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Geschmeiß zu Gewürm und Gewürm zu Geschmeiß

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Während Julian glotzend im Schatten des kunterbunten Wohnwagens stehen blieb, rannte Posemuckelmats mit lautlosen Riesenschritten hinter der weißen Maus (oder richtiger dem verhexten Jungen) her, um sie einzufangen. Danach sprang er im Zickzack von einem Schatten zum nächsten, murmelte etwas vor sich hin und warf immer wieder hektische Blicke zum Wagen der Hexe.

„Genauso war es gestern auch“, murmelte Posemuckelmats leise. „Ein verflixt hinterhältiger Trick, eine völlig ahnungslose Person dazu zu bringen, den silbernen Zauberstab zu berühren. Aber mein Gefühl sagt mir, dass die Mäuse nur Teil eines viel größeren Plans sind. Eines über alle Maßen bösartigen Plans natürlich.“

Posemuckelmats blieb kurz stehen, um die Maus in seiner Hand mit einem traurigen Kopfschütteln zu betrachten. Dann wandte er sich an Julian.

„Schlag mir bitte schnell viermal hart auf den Schädel“, befahl er, nahm seinen Hut ab und beugte sich runter.

Julian tat auf der Stelle und ohne zu zögern, was von ihm verlangt wurde. Er wusste nämlich aus Erfahrung, dass ein paar ordentliche Kopfnüsse eine überaus positive Wirkung auf die Denktätigkeit des Hexenspezialisten hatten.

„Grandios“, sagte Posemuckelmats nach der vierten Kopfnuss. „Du bist kräftiger geworden seit unserem letzten Treffen.“ Er stand ein paar Sekunden still da, dann blitzte sein Auge auf. „Selbstverständlich“, murmelte er. „Höchst simpel, das Ganze.“

„Was?“, fragte Julian, der nicht ganz folgen konnte.

Es wurde ihm allerdings sehr schnell klar, dass Posemuckelmats im Moment keine Zeit hatte, irgendwelche Fragen zu beantworten. Er war vollauf damit beschäftigt, in seinem weiten Umhang nach etwas zu suchen. Eine große Zange. Wie man sie zu feineren Anlässen verwendet, um sich Kleingebäck vom Kuchenteller zu nehmen.

Posemuckelmats drückte Julian die Maus in die Hand, ging auf den Wohnwagen der Hexe zu und warf sich direkt davor der Länge nach auf den Bauch. Zwei Sekunden später war er wieder auf den Beinen. Er hielt die Zange mit ausgestrecktem Arm vor sich. Zwischen den vorderen Greifern baumelte ein kleiner Kasten mit einer Falltür. Das war eine Mausefalle. Sie schimmerte schwach grün-violett. Mit einem geübten Armschwung angelte Posemuckelmats eine zweite Zange aus seinem Umhang, mit deren Hilfe er die Klappe der Mausefalle öffnete.

„Warum benutzt du nicht einfach deine Hände?“, fragte Julian.

„Wie oft soll ich es dir denn noch sagen“, antwortete der Hexenspezialist kopfschüttelnd. „Berühre niemals etwas, wenn du dich in der Nähe einer Hexe befindest. Muss ich noch deutlicher werden?“

„Äh, nein“, nuschelte Julian verlegen. Schließlich kannte er die Antwort nur zu gut. Er hatte einfach nicht daran gedacht. Er schwor sich im Stillen, dass das nie wieder vorkommen würde.

„Na, da haben wir ja ein richtiges Prachtexemplar“, flüsterte Posemuckelmats und befreite eine Maus aus der Falle. Sie huschte schnell in die Dunkelheit und verschwand zwischen den Wohnwagen.

„War die auch verhext?“, fragte Julian, der inzwischen völlig konfus war.

„Natürlich nicht“, brummte der Hexenspezialist ungeduldig. „Das war eine ganz gewöhnliche Maus. Aber nicht mehr lange, und sie wäre verhext worden, wenn wir nicht ...“

Er nahm Julian die Maus (oder richtiger den verhexten Jungen) aus der Hand und steckte sie in die Falle. Dann schloss er die Klappe, schob die Mausefalle zurück unter den Wagen der Hexe und ließ die zwei merkwürdigen Greifer wieder unter seinem Umhang verschwinden. Er rieb sich zufrieden die Hände und zog Julian hinter sich her in den Schatten des kunterbunten Zirkuswagens. Und dort blieben sie eine ganze Weile schweigend nebeneinander stehen und warteten.

Julian sagte nichts, obgleich sein Kopf vor lauter Fragen fast platzte. Stattdessen richtete er seinen Blick genau wie Posemuckelmats stur auf die Tür des Hexenwohnwagens.

Sie mussten nicht lange warten, bis die Tür aufging, und die Hexe sich auf den oberen Treppenabsatz stellte. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt einen knöchellangen roten Schlafrock, der mit schwarzen Zylindern bedruckt war. Sie ging die Treppe hinunter, bückte sich und zog etwas unter dem Wagen hervor. Die Mausefalle. Julian streckte den Hals.

„Hab ich’s mir doch gedacht“, hörte er Posemuckelmats ganz, ganz leise flüstern.

Die Hexe fischte die Maus (oder besser gesagt den verhexten Jungen) samt einem kleinen Käsewürfel aus der Falle und hatte plötzlich wieder die Flasche mit dem Tropfenzähler in der Hand. Sie träufelte einen Tropfen Hexenschnodder auf den Käse, der augenblicklich zu Pulver wurde. Dann setzte sie die Maus auf die Erde, blies ihr das Pulver in die Augen und sprach eine kurze Formel. Eine grün-violette Rauchwolke hüllte die Maus ein.

Es ging alles sehr schnell. Als der Rauch sich verzog, sahen sie den Jungen, der in der Manege den Silberzauberstab hatte halten dürfen, barfuß neben seinen ausgelatschten Sportschuhen stehen und sich benommen die Augen reiben.

Julian musste sich schwer zusammenreißen, um nicht vor Begeisterung in die Hände zu klatschen. Das war genial. Da glaubte die Hexe, sie würde eine arme Maus in einen Menschen verwandeln, und dabei hatte sie, ohne es zu wissen, den verhexten Jungen wieder in sich selbst verwandelt.

„Sag mal“, sagte die Hexe nachdenklich, aber mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. „Hab ich dich nicht schon mal irgendwo gesehen?“

Julian spürte, wie Posemuckelmats hinter seinem Rücken alle Muskeln anspannte. Da breitete sich im Gesicht der Hexe das strahlende Zirkuslächeln aus.

„Sieh zu, dass du zu den anderen kommst!“, forderte sie den Jungen vergnügt auf und zeigte zu dem grünen Wagen mit der Stalltür.

Sie selbst zog sich wieder in ihren Wohnwagen zurück.

„Typisch“, flüsterte Posemuckelmats. „In den Augen einer Hexe sehen fast alle Menschen gleich aus. So wie für uns Menschen alle Tannennadeln gleich aussehen. Glück für uns.“

Der zurückverwandelte Junge zog sich gerade seine Schuhe an. Er sah leicht verwirrt aus. Dann ging er kopfschüttelnd den gleichen Weg zurück, den er gekommen war.

„Typisch“, brummte Posemuckelmats. „Er hat keine Erinnerung daran, was ihm gerade widerfahren ist. Beim großen, allmächtigen Hexenbezwinger! Wenn die Kinder heutzutage in der Schule doch wenigstens die wichtigsten Grundkenntnisse über Hexen mitbekommen würden. Also wirklich! Weil er keine Ahnung hat, dass man in etwas anderes verhext werden kann, merkt er nicht, wenn es tatsächlich passiert. Und darum nimmt er sich auch das nächste Mal nicht in Acht. In unseren Schulen lernt man nichts über Hexen. Gut, dass ich nach der Hälfte der zweiten Klasse von der Schule abgegangen bin!“

Mit diesen Worten trat der große, alte Hexenspezialist mit einem großen Schritt aus dem Schatten. Julian sah ihn mit unverhohlener Bewunderung an. Durch sein geistesgegenwärtiges Eingreifen hatte Posemuckelmats zwei Geschöpfe vor dem schrecklichen Schicksal bewahrt, in jemand anderen verhext zu werden, als sie eigentlich waren. Julian war sich sehr wohl bewusst, dass er soeben ein Beispiel von Hexenspezialistenkunst allerhöchster Güte vorgeführt bekommen hatte.

„Woher wusstest du eigentlich, dass die Hexe die Maus in einen Menschen verwandeln wollte?“, fragte er neugierig.

„Weil ich sie gestern Abend bei genau der gleichen Aktion beobachtet habe“, antwortete der Hexenspezialist leise. „Konnte es aber nicht verhindern. Leider.“ Ein schmerzlicher Zug huschte über sein Gesicht. „Hab mir schon gedacht, dass sie das Ganze heute noch mal wiederholen würde“, fuhr er fort. „Bin schon ewig hinter dieser Hexe her, habe sie aber erst gestern im Städtchen in der Heide aufgespürt und bin ihr hierher gefolgt. Ich würde ja zu gerne wissen, was sie eigentlich im Schilde führt.“

Plötzlich krümmte er sich und flitzte mit verblüffender Geschwindigkeit bis unter das Fenster vom Wohnwagen der Hexe. Julian folgte ihm. Aus dem Innern des Wagens fiel heimeliges, gelbes Licht nach draußen. Julian lief ein Schauer über den Rücken.

„Bist du bereit, wie ein geölter Blitz abzuhauen?“, flüsterte der Hexenspezialist.

Julian nickte.

„Gut. Dann riskieren wir einen Blick. Wollen wir doch mal schauen, was sie gerade so treibt. Sollte sie uns entdecken, nichts wie ab durch die Mitte! Und jetzt: eins, zwei, drei!“

Sie richteten sich beide gleichzeitig auf und spähten durch das Fenster. Julian musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um etwas sehen zu können. Das war wirklich ein edler Wohnwagen. Die Möbel und die Wände schimmerten rot und silbern. Da entdeckte Julian die Hexe. Sie stand halb abgewandt in ihrem Seidenkimono mit den Zauberzylindern vor einem roten Plüschsofa. Darüber hing ein altes Ölgemälde von einem Wanderzirkus, dessen Wagen von Pferden durch eine malerische Sommerlandschaft gezogen wurden. Mit einer schnellen Bewegung drehte sie das Ölbild um, sodass die Rückseite nach vorne zeigte. Julian spürte einen festen Griff um seinen Oberarm.

„Was ist das?!“, flüsterte Posemuckelmats dicht neben seinem Ohr.

„Was?“, flüsterte Julian zurück.

„Die Striche da. Sieht aus wie eine Rechnung oder so was.“

Jetzt sah Julian auch, dass in die hölzerne Rückseite des Bilderrahmens eine Reihe von Strichen eingeritzt waren, insgesamt neun Stück. Und über den Strichen entdeckte Julian eine geheimnisvolle Inschrift, die er nur mit Mühe entziffern konnte: Geschmeiß zu Gewürm und Gewürm zu Geschmeiß, stand da.

Die Hexe hatte die Hand aus der Tasche genommen und musterte ihren Zeigefingernagel, einen sehr langen Zeigefingernagel. Damit ritzte sie einen weiteren Strich auf die Rückseite des Bilderrahmens, direkt neben die neun bereits vorhandenen. Danach ging sie zu ihrem Kühlschrank und nahm eine große Champagnerflasche aus weißem Glas heraus. Julian merkte, wie es Posemuckelmats durchzuckte. Die Hexe hielt die Flasche gegen das Licht und bedachte sie mit einem zärtlichen Blick.

Da sah Julian, dass in der Flasche kein Champagner war, sondern uraltes, abgestandenes Moorwasser, in dem vor Fäulnis Blasen entstanden waren, die gemächlich an die Oberfläche stiegen. Es schwammen sogar ein paar Kaulquappen darin herum.

Julian schüttelte es.

„Hexen ernähren sich ausschließlich von abgestandenem Moorwasser“, flüsterte er.

„Stimmt“, flüsterte Posemuckelmats zurück. „Aber das da ist kein gewöhnliches abgestandenes Moorwasser. Das ist abgestandenes Moorwasser mit Gärbläschen, auch Hexenchampagner genannt. Das absolute Luxusgetränk unter Hexen, wird nur zu äußerst besonderen Anlässen getrunken.“

Die Hexe drückte einen dicken Kuss auf die Champagnerflasche und stellte sie zurück in den Kühlschrank.

Posemuckelmats und Julian duckten sich, weil die Hexe sich plötzlich zu ihnen umdrehte.

„Und jetzt ab durch die Mitte!“, flüsterte Posemuckelmats und rannte los.

Julian war ihm dicht auf den Fersen. Kurz darauf erreichten sie den Rand des Platzes, wo ein paar Männer dabei waren, das Zirkuszelt abzubauen. Sie grüßten sie freundlich.

Posemuckelmats lief mit ausladenden Schritten und bauschendem Umhang durch den späten Herbstabend. Er wollte zu der verfallenen Hütte am Rand des Zaubermoors. Während er lief, brummte er nachdenklich vor sich hin.

„Eine Flasche mit bitzelndem Moorwasser“, murmelte er. „Das will mir gar nicht gefallen. Hexen trinken ausschließlich bitzelndes Moorwasser, wenn sie einen ganz besonderen Grund zum Feiern haben ...“ Er schüttelte nachdenklich den Kopf.

Julian folgte Posemuckelmats auf dem Fuß. Immer wenn der große Hexenspezialist einen Schritt machte, musste er zwei machen.

„Und dann diese eigenartige Rechnung auf der Rückseite des Bildes“, brummelte Posemuckelmats weiter vor sich hin. „Zehn Striche. Zehn von was? Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn Hexen anfangen zu zählen. Aber was zählt sie?“

Posemuckelmats blieb ohne Vorwarnung stehen, sodass Julian gegen seinen Rücken rannte. Aber der große, alte Hexenspezialist merkte überhaupt nichts von dem Zusammenstoß. Er stand wie vom Blitz getroffen da.

„Großer, allmächtiger Hexenbezwinger!“, murmelte er. „Könnte es sein ... Ja, das könnte durchaus sein ... Sollte mich nicht wundern, wenn es ... wenn es ...“

„Wenn was?“, fragte Julian, der einmal um Posemuckelmats herumgegangen war, um nachzusehen, weshalb er stehen geblieben war

„Wenn es dabei um einen Hexenrekord ginge“, sagte der große, alte Hexenspezialist langsam.

Dann packte er Julian an den Schultern und schüttelte ihn durch.

„Was stand über den Strichen? Stand da nicht was?“, fragte er ungeduldig.

Posemuckelmats konnte ja nicht lesen, weil er in relativ jungen Jahren die Schule verlassen hatte.

„Geschmeiß zu Gewürm und Gewürm zu Geschmeiß“, antwortete Julian. „Klingt, als hätte es mit Insekten zu tun.“

„Insekten?“, schnaubte der Hexenspezialist aufgebracht. „Du Dummbeutel! Hast du den Kopf voller Buttermilch, oder was? Geschmeiß zu Gewürm und Gewürm zu Geschmeiß, das ist ein klassischer Hexenrekord! Einer der allerschlimmsten. Oh, großer, allmächtiger Hexenbezwinger, hab ich’s doch geahnt.“

„Äh, was ist ein Hexenrekord?“, fragte Julian.

„Hexen sind ganz wild auf Rekorde“, brummte Posemuckelmats abwesend. „Es gibt unendlich viele. In ganz unterschiedlichen Disziplinen. Genau, wie es bei den Menschen Rekorde im Stabhochsprung oder Tortenwerfen oder Tiefseetauchen gibt. Geschmeiß zu Gewürm und Gewürm zu Geschmeiß ist einer der gemeinsten Rekorde. Hexen bezeichnen Menschen als Geschmeiß und Tiere als Gewürm, weißt du. Und um den Geschmeiß-zu-Gewürm-und-Gewürm-zu-Geschmeiß-Rekord zu schlagen, muss eine Hexe, soweit ich weiß, an einer bestimmten Anzahl von aufeinander folgenden Tagen einen Menschen in ein Tier und ein Tier in einen Menschen verhexen.“

Posemuckelmats’ Stimme hörte sich sehr niedergeschlagen an. Er gab einen tiefen Seufzer von sich und schüttelte traurig den Kopf.

„Zehn“, fuhr er fort. „Zehn Striche auf der Rückseite des Ölgemäldes. Das kann nur eins bedeuten. Sie ist auf dem besten Weg, den Geschmeiß-zu-Gewürm-und-Gewürm-zu-Geschmeiß-Rekord zu brechen. Jeder Zweifel ausgeschlossen. Sie führt Buch darüber, wie weit sie gekommen ist. Die Nummer mit dem silbernen Zauberstab und der Mausefalle hat sie bestimmt in jedem Ort durchgezogen, in dem der Zirkus gastiert hat. Und sie hat garantiert vor, das Spielchen noch weiter fortzuführen. Die dressierten Mäuse bei ihrem Auftritt in der Manege, die Art, wie sie im Kreis herumlaufen. Ich hätte es gleich merken müssen. Das ist durchaus kein ungewöhnliches Verhalten für verhexte Menschen.“

„Die Clowns waren auch eigenartig“, sagte Julian. „Besonders der Clown Jakobi.“

Posemuckelmats hatte das Zirkuszelt noch vor der Clownsnummer verlassen. Jetzt erzählte Julian ihm ausführlich von dem traurigen Clown.

„Typisches Verhalten für verhexte Tiere“, brummte Posemuckelmats, nachdem er sich Julians Bericht bis zu Ende angehört hatte. „Sie sind extrem unsicher auf den Beinen. Hoffnungslos tollpatschig. Sind es einfach nicht gewohnt, auf zwei Beinen zu gehen Und vor allen Dingen sind sie sehr, sehr traurig.“

Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas.

„Verflixt und zugenäht!“, platzte der Hexenspezialist wütend heraus und hob eine geballte Faust gegen den dunklen Herbstabendhimmel. „Man sollte einer Hexe das Handwerk legen, ehe sie zu hexen anfängt. Aber so eine raffinierte Hexentarnung! Eine herumreisende Hexe ist beinahe unmöglich aufzuspüren. Selbst für einen derart sensiblen Hexensensor wie meinen“, sagte er und fasste sich ans Ohr, wo sein legendärer Hexensensor saß.

„Zehn von jedem“, sagte Julian leise.

„Neun von jedem“, korrigierte Posemuckelmats ihn. „Die Hexe glaubt, es wären zehn. Aber nach diesem Abend sind es nur noch neun.“

Das war ein geringer Trost.

Julian sah das verzweifelte Gesicht des Clowns Jakobi vor sich. Beklommen dachte er an die neun Menschen, die dazu verdammt waren, als Mäuse weiterzuleben, und an die neun Mäuse, die für den Rest ihres Lebens dazu verdammt waren, als Menschen weiterzuleben. Er schielte zu Posemuckelmats hinüber und glaubte zu erkennen, dass ihm gerade genau das Gleiche durch den Kopf ging.

„Hexen werden so lange böse Pläne schmieden, bis die Welt irgendwann nur noch von verängstigten und traurigen Wesen bevölkert ist“, murmelte der Hexenspezialist düster. „Wenn ihnen nicht vorher jemand das Handwerk legt!“

Einen Augenblick stand er in Gedanken versunken da, den Rücken gestreckt und das eine Auge in weite Ferne gerichtet. Ein Windstoß fuhr unter seinen Umhang, sodass er sich stolz hinter ihm bauschte. Der große, alte Hexenspezialist war ein beeindruckender Anblick.

„Zumindest wissen wir jetzt, was die Hexe im Schilde führt und was wir zu tun haben, um das zu verhindern. Das ist ein nicht zu verachtender Vorteil, wenn man es mit Hexen zu tun hat.“

Er drehte Julian um und stupste ihn in den Rücken.

„Und jetzt ab nach Hause und ins Bett“, sagte er streng. „Wir brauchen morgen all unsere Kräfte. Wir treffen uns um die Mittagszeit an der großen Kreuzung auf der Landstraße, die nach Süden führt. Und dann begeben wir uns auf Zirkustournee.“

Julian und der Hexenrekord

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