Читать книгу Schau nach vorn - nie zurück - Bianka Kitzke - Страница 5

Die Einladung zum Klassentreffen

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Trish wohnte seit mittlerweile drei Wochen in Berghausen. Zum Glück hatte sie den Umzug gut überstanden. Einige ihrer Teller waren zwar zu Bruch gegangen, doch das war nichts, das man nicht bei Ikea wieder bekam. Trish hatte ein kleines schickes Häuschen mit kleinem Vorgarten. In diesem wucherte zwar nur Grünzeug, aber das war ihr egal. Es war ihres. Sie hatte eine kleine Terrasse auf der Südseite, auf die sie einen Tisch und zwei Klappstühle gestellt hatte. Das reichte. Wer sollte auch hier sitzen außer Sally und sie? Trish war sehr zufrieden mit der neuen Umgebung. Sie hatte sich um eine Agentur gekümmert, die ihre Aufträge verwaltete, und sie dann von A nach B schickte. Um immer in Bewegungen zu bleiben, ging sie nach der Arbeit im nahegelegen Park joggen. Trish stand an der Glasfront ihrer zweiten Terrasse. Hier konnte sie Partys feiern oder einfach nur relaxen. Ob das aber je der Fall sein würde, da war sich Trish nicht sicher. Das Haus besaß an der Seite einen Autostellplatz und dahinter konnte man von hinten das Haus betreten. Vielleicht sollte sie doch ein paar Gartenmöbel besorgen? Trish schnaubte. Allein der Gedanken an die ganzen Besorgungen machte ihr jetzt schon Kopfschmerzen. Doch was sollte es. Sie war glücklich und genoss ihr neues Leben. Wie in Trance fuhr sie die Konturen ihres Körpers nach und lächelte. Du bist so heiß meine Liebe grinste sie in sich hinein. Und nun wurde sie von der Vergangenheit eingeholt, als der Brief kam, der alles wieder real werden ließ und kaputtmachte.

Das Datum für die Feier kam immer näher und Trish ging immer mehr die Muffe. Sollte sie wirklich dahin? Was hatte sie zu verlieren? Nichts! Sie sah gut aus, hatte keine Klauennnase, keine Dumboohren- oder Draculazähne mehr. Ein Dank an die plastische Chirurgie. Für die Unreinheiten der Haut gab es ja genügend Cremes und Puder. Und seit sie kein Gramm Fett mehr zu sich nahm, war sowieso alles super. Sie musste sich also keine Sorgen machen. Das einzige Problem bestand allerdings darin, das nichts Passendes zum Anziehen im Schrank hing. Zumindest nicht für ein solchen Auftritt. Trish musste wohl oder übel zum Einkaufen. Nach Stunden langen Shoppens und anprobieren verschiedener Klamotten und Schuhen kam Trish Stunden später mit fünf Tüten nach Hause. Und in einer dieser Tüten befand sich das gewisse Outfit in dem sie garantiert alle Blicke auf sich zog. Sie wollte dem Rest der Welt zeigen, dass sie ein Schwan und nicht mehr das kleine hässliche Entlein war. Zuerst musste sie die Kleider nach und nach noch mal anprobieren, um zu sehen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit war. Als sie schließlich das schwarze Glitzerkleid in den Händen hielt, hatte sie ihre Wahl getroffen. Das würde das Outfit für das Klassentreffen sein. Zwei Tage, bevor das Treffen war, telefonierten Trish und Sally noch einmal lange miteinander. Trish hatte immer noch ihre Zweifel, ob es richtig war dahin zu gehen. Was wenn sie auf Liam stoßen würden? Was sollte sie ihm sagen, wenn sie sich gegenüberstehen würden? Oder sollte sie ihn links liegen lassen? Nein, das wäre unhöflich.

„Trish beruhige dich. Es ist zehn Jahre her. Er wird dich nicht erkennen. Niemand wird dich erkennen. Du bist in guten Händen und denk daran, du hast keine Angst.“

„Ich habe keine Angst. Vor was auch? Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Ich werde es ihnen zeigen. Ich bin stark.“

„Genau. Wann genau holst du mich ab?“

„Um acht. Bis dann,“ sagte Trish und legte auf.

Meinte sie jetzt acht am Abend oder acht am Morgen?

Samstag! Der Tag der Vergangenheit, - ging es Trish durch den Kopf, als sie am Morgen die Augen aufschlug.

„Ich fass es nicht, dass ich da wirklich hingehe“, murmelte sie immer und immer wieder vor sich hin. Nachdem sie in die Küche geschlendert und sich einen Kaffee gemacht und die Zeitung gelesen hatte, beschloss sie erst mal zu duschen. Während dieser Zeit spukten ihr die verrücktesten Dinge durch den Kopf. Dass sie stolperte und hinfiel. Dass sie im Matsch landete. Denk an was anderes,- ermahnte sie sich es wird nichts dergleichen passieren. Sie zog sich an, legte ihr Make-up auf und begab sich zu ihrem Wagen. Den hatte sie sich von ihrem restlichen Ersparten geleistet, und er sah total edel und schick aus. Obwohl er nichts Besonderes war. Er diente hauptsächlich zum Erledigungen machen, aber heute diente er auch zur Angabe. Wenig später parkte Trish ihren Wagen in der Hofeinfahrt von Sally. Noch bevor sie klingeln konnte, sprang die Tür auf und ein kreischendes Etwas drückte sich an sie.

„Wow! Scheiße siehst du gut aus. Mensch ich freu mich so. Lass dich drücken.“

„Sally ich bekomme keine Luft mehr. Lass mich bitte los. Ich freue mich doch auch, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen.“

„Komm rein. Du bist früh dran. Ich dachte du kommst erst um acht ... heute Abend!“

„Wir haben uns so lange nicht gesehen. Da dachte ich wir verbringen den Tag zusammen und quatschen über alles. Meine Klamotten und so habe ich dabei“, sagte Trish und hielt ihre Tasche hoch.

„Super. Komm rein. Ich mach Kaffee.“

Trish fielen sofort die Bilder an der Wand auf, die sie beide zeigten. Wie sie auf Schulfesten waren oder draußen vor ihren Elternhäusern … mal als Kind … mal als Teenie.

„Nicht zu glauben, wie fett ich war“, sagte Trish, als Sally den Raum wieder betrat.

„Ja! Du hast dich sehr verändert. Du bist erwachsen.“

„Was denkst du erwartet uns heute Abend, wenn sie uns sehen“, fragte Trish, als sie im Wohnzimmer herum schlenderte.

„Bei mir eventuell ein Hallo. Bei dir wahrscheinlich Wow. Und das allein schon wegen deiner Beine. Schau dir diese Beine an …“

„Was ist denn damit?“

„Sie sind perfekt. Und gehen bis zum Himmel.“

Trish musste lächeln.

„Danke.“

„Nicht dafür“, antwortete Sally und sah auf ihre Uhr. „Vielleicht sollte ich jetzt mal beginnen, mich herzurichten. Die Zeit verfliegt geradezu.“

„Wäre eine Überlegung wert“, sagte Trish und lächelte ihrer Freundin zu. „Ich warte hier!“

Sally nickte und verschwand im Badezimmer. Lächelnd stieg sie unter der Dusche und dachte an den kommenden Abend. Sie freute sich, und das nicht nur, weil Trish wieder da war. Viel mehr freute sich auf die blöden Gesichter ihrer ehemaligen Mitschüler, wenn diese erst mal Trish wieder sahen. Bis zur besagten Adresse waren es nur einige Kilometer und Trish fand den Weg ganz ohne Hilfe. Nachdem sie ihren Wagen auf der Parkfläche abgestellt hatte, schaute sie sich prüfend um.

„Suchst du etwas?“

„Nein! Mir kommt es nur so vor, als ob ich hier schon mal war.“

„Warst du auch. Das ist die Stelle, an der früher unsere Schule stand.“

Trish zog sich der Magen zusammen. In ihrem Inneren sah sie wieder, wie sie die Stufen hinunter gestolpert war, wenn man sie wieder ausgelacht hatte.

„Aber … aber … früher … was ist passiert?“

„Vor circa. fünf Jahren hat es hier einen Brand gegeben. Wahrscheinlich Brandstiftung. Sagen zumindest die Zeitungen. Herausgefunden hat man es nie. Danach mussten sie die Schule abreißen und an einem neuen Ort neu aufbauen. Und anstatt der Schule steht nun hier diese Halle.“

Langsam gingen sie auf den Eingang zu. Trish war es, als ob sie wieder eine Tonne wog und speckig wäre. Ihr Herz raste und ihr Puls beschleunigte sich von Minute zu Minute mehr. Als sie die Tür öffneten, saß am Eingang eine Frau die Trish nur zu gut kannte. Sie hatte sich nicht verändert. Sie war etwas molliger geworden. Hatte statt ihrer braunen, nun blonde Haare und trug eine Brille. Trish hatte zwar auch eine, aber an solchen Tagen trug sie lieber Kontaktlinsen.

„Hallo. Eure Namen bitte.“

„Sally Busch.“

Lisa schaute Sally abschätzig an, gab ihr das Namensschild und drückte ihr dann den Stempel auf die Hand.

„Hallo, schön dich zu sehen. Viel Spaß heute Abend.“

„Na! Geht das auch freundlicher?“

Als Antwort verdreht Lisa aber nur die Augen. Nun war Trish an der Reihe.

„Deinen Namen bitte!“

„Als erstes Mal – Lisa, begrüßt man Leute, die man seit Jahren nicht gesehen hat etwas freundlicher. Auch wenn man ihnen früher die Hölle heiß gemacht hat, und sie einen dafür für immer hassen. Aber das weißt du natürlich nicht. Wahrscheinlich ist dir beim Färben der Haare ein wenig Farbe in dein Gehirn gelaufen, wenn du so was überhaupt besitzt.“

„Na hör mal. Wer bist du denn, dass du mich so fertig machen musst.“

Trish stellte sich dichter als Lisas Tisch und stützte ihre manikürten Finger auf der Platte ab.

„Ich habe noch gar nicht angefangen dich fertigzumachen, obwohl du es verdient hast. Und jetzt gib mir dieses blöde Namensschild, bevor ich anfange dich platt zu machen.“

„Name?“

„Trish Moore!“

Lisa blieb der Mund offen stehen. Sie blickte an Trish hinab und konnte nichts mehr von sich geben.

„Mach den Mund zu. Ist ja widerlich - und einen Stempel brauche ich nicht.“

Damit schnappte sich Trish das Namensschild und ging an der völlig perplexen Lisa vorbei drehte sich aber noch mal um. Mit erhobenem Haupt ging sie neben Sally den Flur entlang.

„Das tat gut.“

Sally konnte sich das Lachen nun nicht mehr verkneifen und brüllte laut los.

„Hast du gesehen, wie die geschaut hat.“

„Ich hätte am liebsten weiter gemacht, aber das war sie mir dann doch nicht wert. Es wird sicher andere Möglichkeiten geben. So dann wollen wir doch mal sehen, wo die anderen Doofnasen sind.“

Trish ging hinter Sally in den großen Saal. Er war wunderschön geschmückt. Von der Decke hingen Tausenden Ballons, an den Wänden Pergamente, und über der Bühne, auf der eine Band Live Musik machte, hing ein Transparent, auf dem in großen Buchstaben der Jahrgang des Abschlusses stand. 10 Jahre ging es Trish durch den Kopf. Trish schaute sich noch etwas unbeholfen in der Gegend um, als sie eine kreischende Stimme vernahm.

„Sally? Oh du liebe Zeit. Sally bist du es wirklich. Du hast dich überhaupt nicht verändert. Wie geht es dir?“

Sally schaute die Frau dann Trish verwundert an.

„Tut mir leid. Ich fürchte ich kann mich nicht erinnern.“

„Rosalie! Ich war früher bei Emma, Margret und Lisa in der Klasse. Kannst du dich erinnern?“

„Ja, jetzt wo du es sagst, weiß ich es wieder. Die Parallelklasse! Du gehörtest du denen die uns, mich und Trish schikanierten. Wie konnte ich das nur vergessen?“

„Tut mir leid. Aber das ist ja schon so lange her. Wie ist es dir ergangen?“

„Gut danke und dir?“

„Auch gut. Ich bin zweimal geschieden, habe drei Kinder, was will man mehr. Und du? Bist du alleine hier? Schade das Trish nicht da ist. Ich habe gehört sie soll nach Trinidad gegangen sein.“

„Es war Kanada. Und wer sagt, dass sie nicht da ist?“

Rosalie fing an zu grinsen.

„Naja, man hätte sie doch sehen müssen. Immerhin hat sie damals schon den Türrahmen ausgefüllt.“

Rosalie gab ein grunzendes Geräusch von sich und Sally dreht sich angewidert um, als Trish hinter Rosalie erschien.

„Wie ich sehe, bist du immer noch so eine Tratschkuh wie damals, Rosalie.“

Rosalie drehte sich um und starrte in Trishs Gesicht.

„Kennen wir uns?“

„O ja, wir kennen uns. Nicht sehr gut, weil Leute wie du mich gemieden haben, aber wir kennen uns. Ich habe dir damals Rache geschworen, für all das was ihr drei Ziegen mir angetan habt. Und hier bin ich nun.“

Rosalies Blick wanderte von Trish zu Sally und in den Raum.

„Keine Sorge, es ist niemand da der dir helfen könnte, und wenn würde es mir auch nichts ausmachen.“

„Wer bist du?“

Sie hatte die Frage gerade gestellt, als eine aufgelöste Lisa herein gestürmt kam. Sie sah, wie Trish sich Rosalie unter den Nagel gerissen hatte und eilte auf sie zu.

„Rosalie, - Rosalie! Weißt du, - weißt du wer das ist?“

Lisa zeigte mit dem Finger auf Trish die mit verschränkten Armen, kerzengerade vor Rosalie stand. Die beiden schauten zu Trish, während diese sich in voller Größe vor Ihnen aufbaute.

„Komm schon, Barbie. Sag ihnen, wer wieder da ist.“

Lisa wollte gerade sagen, um wen es sich handelt, als die Musik verklang und die Scheinwerfer auf die Bühne gerichtet wurden. Der Schulsprecher und seine Stellvertreterin betraten die Bühne und hielten eine kleine Ansprache, wie sehr sie sich freuten und allen einen schönen Abend wünschten. Die Halle hatte sich gefüllt und anscheinend hatten alle einen Gesprächspartner gefunden, als Molly, die stellvertretende Schulsprecherin das Wort erhob.

„Es freut mich, dass ihr alle gekommen seid. Es ist so lange her und es gibt sicher vieles zu erzählen. Ich wünsche euch ganz viel Spaß dabei. Vielleicht ist ja einer oder eine unter euch, die eventuell etwas sagen möchte zu dem heutigen Abend.“

Trish wandte sich der Bühne zu und sah dann Sally an. Dies war der perfekte Augenblick. Mit einem Lächeln stieg Trish in ihren hochhackigen Pumps die Stufen hoch. Jetzt war der Moment gekommen, in dem sie die Katze aus dem Sack ließ.

„Guten Abend zusammen“, verkündete sie, aber irgendwie hörte ihr niemand zu. Trish holte tief Luft und sah, wie Sally ihre beiden Daumen drückte.

„Nun ja, zehn Jahre sind vergangen und nun stehe ich hier und ich muss sagen, - ich hasse euch noch immer.“

Da Trish ihr Namensschild nicht angebracht hatte, wusste niemand wie sie hieß. Sie kannten sie nur unter Fetti und Dumbo. Alle Blicke ruhten auf ihr.

„Ihr fragte euch jetzt, was haben wir dieses Frau angetan, das sie uns hasst. Ich sage es euch. Ihr kennt mich nur unter meinem Namen, - nein besser - unter dem Namen den ihr mir gegeben habt.“ Trish musste lachen, bei dem Anblick den Gesichter.

„Ihr habt mich anders in Erinnerung. Ja, Leute seht mich an …“

Nun kam sie richtig in Fahrt. Ihre Stimme wirkte nicht mehr unsicher und leise, nein sie wirkte stark und kraftvoll.

„Seht her und staunt. Gut kann ich mich noch an die Namen erinnern. Sie haben mich verfolgt, sie haben mir weh getan und sich tief in meine Seele gebrannt.“

Trish hielt ihre Ansprache und jeder hörte zu, außer einer Gruppe Männer die an der hinteren Bar standen und ihr Bier tranken. Erst als Trish den Namen Klauennase und Dumbo gebrauchte, sah einer von ihnen hoch und drehte sich um. Das kann nicht sein, - ging es ihm durch den Kopf.

„Bin gleich wieder da, Jungs.“

„Alles klar, Liam. Wir werden hier warten.“

Wie in Trance steuerte er auf die Bühne zu. Und erstarrte, als er sie sah.

„Trish!“, flüsterte er kaum hörbar. Liam war der Einzige, der sich erinnerte. Er kannte all die Namen, die man ihr gegeben hatte. All die bösen Dinge, die sie verletzten und nun stand sie da und nahm Rache.

Schau nach vorn - nie zurück

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