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KAPITEL ZEHN

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Riley stellte sich den Mörder vor. Was hatte er gefühlt, gedacht und beobachtet, als er auf der Suche nach dem perfekten Platz gewesen war. Sie wollte so nah wie möglich an den Mörder herankommen, um ihn zu finden. Und das konnte sie. Es war ihre Gabe.

Zuerst musste sie den Platz finden.

Sie sah sich um, so wie er sich umgesehen haben musste.

Während sie sich umsah, spürte sie einen rätselhaften, fast magnetischen Zug.

Sie wurde von einem roten Weidenbusch angezogen. An einer Seite des Busches war eine freie Stelle zwischen den Zweigen und dem Boden. Auf dem Boden davor war eine leichte Ausbuchtung.

Riley beugte sich hinunter und untersuchte den Boden vorsichtig.

Die Erde in der Ausbuchtung war ordentlich und glatt.

Zu ordentlich, dachte Riley. Zu glatt.

Der Rest der Erde in dem Gebiet war rauer, unregelmäßiger.

Riley lächelte.

Der Mörder hatte sich große Mühe gegeben, seine Position zu verstecken und hatte sich genau dadurch verraten.

Sich die Landschaft bei Mondlicht vorstellend, blickte Riley über den Hügel zu dem Feld vor den Kasernen.

Sie stellte sich vor, was der Mörder von hier aus gesehen haben musste – die Figur von Sergeant Worthing, wie er aus der Hintertür trat.

Riley spürte ein Lächeln auf dem Gesicht des Mörders.

Sie konnte ihn denken hören:

"Genau nach Zeitplan!"

Und genau wie der Mörder erwartet hatte, zündete der Sergeant sich eine Zigarette an und lehnte sich gegen die Wand.

Es war Zeit zu handeln – und es musste schnell gehen.

Der Himmel wurde heller und die Sonne würde bald aufgehen.

Wie der Mörder es getan haben musste, streckte Riley sich auf der Ausbuchtung auf dem Boden aus. Ja, es war der perfekte Platz, die perfekte Position.

Aber wie hatte sich die Waffe in der Hand des Mörders angefühlt.

Riley hatte noch nie ein M110 Gewehr in der Hand gehabt. Aber vor einigen Jahren hatte sie mit dem Vorgänger der Waffe, der M24 trainiert. Voll geladen und zusammengesetzt, wog die M24 etwa sieben Kilo und Riley hatte gelesen, dass die M110 kaum leichter war.

Aber das Nachtsichtvisier hatte sie noch schwerer gemacht und oberlastig.

Riley stellte sich die Szenerie durch ein Nachtsichtvisier vor. Das Bild von Sergeant Worthing war marmoriert und körnig.

Kein Problem für einen erprobten Schützen. Für einen erfahrenen Scharfschützen wäre der Schuss eine Leichtigkeit. Trotzdem spürte Riley, dass der Mörder unzufrieden war.

Was hatte ihn gestört?

Was hatte er gedacht?

Dann kam ihr dieser Gedanke:

"Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen."

Riley spürte ein plötzliches Verstehen.

Der Mord war persönlich gewesen – ein Akt des Hasses oder zumindest der Abscheu.

Aber er würde nicht von seinem Vorhaben ablassen, nur weil er unzufrieden war. Er konnte damit leben, nicht das Gesicht seiner Beute zu sehen.

Sie spürte den Widerstand des Abzugs, als sie ihn zog, dann den scharfen Rückstoß, als das Gewehr die Kugel abfeuerte.

Das Geräusch des Schusses war nicht sehr laut. Der Schall- und der Mündungsfeuerdämpfer hatten den Lärm und die Sichtbarkeit auf ein Minimum reduziert.

War der Mörder trotzdem besorgt gewesen, dass ihn jemand gehört oder gesehen haben könnte?

Nur für einen kurzen Augenblick, dessen war Riley sich sicher. Er hatte zwei andere Männer aus der gleichen Distanz erschossen und niemand schien diese Schüsse gehört zu haben. Oder falls sie jemand gehört hatte, dann hatte sich niemand etwas dabei gedacht.

Aber was tat der Mörder nun, nachdem er gefeuert hatte?

Er hat weiter durch sein Visier gesehen, wurde Riley klar.

Er folgte der Bewegung der Leiche, wie sie langsam die Wand hinunterglitt und in einer ungelenken Hocke endete.

Und wieder dachte der Mörder:

"Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen."

So wie der Mörder es getan haben musste, stand Riley wieder auf. Sie stellte sich vor, wie der Mörder einen breiten Pinsel genutzt hatte, um die Erde zu glätten, bevor er seine Position verließ.

Riley atmete zufrieden durch. Ihr Versuch, sich mit dem Verstand des Mörders zu verbinden, hatte ihr mehr verraten, als sie sich erhofft hatte.

Oder zumindest dachte sie das.

Sie erinnerte sich an etwas, das Colonel Larson vorher über die Verbindung zu islamistischem Terror gesagt hatte.

"Dieser Tage ist das leider die Standardtheorie."

Rileys Bauchgefühl sagte ihr, dass diese Theorie wahrscheinlich falsch war. Aber sie war noch nicht bereit, ihren Kollegen das zu sagen. Sie wusste, dass Larson recht hatte unter den gegebenen Umständen die Möglichkeit von Terrorismus nicht außer Acht zu lassen. Es war die richtige Vorgehensweise. Vorerst war es besser, wenn Riley ihre Ahnung für sich behielt – zumindest bis sie diese mit Beweisen belegen konnte.

Riley sah auf ihre Uhr. Sie und die anderen wurden bald auf der Beerdigung erwartet.

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