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Die zwei Kopien von 1662/1663

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Die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert hat die vormalige Umlaufordnung von Handschriften nicht zum Erliegen gebracht. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts tragen noch immer unzählige Kopisten zum Erhalt und zur Verbreitung von Texten bei. So deutet es Étienne Périer im Jahre 1669 im künftigen Vorwort zu den Gedanken an: »Da der Plan von Herrn Pascal, eine Arbeit über die Religion zu verfassen, bekannt war, trug man sehr große Sorgfalt, nach seinem Tode alle Schriften zu sammeln, die er darüber angefertigt hatte. Man fand sie alle zusammen zu verschiedenen Bündeln aufgefädelt, aber ohne jede Ordnung und ohne jede Abfolge […], und das Ganze war so unvollständig und so schlecht leserlich, dass man alle Mühe der Welt hatte, sie zu entziffern. Das erste, woran man sich machte, war, sie so, wie sie beschaffen waren, und in demselben Durcheinander, in dem man sie aufgefunden hatte, kopieren zu lassen.«

Man hat die Erwähnung der »Bündel« lange Zeit vernachlässigt. Doch wurde ihre Wirklichkeit schließlich von Tourneur (1938) und Couchoud (1948) begründet, die mehr als zweihundert Einstichstellen verorteten; viele andere waren verloren gegangen, weil der Buchbinder der Originalsammlung die Ränder zahlreicher Fragmente mit der Schere abgeschnitten hatte. Nach einem im 16. und 17. Jahrhundert üblichen Brauch heftete Pascal seine Notizen ab, indem er sie mit Hilfe einer Nadel an einem dicken Faden aneinanderreihte. Stand die Anordnung einmal fest, fädelte er ein Fähnchen ein, das den Titel des Bündels trug, und verknotete den Faden.

Viele der auf diese Weise abgehefteten Papiere sind von geringer Größe. Das soll nicht heißen, dass der Apologet auf alle Arten von Zetteln schrieb: Für gewöhnlich schrieb er seine Notizen auf große, zu zwei oder drei Blättchen (der Hälfte eines Blattes) gefaltete Bögen und trennte sie durch einen Federstrich. Wenn er eine Abheftung durchführen wollte, war es ihm daher ein Leichtes, die Notizen, die er brauchte, abzuschneiden.

Wer Pascals Handschrift gesehen hat, kann sich die Schwierigkeit der Entzifferung leicht vorstellen. Diese Arbeit wurde mit außergewöhnlicher Genauigkeit durchgeführt. Gilberte Périer erachtete die Schriften ihres Bruders gleichsam für heilig; ihre Kinder, Étienne und nach ihm Louis und Marguerite, hielten an vielen ihrer Vorstellungen fest. Die ersten Schritte der Fragmenttranskription sind verschwunden. Geblieben sind uns jedoch zwei beachtliche, von ein und derselben Hand geschriebene Kopien, die heute in der Bibliothèque nationale de France hinterlegt sind: Die erste Kopie (C1) umfasst das französische Manuskript 9203, die zweite (C2) das Manuskript 12449. Sie stammen aus der gleichen Zeit, datieren auf 1662/1663, wie Jean Mesnard in Les Pensées ont trois cents ans (1971) nachgewiesen hat. Der Inhalt der Texte ist nahezu identisch, bis auf die Tatsache, dass C2 61 Dossiers enthält, während C1 nur 60 aufweist; vor allem aber ist die Anordnung dieser Dossiers partiell unterschiedlich. Außerdem ist der Text von C1 durch Korrekturen von mehreren Händen (Arnauld, Nicole, É. Périer) verdorben worden, und dies bis zu einem Grad, dass man stellenweise nicht mehr unterscheiden kann, was Originalkopie und was Zusatz ist. Folglich haben die Herausgeber zuweilen die Ergänzungen oder Verbesserungen der Revisoren als von Pascal selbst stammend veröffentlicht. Im Gegensatz dazu ist C2 intakt: Die Korrekturen hierin sind von einer Hand angebracht, derjenigen Étienne Périers, und sie streben einzig an, Transkriptionsfehler und versehentliche Wiederholungen zu beheben, kurz, die Kopie wortgetreuer zu gestalten. Woher stammen diese Unterschiede?

Daher, dass in C1 jedes pascalsche Dossier in ein einzelnes Heft übertragen wurde. Diese Hefte haben lange Zeit ein autonomes Dasein geführt: Sie haben der Port-Royal-Ausgabe der Gedanken (1670) als Grundlage gedient. Ungeachtet der Vorbehalte von Gilberte Pascal hat man damit begonnen, einige Fragmente neu zu schreiben und mit Glossen anzureichern. Diese Hefte sind in Paris zirkuliert, und vielleicht sogar zwischen Paris und Clermont, falls es sich um die handelt, auf die einer der Herausgeber, Brienne, in einem Brief an Gilberte aus dem Jahr 1668 anspielt: »Schicken Sie uns frühestmöglich die Hefte von Herrn Pascal zu, die sich bei Ihnen befinden und uns fehlen […]. Es sind dies verschiedene Gedanken über den mehrfachen Schriftsinn, dass das Gesetz figurativ ist, usw., und außerdem die Beweise für die wahrhafte Religion durch die Widersprüchlichkeiten, die sich in der Natur des Menschen auftun, und durch die Erbsünde.« Ein anderer Befund bestätigt die Fragmentierung von C1: Die Korrekturen von Arnauld und Nicole tauchen nie gleichzeitig in ein und demselben Heft auf. Offensichtlich hat eine Aufteilung stattgefunden: Arnauld hat »Widersprüchlichkeiten« und »Übergang« durchgesehen, Nicole »Eitelkeit«, »Unterwerfung« usw.

In C2 hingegen fügen sich die pascalschen Dossiers und die Hefte ineinander. Der Kopist hat die Dossiers vom ersten bis zum letzten durchgängig transkribiert, ohne Seiten frei zu lassen. Das bedeutet, dass die Ordnung von C2 von vorneherein unangetastet blieb, während die Hefte von C1 so angeordnet wurden, wie wir sie Jahre später sehen. Seither gilt die zweite Kopie als Referenzkopie, als die maßgebliche Kopie, die die Périers zu ihrem eigenen Gebrauch anfertigen ließen, die Étienne Périer beständig – und häufig im Rückgriff auf die Originale – verbessert hat. Mit ihr arbeitet noch Louis Périer zwischen 1680 und 1710, als er sein berühmtes Manuskript zusammenstellt, von dem gleich noch die Rede sein wird. Daher griffen viele zeitgenössische Verlagsreihen auf sie zurück: Mercure de France (1976), ›Classiques Garniers‹ (1991), Collections ›Bouquins‹ (1992), Livre de Poche classique (2000) und Pochotèque (2003).

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