Читать книгу Fräulein Else von Arthur Schnitzler: Reclam Lektüreschlüssel XL - Bertold Heizmann - Страница 4

1. Schnelleinstieg

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Fräulein Else gehört zu den späten Erzählungen Schnitzlers. Wie in der 20 Jahre zuvor entstandenen erfolgreichen Novelle Lieutenant Gustl bedient er sich der Technik des »inneren Technik: Innerer MonologMonologs«. Als ein Bekannter ihm gegenüber später gesteht, bei der Lektüre von Fräulein Else wegen dieser Erzähltechnik große Schwierigkeiten gehabt zu haben, antwortet ihm der Dichter zu dessen Überraschung, selten sei ihm »etwas Erzählendes so leicht von der Hand gegangen«.1 Er wundert sich, angesichts der Leichtigkeit, mit der ihm die Arbeit von der Hand ging, sowie der »ganz außerordentliche[n] Möglichkeiten«, die diese Technik biete, selbst darüber, dies so selten getan zu haben.2 Allerdings räumt er ein, es würden sich »nur wenige Sujets dazu« eignen.3

Das ›Sujet‹ der Novelle, die selbstquälerischen Zweifel der 19-jährigen Else, lässt Schnitzler eine Erzählweise wählen, die die Distanz zwischen Erzähler und Protagonistin verringert, ja fast völlig aufhebt: Elses Monolog ist in hohem Maße subjektiv und erlaubt dem Leser Einblicke in ihr Inneres, ohne durch Reflexionen eines auktorialen Erzählers unterbrochen zu werden. Schnitzler ist oft dafür gerühmt worden, wie überzeugend es ihm, dem mehr als 60-Jährigen, gelungen ist, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt eines jungen Mädchens einzufühlen. Er erweist sich einmal mehr als souveräner Schnitzler: Kenner der weiblichen PsycheKenner der weiblichen Psyche; gerade seine persönlichen Erfahrungen mit durchaus problematischen Frauenfiguren – wozu auch seine zum Zeitpunkt der Abfassung der Novelle 15-jährige Tochter Lili zu zählen ist – haben seinen Blick geschärft für die ›weibliche‹ Sichtweise in Bezug auf Erziehung, Moral, Gesellschaft, Sexualität.

Der zu seiner Zeit berühmte, aber wegen der vielen SkandalschriftenSkandale um seine allzu freizügigen Schriften vielfach angefeindete und mit Prozessen überzogene Autor ist lange Zeit auf diese Skandalschriften, insbesondere den Reigen, reduziert worden. Im Nationalsozialismus bediente Schnitzler das Vorurteil, jüdische Schriftsteller brächen sämtliche moralischen Gesetze oder Tabus und seien deshalb als ›undeutsch‹ oder ›entartet‹ abzulehnen. Auch nach 1945 litten Schnitzlers Schriften unter dem Makel, als allzu zeitbezogen zu gelten: Man amüsierte sich eher darüber, dass derartige Darstellungen das damalige Publikum schockieren und empören konnten. Erst in den letzten Jahrzehnten ist die literarisch interessierte Öffentlichkeit bereit, in Schnitzler auch wieder den sensiblen Psychologen und Gesellschaftskritiker zu sehen, dem es in seinen Theaterstücken und Erzählungen gelungen ist, bei aller Zeitgebundenheit grundsätzliche menschliche Darstellung menschlicher VerhaltensweisenVerhaltensweisen in ihrer Problematik zu thematisieren. Einen schönen Beleg liefert der Film Eyes Wide Shut von Stanley Kubrick (1999), der auf Schnitzlers Traumnovelle basiert: Mühelos gelingt es Kubrick, die Thematik der zwanziger Jahre in Wien nach New York des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu transponieren – die Dramatik der zwischenmenschlichen Spannungen ist hier wie dort dieselbe.

Auch wenn es heute fraglich erscheint, ob ein junges Mädchen sich in einer vergleichbaren Situation derartigen seelischen Qualen aussetzt, wie es Else: Selbstfindungsprozess in fragiler UmweltElse tut, so ist die Erzählung dennoch mehr als ein bloßes Spiegelbild einer untergegangenen Zeit, sie ist die nachvollziehbare Darstellung des Selbstfindungsprozesses eines jungen Menschen in einer gesellschaftlich und moralisch fragilen Umwelt.

Fräulein Else von Arthur Schnitzler: Reclam Lektüreschlüssel XL

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