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Erster Teil:Grundlagen und Methodik 1.Strafrecht – was ist das?
ОглавлениеWas ist „Strafrecht“ eigentlich überhaupt? Womit befasst es sich? Was unterscheidet es von anderen Rechtsgebieten? Darum soll es zuerst gehen. Die Frage ist also zunächst: welche Rechtsgebiete gibt es überhaupt? Was macht diese dabei aus? Und vor allem: was macht das Strafrecht dabei aus? Zur Illustration dient dabei nachfolgender
Fall 1:
Der B hat sich seinen Traum von einem Haus im Grünen verwirklicht und außerhalb der Stadt ein Haus gebaut. Leider hat er die erforderliche Baugenehmigung nicht eingeholt und hätte sie aus Landschaftsschutzgründen auch nicht erhalten. Als das Bauamt davon erfährt, schickt der zuständige Sachbearbeiter S dem B ein Schreiben, in dem steht, dass B das Haus beseitigen müsse. B, der weiß, wo der ihm flüchtig bekannte S wohnt, ist so verärgert, dass er zum Haus des S fährt und dort so lange gegen den Briefkasten tritt, bis dieser viele Beulen hat. Welche Rechtsgebiete sind berührt?
Als Hinführung soll folgende erste Überlegung dienen: Was im Fall hat überhaupt alles rechtliche Relevanz und wen betrifft es jeweils?
Es gibt zunächst die Beseitigungsanordnung (und vorangehend den Schwarzbau durch B). „Beteiligt“ an der Beseitigungsanordnung sind B und die Baubehörde.
Rechtlich relevant ist ferner die Zerstörung des Briefkastens:
Zum einen kommt es durch die Tritte des B zur Entstehung eines materiellen Schadens bei dem S als Privatperson; beteiligt sind insoweit B und S.
Ferner steht eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) im Raum. Auch hier ist S als Geschädigter irgendwie beteiligt, aber es ist auch das Feld von Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgerichten.
Nach den Beteiligten lassen sich diese Rechtsverhältnisse nun systematisieren:
Die Beseitigungsanordnung betrifft das Verhältnis Bürger – Staat.
Es geht also um eine Hierarchie und damit ein vertikales Verhältnis bzw. eine Über- und Unterordnung.
Rechtsfragen, die dieses Verhältnis betreffen, gehören zum öffentlichen Recht.
Weitere Beispiele öffentlich-rechtlicher Regeln wären: Erteilung eines Aufenthaltstitels für Ausländer, Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, Erteilung eines Waffenscheins.
Beim Schadensersatz für den zerstörten Briefkasten stehen sich – wieder im Fall – mit B und S zwei Bürger gegenüber.
Es geht also um eine Rechtsfrage zwischen rechtlich gleichgestellten Bürgern, also ein horizontales Rechtsverhältnis.
Das Rechtsgebiet, in dem sich Bürger mit Forderungen gegenüberstehen, heißt Zivilrecht (oder auch „bürgerliches Recht“).
Weitere Beispiele sind: Kaufverträge, Mietverträge, Beauftragung eines Handwerkers (sogenannte Werkverträge).
Im Fall kann S von B Schadensersatz verlangen.
Soweit es die Sachbeschädigung als Straftat betrifft, gilt Folgendes:
Zwar ist eine Sache des S zerstört worden, S ist also Geschädigter. Die strafrechtliche Rechtsfolge ist aber nicht der Ersatz des entstandenen Schadens, sondern eine Bestrafung. Der B wird also vom Staat bestraft, etwa mit einer an den Staat (!) zu zahlenden Geldstrafe.
Die Bestrafung erfolgt dabei durch den Staat in Form eines Gerichts, und dies in einem vertikalen Verhältnis bzw. einem Über- und Unterordnungsverhältnis.
Es geht im Strafrecht also um öffentliches Recht, dass die Bestrafung des Bürgers zur Rechtsfolge hat.
Strafrecht ist also eigentlich ein Unterfall des öffentlichen Rechts, dass sich aber wegen seiner besonderen Inhalte zu einem eigenen Rechtsgebiet verselbstständigt hat.
Es gibt mithin drei große Rechtsgebiete: Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht.
Entsprechend ergibt sich zur Beschreibung dessen, was Strafrecht ist, die folgende
Definition „Strafrecht“:
Das Strafrecht umfasst diejenigen öffentlich-rechtlichen Normen, die die Voraussetzungen und Folgen eines mit Strafe bedrohten Verhaltens regeln.
Die Funktion des Strafrechts besteht dabei im Rechtsgüterschutz. Der Straftatbestand der Sachbeschädigung etwa schützt das Eigentum (vor Beschädigung und Zerstörung), der Straftatbestand des Totschlags, § 212 StGB, schützt das Leben, der der Körperverletzung gem. § 223 StGB die Gesundheit.