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Kapitel 1 Geburt und Kindheit
ОглавлениеEs gibt drei Seiten einer Geschichte.
Die der Sieger.
Die der Besiegten.
Und.... dann noch die Wahrheit.
Wie mir glaubhaft berichtet wurde, erblickte ich an einem Freitag das Licht der Welt.
Am Freitag, den 30. Januar 1920.
Genau zum Paukenschlag der Mittagsstunde.
Die Hebamme hatte es schwer mit meiner Geburt.
Irgendwie, so erzählte man mir, hatte Sie das Gefühl, dass ich mich weigern würde den Schutz des Leibes meiner lieben Mutter an diesem Tage zu verlassen. Beinahe so als ob ich gewusst hätte, was die Geschichte für uns vorgesehen hatte.
Mit meinem ersten Schrei zur Mittagsstunde und nach einer gründlichen kurzen Reinigung übergab mich die Hebamme meiner Mutter.
Ich spürte sofort die Wärme, die mir entgegengebracht wurde.
Hätte man mich danach gefragt, so hätte ich gesagt, dass ich mich geborgen gefühlt hatte. Was auch den Umstand erklären würde, dass ich, sobald ich von meiner Mutter in den Arm genommen wurde aufgehört hatte zu schreien.
Es sei still gewesen, so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören können.
Das Personal und der Arzt hatten sich ratlos angeschaut.
Die Hebamme wollte schon auf meine Mutter zuspringen um mich ihr aus den Armen zu reißen, da sie befürchtet hatte, dass ich nicht mehr atmen würde.
Später erzählte mir meine Mutter über diese Situation, dass ich ihr direkt in die Augen blickte und sie konnte sehen, dass ich lächelte, was sie natürlich erwiderte.
Ich wuchs in unserem Haus, in welchem ich auch geboren wurde, unterhalb des Pfänders auf.
Unser Haus befand sich unweit des Stadtzentrums, in welchem mein Großvater einen Krämerladen bediente, welcher unsere gesamte Familie gut, auch während des Weltkriegs, über die Runden gebracht hatte. Ihm hatten wir es auch zu verdanken, dass wir stets genug zu essen hatten und nur ihm hatten wir es zu verdanken, dass wir unser Heim nicht verloren hatten.
So war ich, wenn man den Geschichten meiner Mutter Glauben schenken durfte, ein sehr ruhiges Kind. Spielsachen, welche man mir zu Hauf vor die Füße legte wurden generell eher von mir ignoriert. Ich war, so sagte man mir und meine Erinnerung scheint diese Erzählungen auch keine Lügen zu strafen, ein eher kränkliches, kleines und blasses Kind.
Zumindest kleiner und kränklicher als andere Kinder meines Alters, mit welchen ich während meiner eignen Kindheit schon nicht sonderlich viel anfangen konnte.
So war ich meist alleine, nicht einsam, wie man nun vielleicht hätte denken können.
Ich war gerne alleine.
Zuhause in meinem Zimmer malte ich mir meine eignen Geschichten aus.
Und trotz, oder eben gerade durch diese vermeintliche Einsamkeit erlernte ich sehr früh das Lesen.
Meine Lehrer in der Volksschule waren dann recht erstaunt, dass so ein kleiner, kränklicher Knirps wie ich bereits verschiedene Bücher der Hochliteratur kannte.
Natürlich war dieser Umstand auch meiner lieben Großmutter zu verdanken, welche mich des Nachts stetig mit verschiedenen Lektüren überhäuft hatte, wenn ich kein ruhiges Auge finden konnte und nicht einzuschlafen vermochte. Ihre sanfte Stimme brachte mich dann langsam mit den Geschichten des weißen Wals, der Schatzinsel, den Detektivgeschichten aus der Bakerstreet oder mit anderen spannenden Abenteuern in angenehmen Schlaf.
Oft träumte ich dann davon, wie ich Kapitän Ahab zur Seite stand und uns die Wellen um die Ohren schlugen oder wie ich mit Watson und Holmes in der Teeküche stand, eine Pfeife im Mundwinkel und über die neuesten Nachrichten schwadronierend, bevor Miss Emily in den Raum hereinplatzte und von einem tragischen Tod berichtete.
All diese Geschichten spielten sich so lebhaft in meinem Kopf ab, dass ich es einfach liebte von ihnen zu hören oder selbst zu lesen.
Alles war dann so real für mich.
Auch war es ihr zu verdanken, dass ich immer wieder mit neuer Lektüre beliefert wurde.
Des Winters, wenn der Herbst sich langsam der Kälte zu ergeben schien, klopften die Krankheiten leise und behaglich an meine Türe. Dann, wenn es wirklich kalt wurde und der Regen sich in Schnee wandelte wurden meine Anfälle, so wurden jede kleine Grippe, von meiner Großmutter genannt, häufiger.
Als dann der Schnee nicht mehr nur die Spitzen des Pfänders bedeckte, sondern das Wasser im Bodensee gefrieren ließ, war es um meine Gesundheit geschehen und ich musste oft wochenlang das Bett hüten.
Diese Erinnerungen trügen mein Bild einer schönen Kindheit.
Oft schämte ich mich, ob der Sorge die ich meiner Familie bereitete und wünschte mir einfach nur ein normales Kind zu sein, ein normales Kind, wie es in den schönen Büchern immer dargestellt wurde. Ein Kind mit Tatendrang, mit Eifer und Forscherwille, mit Erkundungsfreude, mit sportlichem Elan oder auch nur mit reichlicher oder zumindest genügender Gesundheit.
Doch ich war eben anders.
In der Schule wirkte ich für meine Lehrer als sehr verschlossen, nicht besonders aufgeweckt und auch, mit Ausnahme meiner Lesefähigkeit, nicht sonderlich begabt.
Es war deshalb kein Wunder, dass meine lieben Eltern immer wieder zum Schulleiter zu einer Unterredung bestellt wurden.
Die Themen, so mutmaße ich heute, waren wohl immer dieselben.
Unaufmerksam.
Uninteressiert.
Einzelgänger.
Zu Verträumt.
Wenn ich alleine im Flur der Schule, direkt vor unserem leeren Klassenzimmer saß um auf meine Eltern zu warten, während sich diese vom alten Schulleiter immer und immer wieder dieselbe Predigt anhören mussten, konnte ich an den Gesichtern meiner lieben Mutter immer so etwas wie Mitleid oder Sorge erkennen.
Das Gesicht meines Vaters hingegen zeugte immer ein wenig von Abschätzigkeit, vielleicht aber auch nur von Verwunderung, dass ich so gar nicht geraten war, wie er sich dies erhofft oder erwartet hatte.
Ich stellte diese Ausdrücke jedoch nie wirklich in Frage.
Nun ja, vielleicht doch, wenn ich mich recht erinnere, hatte ich im Laufe meiner Jugendjahre immer mehr versucht den Vorstellungen meines Vaters zu entsprechen.
Davon jedoch später mehr.
Es war der 2. April 1923 als mein Großvater aufgebracht nach Hause kam und berichtete, dass sein guter Freund, Herr Rosental heute nicht in seinen Laden kam um, so wie jeden Montag eine Lieferung seines selbstgebrauten Bieres zu bringen, welches die Kunden meines Großvaters so schätzten.
Er konnte es nicht verstehen, dass ein so zuverlässiger Mann, wie der Rosental auf einmal nicht mehr gekommen war um seine Ware zu bringen.
Dies könne nur mit einer plötzlichen Krankheit Rosentals einhergehen, anders sei dies nicht zu erklären.
Großvater meinte er würde für die Gesundheit des treuen Rosentals beten und hoffte am folgenden Tage irgendein Lebenszeichen von ihm zu bekommen. Eine ganze Weile irrte Großvater im Haus einher und verfluchte die Zeit in der wir lebten.
Nun, da es nun endlich wieder einen Aufschwung seit dem letzten Krieg geben würde, gehe ihm das Bier aus und der Rosental wird Krank ohne seine Erlaubnis oder zumindest ohne vorherige Information an seine Abnehmer.
Das ginge so auf keinen Fall.
Was wenn jeder so eigennützig wäre, das System wäre gefährdet.
Höchst gefährdet.
Dann wieder drehte sich Großvater im Kreise und jammerte, dass Herrn Rosental auf Gottesgeheiß doch wohl nichts zugestoßen sei.
Großmutter beruhigte ihn.
„Morgen wird er wieder da sein, du wirst schon sehen. Morgen ist alles wieder gut.“
Etwas beruhigt setzte sich Großvater auf sein Kanape, lagerte die Füße hoch und begann, wie jeden Abend, nach langer Arbeit, seine große Zeitung aufzuschlagen. Dies tat er jedes Mal mit demselben Ritual, mit geschlossenen Augen und dem Kopf nach oben gestreckt und dem Anruf beim Herrgott persönlich, dass nichts Schlimmes wieder passiert sein möge.
Großvater hatte noch nicht einmal die ersten Zeilen gelesen, da sprang plötzlich die Türe auf.
Mein Vater stand im Rahmen, erhob seinen rechten Arm und rief irgendein Gewäsch, zumindest nannte es Großvater so, als er auf ihn zusprang, die Türe hinter Vater zu riss und ihn einen Taugenichts nannte, der jeder kleinen Kummerfliege nachrennen würde, sollte die ihm irgendeinen Gewinn versprechen für sein Nichtstun.
„Endlich wagt es einer die Wahrheit zu sagen!“, rief er, mit noch immer erhobener, doch sichtlich von Großvaters Tat auf seinen Überfall erschrockener Mine. „Endlich!“
Er hielt ein Flugblatt in der Hand, welches ihm Großvater sofort aus der Hand riss um es zu lesen.
„Bist du des Wahnsinns?“ schrie Großvater, während er wütend mit dem Papier in seiner Hand herumfuchtelte, „solche Parolen, solche Hetzschriften kenne ich nur zu gut“!
Mit gekonntem Schwung warf er das Blatt ins Feuer.
Glutrot flackerte es im Ofen.
„Du wirst eine solche Bewegung nicht aufhalten können! Du und dein kleinkariertes Krämertum, du nicht und auch deine Judenfreunde nicht!“
Dann drehte sich Vater im Schritt, öffnete die Eingangstüre mit einem kräftigen Ruck, so dass ein Windstoß das letzte Stückchen des Flugblattes aus dem Feuer fegte, welches sanft auf dem Holzboden landete, schritt hinaus und schmiss die Türe wieder hinter sich zu.
„Kauft nicht vom Jud...“ der Rest war Opfer der Flammen geworden.
Großvater nahm das Blatt, setzte sich wieder, als Großmutter, des lauten Lärmes wegen aufgebracht ins Zimmer kam.
„Woher hat der Junge nur diese Dummheiten?“
Murmelte Großvater und ich könnte schwören ich konnte eine Träne in seinen Augen sehen. Großmutter lächelte ihn an, setzte sich neben ihn, streichelte über seinen Rücken und sagte dabei kein Wort.
Wie Großvater berichtete war Rosental am darauffolgenden Tage auch nicht erschienen und auch nicht die Woche darauf.
Rosental war verschwunden und das blieb er auch weiterhin.
Kein Lebenszeichen, keine Nachricht, nichts.
Die Tage vergingen und Vater pflegte nun immer sehr lange außer Haus zu bleiben und erst spät nachts, meist begleitet von einer Fahne billigen Alkohols, wieder nach Hause zu kommen.
In den kommenden Wochen brachte Vater, während sich Großvater um seinen Laden kümmerte, immer wieder verschiedene Männer mit nach Hause. Diese diskutierten dann den ganzen Tag, oft bis spät in die Nacht hinein.
Das zog sich eine ganze Weile so.
Während sich die Männer unterhielten blieben Mutter und Großmutter der Stube fern und bereiteten das Essen zu. Oftmals so ausgedehnt, dass sie es ja kein einziges Mal wagen mussten in die Stube zu kommen.
Meinem Großvater wurde hiervon nichts berichtet.
Das Essen wurde, wie immer um achtzehn Uhr dreißig serviert, eben dann, wenn Großvater sein Geschäft geschlossen hatte und seinen Weg nach Hause getan hatte.
Es war ein Freitag im Mai, als angekündigt wurde, dass eine Versammlung vor der Nepumukkapelle stattfinden würde, welcher Vater unbedingt beizuwohnen gedachte.
Er wünschte sich auch die Teilnahme seiner Frau und seines Sohnes, denn nur dort würde die freie Welt endlich die absolute Wahrheit sprechen und auch wir würden diese erkennen.
Großvater war strikt dagegen, dass Mutter und ich auch mitkommen würden. Er, mein Vater, habe sein Leben ja eh schon verschrieben und somit weggeworfen, das müsse er nun nicht auch noch seinem Kinde antun, und damit der ganzen Familie.
Es entbrannte ein lauter Streit, bei dem Vater Großvater als Judenfreund, Miesepeter und Hetzetreiber beschimpfte.
Dann wurde ich auf mein Zimmer geschickt ohne zu wissen was an einem Judenfreund so schlimm sein sollte.
Nur an Vaters Stimme konnte ich den Unterton der Beleidung erkennen.
Wir nahmen alle an der Versammlung teil.
Großvater nicht.
Heute kann ich mich nicht mehr an die Worte, der dort lautstark schimpfenden Sprecher erinnern, wahrscheinlich möchte ich das auch gar nicht.
Ich weiß nur mehr so viel: Mein Vater war begeistert.
Er strahlte über das ganze Gesicht.
„Ja genau!“ und „Richtig!“ waren die Worte die an jenem Nachmittag ständig über seine Lippen kamen. Seine Worte bekräftigte er mit einer wütenden Faust, die er über seinen Kopf stetig hin und her schwang.
Ob der guten Laune und seines Enthusiasmus angesteckt empfand auch meine Mutter irgendeine Art des Wohlwollens und lächelte meinen Vater an, so wie sie es wohl schon lange nicht mehr getan hatte.
Sie hielt seine Hand, welche nicht wie eine Fahne nach oben ragte, und tat ihm mit der anderen Hand gleich.
Ab diesem Zeitpunkt ändert sich vieles bei uns zuhause.
Vater und Großvater sprachen nur mehr sehr wenig miteinander, sofern dies überhaupt möglich gewesen war, denn viel unterhielten sie sich auch zuvor nicht.
Vater und Mutter hingegen flammten regelrecht zusammen auf, so als ob sie einem gemeinsamen Feind endlich auf die Schliche gekommen waren.
Alleine der Umstand meine Eltern in solcher Eintracht zu sehen machte mich glücklich.
Die kommenden Jahre war ich, wer ich immer war.
Klein, kränklich und sehr von meinen Großeltern umsorgt.
Meine Eltern waren hingegen immer seltener zuhause, sie seien zu sehr mit der Partei beschäftigt, erklärten meine Großeltern, ohne jedoch weiter darauf einzugehen.
Ich hinterfragte diese Aussage auch nicht.
Die Winter kamen und meine Krankheiten meldeten sich zurück.
Bei jeder kleinen Erkältung bekam ich von meiner Großmutter, ein Buch geschenkt, welches sie, bei jedem Wetter, egal wie sehr der Wind auch brauste und wie sehr es draußen stürmte, zu Fuß in der Stadt oder im Nachbarort besorgte.
Ich las große Romane, witzige Erzählungen, amüsante Geschichten und von wahren Abenteuern.
Mit dreizehn hatte ich eine beachtliche Sammlung an schönen Werken, auf welche ich wirklich sehr stolz war.
Freunde hatte ich wenige, doch Robinson Caruso und Captain Ahab entführten mich des Nachts, oder bei Krankheit immer in Welten von denen ich am liebsten nicht zurückgekommen wäre.
Die letzten Seiten eines Romans waren für mich immer mit Wehmut getragen und so hatten sie immer den bitteren Beigeschmack eines Abschieds.
Wenn ich das Buch im Regal versorgte, versprach ich den Protagonisten immer, dass es kein Abschied auf ewig wäre, und ich ihre Reise nochmals, in naher Zukunft, inhalieren würde, obgleich wir dieselben Abendteuer zusammen nochmals erleben würden.
Dann folgte eine Wende in meinem Leben.
Der 30. Mai 1933.
Inzwischen besuchte ich die Handelsschule und wollte, obwohl man mir bereits in der Grundschule keine Talente zuschrieb und keinerlei Begabung, Kaufmann werden, ebenso wie mein Großvater.
Am Abend jenes Tages flog die Türe auf, mein Vater rannte, schnaubend und keuchend mit einer großen Kiste durch unser Haus.
Großvater, der wohl ahnte was geschehen würde, versuchte ihn aufzuhalten.
Er nahm ihn am Arm, zog ihn zu sich und schrie ihn lauthals an, dass dieser Unfug nun endlich ein Ende zu haben hatte.
Vater riss sich los.
Nicht aufzuhalten rannte er zielstrebig in mein Zimmer.
Großvater hinterher.
Dann hielt er meinen Vater abermals am Arm.
Dieser Tag war das einzige Mal, dass ich meinen Großvater derart wütend erlebte. Er packte nicht nur meinen Vater am Arm, schrie ihn an, er holte weit aus und schlug ihm Mitten ins Gesicht, damit er endlich aufwachen möge, wie er lauthals von sich gab, als mein Vater zu Boden ging.
Mutter rannte zu Vater um ihn von dessen Vater zu schützen.
Großmutter kam ins Zimmer gerannt und versuchte Großvater zu beruhigen, als dieser bereits mit hängenden Schultern und kopfschüttelnd den Raum verließ.
Vater war von seinem Vorhaben nicht abzuhalten.
Es war gegen neunzehn Uhr fünfundvierzig, draußen wurde es bereits dunkel.
Nun endlich wurde mir klar was Vater vor hatte und Großvater weise bereits vorausgesehen hatte.
Vater nahm all meine, mir so lieb und teuer gewordenen Bücher vom Regal.
Mit leeren und bösen Augen blickte er mich an, wie ein Adler der sein Opfer ausgespäht hatte, „es wird Zeit, dass du endlich erwachsen wirst!“ schnaubte er mich in kaltem, herzlosen Ton an.
Ich wollte ihn aufhalten.
Ich versuchte zu schreien, doch ich konnte nicht, so gelähmt war ich.
Meine Mutter nahm mich in den Arm und ließ Vater gewähren.
Ich schluchzte in mich hinein.
Mehr konnte ich in diesem Moment nicht tun.
Großmutter stand da.
Fassungslos.
Und sagte kein Wort.
Schließlich waren alle meine Bücher im Karton verschwunden.
Zufrieden richtete sich mein Vater auf.
„Diesen Schund brauchen wir in einem deutschen Haushalt nicht!“
Er nahm den Karton und verließ das Haus.
Zurückblieben meine Großeltern, Mutter und ich.
Allen saß ein Kloß im Hals und die bittere Ahnung, dass die Welt nicht mehr so sein wird, wie sie einst war.
„Was macht Vater mit meinen Büchern?“ traute ich mich schließlich zu fragen.
Traurig drehte sich Großmutter mit gesenktem Blick zu meiner Mutter, welche mich noch immer im Arm hielt, und sagte leise, „die Nazis vernichten unser Erbe und unsere Geschichten, so dass nichts mehr bleibt von der Erinnerung.“
Dann wusste ich Bescheid.
Wochen später hatte ich erfahren, dass die Männer, welche bei der Veranstaltung vor der Nepumukkapelle wütend predigten, es den Parteifreunden aus Berlin gleichmachen wollten und alles, ihrer Meinung nach nicht lesenswerte verbrannten.
Schundliteratur nannten sie es.
Großvater saß auf seinem Stuhl, sein Blick war leer. Leise sprach er, und nun weiß ich wie recht er hatte, doch an diesem Abend waren seine Worte, wohl nur für ihn selbst gedacht, „Wo man Bücher verbrennt, da verbrennt man am Ende auch Menschen...“