Читать книгу Enjoy Summer, drink Beer and kiss a Cowboy - Billy Remie - Страница 5
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ОглавлениеDie unendlichen Weiten zogen an ihm vorbei, karg und doch nicht leer. Unendlich lag es da, das staubige Land, von dem er niemals aufgehört hatte, zu träumen. Es gab hier nichts außer Wildnis, keine Stadt, keinen nahen Supermarkt, keine Häuser, die sich aneinanderreihten. Weit und breit nur Land und Staub. Statt Rehen und Kaninchen, standen Kängurus neben den Straßen, ihre Umrisse zeichneten sich vor der Sonne ab.
Als Stadtmensch konnte man sich das gar nicht vorstellen, wie unbedeutend und klein man sich vorkam, wenn man einmal ein paar Stunden einer langen, endlosen Straße durch das Outback gefolgt war. Winzig wie eine Ameise auf einem riesigen, kargen Ackerfeld. Die Sträucher und Bäume sahen durstig aus, doch sie waren Kämpfer, so wie alles, das hier lebte. Vom kleinsten Tier bis zum größten Menschen.
Und doch hatte all das einen ganz besonderen Reiz auf ihn, eine tiefsitzende Faszination und Sehnsucht. Er hätte sich einen Rucksack aufschnallen und in der Wildnis verschwinden können, mehr hätte er nicht gebraucht. Kein Internet, kein fließendes Wasser, nur er und was ihm das Land so bot. Doch um dort draußen zu überleben, fehlten ihm einige nötige Kenntnisse.
Und er war nicht dumm.
Aber es gab ja zum Glück andere Möglichkeiten, um mitten im Outback zu überleben, nicht mit dem Rucksack als blauäugiger Tourist, sondern als Arbeiter auf einer der abgelegenen Farmen.
Max hatte sich schon als kleiner Junge immer gewünscht, irgendwann einmal auf der Farm seiner Tante in Australien zu leben. Mit seinem Vater war er jeden Sommer dort gewesen und hatte zugesehen, wie sich die großen, starken Arbeiter in ihren Cowboyoutfits auf ihren Pferden um die großen Rinderherden gekümmert haben, und er hatte wie sie sein wollen. Er hatte die endlose Weite und ihre sich bietende Freiheit bewundert, er hatte die Hitze geliebt, die vielen verschiedenen wilden Tierarten bestaunt, und war geradezu fasziniert von der Abgeschiedenheit gewesen.
Doch das war eine Ewigkeit her.
Nach dem beruflichen Hoch seines Vaters vor zehn Jahren war er nicht mehr dort gewesen. Und im letzten Jahr war sein Vater dann auch noch tödlich verunglückt. Max‘ Mutter hatte das Geld nicht für diese Reise aufbringen können, außerdem wäre sie nie mit ihm zu seiner Tante geflogen. Sie mochte weder das Land noch die Schwester ihres verstorbenen Mannes.
Umso größer war die Freude gewesen, als Max‘ Tante ihm nach seinem Schulabschluss die Erlaubnis gegeben hatte, bei ihr zu wohnen, wenn er für seine Unterkunft arbeitete.
Genau das war immer sein Traum gewesen, seit er das allererste mal in der Hitze Australiens auf einem Pferderücken gesessen hatte. Und für den Flug hatte er über ein Jahr lang gespart. Max‘ Mutter hatte sich darüber nicht freuen können, aber da er nun achtzehn war, konnte sie es ihm nicht einmal verbieten, wenn sie es versucht hätte.
Ja, er war sehr jung – aber wann, wenn nicht jetzt, sollte er dieses Abenteuer wagen? Wenn er erst einmal eine Ausbildung oder ein Studium in Deutschland angefangen hätte, hätte er es niemals getan, dann hätte es immer irgendwelche Ausreden gegeben. Und sollte etwas schieflaufen, konnte er immer noch zurück. Er hatte sich gesagt: Jetzt oder nie, und es einfach gewagt. Die Naivität der Jugend, hatte seine Mutter getadelt, ihm am Ende aber geholfen, alles in die Wege zu leiten. Er flog immerhin zu seiner Tante – nicht zu irgendwelchen Fremden. In dieser Hinsicht hatte er einen großen Vorteil. Trotzdem wusste er, dass er nicht mit Samthandschuhen angefasst werden würde.
Voller Vorfreude saß er nun unendlich weit von der Heimat entfernt in einem Wagen, der ihn durch die staubige Weite des Outbacks zur Farm seiner Tante fuhr. Den Flug hatte er hinter sich, die Zeitverschiebung machte ihm ganz schön zu schaffen, aber er hatte während der langen Fahrt etwas schlafen können und fühlte sich jetzt nicht mehr ganz so erschlagen.
Das Fenster war einen Spalt heruntergekurbelt und trockenwarmer Fahrtwind zerzauste ihm das struppige, dunkelbraune Haar. Er mochte das Klima, auch wenn er wusste, dass es wieder einige Zeit dauern würde, bis er sich daran gewöhnt hatte.
Der ältere Mann, der den Wagen fuhr, hatte das Radio aufgedreht und summte ein Lied mit, das Max völlig unbekannt war. Draußen zog die atemberaubende Landschaft Australiens vorbei. Es fühlte sich für Max an, als käme er endlich nach Hause zurück. Sein Herz schwoll an und auf seinem Gesicht lag ein Lächeln.
*~*~*
Nach einer schier endlosen Fahrt durch das Outback fuhr der Wagen endlich auf das große, verwitterte Wohnhaus der Farm zu und hielt an. Es war ein wunderschöner Steinbau mit hölzernen Fensterrahmen und einer überdachten Veranda. Rings herum befanden sich die Unterkünfte der Rinder und Ställe für die Pferde. Es gab alte Scheunen, Lagerhallen und Weidezäune aus Holz, die diesem Ort etwas Romantisches verliehen. Alles wirkte etwas verwildert, im Hof rostete ein alter Anhänger vor sich hin.
Es sah alles noch genauso aus wie vor vielen Jahren, stellte Max fest, während er sein Gepäck aus dem Kofferraum hievte. Selbst der alte funktionsunfähige Trecker stand noch unter dem Dach neben der Einfahrt. Nur das Efeu, das sich an den Steinwänden der Gebäude emporschlängelte, war dichter zugewachsen als damals.
»Max!«, rief eine bekannte Stimme.
Er drehte sich zu seiner Tante um, die mit Strohhut auf dem Kopf aus der Eingangstür stürmte und die Arme ausbreitete, während sie auf ihn zuging.
»Tante Lisa!« Max grinste, als er in die starken Arme der kleinen Frau gezogen wurde. »Schön, dich zu sehen.«
»Schön, dass du hier bist«, erwiderte Max‘ Tante auf Englisch und drückte ihn fest an sich.
Tante Lisa war eine Frau in den Fünfzigern, die harte Arbeit auf dem Land hatte ihr Arme wie ein Bär und einen breiten Rücken beschert, aber sie war schon von Geburt an eine eher stämmige Frau gewesen, mit runden Gesichtszügen, großen Händen und muskulösen Beinen. Neu war ihr etwas korpulenter Bauchumfang, aber das störte Max wenig. Tante Lisa hatte außerdem dunkelbraunes Haar und hellblaue Augen, ganz genauso wie Max‘ Vater und Max selbst. Die Familienähnlichkeit war nicht von der Hand zu weisen.
»Gut siehst du aus«, sagte Max, nachdem er sich aus der Umarmung gelöst hatte, »vital und gesund, so wie immer.«
Tante Lisa lachte aus voller Kehle und legte sich eine Hand auf den Bauch. »Ja, hier lebt es sich gut, wie man überdeutlich sieht.«
Max beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Du siehst wie immer wunderschön aus, Tante Lisa.«
»Schmeichler«, tadelte sie ihn scherzhaft.
Max wandte sich kurz ab, als der Fahrer des Wagens den Kofferraum schloss, um diesen für seine Dienstleistung zu bezahlen. Doch Tante Lisa kam ihm zuvor und übernahm das.
»Danke, aber das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Max, während der Mann mit dem Wagen davonfuhr.
Tante Lisa winkte ab und ließ das Thema fallen. Stattdessen nahm sie Max an den Schultern und betrachtete ihn. »Nun lass dich mal genauer anschauen, mein Junge. Ich kann kaum glauben, wie erwachsen du jetzt bist.«
Max schmunzelte, weil er diese Aussage nicht unterstützen konnte. Er wurde immer jünger geschätzt, weil er klein und dürr war, mit einem schmalen, femininen Gesicht.
»Aber du bist viel zu dünn, genau wie deine Mutter«, warf Tante Lisa ihm vor.
Max lachte: »Lass sie das mal lieber nicht hören.«
»Komm, gehen wir rein und schauen mal, womit wir dich füttern können. Du brauchst Proteine für diese Art von Arbeit.«
Sie hing sich Max‘ Reisetasche um, nahm seinen Koffer wie selbstverständlich und schob gleichzeitig Max ins Innere des Wohnhauses.
Es war angenehm kühl im Haus, was vermutlich daran lag, dass sämtliche Fenster geschlossen gehalten wurden, solange die Mittagssonne hoch am Himmel stand und erbarmungslos auf die Erde niederbrannte. Zudem waren alle Fensterrollläden heruntergelassen, um die Sonnenstrahlen auszusperren. Das kannte Max noch von früher.
Das Innere des Hauses war geräumig. Unten gab es eine große Küche, ein Esszimmer, ein Arbeitszimmer und ein Badezimmer. Durch eine Diele kam man über eine Holztreppe hinauf zu den Schlafzimmern. Es gab insgesamt fünf Räume und ein Badezimmer mit Duschwanne, das er sich künftig mit den Bewohnern teilen musste.
Abgesehen von Tante Lisa wohnte hier noch ihre Freundin Helene. Tante Lisa war kinderlos und unverheiratet. Früher hatte Max nicht verstanden, warum seine Tante keinen Mann hatte, mittlerweile hatte er eins und eins zusammengezählt. Zwei Frauen, beide unverheiratet, die seit Jahren unter einem Dach lebten und zusammen diese Farm führten? Es lag auf der Hand, dass die beiden nicht einfach nur platonische Freundinnen waren. Vielleicht war das der Grund, warum Tante Lisa und Max‘ Mutter sich nicht verstanden. Denn seine Mutter war bei solchen Dingen etwas … engstirnig, wie sich herausgestellt hatte.
Tante Lisa führte ihn die Treppe hinauf und in das Schlafzimmer am Ende des langen Flures.
»Es ist kein Palast, aber zum Schlafen wird es ausreichen, hoffe ich«, sagte Tante Lisa als sie beide das Schlafzimmer betraten.
Es war ein heller Raum, mit weißen Wänden und hellem Parkettboden. Die Kommode, der Schreibtisch und das leere Bücherregal waren alle aus hellem Holz, und das doppelte Metallbett war weiß gestrichen und mit weißer Bettwäsche bezogen.
»Es ist fantastisch«, versicherte Max.
Tante Lisa lächelte glücklich. »Also gut. Ich lasse dich kurz allein. Du kannst dich frisch machen, ein paar Sachen auspacken. Wo das Badezimmer ist, weißt du ja sicher noch? Ich mache uns einen kleinen Snack und rufe dich, wenn ich fertig bin.«
»Ist gut.«
Nickend verschwand sie und zog die Tür hinter sich zu.
Nach vielen Stunden endlich mal kurz allein, erlaubte Max sich, für einen Moment die Augen zu schließen und durchzuatmen.
Er war froh, hier zu sein, dennoch fühlte er sich ziemlich erledigt von der Anreise. Sicherlich würde sein Körper um Schlaf betteln, sobald er etwas im Magen hätte, aber diesen Luxus konnte er sich hier nicht mehr erlauben. Die Leute hier draußen konnten mit Faulenzern nichts anfangen, und er musste beweisen, dass er keine zarte Stadtpflanze war. Auch wenn er so aussah, dachte er nervös.
Max war bewusst, dass er sich hier erst Respekt verdienen musste. Nicht von seiner Tante, sondern von den Arbeitern. Von all den großen, muskulösen Kerlen, die schon ihr Leben lang diese harten Arbeiten durchführten, die hier geboren wurden.
Und einen dürren Jungen wie ihn, der sich ständig ausruhte, konnten sie sicher nicht gebrauchen.
Max hatte die Befürchtung, wegen seines schmalen Körpers nicht akzeptiert zu werden.
Dies geschah ihm nämlich leider allzu oft.