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Vorwort

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Wer sich als Nicht-Muttersprachler bei der französischen Wendung »envoyer quelqu’un sur les roses« vom schönen Bild der Rose beeinflussen lässt, gar »auf Rosen gebettet« assoziiert (statt als Erstes an die Dornen zu denken), der kann eine Kommunikationssituation gründlich fehldeuten. Die bildsprachliche Entsprechung im Deutschen hingegen – »jemanden in die Wüste schicken« – scheint, da eindeutiger, für den Gesprächspartner weniger irritierende Verknüpfungen auszulösen: Was soll man in der Wüste anderes erwarten als sengende Sonne, Durst und Verderben?

Dieses Beispiel zeigt mehreres:

1. Eine Aussage (hier: sich einer Person entledigen) gewinnt Anschaulichkeit und Kraft durch die Übertragung ins Bildhafte (griech. metaphora = Übertragung). Wer ein Bild benutzt, tut es, um einen abstrakten Vorgang sinnlich fassbar zu machen und seine Aussage zu unterstreichen. Auf der Seite des »Senders« wie auf der Seite des »Empfängers« fordert die metaphorische Sprechweise Denk- und Vorstellungsvermögen.

2. Unsere Sprachen sind reich an Bildern und Metaphern, die wir mit großer Selbstverständlichkeit benutzen. Nietzsche spricht vom »Trieb zur Metapherbildung« als einem »Fundamentaltrieb« des Menschen, die »vorhandene Welt […] reizvoll und ewig neu zu gestalten« (Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873). Jede Sprachgemeinschaft hat und prägt zu jeder Zeit ihre eigenen Sprachbilder. Der im Einzelfall verwendete bildliche Ausdruck hängt von vielen Gegebenheiten ab: von der Lebenswirklichkeit der Gesprächspartner, von ihrem Lebensalter und ihrer Gruppenzugehörigkeit, von ihrem Bildungsniveau und ihrer Sprachtradition und von der besonderen Situation, in der sie miteinander kommunizieren.

3. Was für die Verständigung zwischen Muttersprachlern eine Verständigungsbrücke darstellen soll oder kann, erweist sich für den Sprachlernenden möglicherweise als Verstehenshindernis, und zwar dann, wenn der SINNGLEICHHEIT eines Ausdrucks keine BILDGLEICHHEIT entspricht. Das fremde Bild, die fremde Bildlichkeit kann ihn – für sich genommen – erheitern, aber sie kann ihn auch verwirren und sogar in eine peinliche Situation bringen, wenn der Schlüssel zur Übertragung fehlt. Dass man »Oma nicht in die Brennnesseln schubsen« sollte (»Faut pas pousser grand-mère dans les orties«), versteht sich selbstredend. Doch was ist der verborgene Sinn dieser derb-komischen Verhaltensregel? Für das deutsche Pendant (»Man muss die Kirche im Dorf lassen«) wird umgekehrt der französische Muttersprachler Hilfe bei der Entschlüsselung benötigen. Beide Redewendungen wollen mit ihren Metaphern vor Aufbauschung, Übertreibung, überzogenen Maßnahmen warnen.

Das figurative Sprechen, d. h. die Aneignung der sprachlichen Bildlichkeit, beginnt mit der Kindheit und ist ein lebenslanger Lern- und Bildungsprozess. Auf Bildlichkeit zu verzichten, ist unmöglich, denn sie hat eine kaum ersetzbare Funktion: Sie erlaubt es, Urteile, Bewertungen, Gefühle und Stimmungen zu übermitteln. Der Nicht-Muttersprachler, mag er über einen noch so differenzierten Wortschatz verfügen, wird dieses Maß an Vertrautheit schwerlich erreichen. In einem viel höheren Maße als Lexik und Grammatik ist somit die metaphorische Sprache eine Herausforderung für den Fremdsprachenlerner, nicht nur im Kontext der schönen Literatur, sondern in jedem Bereich der menschlichen Kommunikation, ob Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Sport oder Werbung. Am lebendigsten aber ist sie in der Alltagssprache vertreten, die Metaphern nicht nur tradiert, oft seit der Antike oder dem Mittelalter, sondern täglich neue metaphorische Ausdrücke hinzuerfindet. Nicht selten bildet das schöpferische Vermögen der Alltags- bzw. Umgangssprache erst die Voraussetzung für die spätere Verwendung der neuen Bilder in der Schriftsprache.

In Schulbuchtexten ist der metaphorische Sprachgebrauch gegenüber dem in der authentischen Sprache deutlich reduziert – aus vielerlei nachvollziehbaren Gründen –, doch führt die mangelnde Konfrontation mit den andersartigen Bildern der Nachbarsprache nicht nur zu einer Einschränkung des individuellen Ausdruckswillens, sondern auch zu einer Einschränkung der Fähigkeit, Anschaulichkeit und Lebendigkeit, Humor, Witz und Komik in der fremden Sprache zu erfassen. Letzten Endes sind es das Verständnis und die Anwendung der bildlichen Sprache, die den Unterschied ausmachen zwischen einer ausreichenden Beherrschung einer anderen Sprache und dem authentischen Sprachvermögen des Muttersprachlers.

In diesem Zusammenhang verfolgt das Wörterbuch ein klares Ziel:

 Es will in erster Linie Schülern, Studenten, Lehrern, Freunden der französischen wie deutschen Sprache konkrete Entschlüsselungshilfen bieten.

 Es will darüber hinaus die Benutzer dazu anregen, sich hier und da selbst der fremden Metaphorik zu bedienen.

Zu wünschen ist, dass der Leser nicht nur philologisch auf seine Kosten kommt, sondern dass ihn auch die Perspektivität der jeweiligen Bilderwelten bereichert: mal nachdenklich stimmt, mal erheitert.

Angesichts des (unüberschaubar) weiten Feldes feststehender bildlicher Redewendungen war es unerlässlich, Grenzen für die Auswahl zu ziehen. Das vorliegende kleine Wörterbuch berücksichtigt nur Metaphern im Kontext, d. h. in satzwertigen oder Mehrwort-Verbindungen. Ausgeschlossen sind somit konventionelle (sog. lexikalisierte) Metaphern, die einen erheblichen Anteil am Wortbestand jeder Sprache haben und deren metaphorischer Ursprung meist nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Wörter wie »pomme de terre«, »chou-fleur« oder »feu rouge« gehören zum Fundamentalwortschatz des Französischen und sind in jedem Standardwörterbuch zu finden; auch etwas entlegenere Bilder wie »gratte-ciel« oder »larmes de crocodile« sind ohne gedankliche Umwege verständlich.

Dieses Ausschlusskriterium gilt auch für metaphorische Wendungen, deren Sinn sich durch wörtliche Übertragung ins Deutsche ohne Weiteres erschließt – wie beispielsweise »être la cinquième roue du carrosse«, »peser le pour et le contre«, »avoir un cœur d’or«. Denn so wie sich in der Bildsprache einer Sprachgemeinschaft das unverwechselbar Besondere ihrer Erfahrungen niedergeschlagen hat, so gilt das umgekehrt für einen Grundbesitz an kulturellen Erfahrungen, die eine Sprachgemeinschaft mit anderen teilt.

Unberücksichtigt in dieser Sammlung bleibt auch die große Fülle an Spruchweisheiten (proverbes), die – schon vom traditionellen Wortsinn her – einen eigenen Bereich, gekennzeichnet durch ihre lehrhafte Intention, beanspruchen.1 Was ihre volkstümliche Bildhaftigkeit anlangt, berühren sie sich zwar stellenweise mit modernen bildlichen Redewendungen, doch erlauben es ihr Lehrstück-Charakter und ihre eigene sprachliche Gesetzlichkeit (d. h. ihre unveränderliche Formulierung), sie gegen diese abzugrenzen.

Eingang gefunden in die vorliegende Sammlung haben metaphorische Wendungen aller Sprachebenen, von der »hohen« Literatur bis zur derben Alltagssprache. Veraltete Bilder wurden dabei bewusst außer Acht gelassen.

Folgende Kriterien waren für die Aufnahme entscheidend:

 Differenz zwischen Sinngleichheit und Bildgleichheit (im deutsch-französischen Sprachvergleich)

 Originalität und innovativer Wert

 Geläufigkeit bzw. Frequenz im Gebrauch

 schwieriges Auffinden bzw. Nichtvorhandensein in Standardwörterbüchern.

Die Sammlung ist aus pragmatischen Gründen konsequent alphabetisch geordnet. Jede Wendung ist für sich glossiert, wobei Wiederholungen auf derselben Seite vermieden werden. Erklärt werden in der Regel alle Wörter, die im Thematischen Grund- und Aufbauwortschatz Französisch (Stuttgart: Klett 2000) nicht zum Grundwortschatz gehören. Da die meisten Wendungen der Umgangssprache angehören und mit übertragenen Bedeutungen spielen, wurde auf die Angaben »(fam.)« und »(fig.)« in der Regel verzichtet, zumal die Stilebene oft aus der Übersetzung hervorgeht. Wo eine Wendung als vulgär einzustufen ist, ist dies allerdings stets angegeben.

Berthe-Odile Simon-Schaefer

Expressions et locutions du français moderne

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