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Gianni und Umberto
1947–2004

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Von den sieben Geschwistern Agnelli übernahmen zwei Brüder die Juve, der Älteste, Gianni (1921–2003), und der Jüngste, Umberto (1934–2004). Der erste ein schillernder Charismatiker, der zweite ein zurückhaltender Pflichtmensch. Gianni und Umberto begleiteten den Klub sechs Jahrzehnte lang als Präsidenten oder Ehrenpräsidenten, vor allem aber stets als Besitzer und in ihren späteren Jahren schließlich auch wie Patriarchen. Der dritte Bruder Giorgio (1929–1965) litt an einer schweren Krankheit und starb früh, die Schwestern hielten sich vom Fußball fern – doch der Erste und der Letzte wurden die herausragenden Mäzene des Calcio in den Jahren des italienischen Wirtschaftswunders. Vorbilder und Konkurrenten für viele andere, kleinere »Feudalherren«, die sich ihre Klubs als teures Spielzeug leisteten, mit dem sie auf Kunden- und Wählerfang gingen. Solches kam den Gebrüdern Agnelli nicht in den Sinn. Sie hatten Juventus nicht gekauft, um damit höhere Ziele zu verfolgen, sondern waren als Erben mit dem Klub aufgewachsen. Er gehörte so selbstverständlich zu ihnen, dass sie gar nicht daran dachten, sich als Fußballbosse ins Rampenlicht zu drängen. Eher diente beiden die Erfahrung als junger Klublenker für spätere, wichtigere Aufgaben im Autokonzern.

Gianni Agnelli redete nicht über Fußball, wenn es um Geschäftliches ging. Er hielt das für unfein. Wenn ihn seine Gesprächspartner auf Juventus ansprachen, empfand er das als Anbiederei. »Man versucht da, eine Vertrautheit herzustellen, die nicht existiert.« Emblematisch aber ist die Episode um Michaíl Gorbatschow, der Turin besuchte, um Gespräche über Fiat und die Produktion in Russland zu führen. Da nahm ihn Gianni Agnelli am Morgen wie selbstverständlich mit zum Juventus-Training und fuhr wie immer selbst. Gorbatschow stieg also vor dem Trainingsgelände aus dem Auto und fragte vollkommen konsterniert den Dolmetscher: »Wissen Sie, was das soll? Was hat denn Agnelli hier auf einem Fußballplatz zu suchen?«

Anders war es mit den Arbeitern, da war Juventus die gemeinsame fidanzata, die Braut, von der beide Seiten träumten, der Fiat-Schlosser im Blaumann und der Industrielle im Kaschmirpullover. Juventus bescherte den Besitzern eine Popularität und eine »menschliche Komponente«, die sie als Industriebosse allein niemals erreicht hätten. Die Fußball-Leidenschaft schien Patron und Abhängige zeitweilig emotional auf eine Stufe zu stellen, litten und jubelten sie doch mit derselben Mannschaft. Für das Binnenklima war der Verein also wichtiger als für die Außenwirkung des Unternehmens.

Nach einem hauchdünnen Sieg seiner Juve beim AS Rom rammte der vom Spiel noch vollkommen benommene Gianni Agnelli einmal auf dem Parkplatz vor dem römischen Olympiastadion mit seinem Fiat 500 mehrere Autos. Die großzügig abgefundenen Geschädigten, allesamt Roma-Fans, zeigten Verständnis, war ihnen doch der damals mächtigste Mann Italiens als Mensch erschienen, geschwächt von jenen emotionalen Erschütterungen, die das spannende Fußballspiel, bei ihm genauso wie bei ihnen, ausgelöst hatte. Dass der Fußball alle gleich macht, ist natürlich eine Illusion, dass er das wirkungsvollste Identifikationspotenzial besitzt, war andererseits im Italien des 20. Jahrhunderts eine Tatsache. Und den Agnelli gelang noch etwas anderes. Sie übertrugen einen weit umspannenden Familiensinn etwa im Sinn einer altrömischen familia, zu der in der Antike auch die Leibeigenen gehörten, auf den Fußball. Sie »adoptierten« herausragende Spieler und vermittelten den Fans das Gefühl, ein Teil der wenn auch entfernteren Verwandtschaft zu sein. Vor allem Gianni Agnelli wollte als tifoso unter tifosi wahrgenommen werden, als »der einzige, der bezahlt«, wie er einmal betonte, aber deshalb noch lange nicht der Chef ist. Eher primus inter pares in einer Schicksalsgemeinschaft.

La Fidanzata

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