches eben nicht als pluralistisch, offen oder dynamisch gekennzeichnet werden kann.“
89 Merkmal wissenschaftlicher Interpretation „ist die Berücksichtigung der kodikarischen Interpretationsnormen. Ihren Ergebnissen kommt im Unterschied zu denen, die sich auf andere oder keine Interpretationsmethoden stützen, eine Wahrheitsvermutung zu“ (LÜDECKE, Grundnormen, 78). ANDRÉS GUTIÉRREZ, Zölibat, 15 spricht in Bezug auf c. 17 1. HS sogar von „der ersten und bindenden goldenen Regel der Kirche“. Mag man das Gesetzesverständnis des CIC/1983 kanonistisch auch „bemängeln; ändern durch die methodologische Apperzeption kann man es nicht. Nicht zuletzt würden dadurch die Regeln kodikarischer Selbstauslegung missachtet – und damit geltendes Kirchenrecht verletzt! –, wenn aus – tatsächlich oder vermeintlich – höherer ekklesiologischer und kanonistischer Einsicht heraus dem kanonischen Recht ein Regime konziliar inspirierter Fremdauslegung verordnet würde“ (JESTAEDT, Auslegung, 114f.; H. i. O.).
90 Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., ApKonst „Sacri canones“ v. 18. Okt. 1990, 1038: „Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, qui nunc in lucem proditur, veluti novum complementum magisterii a Concilio Vaticano II propositi habendus est, quo universae Ecclesiae ordinatio canonica tandem expletur“. Vgl. LEDERHILGER, Kirchenrecht, 249.
91 MÜLLER, Kirchenrecht, 355. Für solche Ergebnisse verweist Müller exemplarisch auf die nach LÜDECKE, Grundnormen, 534 weiterhin gültige Unterscheidung von lehrender und belehrter Kirche, dessen Problematisierung der vera aequalitas des c. 208 hinsichtlich der ständischen und hierarchischen Struktur der katholischen Kirche (vgl. ebd., 103) sowie auf Biers Schlussfolgerung, die kodikarischen Bestimmungen zeichneten „den Diözesanbischof rechtlich als päpstlichen Beamten“ (BIER, Rechtsstellung, 376).
92 MAY/EGLER, Einführung, 188.
93 LÜDECKE, Grundnormen, 74. Vgl. BIER, Rechtsstellung, 22.