Читать книгу Luca - Zwischen Nichts und Allem - Billy Remie - Страница 7
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ОглавлениеMica ging sehr früh am nächsten Morgen. Er hatte die ganze Nacht geweint, und ich hatte ihn im Arm gehalten und ihn auf meine stille Weise zu trösten versucht. Ich wollte ihm gar nicht wehtun, wirklich nicht. Aber ich konnte ihm doch keine falschen Hoffnungen machen!
Irgendwie musste ihn mein Geständnis vor Augen geführt haben, dass er keine Chance hatte, sich noch einmal in mein Leben zu schleichen. Er konnte sich ja wirklich auf viele Weisen verbiegen, aber er konnte eben einfach nicht ändern, dass er erst siebzehn war. Es war trotzdem nicht seine Schuld, erinnerte ich ihn, und ich sagte, dass ich ihn trotzdem in meinem Leben wollte. Doch er hatte darauf nichts zu sagen gehabt und war noch vor dem Frühstück mit Tränen der Enttäuschung, die in seinen schönen, großen Augen gebrannt hatten, davongerauscht.
Ob und wann ich ihn wieder sehen würde wusste ich nicht, und seltsamerweise machte es mir das Herz schwer. Nach einem halben Jahr inniger Beziehung war es nicht leicht, mir vorzustellen, dass er jetzt nicht mehr zu mir gehörte. Wenn ich ehrlich war, wollte ich beides. Ihn und die Freiheit, mir ältere Männer zu suchen. Vielleicht hatte ich mir mit meinem Geständnis erhofft, er würde es mir vorschlagen. »Mach doch! Schlaf, mit wem du willst, aber schlaf auch mit mir.« Das hätte er sagen sollen, und ich wäre voll dafür gewesen.
Aber das konnte ich nicht von ihm erwarten, und jetzt brauchte er erst einmal Zeit, um über mich hinwegzukommen. Genauso wie ich Zeit brauchte, auch über ihn hinwegzukommen. Denn auch wenn ich ein Arschloch war, habe ich ihn doch trotzdem geliebt. Und unter einer Trennung leidet jeder, auch der, der Schluss gemacht hatte. Selbst wenn wir es nicht immer offen zeigen und erst recht nicht immer zugeben wollten.
Mica war noch nicht lange fort, als ich in der Küche stand und mir eine Tasse Kaffee gönnte, da klingelte es bereits wieder an der Tür. Weil ich annahm, Mica wäre vielleicht doch wieder zurückgekommen, er könnte ja auch etwas vergessen haben oder Geld für den Bus brauchen, ging ich diesmal hin, um zu öffnen. Ich drückte den Knopf, damit er ins Treppenhaus konnte, und öffnete die Tür halbnackt in Shorts, mit einer von Christophers Kippen im Mundwinkel und meinem Kaffee in der Hand.
Ich liebe übrigens Kaffee. Nicht diesen ganzen süßen Scheiß wie Schokoladen-Cappuccinos oder Vanille-Latte-Macchiatos, sondern den stinknormalen Kaffee, schwarz. Es gibt nichts Geileres als den Geruch frisch gebrühten Kaffees, egal zu welcher Tageszeit, aber am liebsten werde ich davon geweckt. Nicht, dass es je dazu kam, aber ich stellte es mir sehr schön vor.
Aufwachen, Luca, dein Kaffee wartet schon.
Herrlich!
Es war nicht Mica, der die Treppe nach oben kam.
Als ich ihn erkannte, stockte mir der Atem. Ich fluchte sofort. Meine Kippe landete in meiner Tasse und ich wedelte panisch mit der Hand durch die Luft, um den Qualm zu vertreiben. Scheiße, ich wollte nicht, dass mein Atem nach Nikotin roch, denn Mundgeruch war so ziemlich das Abstoßendste, das ich mir vorstellen konnte. Außerdem kam ich mir gerade äußerst nackt vor, man stand ja nicht alle Tage nur in Shorts vor seinem Geschichtslehrer.
Ob er noch riechen konnte, dass ich letzte Nacht Sex hatte?
Weißt du, dass ich dabei an dich dachte?
Mr. Olsson kam die Treppe hoch und nickte mir zu, wie er es immer bei Schülern tat, die ihm über den Weg liefen, als würde er gleich einfach nur an mir vorüber gehen.
Doch er blieb stehen. Natürlich blieb er stehen, er hatte ja geklingelt, ich Dummkopf.
»Guten Morgen, Luca.« Ein kühler, höfflicher Gruß.
Ich starrte ihn an, als stünde er im Adamskostüm vor mir. »Ähm … G-Guten Mo-Morgen …?«
Verdammt, warum stotterte ich nur so?
Er blieb ganz cool, schmunzelte nicht einmal. Viel mehr schien er in Eile und nicht sonderlich froh darüber, hier zu sein.
Was wollte er?
Bevor ich meine Sprache wieder fand, um ihn danach zu fragen, streckte er die Hand aus und hielt mir etwas entgegen: Mein Handy.
»Du hast es liegen lassen«, erklärte er schlicht.
»Ja«, stimmte ich zu und nahm es an mich. Dabei achtete ich darauf, dass meine Finger seine Hand berührten. Mir wurden die Knie weich wie Pudding, als ich flüchtig seine Haut fühlte. Sie war so warm.
Wusste er, dass ich es mit Absicht tat?
Ich sah ihm direkt ins Gesicht, doch darin war nichts zu erkennen, außer einem unnahbaren Blick.
Und dann, ganz kurz, wanderten seine Augen über meinen Körper. Es war ein normaler Blick, als würde er nur registrieren, was ich trug. Und das war so gut wie nichts. Aber trotzdem wurde mir ziemlich warm in der Lendengegend, denn nichtsdestotrotz wusste er nun, wie mein Körper unter den Klamotten aussah.
Ob es ihm gefiel? Ob ich ihn so heiß machte, wie er mich? Wohl eher nicht.
»Wollen Sie einen Kaffee?«, platzte es unversehens aus mir heraus.
Fuck, was machte ich da nur? Ich wollte mir sofort gegen die Stirn schlagen. Ebenso gut hätte ich ihn gleich fragen können, ob er mich flachlegen wollte. Wie blöd war ich eigentlich? Welcher Schüler bat den Lehrer freiwillig herein und bot ihm Kaffee an? Wobei, vielleicht konnte ich es als reine Höflichkeit abtun. Ich würde einfach behaupten, es wäre eine Floskel gewesen, wie wenn man jemanden einen guten Tag wünscht, nur um kein Arschloch zu sein.
Er ließ sich nichts anmerken, atmete tief ein und aus und wollte dann einfach, meine Einladung ignorierend, wieder gehen. »Also dann. Komm pünktlich am Montag.«
Für dich doch immer, ich komme, wann du es mir befiehlst. »Natürlich, Mr. Olsson.« Noch bevor ich mich besinnen konnte, waren die Worte viel zu anzüglich über meine Lippen gekommen.
Und plötzlich wurde ich schüchtern. Als er auf der Treppe stehen blieb und sich noch einmal umdrehte, huschte ich schnell in meine Wohnung – meinen sicheren Kaninchenbau – und warf die Tür zu.
Ich lauschte mit klopfendem Herzen den leisen Schritten, die die Stufen nach unten nahmen.
»Fuck!«, fluchte ich und schlug den Hinterkopf gegen die Tür. Zum Glück schlief Chris noch und hatte davon nichts mitbekommen. Nicht auszudenken, was mir blühen würde, käme mein teuflischer Bruder hinter mein Geheimnis. Die ganze Nachbarschaft, ach was, die ganze Welt würde erfahren, dass ich auf meinen Lehrer stand.
Ich kippte in der Küche meinen Kaffee mit der Zigarette in die Spüle und verzog mich ohne Frühstück – es war ja nichts mehr da, ich musste erst einkaufen – in mein Zimmer.
Dort setzte ich mich auf mein Bett und nahm mein Handy zur Hand.
Warum brachte er es mir? Warum hatte er nicht gewartet, bis er es mir am Montagmorgen zurückgeben konnte?
War es total irrsinnig von mir zu glauben, er habe es als Vorwand benutzt, um bei mir vorbei zu schauen?
Und warum hatte er bis heute gewartet? Er musste es gestern nach der Schule an sich genommen haben. Also, weshalb hatte er es mir nicht sofort zurückgebracht?
Vielleicht hatte er keine Zeit gefunden? Hatte es nur vergessen, und sich heute Morgen erinnert, als er es in irgendeiner Tasche fand, die er nach seinem Geldbeutel durchwühlt hatte, um sich einen Kaffee und eine Tüte Brötchen kaufen zu gehen?
Ich stellte ihn mir vor, müde und mit zerzaustem Haar, wie er schlaftrunken durch sein Schlafzimmer schlurfte und sich ungelenk anzog.
Bei der Vorstellung, dass ich dabei in seinem Bett lag und ihn beobachtete, musste ich leise seufzen.
Dann fiel mir etwas auf, als ich die Nachrichten auf meinem Handy ansehen wollte, die ich seit gestern verpasst hatte: Meine Galerie stand offen.
Viele Menschen, gerade jene über fünfundzwanzig, vergessen häufig, den Task-Manager zu löschen. Zugegeben, ich mir entfiel es auch häufig, sodass ich jetzt nicht sicher war, ob meine Bilder von ihm oder von mir aufgerufen worden waren.
Hatte ich zuletzt den Ordner mit den Bildern von mir und meinem Ex angesehen, oder war es Mr. Olsson gewesen?
Es handelten sich dabei gewiss nicht um die süßen Bilder eines verliebten Pärchens auf irgendeiner sonnigen Parkbank, das sich gegenseitig auf die Wange küsst. Nein, es waren Fotos von Mica und mir, wie wir es mit einander trieben. Offen und hemmungslos. Bilder davon, wie mein Schwanz in seinen Mund stößt, wie ich ihn von hinten nahm. Videos, wie wir abspritzten. Mica und ich beim Blasen, Wichsen und Vögeln. Das volle Programm. Ich nahm es gerne auf, um es später noch einmal anzusehen. Ich beobachtete mich gerne beim Ficken, es war einer meiner vielen perversen Ticks.
Hatte Mr. Olsson diese Bilder gesehen? Hatte er uns betrachtet, sich darauf vielleicht sogar einen runtergeholt?
Die Vorstellung war dermaßen heiß, dass ich sofort hart wurde.
Ich durchforstete mein Handy, suchte nach Anzeichen, nach möglichen, versteckten Botschaften, doch natürlich fand ich nichts.
Ob er meine Galerie gesehen hatte oder nicht, würde immer nur Spekulation bleiben. Aber ich fand es unheimlich erotisch, mir vorzustellen, es wäre so.