Читать книгу Wenn Sie Sähe - Блейк Пирс - Страница 10
KAPITEL VIER
ОглавлениеZum Frühstück fuhren sie durch den Drive-Through eines Panera Bread. Während sie dort in der Schlange warteten, tätigte DeMarco mehrere Anrufe, um ein Treffen mit Olivia Nash zu organisieren, der Tochter des zuletzt ermordeten Ehepaares. Sie war bei ihrer Tante in Roanoke und, nach den Worten der Tante, ein totales Wrack.
Nachdem sie die Zustimmung der Tante sowie eine Wegbeschreibung eingeholt hatten, fuhren sie um kurz nach 7 Uhr morgens zum Haus der Tante. Die frühe Uhrzeit war kein Problem, denn die Tante hatte gesagt, dass Olivia sich weigerte zu schlafen, seitdem sie ihre Eltern ermordet aufgefunden hatte.
Die Tante saß auf der Veranda, als Kate und DeMarco das Haus erreichten. Cami Nash erhob sich zwar, als Kate aus dem Auto stieg, machte aber keinerlei Anstalten, ihnen entgegen zu kommen. Sie hielt einen Kaffeebecher in der Hand und hatte ein solch müdes Gesicht, dass Kate annahm, dass sie schon lange wach und dies nicht ihr erster Kaffee des Tages war.
„Cami Nash?“, fragte Kate.
„Ja“, sagte sie.
„Zuerst einmal, unser herzliches Beileid für Ihren Verlust“, sagte Kate. „Standen Sie Ihrem Bruder nahe?“
„Ziemlich nahe, ja. Aber im Moment kann ich darüber nicht nachdenken. Ich kann noch nicht… trauern, denn Olivia braucht jemanden an ihrer Seite. Sie ist nicht mehr die gleiche wie vor einer Woche, als wir telefoniert haben. Etwas in ihr ist zerbrochen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss… sie so vorzufinden und…“
Ihre Worte verloren sich und sie trank schnell ihren Kaffee, wie um sich abzulenken von den Tränen, die gleich aus ihr herauszubrechen drohten.
„Wird sie mit uns sprechen können?“, fragte DeMarco.
„Vielleicht kurz. Ich habe ihr gesagt, dass Sie kommen und sie schien es verstanden zu haben. Deshalb habe ich Sie auch hier draußen erwartet. Ich möchte Ihnen sagen, dass sie eine normale, junge Frau ist. Aber in ihrem derzeitigen Zustand… ich möchte nicht, dass Sie denken, dass sie psychische Probleme hat.“
„Vielen Dank“, sagte Kate. Sie hatte schon Leute erlebt, die auf Grund ihrer Trauer völlig fertig waren, und es war nie ein schöner Anblick. Sie konnte nicht umhin sich zu fragen, wie viel Erfahrung DeMarco damit hatte.
Cami führte sie ins Haus. Drinnen war es still wie in einem Grab. Das einzige Geräusch war das Summen der Klimaanlage. Kate bemerkte, dass Cami langsam ging, damit sie keinen Lärm machte. Kate tat es ihr gleich und fragte sich, ob Cami hoffte, dass Olivia durch die Stille einschlief, oder ob sie die ohnehin schon erschöpfte junge Frau nicht verängstigen wollte.
Sie betraten das Wohnzimmer, wo sich eine junge Frau auf der Couch befand, halb sitzend, halb liegend. Ihr Gesicht war gerötet und ihre Augen waren geschwollen vom vielen weinen. Sie sah aus, als hätte sie schon seit einer Woche nicht mehr geschlafen, und nicht erst seit gestern. Sie richtete sich auf, als sie Kate und DeMarco sah.
„Hallo, Miss Nash“, sagte Kate. „Danke, dass Sie zugestimmt haben, mit uns zu sprechen. Herzliches Beileid.“
„Nennen Sie mich bitte Olivia.“ Ihre Stimme war heiser und klang müde – fast so mitgenommen wie ihre Augen.
„Wir werden uns so kurz wie möglich fassen,“ meinte Kate. „Sie waren gerade vom College nach Hause gekommen. Wissen Sie, ob Ihre Eltern für diesen Tag Besuch erwarteten?“
„Wenn das der Fall war, dann weiß ich nichts davon.“
„Entschuldigen Sie bitte die Frage, aber wissen Sie, ob Ihre Eltern Feinde hatten?“
Olivia schüttelte den Kopf. „Dad war vorher schon einmal verheiratet… bevor er Mama kennenlernte. Aber auch mit seiner Ex-Frau hat er sich gut verstanden.“
Leise fing Olivia an zu weinen. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen.
„Ich möchte Ihnen gern etwas zeigen. Ich weiß nicht, ob Sie dies zuordnen können. Falls ja, könnte dies schmerzhaft werden. Könnten Sie sich dies hier ansehen und uns sagen, ob Sie es wiedererkennen?“
Olivia blickte erschrocken, vielleicht auch ein wenig ängstlich drein. Kate konnte sie verstehen und scheute sich fast davor, ihr den Stofffetzen zu zeigen, den Palmetto ihnen überlassen hatte. Ein wenig widerwillig zog sie ihn aus der Tasche.
Sie sah sofort, dass Olivia ihn nicht erkannte. Ein Ausdruck von Erleichterung und Verwirrung zeigte sich sogleich in ihrem Gesicht, als sie die Plastiktüte und deren Inhalt sah.
Olivia schüttelte den Kopf, behielt aber die durchsichtige Plastiktüte im Blick. „Nein, das sagt mir nichts. Warum?“
„Das können wir Ihnen im Moment noch nicht sagen“, antwortete Kate. Tatsächlich wäre es legitim gewesen, es der Angehörigen mitzuteilen, aber Kate sah keinen Sinn darin, Olivia Nash noch mehr zu traumatisieren.
„Haben Sie eine Ahnung, wer das getan haben könnte?“, fragte Olivia. Sie wirkte verloren, so als wisse sie nicht, wo sie sich befand, oder wer sie selbst war. Kate sich nicht erinnern, wann sie zum letzten mal jemanden erlebt hatte, der sich so gelöst hatte von allem.
„Noch nicht“, sagte sie, „aber wir werden Sie auf dem Laufenden halten. Und bitte…“, und sie blickte dabei erst Olivia und dann Cami an, „kontaktieren Sie uns, sobald Ihnen irgendetwas einfällt, das helfen könnte.“
Mit der Bemerkung zog DeMarco eine Visitenkarte aus ihrer Innentasche und gab sie Cami.
Ob es die Zeit war, in der sie pensioniert gewesen war, oder ihre Schuldgefühle, dass sie der Großmutterrolle nicht gerecht geworden war, konnte Kate nicht sagen, doch sie fühlte sich furchtbar, als sie aus dem Raum ging und Olivia mit ihrer intensiven Trauer zurückließ. Als sie und DeMarco auf die Veranda traten, hörten sie, wie ihnen ein dumpfes Klagen folgte.
Kate und DeMarco tauschten einen hilflosen Blick aus, als sie zum Auto gingen. Kate konnte das Plastiktütchen in ihrer Innentasche fühlen, und plötzlich schien es sehr schwer zu wiegen.