Читать книгу Gesicht der Angst - Блейк Пирс - Страница 8
KAPITEL FÜNF
ОглавлениеZoe blinzelte und blickte in beide Richtungen, die Gasse hinauf und hinunter, in den Himmel. Es war ein kühler, klarer Tag. Über ihnen verlief ein schmaler hellblauer Streifen, der sich in der Ferne verengte, eingefasst von schmutzigen Ziegelsteinen der Wohnblocks und Lagerhallen auf beiden Seiten.
Dies hier war weit entfernt von dem Luxus und den wogenden Palmen von Beverly Hills. Die Straßen und Bürgersteige waren rissig und grau, und das nächste Gebäude am Ende der Gasse war ein Obdachlosenheim. Dennoch kosteten die auf der anderen Seite hoch aufragenden Atelierwohnungen wahrscheinlich mehr als ihr Elternhaus im ländlichen Vermont.
Es lag immer noch etwas in der Luft, obwohl die Leiche mittlerweile entfernt worden war. Zoe konnte es noch immer riechen. Es würde wahrscheinlich noch eine Weile so riechen. Der Gestank von brennendem menschlichem Fleisch und Haaren hing in der Luft.
Zoe lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Boden und den Fleck mit den versengten Markierungen, die über den Asphalt der Straße liefen und sich über Ziegelsteine, Müllsäcke und Spritzen verteilten. Die meisten von ihnen waren verbrannt und hatten sich nun zu unkenntlichen schwarzen Plastikformen zusammengefunden, die den atemraubenden Gestank, der einem die Tränen in die Augen trieb, weiter verströmten. Der Mörder hatte sich anscheinend nicht sonderlich um die Präsentation gekümmert.
Oder vielleicht doch, und es war ein Hinweis darauf, dass diese junge Frau, diese Callie Everard, auch nur ein weiteres Stück Müll sei.
Shelley sprach mit einem örtlichen Polizeibeamten in der Nähe, während die anderen ihre Sachen zusammenpackten. Das Forensik-Team war bereits vor Ort gewesen, und die Leiche war zum Testen mitgenommen worden. Alles, was noch zu tun blieb, war, all die kleinen Beweisstücke aufzusammeln, die in den Trümmern des Mordes zurückgelassen worden waren. Eine Beamtin mit kurz geschnittenem Haar und kleiner Statur packte diese behutsam, eins nach dem anderen, in Plastikbeutel.
Zoe beobachtete sie nur mit vagem Interesse. Ihr Verstand arbeitete mit Hochdruck und verfolgte, was ihre Augen sahen. Die Frau hatte mit dem Kopf neben den umgestürzten Müllsäcken gelegen, ihre Füße zeigten zur Mitte der Gasse, in einem Winkel von dreißig Grad zur Mittellinie. Sie war höchstwahrscheinlich nach hinten gefallen, nachdem ihre Kehle durchgeschnitten worden war. Unter der Verbrennung und den geschmolzenen Körperflüssigkeiten befanden sich noch einige Blutspuren, die diese Theorie untermauerten.
Sie wussten bereits eine Menge über sie, über Callie, und den Rest würden sie herausfinden, wenn sie ihre Freunde und ihre Familie befragten. Sie würden herausfinden, wer sie war und was sie tat. Vielleicht sogar, warum jemand sie töten wollte.
Der Mörder selbst war ein anderes Thema. Wo war er oder sie? Zoe konnte auf dem Boden der Gasse nichts sehen. Nichts, was ihn oder sie verraten könnte. Es gab keinen einzigen Fußabdruck, in einer Gasse, die täglich von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Menschen durchquert wurde. Es gab kein weggeworfenes Feuerzeug oder einen Streichholzstummel, keinen leeren Benzinkanister. Jeglicher Beweis, der die Anwesenheit des Mörders hätte verraten können, war weggespült worden, als hätte jemand Wasser über die Leiche kippte, um zu sie zu löschen und womöglich ein Leben zu retten, das bereits vorbei war.
Was hatte er als Brennstoff verwendet? Als Beschleuniger? Wo hatte er gestanden? Was für eine Waffe hatte er benutzt, um ihre Kehle durchzuschneiden? Oder sie, versuchte Zoe sich selbst zu ermahnen. Sie wollte nicht vorzeitig urteilen und aufgeschlossen bleiben; die Statistiken waren jedoch eindeutig. Dieses Maß an Gewalt würde normalerweise auf einen männlichen Verdächtigen hindeuten.
Es war das „normalerweise“, das das Problem war. Zoe verließ sich gern auf ihr Bauchgefühl, aber solange sie sich nicht zu über neunzig Prozent sicher war, war sie nicht bereit, alles darauf zu setzen. Selbst wenn sie sich in der Vergangenheit so sicher gewesen war, hatte sie sich gelegentlich geirrt. Im Moment hatte sie überhaupt nichts, worüber sie sich sicher sein konnte, nicht, wenn es um diesen Mörder ging.
Vielleicht würde sie mehr wissen, wenn sie sich die Leiche anschaute. Sie ging zurück zu Shelley, die gerade ihr Gespräch beendete.
„Hier ist nichts“, sagte Zoe, sobald Shelley fertig war.
„Ich bin nicht wirklich überrascht“, antwortete Shelley. Sie blickte hoch zu den Fenstern der darüber liegenden Wohnungen, geschwärzt nicht durch den aufsteigenden Rauch einer menschlichen Leiche, sondern durch jahrelangen Schmutz und Vernachlässigung. „Niemand in der Nachbarschaft sah etwas. Sie sagten, sie hätten zuerst den Rauch gerochen. Ein paar Anwohner eilten mit einem Eimer Wasser hinaus, um zu versuchen, zu helfen, aber das war alles. Keine Verdächtigen, niemand, der zusah. Keine Zeugen, die um diese Zeit jemanden in die Gasse gehen sahen.“
„Gibt es Material von den Überwachungskameras?“ Zoe nickte in Richtung einer der Kameras, die sich direkt am Eingang auf der Seite befand, an dem sie zuvor vorbeigegangen waren.
Shelley schüttelte den Kopf. „Die Polizisten sagen, dass sie gar nicht angeschlossen sind. Jedes Mal, wenn sie versuchten, sie zu reparieren, kamen Kinder und besprühten die Linse mit Farbe oder kappten die Drähte. Sie behielten sie als Attrappen, um Leute abzuschrecken, aber sie funktionieren seit Jahren nicht mehr richtig.“
„Die Anwohner wissen das sicherlich“, betonte Zoe.
„Eigentlich weiß es auch jeder, der den Zustand des Wohnblocks sieht.“
Zoe sah sich noch einmal um, zufrieden, dass es hier nichts mehr zu lesen gab. Die einzige Geschichte, die ihr die Zahlen erzählten, betraf den Bau der Gebäude und die Gasse selbst. Da sie bezweifelte, dass die Höhe der Mauern irgendeinen Einfluss auf das Verbrechen hatte, waren sie hier fertig. „Dann mal auf zum Gerichtsmediziner“, sagte sie entschlossen und ging auf ihren Mietwagen zu.
***
Zoe verzog die Nase und versuchte ihre Atmung zu kontrollieren. Sie musste sich nur konzentrieren. Sie atmete durch den Mund ein, um dem schlimmsten Geruch zu entgehen, und durch die Nase wieder aus. Shelley bemühte sich, nicht zu würgen, aber Zoe versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen.
„Das ist ein wirklich schlimmer Fall“, sagte die Gerichtsmedizinerin. Sie war eine große junge Frau, braun gebrannt, mit blonden Haaren und zu viel Lidschatten für jemanden, der im medizinischen Bereich arbeitete – selbst, wenn sie nur mit Toten zu tun hatte.
Zoe ignorierte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Leiche. Falls diese überhaupt noch als Leiche bzw. als Körper definiert werden konnte; Kohle war wohl eine passendere Bezeichnung. Der Mann, den Shelley als John Dowling bezeichnet hatte, war kein Mann mehr. Die Beine waren in einem seltsamen Winkel zur Seite gedreht, die Arme lagen eng am Körper an, der Kopf war rund, aber es hätte genauso gut sein können, dass es sich um ein Stück Müll handelte, um den Teil eines Schiffsbauchs oder um ein antikes Relikt, das in den Ruinen von Pompeji verbrannt war.
Die zweite Leiche war besser zu erkennen, wenn auch nur knapp. Auch wenn die Verbrennungen nicht so stark waren, war der Geruch bei diesem Körper schlimmer. Vielleicht, weil sie mitten am Tag der Hitze der kalifornischen Sonne ausgesetzt worden war. Die junge Frau. Die Teile des zerlumpten und verbrannten Fleisches, die noch an ihr hingen, wirkten irgendwie obszön. Dreizehn Zentimeter Bein über dem Fuß, fünf Zentimeter an jedem Ellbogen, ein Stück Haar vom Hinterkopf, das durch den Kontakt mit dem feuchten Boden geschützt worden war. Noch länger in den Flammen, und sie hätte genauso ausgesehen wie er.
„Gab es Vor-Verbrennungswunden?“, fragte Zoe, ohne aufzuschauen.
Die Gerichtsmedizinerin zögerte eine Sekunde lang.
„Bevor sie verbrannt wurden, meine ich“, drückte sich Zoe klarer aus.
„Ich weiß, was es bedeutet“, antwortete die Gerichtsmedizinerin. Zum ersten Mal lag ein Hauch von Spannung in ihrer ruhigen Stimme. Alles an ihr war für Zoe irritierend. „Soweit ich es bei diesem Leichenzustand beurteilen kann, gab es nur einen einzigen Schnitt an der Kehle. Das reichte um sie zu töten. Außer, dass sie dann noch in Brand gesteckt wurden, wurde ihnen nichts weiter angetan.“
Zoe beugte sich herunter und untersuchte die Kehle. Das Mädchen hatte ihre Hände an der Kehle als sie verbrannte, deswegen waren ihre Finger miteinander verschmolzen. Es gab jedoch immer noch eine deutliche und sichtbare Wunde hinter ihren Händen, die an der Stelle, an der ihr Kopf nach hinten gekippt war, klaffte.
„Sehr präzise“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu den anderen.
„Es passierte sehr schnell“, stimmte die Gerichtsmedizinerin ihr zu. „Wer auch immer der Mörder war, er wusste, was er tat. Er kam von hinten, handelte schnell, in beiden Fällen ein einziger Schnitt durch den Hals, um ihn vollständig zu öffnen.“
Zoe richtete sich auf und sah Shelley an, um deutlich zu machen, dass diese nächste Aussage für sie bestimmt war und nicht für die andere irritierende Anwesenheit im Raum. „Dies war kein Verbrechen, das aus einem Impuls heraus begangen wurde. Es war geplant, der Ort wurde sorgfältig ausgewählt.“
„Glaubst du, dass die Opfer mit Absicht ausgewählt wurden?“
Zoe kaute einen Moment auf ihrer Lippe herum und schaute zwischen den Leichen hin und her. Was hatten sie gemeinsam, außer dass sie so verbrannt waren?
„Es ist noch zu früh, um das zu sagen“, entschied sie. „Wir müssen mehr über Callie Everard erfahren. Wenn wir eine Verbindung zwischen ihnen finden können, gut. Wenn nicht, könnte eine größere Botschaft dahinterstecken.“
„Ein Serienmörder?“, stöhnte Shelley. „Ich hoffe, sie sind ein heimliches Liebespaar oder so was. Ich hatte gehofft, dass wir vielleicht am Wochenende nach Hause könnten.“
„Viel Glück dabei“, sagte die Gerichtsmedizinerin, eine Aussage, die absolut unnötig war.
Zoe warf einen bösen Blick in ihre Richtung und war zumindest ein wenig beruhigt, wie erschrocken die Frau wirkte und sich daraufhin mit einem Metalltablett mit Instrumenten in der Nähe beschäftigte, anstatt ihren Blick zu erwidern.
„Wir haben einen Raum, der im örtlichen Revier auf uns wartet“, sagte Shelley. „Der Polizist, mit dem ich sprach, versicherte mir, dass der Kaffee schrecklich ist, aber auch, dass die Klimaanlage nicht wirklich funktioniert, wir können uns also wirklich auf etwas freuen.“
„Geh du vor“, sagte Zoe und wünschte, sie könnte das genauso lustig finden wie ihre Kollegin.