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In seinem populärsten Buch, The Enemies of Books, zieht William Blades auf nicht nur scherzhafte Weise gegen die Todfeinde der Bücher zu Felde.

Zehn Kapitel, zehn Fanale gegen den Missbrauch, die Vernachlässigung und letztlich die Zerstörung des höchsten menschlichen Kulturguts, des Buches: Feuer zerstörte die Bibliotheken von Alexandria und »ketzerische« Schriften im Mittelalter und in der Reformationszeit. Schiffsladungen mit Büchern gingen in den Wassern der Weltmeere unter. Die Einführung von Gaslampen hat Bibliotheken pulverisiert. Unter enormen Staubschichten versanken ganze Kollektionen. Ignoranz und Fanatismus vernichtete quer durch Religionen und Ideologien massenhaft Bücher. Bücherwürmer durchbohrten und zerfraßen die wertvollsten Schätze aus Pergament und Papier. Auch andere Schädlinge als die gefräßigen Insekten kosteten Bücher das Leben, ob Ratten, Mäuse oder auch der gemeine Kabeljau. Buchbinder verkehrten oft die gute Absicht ins Gegenteil und zerlegten, was sie binden sollten. Sammler zerschnitten und zerfetzten Bücher auf der Jagd nach Frontispizen oder Kolophonen. Dienstboten und Kinder schließlich konnten mit ihrer Unachtsamkeit jeder Bibliothek gefährlich werden. Ein Gruselkabinett, ein kleiner Horrorladen für Freunde des Buches.

Aber die identifizierten Bücherfeinde sind keine böse Fiktion, die mit galligem Humor ersonnen worden wäre, sondern bittere Realität, die Blades mit seiner ihm eigentümlichen wissenschaftlichen Methode detailgenau untersucht hat. Er stellt seine weitläufige Belesenheit zur Schau und zitiert die großen Klassiker von der Antike bis in seine Zeit ebenso wie abgelegene buchkundliche Quellen, auf die er mittels seiner eigenen umfangreichen Spezialbibliothek leicht zurückgreifen kann. Dennoch treten der philologische und hermeneutische Einsatz hinter die empirische Arbeitsweise zurück, mit der er auch den Bücherfeinden zu Leibe rückt. Blades’ Vorgehen ist beinahe detektivisch. Er arbeitet nach dem Motto: »Keine These ohne Beleg«. Zu diesem Zweck reist er durchs Land, besucht Sammler und Bibliothekare, Klosterbrüder und Landpfarrer. Er inspiziert geschundene Bücher und seziert die sterblichen Überreste niedergemetzelter Foliobände. Vor allem aber unterhält er eine ausgedehnte Korrespondenz quer durch Europa. Aus aller Herren Länder lässt er sich Beispiele und Anekdoten schreiben, listet Bibliozide und Biblioklasten, Büchermorde und Buchzerstörer, auf. Für den Buchliebhaber Blades selbst muss die Sammlung und Auflistung all dieser bibliomanen Schandtaten eine Qual gewesen sein. Erträglich wurde sie ihm nur, weil er eines im Überfluss besaß: Humor. In feinster englischer Ironie, zuweilen auch in derben Zoten überzieht Blades menschliche, nicht-menschliche und unmenschliche Bücherfeinde mit seinem mal beißenden, mal hintersinnigen Spott. Etwa wenn er von einem besonders untalentierten Buchbinder berichtet:

Dieser Mann klopfte kurz darauf an Petrus’ Pforte, und wir können nur hoffen, dass seine Arbeiten ihm nicht ins Jenseits folgten und dass seine Erfolge als guter Bürger und Ehrenmann nicht gegen seine Misserfolge als Buchbinder aufgewogen worden sind.

Größten Eifer in Sachen empirischer Forschung legt Blades bei der Erforschung des Bücherwurms an den Tag. Ihm ist auch das umfänglichste Kapitel der Bücherfeinde gewidmet. Die Existenz dieses Tierchens war zuvor eher ein Mythos als eine Tatsache. Erst Blades versucht mit naturwissenschaftlicher Akribie und beinahe zoologischer Herangehensweise, den Übeltäter dingfest zu machen. Er vermisst fast auf den Millimeter genau die Löcher und Gänge, die dieser Schädling in Bibliotheksbestände gefressen hat, beschreibt Aussehen, Länge und Gestalt der Schadspuren und zieht daraus seine Schlüsse. Die Darstellung der Taten dieses Schädlings mutet dann – very british! – beinahe wie eine Sportreportage an:

Im zitierten Buch kommt es einem vor, als habe ein Wettrennen stattgefunden. Auf den ersten zehn Seiten werden die Schwächlinge unter den Würmern zurückgelassen. Auf den nächsten zehn Seiten sind immer noch 48 Fresser unterwegs. Auf den folgenden zehn Seiten bleiben noch 31, dann noch 10. Auf Seite 51 halten sich noch sechs Würmer, bis zu Seite 61 haben weitere zwei aufgegeben. Bis Seite 71 ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei entschlossenen Feinschmeckern, jeder von ihnen macht schöne große Löcher, wobei einer von beiden eher oval geformte produziert. Auf Seite 81 sind sie immer noch gleichauf. Auf Seite 87 muss der ovale Wurm endlich aufgeben. Der runde frisst sich noch durch drei weitere Seiten und endet auf der vierten. Der Buchblock bleibt dann unberührt bis zur neunundsechzigsten Seite von hinten, in der sich ein einziges Loch befindet. Von hier an nimmt die Zahl der Wurmlöcher zum Ende hin wieder kontinuierlich zu.

Blades lässt sich Exemplare dieses Tierchens schicken und sammelt sie in freier Wildbahn, die in diesem Fall die Universitätsbibliothek von Oxford darstellt. Er versucht sogar, selbst Bücherwürmer zu züchten, um ihr Verhalten zu studieren, und vor allem, um herauszufinden, welches Tier nach der Verpuppung zum Vorschein kommt. Denn eines ist ihm klar: Bei den »Würmern« handelt es sich in Wirklichkeit um die Larven von Insekten. Er kann mehrere Arten identifizieren und kommt zu dem Schluss, dass es sich beim Bücher-»Wurm« in der Regel um Larven und Raupen bestimmter Nagekäfer- und Mottenarten handelt. Auf diesen bahnbrechenden Erkenntnissen bauten nachfolgende Bücherforscher auf, insbesondere John Francis O’Conor mit seiner wenige Jahre später erschienenen Studie Facts about Bookworms. Blades’ eigene Züchtungsversuche waren übrigens zum Scheitern verurteilt, weil es nahezu unmöglich war, die kleinen Tiere in Gefangenschaft zu halten – was sie ihm fast sympathisch machte:

Ich habe ihn so gut wie möglich behandelt. Ich steckte ihn in eine kleine Schachtel, gab ihm eine Auswahl drei verschiedener alter Papiere zur Speise und störte ihn nur selten. Er litt die Haftbedingungen trotzdem nicht, aß nur sehr wenig, rührte sich kaum und auch sein Aussehen blieb nahezu unverändert, auch im Tode. (…) Er gab sein Leben mit extremer Verzögerung auf und verstarb »inniglich betrauert« von seinem Halter, der sich sehr auf seine endgültige Entwicklung gefreut hatte.

William Blades lässt trotz all der destruktiven Gewalt von Naturkräften und Tierarten keinen Zweifel daran, dass der schlimmste Feind der Bücher der Mensch selbst ist:

Alles in allem haben die zweibeinigen Räuber, die es eigentlich besser wissen sollten, vermutlich ebenso viel Schaden in Bibliotheken angerichtet wie jeder andere Bücherfeind.

Buchbinder und Sammler, Studenten und Mönche sowie Hausfrauen, Dienstboten und Kinder werden als Schädiger und Zerstörer von Büchern bloßgestellt. Hier holt der sonst so bescheidene Londoner Buchdrucker zum großen Schlag aus und drischt mit leidenschaftlicher rhetorischer Verve auf die Feinde der Bücher ein:

Warum muss das Weibervolk (Gott vergib mir!) das Innerste der Bibliotheken seiner Männer behelligen, ob es da nun staubig sei oder nicht? Das Spielzimmer meiner Jungs, in dem es eine Hobelbank, eine Drehbank und endlosen anderen Kram gibt, wird nie aufgeräumt. (…) Aber mein Arbeitszimmer muss unbedingt jeden Tag abgestaubt werden, und das mit dem irreführenden Versprechen, dass jedes Buch und jedes Blatt Papier anschließend wieder genau da sein wird, wo es hingehört. Der Schaden, der durch eine derartige Dauerbehandlung entsteht, ist unkalkulierbar.

Nur eine Spezies hat Blades ausdrücklich von der Untersuchung ausgenommen: Die Buchdrucker selbst. Nicht, dass sie sich nicht schlimmer Attentate auf Bücher schuldig gemacht hätten. Aber, so räumt Blades mit großer Ehrlichkeit ein, er wolle kein Nestbeschmutzer sein und überlasse die nötigen Nachforschungen einem anderen.

Die Bücherfeinde

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