Читать книгу Luca - Zwischen Nichts und Allem - Billy Remie - Страница 6
1.2
ОглавлениеIch hatte mein Handy vergessen. Es war nicht das erste Mal, dass ich es in der Umkleide nach dem Sport liegen ließ, also ging ich davon aus, dass es nicht für immer verloren blieb. Am Montagmorgen würde ich es wieder abholen können, denn leider fiel es mir erst auf, als ich bereits in meinem Zimmer den Rucksack in eine Ecke schmiss.
Weshalb ich mich schleunigst an meinen Computer setzte und einen Chat mit Timo begann. Jedoch nur kurz, denn dann entschlossen wir uns, eine gepflegte Runde via Headset zu plaudern und dabei einen Shooter zu spielen.
Das kam mir auf zwei Arten zu Gute. Zum einen lenkte es mich von meinen immerwährenden Fantasien über Mr. Olsson ab, zum anderen konnte ich das unerträgliche Gestöhne aus dem Nebenzimmer auf diese Weise nicht mehr hören.
Mein Bruder poppte mal wieder irgendeine Alte, und ich konnte es wie üblich durch die papierdünne Wand mitverfolgen, die meine winzige Abstellkammer, die ich Zimmer nannte, von seinem Prinzengemach, dass die Präsidentensuite unserer Wohnung war, trennte.
Wen auch immer er da abgeschleppt hatte, ich konnte ihr helles Stimmchen bereits vernehmen, als ich die Wohnung aufgeschlossen hatte, und sie klang ätzend. Wie eine Maus, die man über eine Feuerzeugflamme hält. Und die Dinge, die sie von sich gab, lagen irgendwo zwischen absurd und lächerlich witzig. Oh du bist so geil! Oh du fickst mich so gut. Oh ich liebe es, deinen Schwanz zu schlucken, er schmeckt so gut!
Nicht, dass ich kein Verfechter des schmutzigen Geredes wäre, ganz im Gegenteil, ich steh voll auf Dirtytalk, aber ich konnte es ihr nicht abkaufen. Vielleicht, weil sie von meinem Bruder sprach, und ich anhand des rhythmischen Polterns seines Bettes, das gegen meine Wand krachte, mit Bestimmtheit sagen konnte, dass er nicht gut war. Hinzukam, dass ich den Gestank seines Zimmers kannte, und ich mir nicht vorstellen konnte, dass sein Schwanz gut schmeckte, wenn er so roch.
Wie dem auch sei, ich war froh, den beiden eine Weile nicht zuhören zu müssen, als sie darüber debattierten, ob sein Schwanz zu groß für ihren Arsch wäre.
Da kam mir Timos Bassstimme und das Geräusch abgefeuerter Waffen gerade Recht, und ich konnte meine sexuelle Frustration im Spiel rauslassen, statt wie geplant in mein Kissen zu schreien.
Gegen Abend entschloss ich mich, mein Zimmer zu lüften und mir etwas zu Essen zu machen. Es war Sommer, deswegen hatte sich meine winzige Kammer aufgeheizt, vor allem wegen des Computers, der unter dieser Belastung wie ein Heizkörper fundierte. Als ich das Fenster öffnete, bemerkte ich erst, wie stickig es im Raum war. Die wochenalte Dreckwäsche, die wie ein Teppich über meinem Laminatboden verteilt war, hatte sich mit dem Geruch meines durchschwitzten T-Shirts vermischt, sodass der ganze Muff erst einmal aus meinem Zimmer entweichen musste, um wieder frei atmen zu können. Meine Mutter hatte recht, ich bin nicht gerade der ordentlichste Mensch, aber sie kam ohnehin nur alle paar Wochen sonntags dazu, dies zu bemerken, immer dann, wenn sie gestresst den Hausputz zwischen ihre wichtigen Termine schob, weshalb es mich nicht kümmerte. Was will sie schon tun, mir Hausarrest aufbrummen? Sie war ja gar nicht da, um zu bemerken, ob ich es einhielt.
Meine Mutter war Leiterin einer großen Marketingabteilung irgendeines Modelabes, das mich nicht interessiert, und mein Vater war Versicherungsvertreter, der lieber den Tag im Büro verbrachte, auf Geschäftsreisen ging, und sich zum Abendessen ein Bier und Chinesisch vom Lieferdienst vor dem Fernseher gönnte, falls er nach Hause kam.
Um das Essen und Einkaufen kümmerten wir uns selbst. Ich wusste, dass ich mir noch eine Tiefkühlpizza aufgehoben hatte, und mir lief bereits das Wasser im Mund zusammen, als ich nur daran dachte. Ich liebte Pizza! Fast so sehr wie Currywurst.
Obwohl, es gab für mich nichts Geileres als eine Currywurst mit Pommes von der Imbissbude. Aber die Pizza stand eindeutig auf Platz Zwei.
Als ich aus der Kammer trat – manchmal kam ich mir wie Harry Potter vor – war es nebenan still geworden. Ich wagte einen Blick durch die offene Tür. Ich sah einen nackten Rücken, eine schmale Taille, weiße Haut und einen Vorhang gefärbter, blonder Haare. Pornopüppchen, eindeutig! Sie saß mit dem Rücken zu mir und zog sich gerade wieder an, mein Bruder war nicht im Zimmer. Ich hörte die Dusche im Bad rauschen, als ich daran vorbei ging, um in die Küche zu gelangen.
Und dann die große Enttäuschung: Das Kühlfach war leer.
Ich starrte ungläubig darauf, wie ich es so oft tat. War ich wirklich noch überrascht? Eigentlich nicht, trotzdem schaute ich jedes Mal wie blöd aus der Wäsche.
Dieser dreckige Wichser frisst immer mein Zeug! Weil er zu faul zum Einkaufen war.
Na Prima, und aus war es mit meinem Pizzatraum.
Ich war bereits wütend, aber als ich mir stattdessen ein Brot schmieren wollte, durfte ich erkennen, dass er auch jenes leergefressen hatte, dieser Bastard, und ich zitterte vor Zorn.
Sauer warf ich die Schranktür zu, wo wie üblich ein Leib Brot bereit lag. Alles war aufgebraucht, er hatte mir nur eine halbe Schüssel Müsli übriggelassen, aber die Milch stand auch leer im Kühlschrank.
Ich hätte ihm am liebsten aus der Scheißdusche gezogen und im Klo ertränkt.
Friss Scheiße, du Penner!
»Chris!«, brüllte ich aus der Küche, als ich notgedrungen mein Müsli mit dem letzten Rest Orangensaft übergoss. Soll ja auch schmecken, oder? Allerdings sollte ich eigentlich wegen der Säure kein Saft trinken, davon bekam ich nämlich Bauchschmerzen – und Schlimmeres. Aber das nahm ich in Kauf, weil ich außer dem Frühstück, das aus einem alten Muffin bestand, heute noch nichts gegessen hatte.
»Christopher! Du blöde Kackbratze! Das war meine Pizza«, brüllte ich in den Flur. Ich wusste nicht, ob er mich hörte, aber seine Alte würde es bestimmt. Es gab mir zumindest Genugtuung, ihn anzubrüllen. Denn ansonsten würde er einfach so damit davonkommen.
Chris war der Prinz in diesem Haus. Der wundervolle Sohn. Groß, männlich, sportlich und absolut schlau. Und weil er ja studierte – ich wusste gar nicht, was – durfte er sich alles erlauben. Er ging nie einkaufen, drückte keinen Cent für die Haushaltskasse ab, und durfte trotzdem die Schränke leer fressen. Und wehe ich ärgerte mich darüber, dann würde Mama mir eine Standpauke darüber halten, dass Chris ja auch schließlich die Proteine brauchte. Der Kerl spielte zu allem Überfluss nämlich auch noch recht erfolgreich in einem Fußballverein. Kotz!
Ich hasste meinen Bruder. Er war die Ausgeburt des Bösen. Der Antichrist. Mein persönlicher Diktator. Ich wünschte, mir fiele etwas ein, ihn zu stürzen.
Ich hatte jedoch meine eigene Methode entwickelt, mich an ihm zu rächen. Als ich mit meiner winzigen Schüssel und ihrem mickrigen, Bauchschmerz verursachendem Inhalt, an der Badezimmertür vorbeilief, hinter der noch immer das Wasser rauschte, rief ich zu ihm rein: »Ich hoffe, das Brot hat dir geschmeckt, Chris, ich hab die Scheiben vorher abgeleckt.« Jede einzelne. Und wenn ich kochte, und wusste, dass er die Reste, die ich am nächsten Tag verspeisen wollte, unerlaubt aufaß, spuckte ich immer hinein. Das waren nur kleine Genugtuung, aber besser als gar keine.
Als ich fertig gegessen hatte, wollte ich duschen. Aber Chris belegte immer noch das Badezimmer, während seine Olle nebenan fernsah.
»Chris?« Ich hämmerte lautstark gegen die Tür. Der Föhn lief seit gefühlt zwanzig Minuten. Da sein hellbraunes Haar kürzer war als meine Zotteln, fragte ich mich jedes Mal, was er da genau föhnte.
»Verpiss dich«, war seine Erwiderung.
»Deine Eier müssten doch bereits hart gekocht sein«, konterte ich, »lass gut sein, ich will auch duschen.«
»Zwei Kilometer entfernt ist eine Autowaschanlage, kannst ja mal da durch hüpfen.«
Ich verdrehte genervt die Augen. »Du meinst, wo du Hausverbot hast, weil du Lisa während der Wäsche im Wagen gepoppt hast?«
Das war kein Kniff, weil uns seine Alte zuhörte, es war die Wahrheit, und es war ihm peinlich, weil die Bullen kamen und er ein Strafgeld bezahlen musste. Seine neue Tussi fand das gar nicht so lustig, wie ich mit einem Blick über die Schulter feststellen durfte. Sie sah brütend auf die Badezimmertür. Chris würde sich etwas anhören können. »Wer ist Lisa?«
Chris ignorierte, dass ich weiterhin an der Tür klopfte und rüttelte. Dabei sollte er es doch besser wissen, denn ich besaß auch Methoden, um in das Badezimmer zu gelangen, ob er freiwillig öffnete oder nicht.
Und er checkte wirklich nie, wie ich das machte.
Ich holte mir einen dünnen Stift und ein Blatt aus meinem Zimmer. Das Papier schob ich unter dem Türspalt durch, mit dem Stift drückte ich den Schlüssel aus dem Loch, er fiel auf das Blatt, und ich konnte alles auf meine Seite der Tür ziehen und das Badezimmer aufschließen.
Den Trick habe ich aus dem Fernsehen. Wenn das Schlüsselloch für Stifte zu klein ist, ist eine Haarnadel auch geeignet, nur der Türspalt muss groß genug sein, um den Schlüssel hervorzuziehen.
Chris fuhr herum und riss schnell ein Handtuch vom Ständer, das er sich in den Schritt presste, als hätte ich sein Gehänge noch nie gesehen. Oder als könnte ich es mit meinem Blicken in Brand stecken. Wie lächerlich, als ob mich sein Ding tatsächlich interessierte.
»Was soll das, du kranke Sau?«, blaffte er mich an, als ich einfach eintrat und mir das T-Shirt auszog.
»Du brauchst die Dusche doch nicht mehr«, bemerkte ich nebenbei und zog mich weiter aus. Es war mir doch egal, ob er im Raum blieb oder nicht, ich wollte nur schnell unter den Strahl hüpfen.
»Willst du mich bespannen?« Er liebte es, mich mit meiner Sexualität aufzuziehen. »Deinen eigenen Bruder sexuell belästigen?«
»Klar«, gab ich zurück und stieg unter die Dusche, »das einzige, woran ich den ganzen Tag denken kann, ist der Schwanz meines großen Bruders.« Ich drehte mich um und säuselte gespielt lüstern: »Ich spür dich schon in meinem Mund, Chris, oh ja, ich kann an nichts anderes denken, nur daran, wie du in mir abspritzt.«
Er warf mir einen hasserfüllten, giftigen Blick zu. Fast so, als hätte ich ihm eine meiner Sportsocken unter die Nase gehalten. Dann stampfte er mit dem theatralischen Schnauben einer gealterten Diva aus dem Raum.
Echt empfindlich und zickig diese Heten, ehrlich.
Obwohl, es hatte mal eine Zeit gegeben, da hatte Chris mich beschützt. Mehr oder weniger. Als er noch auf meine Schule ging, und ich mein Outing hatte – das ganz offizielle Outing – verbot er allen, mich deshalb zu verarschen. Aber, und das betonte er für mich ganz deutlich, nur weil es sein ganz eigenes Privileg als Bruder war, mich deshalb aufzuziehen.
Ich hatte es ihm wohl zu verdanken, dass mir Sticheleien, Ignoranz und Hass nichts mehr ausmachten, weil ich durch ihn und seine Übergriffe abgehärtet worden war. Es kümmerte mich einfach nicht, falls und wenn sich irgendjemand einen Spruch über mich erlaubte. Schlimmer als Chris, der mich morgens weckte, indem er mir ins Gesicht rülpste, konnte es nicht werden.
Als es dunkel geworden war, klingelte es an der Tür. Chris machte auf, ich ignorierte Besucher genauso kontinuierlich wie Anrufer. Wer was von mir wollte, konnte mich auf dem Handy erreichen.
Ich vergaß in jenem Moment, dass ich es ja gar nicht hatte.
Als es klingelte, stand ich am Fenster und rauchte. Nachdem er mir das Brot und die Pizza leergefuttert hatte, dachte ich, es wäre nur gerecht, ihm ein paar Kippen zu stibitzen, obwohl ich eigentlich nicht so der große Raucher war. Höchstens auf Partys und wenn mir wirklich sehr langweilig wurde, manchmal auch nach einem Orgasmus, je nachdem wie gut er sich angefühlt hatte. Ansonsten brauchte ich kein Nikotin, vielleicht war ich Suchtresistent. Nun rauchte ich rein aus Trotz, nicht etwa, weil ich es nötig hatte.
Um so erstaunter war ich über die Türklingel, denn ich blickte von meinem Fenster aus direkt auf die Straße. Genau in jenem Moment beobachtete ich sogar einen Schatten, der gegenüber an einem Zaun lehnte und scheinbar zu mir hinauf starrte.
Für mich war das nicht gruselig. Ich wusste nicht, ob es sich um einen Nachbarn handelte, jemanden, den ich kannte, aber ich fand es irgendwie prickelnd, dass mich er beobachten könnte.
Ob der gesichtslose Schatten wusste, dass seine bloße Anwesenheit mich steif werden ließ? Ich hätte vor ihm gewichst, keine Frage, wenn ich sicher gewesen wäre, dass er mich deshalb anstarrte. Aber das Risiko war zu hoch, dass es sich nur um einen zu neugierigen Nachbarn handelte, der meiner Mutter davon erzählen würde, dass ich vor dem offenen Fenster wie ein Geisteskranker onanierte.
Wie dem auch sei, der Besucher an der Tür musste an mir vorbeigekommen sein, und ich hatte ihn nicht bemerkt, weil ich den gesichtslosen Unbekannten angestarrt hatte.
»Ey, Arschficker!« Chris tauchte im Türrahmen auf, und ich drehte mich zu ihm um. Er deutete über seine breite Schulter, hielt aber inne, als er sah, wie ich an einer Zigarette zog. Er riss die Augen auf. »Rauchst du meine Kippen?«
Frisst du meine Pizza, Arschloch?
Ich schüttelte dreist den Kopf. »Nö.« Lügen konnte ich schon immer wie gedruckt. »Und woher willst du wissen, dass ich Ärsche ficke?«, fragte ich ihn. »Spannst du etwa, Kackbratze?«
»Schwuchtel«, schoss er zurück und schnaubte dann herablassend. »Na ich glaub kaum, dass die halbe Portion deinen breiten Arsch besteigen kann.«
»Wer trägt hier die XXL-Shorts?« Aber Moment mal, von welcher halben Portion spricht er da? »Mica?«, fragte ich und sah ihn verwundert an. Wie kam er denn auf meinen Ex?
»Der steht vor der Tür.«
Ich blinzelte ihn irritiert an. »Wie bitte, was? Warum hast du ihn nicht rein gelassen?«, schnauzte ich aufgebracht.
Er zuckte mit einem gehässigen Lächeln die Schultern. »Ich wollte ihn rein lassen. Hab gesagt, für Schwanzlutscher kost der Eintritt fünf Euro, aber er hat kein Geld dabei, also hab ich gemeint, er muss draußen warten. Haha.«
»Du mieser …« Ich wollte auf ihn losgehen, und hechtete ihm hinterher, als er lachend davonrauschte.
Er warf mir seine Tür vor der Nase zu. »Wichser!« Ich trat dagegen, aber das brachte nichts, außer, dass er noch mehr lachte. Also wandte ich mich ab und ging nachsehen, ob mein Ex noch vor der Tür stand.
Das tat er. Eingeschüchtert und mit traurigem Dackelblick in seinen bernsteinfarbenen Augen stand er vor mir, als ich die Tür öffnete.
»Hey.«
»Hallo«, gab er verlegen zurück und rieb sich den Arm, kratzte sich, wie er es immer tat, wenn er nervös wurde.
»Warum lässt du dir das von ihm gefallen?«, fragte ich ihn und trat so gleich zur Seite, ich konnte ihn ja nicht so vor den Kopf gestoßen auf meiner Schwelle stehen lassen. »Du weißt doch, wie er ist. Du musst ihn einfach nur ignorieren.«
Er nickte mit gesenktem Blick. »Weiß ich. Trotzdem macht er mir Angst. Kann ich reinkommen?«
Ich nickte und winkte ihn herein. Was dachte er, weshalb ich zur Seite getreten war?
Aber so war Mica eben. Er gehörte zu diesen kleinen, schüchternen Menschen, die dich bereits bei der ersten Begegnung dazu brachten, sie beschützen zu wollen. Er war einer von diesen ganz romantischen, kleinlauten, verträumten Kerlchen, die man einfach liebhaben musste. Anhänglich und treudoof wie ein Hund, den man vor dem Ersaufen gerettet hatte.
Eine halbe Portion, genau wie Chris sagte, noch kleiner als ich, noch dürrer als ich, maisblondes Haar, feminines Gesicht, Longsleeve-Shirts, enge Stoffhosen, winziger, süßer Knackarsch, glattrasierte Wangen, wenig bis gar kein Haarwuchs, helle Stimme, eingezogener Kopf, irgendwie immer ein trauriger Blick, lange Wimpern, Hang zum Klammern und tief romantisch veranlagt, aber ebenso ängstlich, sodass er sich in der Öffentlichkeit immer hinter mir versteckte.
Genauso würde ich ihn beschreiben, aber ich hörte bereits Mr. Olssons Stimme: Das ist wieder nur eine Stichpunktliste.
Jedenfalls, ich mag Mica, und er tat mir leid, weil ich ihn abgeschossen hatte. Ich war sein erster Freund gewesen, sein erster in allem, er verband etwas mit mir. Ich könnte ihn niemals einfach vor die Tür setzen, und ich hatte ihm versprochen, er könnte immer vorbeikommen.
Ich war nicht gut im Schluss machen. Vermutlich wäre es besser für ihn gewesen, hätte ich einen klaren Schnitt gemacht, damit er darüber hinwegkam. Aber ich konnte ihn nicht so allein lassen.
»Komm mit«, forderte ich und schob ihn in mein Zimmer, wo wir ungestört waren.
Wir lernten uns vor einem halben Jahr über einen Chat kennen, und außer mir kannte er keine Schwulen, er war nicht einmal in seinen Kreisen geoutet, traute sich nicht, es zuzugeben. Er war also, wie ich es nannte, schamschwul. Und weil er außer mir sonst niemanden zum Reden hatte, wollte ich ihn nicht einfach absägen.
Außerdem mochte ich ihn ja trotzdem, nur liebte ich ihn nicht so, wie er es verdiente.
»Ich wollte noch mal mit dir reden«, begann er schüchtern.
»Reden«, wiederholte ich, als müsste ich darüber nachdenken. Ich setzte mich auf mein schmales Einmannbett und griff nach meinem Teddy, um meinen Fingern und Augen etwas zu tun zu geben. Erst als er mich vertraut anlächelte, erinnerte ich mich wieder, dass ich den Bären von ihm bekommen hatte.
Wie gesagt, er war sehr romantisch. Das genaue Gegenteil von mir, ich hatte seine Liebesbotschaften immer nur halbherzig zur Kenntnis genommen, weil sie mir nichts bedeuteten. Aber als er mich so anlächelte, tat es mir leid, denn ich wusste plötzlich, dass es ihm viel bedeutete, mir solche Sachen zu schenken. Vom Teddybären bis zum noch so kleinsten Zettel mit süßen Botschaften, mit alledem hatte er mir seine ganze Liebe geschenkt, und ich hatte es einfach ignoriert.
»Dann rede.« Ich lehnte mich zurück, weiterhin mit dem Teddy spielend. Ich bog seine Arme nach unten und bewegte sie auf und ab, bis es aussah, als würde er sich einen runterholen.
Ich war eben nicht romantisch.
»Ich hab über das nachgedacht, was du gesagt hast.«
»Aha.« Ich wirkte nicht sonderlich interessiert, allerdings war ich das selten, und meine gelangweilte Art hatte ihn nie gestört, auch jetzt nicht. Es schien, als wäre ich überhaupt nicht in der Lage, ihn zu kränken.
Unbeirrt sprach er weiter. »Ja, und ich denke …«, plötzlich war er vor mir auf den Knien, legte seine Hände auf meine Schenkel und rieb sie schüchtern, » …ich kann so sein, wie du es willst.«
Oh Shit, das hätte ich kommen sehen müssen.
Doch das hatte ich nicht, seine Anmache traf mich vollkommen unvorbereitet.
»Äh, Mica, du musst nicht …«, so tun, als wärst du jemand, der du nicht bist. Aber ich bekam die Worte nicht über meine Lippen, viel zu peinlich, zu intim, zu schwulstig. »Ehrlich, ich hab dir doch gesagt …«
»Dass du mich nicht liebst, ich weiß.« Er seufzte schwer und hockte sich vor mir auf den Boden, ließ seine schmalen Schultern und den hübschen blonden Kopf hängen, sodass ich mich wie der größte Arsch auf Erden fühlte.
Fuck, ich wollte ihm doch nicht wehtun.
»Mica …« Ich setzte mich auf und legte meine Hand auf seinen Kopf, als wäre ich sein Onkel. Ich war echt beschissen in so etwas. »Ich hab dich wirklich gern, aber …«
Plötzlich war er wieder in Bewegung, schubste mich zurück, sodass ich auf den Ellenbogen landete, und vergriff sich an meiner Hose. Ich trug nur Shorts, weshalb ich seine Berührungen durch den dünnen Stoff fühlen konnte als wäre ich nackt. Und verdammt, er hatte immer schon geschickte Finger gehabt. Ich wurde natürlich unversehens hart, als er mein Gehänge durch die Hose rieb.
»Wir können es doch trotzdem machen.« Seine zwanglosen Worte passten nicht zu seinem unschuldigen, flehenden Blick. Ich wusste, was das werden sollte. Er wollte mich in den Wahnsinn ficken, damit ich ihn zurücknahm. Und ich war schwach.
»Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen«, sagte ich, ließ aber sehr bereitwillig zu, dass er mir die Shorts von den Beinen zog.
Er zuckte mit den Schultern, konnte mir dabei aber nicht in die Augen sehen. »Okay. Aber ich kann ja einfach so hierbleiben.« Er schob mein T-Shirt nach oben und hauchte feuchte, liebliche Küsse auf meinen flachen Bauch, sodass mir unversehens der Schwanz vor Freude zuckte. »Ich will hier schlafen, ja?«
Wie könnte ich diese Bitte ausschlagen? Außerdem war er alt genug, um zu wissen, was er tat, und ich hatte ihn gewarnt, ihn auf meine Gefühle hingewiesen. Wenn er dennoch glaubte, wir könnten einfach so ficken, ohne dass es ihn am Morgen verletzte, war mir das gleich.
Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück.
Mica war gut, er war zwar schüchtern, aber ich hatte ihm seine Hemmungen bereits beim ersten Mal vergessen lassen. Er verwöhnte mich gerne ausgiebig mit Küssen, die er erst über meinen Bauch verteilte, und dann tiefer wanderte. Meinen Schwanz ließ er links liegen, er bahnte sich einen Weg an meiner Leiste hinab und glitt ohne Umwege zu meinen Eiern.
Ich stöhnte, als er sie hingebungsvoll leckte. Dabei erinnerte er mich stets an eine Katze, die ihr Fell putzte und mit Wollknäulen spielte. Er schloss dabei genüsslich die Augen, und seine Zunge neckte verspielt meinen Sack. Abwechselnd ließ er erst das linke, dann das rechte Ei in seinen Mund wandern. Mica wusste wirklich, wie er den Saft aus meinem Schwanz trieb, noch bevor er ihn sich vornahm.
Als er seine weichen Lippen um meine Eichel schloss, drängte ich mich seiner feuchten Mundhöhle entgegen. Meine Hand fand in sein Haar, ich kraulte es, um zu kaschieren, dass ich ihn sacht auf meine Erektion drückte, damit sie bis zur Wurzel in seinem herrlich süßen Mund verschwand.
Stöhnend legte ich den Kopf in den Nacken und ließ ihn weiter machen. Ich hörte sein feuchtes Schmatzen, während er mir hungrig den Schwanz lutschte.
Dann ließ er von mir ab, und ich war mir sicher, was folgen würde. Stoff raschelte, und gleich würde er rittlings auf mich steigen und mich wild reiten. Was ich nicht schlecht gefunden hätte, aber mit ein Grund dafür war, weshalb er mich auf Dauer langweilte. Ich brauchte auch mal wieder einen Kerl, der mich fickte. Wollte mal wieder von jemanden ausgefüllt und genommen werden.
Er überraschte mich, als er sich zwischen meine Schenkel drängte und mit etwas Samtenen gegen mein Loch stupste
Ich öffnete meine Augen und sah ihn mich verlegen anlächeln.
Okay! Ja! »Moment!« Ich drehte mich unter ihm um auf den Bauch, weil ich es liebte, wie ein Köter von hinten gevögelt zu werden, und streckte ihm meinen Arsch entgegen.
Er drang in mich ein und besorgte es mir dann, wie ich es ihm niemals zugetraut hätte. Mein Kleiner konnte kräftig zustoßen, sein Becken pumpte unaufhörlich in mich, und sein Gestöhne verriet mir, dass es ihm gefiel. Was diesen Fick für mich natürlich noch ein Stück berauschender machte.
Mica packte meine Pobacken und hielt sich daran fest, während er mich weiter trieb. Dieses Mal stieß mein Bett gegen die Wand, und ich grinste wölfisch, weil ich wusste, dass Chris es hören konnte. Ich erlaubte mir einen weiteren Scherz mit meinem Bruder, indem ich Mica anfeuerte, schnell und härter zuzustoßen. Sollte Chris sich doch ein Bild dazu malen.
Nicht destotrotz schloss ich dann doch die Augen und konnte nicht verhindern, dass ich mir insgeheim vorstellte, es wäre Mr. Olsson, der mich ausfüllte. Der immer und immer wieder in mich eindrang, mich aufspießte, mit der weichen Spitze seines Schwanzes gegen meine Prostata stieß und eine Pfütze Lusttropfen aus meiner Erektion trieb. Ich ging derart in meiner Fantasie auf, dass ich beinahe »Oh ja, Mr. Olsson« stöhnte, es aber dann doch rechtzeitig in ein gemurmeltes: »Oh ja, M-Mica« umwandelte.
Mica zog mich auf die Knie, ich umfasste mich selbst, und wir kamen kurz hinter einander. Es muss ihm Spaß gemacht haben, sehr viel Spaß, denn mir lief eine ganze Ladung seines Samens hinten raus.
Danach geschah etwas mit mir, dass ich beinahe jedes Mal nach dem körperlichen Akt feststellen konnte: Ich wurde zum zahmen Hauskater. Ich kuschelte mich an Mica und küsste zärtlich seine Schulter, während ich meinen Schenkel über seine Knie schob und einen Arm um ihn schlang. Er hatte mir einen Orgasmus geschenkt, es mir gemacht, mich befriedigt, und irgendwie schienen diese ausgestoßenen Glückshormone nach dem Sex immer dafür zu sorgen, dass ich das Bedürfnis hatte, mich dankbar zu zeigen. Seltsamerweise war ich das wirklich.
Ich freute mich, dass er da war, dass er in meinem Bett lag, freute mich über seinen Saft, der aus mir herauslief, über seinen Duft auf meiner Haut und auf meinem Kissen, über seine Wärme und Nähe. Und ich wollte ihm etwas Gutes tun, ihn liebhaben. Ich knuddelte ihn wie meinen ganz eigenen, lebendigen Teddybären und seufzte zufrieden.
Milde Abendluft wehte herein und kühlte unsere Haut, während wir schmusten, und für einen Moment gaukelte mir die Chemie in meinem Kopf vor, wir könnten doch wieder ein Liebespaar werden. Dass ich mit ihm zusammen sein konnte, jetzt und bis in alle Ewigkeit. Dass alles, was ich zum Leben brauchte, er war und immer nur er sein würde. Dass er mein Schicksal war.
Doch als ich mir danach eine von Chris` Kippen anzündete und sie mit Mica teilte, wusste ich, dass meine Hormone mir Streiche spielten.
Ich lag auf dem Rücken und blies Rauchringe an meine Decke, Mama würde ausflippen, wüsste sie, dass ich rauchte und dann auch noch in meinem Zimmer. Aber sie war ja nicht da, niemand war da, nur Chris, und dem war es egal, er tat es selbst.
»Du liebst mich wirklich nicht, kann das sein?« Eine traurige, nüchterne Frage. Ich konnte seinen Blick auf meiner Wange spüren, und ich hörte ihn schlucken.
»Doch, ich liebe dich«, musste ich mir eingestehen, denn das tat ich wirklich. Irgendwie. Ich zog wieder an der Kippe. »Aber es reicht nicht.«
»Warum nicht?«, wollte er wissen und stützt sich auf einen Ellenbogen. »Was mache ich falsch?«
»Gar nichts.« Er war perfekt, und er war bereit, alles für mich zu sein, wenn ich ihn nur niemals verließ. »Ich steh auf ältere Männer, Mica«, gestand ich ihm schließlich, weil ich es sonst niemanden erzählen konnte, genau wie er niemanden erzählen konnte, dass er schwul war.
»Oh.« Er schien es tatsächlich zu begreifen. Einen Moment lang starrte er grübelnd auf die Matratze hinab und zupfte unsichtbare Fussel vom Laken. Dann ließ er sich seufzend wieder auf den Rücken fallen, und ich gab ihm die Zigarette, an der er kräftig zog, als bräuchte er dringend einen tiefen Zug.
»Was erhoffst du dir davon?« Er klang launig.
»Keine Ahnung.« Erhoffen? Wie meinte er das denn?
Aber ich wollte mir nicht die Blöße geben, dass er mich getroffen hatte.
Erhoffte ich mir etwas von älteren Männern? Ganz klar: ein erfülltes Sexleben, weil mich die Vorstellung, mit einem wesentlich älteren Mann zu schlafen, absolut aufgeilte. Darüber hinaus … soweit hatte und brauchte ich nicht zu denken. Sex war das einzige, was ich wollte. Mica hatte das noch nie verstehen können, weshalb es unsinnig war, es ihm erklären zu wollen.
»Ich steh halt drauf, mir vorzustellen, mit ihnen zu vögeln«, erklärte ich ihm mit einem Schulterzucken. Und wenn schon, was soll`s? »Das ist nicht nur wie eine nette Fantasie, Mica. Das ist ein genauso intensives Verlangen wie mein Schwulsein selbst es ist! Ich kanns halt nicht ändern, dass ich es will. Ich bin so. Fühlt sich an, als wollte ich es immer schon.«
»Hm.« Er schien verärgert, als er mir die Zigarette zurückreichte.
Ich wollte ihn aber nicht verärgern. »Machen wir es noch mal?«, fragte ich schließlich, um ihn abzulenken, und drehte ihm das Gesicht zu.
Er starrte an die Decke und hob die Achseln an, als wäre er sich plötzlich zu fein, mit mir zu reden.
Da ich ohnehin nicht reden wollte, war es mir egal, und sein Achselzucken war kein Nein. Ich warf die Zigarette in die halbleere Wasserflasche und kletterte über ihn. Er wehrte sich nicht, als ich damit begann, den Schweiß aus seinen Achseln zu lecken – dann über seine Nippel tiefer wanderte, und erst recht nicht, als ich ihn wie ein Katzenbaby zum Schnurren brachte, indem ich ihm den Schwanz blies.