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II Wie man es auch betrachtet

Szene

Das Musikzimmer. Vor dem Fenster ein mondbeschienener, noch leicht mit Schnee bestäubter Rasen.

Zeitpunkt

Die frühen Morgenstunden einer bitterkalten Märznacht.

Dramatis personae

Gaskin in seiner üblichen Rolle als Faktotum.

Four und Five in ihrer üblichen Rolle als beleidigte Leberwürste, einer Mischung aus hauteur und Verachtung, die sie immer und unweigerlich an den Tag legen, wenn ich nach längerer Abwesenheit nach Hause zurückkomme. Beide sitzen mit dem Rücken zu mir sehr dicht vor dem Kamin. Gelegentlich werfen sie sich bedeutungsvolle Blicke zu. »Dieses Gebaren«, sagen sie, »nimmt allmählich überhand. Anscheinend bildet er sich ein, dass er monatelang fortbleiben kann, und wir sollen anschließend so tun, als wäre nichts gewesen. Das dürfen wir ihm auf keinen Fall durchgehen lassen. Wir müssen es ihm zeigen.« Und das tun sie, sie zeigen es mir, auf unmissverständliche Art und Weise. Es wird fast eine ganze Woche dauern, bis sie sich wieder normal verhalten.

Und schließlich ich selbst, ein wenig mitgenommen vom Flug über den Atlantik. Trotzdem kann ich es kaum erwarten, in den Garten zu gehen, obwohl es wirklich vernünftiger wäre, bis zum Morgen zu warten.

Also sage ich Gute Nacht. Gaskin greift sich Four und Five mit einer einzigen formvollendeten Bewegung. Als überaus entzückende Bündel aus angesengtem, leicht mit Asche überpudertem Fell baumeln sie vor ihm. In der Hoffnung, ihnen vielleicht wenigstens ein winziges Zeichen des Erkennens zu entlocken, mache ich einen Schritt auf sie zu. Zwei eisig-grüne Augenpaare starren mich an. Ich hätte es wissen müssen.

Und jetzt können wir die Tür des Vorraums öffnen und nach draußen gehen.

Im hellen Mondlicht wirkte der Garten wie die Szenerie für ein Winterballett, wenn die Bühne leer daliegt, die Tänzer nach Hause gegangen sind, die Musik verklungen ist und Stille herrscht. Trotzdem war eine leise Melodie zu vernehmen, denn es hatte angefangen zu tauen, und unter den Ästen der Blutbuche erahnte man ein geisterhaftes Geläut in verschiedenen Höhen und Tiefen – Tropfen, die sanft auf vereistes Laub fielen. Bis morgen Mittag würde der größte Teil des Schnees verschwunden sein.

Aber ganz hinten war noch eine dicke Schneewehe zu sehen, blendendweiß im Mondlicht. Wieso hatte sie sich so lange gehalten? Wegen des Anstiegs des Geländes? Weil Page irgendetwas mit Flechtwerk geschützt hatte? Ich ging hin, um mir die Sache genauer anzusehen, und als ich näher kam erkannte ich, dass dieses Weiß nicht das Weiß von Schnee war, sondern das von Blüten. Die ganze Böschung war ein einziges Meer aus Schneeheide, die so üppig blühte wie nie zuvor.

Es war ein großer Moment in meinem gärtnerischen Leben, denn es hätte keine schönere Rechtfertigung der ständigen Loblieder geben können, die ich auf diese wunderbare kleine Pflanze, Erica carnea ›Springwood White‹, gesungen hatte. Jahre zuvor hatte ich im ersten Begeisterungstaumel in einem anderen Buch geschrieben, sie würde sogar auf einem Eisberg wachsen. Nun, genau das hatte sie getan. Als ich mich bückte und die Taschenlampe anknipste, um mir ein genaueres Bild zu machen, sah ich, dass die Blüten absolut makellos waren, ohne auch nur den winzigsten braunen Fleck. Man hätte meinen können, sie hätten den Winter gemütlich eingekuschelt unter einer Glasglocke verbracht.

Gleich daneben zeigten sich erst jetzt, im Licht der Taschenlampe, die rosafarbenen Erica carnea ›King George‹, frisch und rosig und gleichermaßen unbeeinträchtigt vom Wüten des Winters. Hätte es im ganzen Garten nichts anderes gegeben, wäre er dennoch ein Ort der Fröhlichkeit und der Festlichkeit gewesen.

Das hier ist übrigens das letzte Mal, dass ich über die Winterheide schreiben werde, denn wer sie nach diesem dramatischen und strikt wahrheitsgemäßen Beweis ihrer Tugenden immer noch nicht anpflanzt, sollte gescheiter im Haus bleiben und den Rest seines Lebens damit verbringen, seine Wachsbegonien abzustauben. Aber da wir auf diese aufregende Art und Weise über sie gestolpert sind, will ich mir die Zeit für einen praktischen Hinweis in Bezug auf die Heide im Allgemeinen nehmen, weil es vielleicht doch noch etwas über sie zu sagen gibt, was nicht bereits gesagt wurde.

PRAKTISCHER HINWEIS

Heide. Psychologischer Ansatz. Wahrscheinlich wollen Sie jetzt wissen, was mit »psychologischer Ansatz« gemeint ist. Am besten kann ich es Ihnen am Beispiel des Gartens einer Nachbarin von mir erklären, der verstorbenen Herzoginwitwe Lady Linlithgow, die auf der anderen Seite des Common lebte. In ihrem Garten gab es nicht das winzigste Fitzelchen Heide. Wieso nicht? Nicht etwa, weil sie Heide hasste, sondern weil sie sie zu sehr liebte. Für sie war Heide gleichbedeutend mit Schottland; sie war gleichbedeutend mit den Hügeln und Tälern, die sie von ihrem Zuhause kannte, Hopetoun House, dem vielleicht lyrischsten und schönsten Gebäude der britischen Inseln. Auf gar keinen Fall bedeutete Heide ein Fleckchen Farbe in einem kleinen, na gut, verhältnismäßig kleinen, Provinzgarten. Sie wäre ihr dort so fehl am Platz vorgekommen wie das riesige Porträt eines hochvornehmen Vorfahren im Gästezimmer einer Mansardenwohnung.

Und was hat das alles mit dem normalen Durchschnittsgärtner zu tun, der wohl eher kein Herrenhaus im Hintergrund seines Lebens aufweisen kann und daher auch keinen Grund für derartige Vorbehalte hat? Meiner Meinung nach sehr viel. Ich glaube nämlich, dass viele Menschen psychologisch gegen gewisse Pflanzen »konditioniert« sind und jemand, der über die praktischen Seiten des Gärtnerns schreibt, auch diesen Faktor berücksichtigen sollte.

Denken Sie an den Seltsamen Fall von – nein, nicht Dr. Jekyll und Mr Hyde, sondern von John Betjeman und den Rhododendren. Einer der wenigen Gründe für die Hoffnung, dass nicht die gesamte britische Bevölkerung völlig verrückt geworden ist, ist die Beliebtheit von John Betjemans Gedichten. A Few Late Chrysanthemums verkaufte sich über hunderttausend Mal, und es ist tröstlich, dass seine klaren, melodischen Verse trotz aller nationalen Zwistigkeiten Gehör finden. Jedenfalls sollte man meinen, dass John jenen unschuldigen Blick besitzt, der Schönheit frei von allen irrelevanten Assoziationen wiederspiegelt, doch wenn er vor einem Rhododendron steht, sieht er keinen Rhododendron, sondern einen Börsenmakler. Er ist blind für die bunten Karnevalsfarben, blind für die vielen Schattierungen von Karmesin und Kirschrot, von Lila und Violett und Zitronengelb, weil er dahinter immer ein Herrenhaus im nachgemachten Tudorstil sieht und beißenden Zigarrenrauch riecht. Und er ist nicht der Einzige. Es gibt Hunderte von Menschen, die die seltsame Obsession teilen, dass Rhododendren »Börsenmaklerblumen« sind, so wie es Hunderte von Leuten gibt, die Orchideen für »böse« halten. Falls Sie das nicht glauben, sollten sie dem Orchideenhaus in Kew einen Besuch abstatten und sich die idiotischen Kommentare der Besucher anhören, die größtenteils so ähnlich lauten wie: »Oh … iiih … irgendwie sind sie gruselig!«

Zurück zu den Heiden. Ich glaube, der Grund dafür, dass so wenige Leute die grenzenlosen Möglichkeiten der großen Familie der Heidekrautgewächse erkennen, ist der Tatsache geschuldet, dass sie sie zu oft in Anpflanzungen gesehen haben, die ihrem Naturell widersprechen – in formale Beete eingepfercht, in mickrigen kleinen Polstern aus vielleicht einem halben Dutzend Pflänzchen, wie Soldaten in Reih und Glied vor einer Backsteinmauer aufgestellt. Keine andere Pflanze hasst formale Behandlung so sehr wie die Heide; und keine reagiert dankbarer auf Verständnis.

Hier meine persönlichen Regeln für den Umgang mit Heide. Sollten sie willkürlich klingen, kann ich es nicht ändern. Sie haben sich jedoch als sehr erfolgreich erwiesen.

1. Gehorchen Sie dem Diktat des Bodens. Wenn Ihr Boden sehr kalkhaltig ist, ist die Zahl der Sorten, die Ihnen zur Verfügung stehen, leider begrenzt, aber Sie können alle winterblühenden Sorten nehmen, und davon gibt es nicht weniger als fünfundzwanzig. Dazu kommt, dass »winterblühend« in diesem Fall sehr weit gefasst ist und den Zeitraum von Mitte November bis Anfang April meint. Zudem wird die Schönheit der Blüten in manchen Fällen auch vom Laub erreicht, wenn nicht gar übertroffen. Das Laub einer Erica carnea aurea ist von einem so leuchtenden Gold, dass man sich kurz nach Weihnachten der Illusion von Sonne überm Rasen hingeben kann.

Auf mittelmäßig kalkhaltigen Böden können Sie durchaus Erfolge mit den meisten mediterranen Heiden erzielen, die Ihnen im Frühjahr Farbe und das ganze Jahr hindurch Höhe schenken. Die vergleichsweise gewöhnliche Erica mediterranea zum Beispiel erreicht eine Höhe von anderthalb Metern, und ihre rosa Blüten heben sich leuchtend von dem dunkelgrünen Laub ab. Es gibt mindestens ein Dutzend mediterrane Heiden, unter denen Sie wählen können, in Weiß und Rosa, zwischen einem halben und anderthalb Metern hoch, die bis in den Juni hinein blühen.

Die einzige andere Heide, die Sie auf kalkigem Boden gefahrlos anpflanzen können, ist die korsische Heide, Erica terminalis, die im Juli blüht. Obwohl mein bevorzugter Heide-Versandgärtner schreibt, dass sie »schön geformte Büsche« bildet, kann ich das aus meiner eigenen Erfahrung nicht bestätigen. Meine korsischen Heiden sehen immer eher draufgängerisch und verwegen aus.

Besitzer von Gärten mit relativ geringem Kalkanteil im Boden können mit der wunderschönen mitsommerlichen Cornwall-Heide, Erica vagans, experimentieren, vor allem, wenn sie sich die Mühe machen, ihr gelegentlich eine Dosis Sequestrene zukommen zu lassen, jenem bewundernswerten Produkt, das ich in einem früheren Buch als »Gottes Geschenk an jene, die mit kalkhaltigen Böden geschlagen sind« beschrieben habe. Es bewirkt keine Wunder, senkt den Alkaliwert aber um, sagen wir, zwanzig Prozent.

Auf sauren Böden ist die Liste der Heiden unvergleichlich länger.

Der Garten ist geöffnet

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