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Heidis Bierbar

Jetzt mal ganz ehrlich:

Wenn sich ne Mitt-Fuffzigerin liften läßt, sieht sie ja nicht aus, wie ne Vierzigjährige, sondern eben wie ne geliftete Mitt-Fuffzigerin.

Silikon in die Titten? Diese Frage stellt sich bei mir weiß Gott nicht. Mit meinen beiden Süßen bin ich auch so hervorragend gesegnet.

Ja natürlich hab ich Fältchen am Hals und am Dekolleté. Trotzdem häng ich mir keine Gardine drüber. Die Dinger passen zu denen in meinem Gesicht. Und ich stell mich ja auch nicht mit ner Tüte übern Kopf hinter die Theke. Wer's nicht mag, soll halt weggucken. Woanders hin, wo's glattere Angebote gibt. Ich werde mich doch nicht verhüllen. Hab immer schon gerne gezeigt, was ich habe, da werde ich in meinem Alter auch nichts mehr dran ändern.

Ich bin ja nicht blöd: Die sogenannten „inneren Werte“, die gehen den Kerlen am Arsch vorbei. Wenn eine sonst nichts Reizvolles zu bieten hat, wird eben sowas ins Feld geführt. Solche Weiber werden gerade mal geheiratet. Und können sich dann für Gatte, Kinder, Haushalt blöd malochen. Und der Spaß geht woanders ab.

Klar hab auch ich innere Werte. Sonst würden die Schwänze, die mal in meiner Muschi gesteckt haben, wohl kaum immer wieder dorthin zurück wollen.

Aber jetzt im Ernst:

Von außen betrachtet bin ich ja vielleicht mittlerweile schon so weit, dass mir die Männer nicht mehr unbedingt deshalb näherkommen, weil sie mich anbaggern oder begrabschen wollen, sondern um mir meine Handtasche zu entreißen.

Aber Vorsicht! Ich hab noch ganz schön viel Saft und Kraft!

Übrigens nicht nur, um mich zu verteidigen. Wenn ich Lust dazu habe, dann krieg ich noch ganz schön viel angeschoben. Also damit will ich sagen: Wenn mal einer Probleme hat – Leute: Ich bin die, die weiß, wie's geht. Jahrelange, ach, was sage ich, jahrzehntelange Routine.

Und ich mach auch immer noch was her. Das sag nicht nur ich, das sagen auch andere über mich. Immer proper, selbst kurz vor Feierabend, nachts um Zwei. Als Nachtschattengewächs will ich mich nun wirklich nicht präsentieren. Deshalb: kein kaltes Licht überm Tresen, sondern nach innen, also zu mir hin, Strahler in Apricot. Apricot kommt gut bei mir. Ein frischer Teint ist damit garantiert. Ich verhunz mir doch nicht meine Haut im Sonnenstudio oder mit ner Schicht Make-up. Da baue ich doch eher auf den Kontrast zum Fußvolk vor der Theke. Darum hab ich nach vorne raus, zu den Barhockern hin, stimmungsvolle bunte Glühbirnen installiert. Grün, Blau und Violett. Sieht nett aus, aber wenn man in so nem Licht steht, kommt man fast ein bisschen krank rüber. Konkurrenz sozusagen strahlend ausgeschaltet.

Nicht dass unter meinen Gästen viele Damen wären. Ich hab immer schon eher auf die Tradition gesetzt: Flotte Wirtin, um ein nettes Ambiente zu schaffen, und ne gute Runde Kerle, die sich Zuhause langweilen mit ihrer Alten und dem ewigen Fernsehen und hier bei nem gepflegten Bierchen mit ihresgleichen zusammenkommen und entspannen können. Ganz ab und zu bringt mal einer seine Frau mit. Wohl um ihr die Harmlosigkeit seines Freizeitvergnügens vorzuführen. Mit der solidarisiere ich mich dann auch gleich, so von Frau zu Frau:

„Ach ja, die Männer“.

Und „Am vernünftigsten ist immer die lange Leine“.

Oder „Besser hier, als wenn sie sonstwo hinrennen“.

Mach also richtig auf nett, damit der Gatte keinen Stress kriegt. Ich kenn doch die Sprüche. So in dem Tenor: Wie kannst du in so eine Spelunke gehen? Mit so nem Schrapnell als Wirtin?

Ist ja nun auch keine Spelunke.

Und ich würde bestimmt keiner ihren Tünnes ausspannen wollen. Wenn sie ihn auch nur einmal mit klarem Blick betrachten würden, kämen sie gar nicht auf solche Ideen. Wer wäre denn schon auf so einen aus?

Was die Gattinnen, natürlich nicht wissen: Ich weiß ja, dass sich das eh nicht unbedingt lohnt. Denn es ist doch so: Wenn einer eigentlich wollen würde, aber noch zu nüchtern ist, ist er verklemmt. Und wenn er dann genug drin hat, um sich als wilder Stier zu fühlen, dauert es ewig, bis er so weit ist. Auch wenn ich schon dreimal fertig geworden bin und genug habe. Aber ich, mit meinem weichen Herzen, mach dann halt noch weiter. Mir ist schon daran gelegen, dass er's noch hinkriegt, er soll die Nummer ja in guter Erinnerung behalten und auf mehr hoffen, ich will mir doch nicht meine Gäste vergraulen.

So bleibt dann auch immer noch ein ganzes Rudel da, wenn ich die Rollläden runtergelassen habe. Sie drehen dann nochmal richtig auf, schmeißen Runden, schließen Wetten ab und so. Kommt dann noch ganz schön was an Umsatz rum. Und damit das so bleibt, ist es nur recht und billig, dass ich das ab und zu durchziehe. Und immer schön drauf achte, dass keiner aufgibt.

Der Ablauf ist so: Irgendwann ist endgültig Zapfenstreich, und ich schmeiß die ganze Mischpoke raus. Alle eben, bis auf einen, der mir dann noch helfen darf mit den Getränkekästen.

Ja, mein Gott, das sind doch alles Typen, die bei was Jungem, Knackigem auch nicht den Hauch von einer Chance haben. Und ne Affaire mit ner Frau, die ihnen gefährlich werden könnte, also von wegen Liebe oder so, ist ihnen einfach zu heikel. Sie sind ja so gut wie alle verheiratet. Und weil ich sowas wie ne Trophäe bin, wollen sie alle mal ran, das ist schon so ne Art Gruppenzwang. Sie quasseln sich halt untereinander heiß und reden sich selber ein, das Spielchen geil zu finden. Für mich ist es völlig okay. So lange diese Subjekte mir was bieten können, mache ich ihnen gerne das Objekt der Begierde.

Klar werde ich älter, aber die Kerle ja auch. Und ich hab im Gegensatz zu ihnen nicht das Gefühl, noch was nachholen zu müssen, was wichtiges versäumt zu haben. Ich kann mit all dem ganz fröhlich und frei umgehen. Und so lange ich noch was davon habe, so lange hol ich mir halt, was ich brauche.

„Was ich brauche“, das habe ich jetzt ganz bewusst gesagt. Ich hab da schon auch meine Träume von der aufregenden Nummer, der glühheißen Affaire, so mit Herzklopfen und allem drum und dran. Eine ganz und gar romantische Sache, für die meine guten, alten Bekannten nun wirklich nicht die richtigen Partner sind. Dafür bräuchte es schon ganz frisches Blut.

Das heißt jetzt nicht, dass meine Stammgäste nur alte Säcke sind. Der jüngste ist immerhin satte 20 Jahre jünger als ich.

„Ach, Heidi“, seufzt er immer, „noch nicht mal wegen meines zarten Alters hab ich nen Bonus bei dir.“

Tja, wo er recht hat, hat er recht. Nen Bonus hätte höchstens ein Neuzugang. Aber meine Kunden riechen das. Bringen nie mal nen Nachbarn oder Kollegen mit. Hier und da mal die Gattin, wie gesagt, und dann bin ich nett, wie gesagt.

Sonst bin ich ja eher nicht nett. Denn nicht nett läuft genausogut wie nett. Warum sollte ich mir also einen abwürgen? Berühmt bin ich nun mal für meine Bissigkeiten, nicht für Sanftmut. Und ich hab mir meine Klientel im Laufe der Jahre auch ganz schön zur Schlagfertigkeit erzogen. Na, ein bisschen was für den Geist möchte ich ja auch haben am Tresen.

Neue haben es wirklich schwer in unserer Runde, ganz bestimmt. Aber wer ein Mimöschen ist, der hat in meinem Laden sowieso nix zu suchen. Zumindest nicht an der Theke. Der sollte sich besser an den Tisch setzen und sich von meiner Kellnerin bedienen lassen.

Die Käthe ist ne gute Kraft. Flink, wenn auch nicht gerade hübsch. Über zehn Jahre jünger als ich. Da kann man mal sehen, dass es nicht das Alter oder vielmehr die Jugend ist, die's bringt.

Ich hab mir die Frau schon richtig ausgesucht, da hab ich ein Händchen für. Sie ist allerdings nicht groß gefragt, die Käthe, hier in der Kneipe. Es zieht ihr zwar ab und zu mal einer die Schleife der Schürze auf, aber bei dem katholischen Blick, den sie dann sofort auflegt, kann sich wirklich gar nichts daraus ergeben. Irgendwie wirkt sie eben genauso wie die altbekannten Ehefrauen. Und wer auf Abenteuer aus ist, der will ja nicht die herkömmliche Hausmannskost: Personal ausgewechselt, aber im Grunde derselbe Typ Frau.

Manchmal spüre ich, wie Käthe mich aus den Augenwinkeln beobachtet. Das ist dann aber ein ganz und gar unkatholischer Blick, so wie sie da rüberschielt. Sie weiß offenbar immer noch nicht so genau, was sie von mir und dem Ganzen hier halten soll, dabei ist sie schon seit fast einem Jahr hier. Ich merke es doch: Sie schwankt nach wie vor zwischen Bewunderung und Verachtung. Kriegt es einfach nicht für sich entschieden. Ganz komisch ist es geworden, nachdem sie mal nächtens ins Hinterzimmer reingeschneit ist.

Sie hat ja immer schon um zwölf Uhr Feierabend, also ne Stunde bevor offiziell Schluss ist. Und einmal hat sie anstatt ihres Hausschlüssels den Kneipenschlüssel mitgenommen. Dachte wohl, es wäre keiner mehr da, war dann aber beunruhigt wegen der seltsamen Geräusche aus dem Nebenraum. Hat sie zumindest im Nachhinein behauptet. Gottchen, was soll denn seltsam gewesen sein an den Geräuschen? Ich denke nicht, dass sie an Eindeutigkeit hätten überboten werden können.

Wie lange sie da im Türrahmen gestanden hat, weiß ich nicht. Ich habe die blöde Angewohnheit, die Augen zuzumachen beim Ficken, um mir dabei meine Vorstellungen zu genehmigen. Als ich sie entdeckte, stand sie da, eine Hand am Gitter des Türfensters, glotzte sich die Augen aus dem Kopf und sah alles andere als katholisch aus. Sie kriegte wohl nicht gleich mit, dass ich sie gesehen hatte.

Eine Zeugin des Geschehens, aha. Also gut. Die kauf ich mir jetzt, das stand von einer Sekunde zur anderen für mich so fest, wie das Amen in der Kirche. Erstmal kramte ich einen Vorrat zotiger Ausdrücke raus, posaunte sie aus, was Günter – er war's in dieser Nacht – schwer zu gefallen schien. Und dann hab ich nochmal richtig einen draufgesetzt.

Schließlich bugsierte ich Günter in eine Lage, in der ich durch einen Augenaufschlag einen Frontalzusammenprall mit Käthes Kälber-Blick hinkriegen würde. Ihr verschlug es auch gleich den Atem. Ein kurzer Wink mit dem Kinn: „Da ist die Tür!“, und sie schlich weg wie ein geprügelter Hund.

Klar hab ich die Käthe den nächsten Tag drauf angesprochen. Ihr war das alles hochnotpeinlich.

„Der Schlüssel, die seltsamen Geräusche“ stammelte sie, bekam ne rote Birne und polierte wie besessen die Gläser.

Bat mich tausend Mal um Entschuldigung:

„Höchstens eine Sekunde war ich drin gewesen, im Zimmer.“

Ja, Kindchen, erzähl mir einen. Ich weiß doch, was ich weiß. Hab ich aber nichts zu gesagt.

„Was soll's, Käthe, Schwamm drüber.“

Als die ersten Gäste kamen, konnte man förmlich hören, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel.

Dass Günter abends, als die Stammkunden versammelt waren, ne Thekenrunde schmiss, hat sie, glaub ich, gar nicht mitgekriegt. Wurde dann nochmal knallrot, als sie gehen wollte und ich sie fragte, welchen Schlüssel sie denn diesmal eingesteckt hätte.

Am nächsten Tag kam sie nicht – samstags hat sie frei, da kellnert Kurt bei mir, der Sohn vom alten Hubert, von dem ich den Laden übernommen habe. Am Samstag mach ich schon vormittags auf, und abends dann nochmal ab Sechs. Und Sonntag morgen ist Frühschoppen, auch mit Kurt. Die Spätschicht am Sonntag fährt die Käthe mit Kurt zusammen, da hab ich dann frei. Und der Montag ist Ruhetag, da mach ich die Buchhaltung und die Bestellungen.

Am Dienstag hatte die Käthe sich wieder einigermaßen gefangen, aber trotzdem war's mir nach Feierabend son bisschen komisch, als ich den Karl-Heinz dabehalten hab. Ich weiß, das kann eigentlich nicht sein, aber ich meinte die ganze Zeit das spezielle Quietschen von Käthes Kellnerschuhen im Hof vor dem Hinterzimmer zu hören. Reingucken kann da niemand, das Fenster hat Ribbel-Glas. Aber irgendwie konnte ich mich nicht so richtig gehen lassen.

Den Rest der Woche hab ich gar nichts mehr veranstaltet, die Kerle dachten schon, ich hätte meine Tage, aber diesen ganzen Stress hab ich schon seit ein paar Jährchen hinter mir. Dass ich keine Lust hatte, das hing mit Käthes scheelen Seitenblicken zusammen, wie sie mich ständig heimlich beobachtete. Und auch auf den Günter hatte sie sich son bisschen eingeschossen.

Wie sehr mich das genervt hatte, wurde mir erst am Samstag Morgen klar, als ich wieder mit Kurt gearbeitet hab. Aber vormittags ist irgendwie ne andere Stimmung im Lokal, und um Eins gehen alle brav zu Muttern, Mittagessen. Und da stand ich dann blöd da.

Von Kurt wollte ich's mir eigentlich nicht machen lassen. Der immer mit seinem „Chefin hier“ und „Chefin da“. Und schließlich ist er ja mein Angestellter. Ewiger Junggeselle. Er wohnt immer noch bei seinem Vater, oben, im ersten Stock über der Kneipe. Unter der Woche arbeitet er auf irgendeinem Amt, und ich hab ihn mal in der Videothek gesehen, wie er mit ner ganzen Tüte voll Pornos da rausgeschlichen ist.

Ja, und dann fiel mir sein Ding ein. Es ist allerdings schon 20 Jahre her, dass ich das gesehen hatte. Da hab ich noch für seinen Vater, den Hubert, hier gekellnert. Der hatte übrigens überhaupt keine Schwierigkeiten damit, seine Angestellte herzunehmen. Da kann ich ein Liedchen von singen. Na, jedenfalls hab ich den Jungen erwischt, wie er sich zwischen den Getränkekästen einen runterholte. Ich hab ihn gefragt, ob ich mit anfassen soll, und ich hätte es auch gemacht, so zum Spass, aber da spritzte er gleich los, alles über meine Schürze, und ich hab ihm eine geknallt.

Diese Story hab ich ihm am Samstag Mittag beim Aufräumen erzählt, von wegen „weißt du noch?“ und so, und ob sein Schwanz heute noch so stattlich wäre, wie damals, mit 17.

War er. Und wie damals kam er sofort, ich hatte nichtmal drangepackt.

Kein Problem, meinte er, er könnte gleich nochmal. Und ich hätte vergessen, ihm eine zu knallen.

„Gibt's nicht. Erst will ich Leistung sehen.“

Zeigte er dann auch zügig. Wir fickten uns quer durch's Lokal, im Sitzen, im Stehen, im Liegen, bis es endlich genug war. Dann forderte er seine Ohrfeige ein. Schlagartig – im wahrsten Sinne des Wortes – wurde mir klar, dass ich mit der ganzen Sache ne große Scheiße gebaut hatte, dass ich den Kurt jetzt womöglich an Schürzenbändel hab, aber es war nun mal nicht mehr rückgängig zu machen.

Und tatsächlich, die ganze Abendschicht lang hat er mich belästigt, flüsterte mir was zu, sobald er an der Theke war, um sein Tablett vollzustellen: Er könnte fünfmal hintereinander. Mit so nem geilen Weib wie mir würde er es sicher sogar siebenmal schaffen. Meine Muschi wäre die heißeste Möse weit und breit. Und so was alles. Hab ihm gesagt, er solle sich bloß geschlossen halten. Wollte ihm schon androhen, ihm eine zu scheuern, aber das wäre wohl das Allerfalscheste gewesen.

Für Sonntag hatte ich mir vorgenommen, gleich von Anfang an die gestrenge Chefin rauszukehren, aber sowas schien Kurt nochmal richtig scharf zu machen. Er hörte erst auf mit seinen Sprüchen, als ich ihm in Aussicht stellte, beim nächsten Wort flöge er auf der Stelle raus.

Ja, und dann hab ich ihm, als alle weg waren, ne Geschichte aufgetischt, hab ganz auf vernüftig gemacht, auf seriös, und auf zerknirscht bis zur Kitschigkeit: Die Sache am Samstag wäre ein Ausrutscher gewesen und müsste auch eine einmalige Angelegenheit bleiben, weil ich nämlich auf keinen Fall meiner Freundin und Angestellten Käthe wehtun wollte. Die wäre nämlich heimlich – aber nichtsdestoweniger heftig – in ihn verknallt.

Kurt fiel erstmal die Kinnlade runter. Ich nahm ihm das Versprechen ab, ihr mit keinem Sterbenswörtchen zu sagen, dass ich ihm das verraten habe.

„Die Käthe, die Käthe“, stammelte er, „und mir zeigt sie immer nur die kalte Schulter.“

„Sie ist doch schon zwei Mal geschieden. Und hat Angst vor noch einer Enttäuschung. Darum spielt sie die Kühle. Aber du glaubst ja nicht, wie oft sie sich schon bei mir ausgeheult hat wegen dir. Und ich hab ihr immer gesagt: Die Zeit wird kommen. Du musst ihm aber ab und zu ein kleines Zeichen geben. Nur traut sie sich das nicht. Wenn ich aber jetzt sehe, wie grob du bist und wie obszön, sollte ich besser mal anfangen, ihr das auszureden. Denn sowas würde sie verletzen, das würde sie nicht verkraften. Sie ist eben eine Romantikerin.“

„Die Käthe, die Käthe“, fing er wieder an, „wer hätte das gedacht. Aber ich würde bei ihr doch nie ... das sieht man doch, dass sie ein ganz zartes Pflänzchen ist.“

„Das sind wir Frauen eigentlich alle.“

Das musste ich ihm jetzt schon noch stecken.

„Sogar deine Huren drüben im Puff.“

Das war nur so ins Blaue hinein gesagt, aber Kurt kriegte nen Riesen-Schreck. Woher ich das denn wüsste, und er ginge doch nur ein, zwei Mal die Woche hin, und ob ich der Käthe was davon gesagt hätte.

„Keine Bange, hab ich nicht. Werde ich auch nicht tun. Aber die Käthe, die behandelst du mir anständig, wie eine Dame, sonst kriegst du's mit mir zu tun.“

„Schlägst du mich dann wieder?!?“

„Dann schneid ich dir die Eier ab.“

Und was immer mich da geritten hat, dabei hab ich ihm kräftig zwischen die Beine gegriffen. Er stand schon wieder wie ne Eins, und in zwei Sekunden waren wir aus den Klamotten raus. Jetzt wollte ich wirklich wissen, ob er fünfmal hintereinander kann, aber ich hab vergessen mitzuzählen. Mich hat's dermaßen gefuchst, dass er ihn immer rauszog, wenn er kam, und „ach Käthe, Käthe“ stöhnte, dass ich ihm jedes Mal eine runtergehauen habe. Am Anfang sprang sein Ding dabei gleich wieder auf „Hab Acht!“. Später musste ich ihm drohen, sein Teil abzubeißen, wenn er's mir nicht sofort wieder anständig besorgt.

Irgendwann haben wir abgebrochen. Es hätte sich wohl ausgekäthet, wenn sie plötzlich in der Tür gestanden hätte zur Abendschicht.

Ich hab den Kurt dann losgeschickt, was essen, dass er den restlichen Abend übersteht. Und kaum war er raus, traf Käthe ein. Ich hab sie für den nächsten Tag zu mir zum Kaffee eingeladen, damit wir mal in Ruhe reden können.

Unser Kaffeeklatsch, da hätte jemand mitschreiben sollen, da hätte man nen Groschenroman draus machen können.

Erstmal war die Käthe ganz verhuscht, hatte wohl befürchtet, dass ich sie rausschmeißen will oder so. Zu dem Zeitpunkt hab ich nun wirklich mitnichten an sowas gedacht. Worüber ich mit ihr reden wolle, fragte sie.

„Nur so mal quatschen, unter uns Frauen. Wir arbeiten ja nun schon bald ein Jahr zusammen und kennen uns gar nicht richtig.“

Hab ihr erstmal ein dickes Likörchen kredenzt, damit sie lockerer wird. Sie trinkt sonst keinen Schluck, da würden zwei, drei Gläschen schon was bringen.

„Prost, und runter damit.“

Und ich dann so richtig triefig: Es wäre mir wich-tig, wie sie mich sieht, dass sie mich nach der Sache von neulich nicht für ganz und gar liederlich hält. So, wie sie mich immer anschaut seitdem – ich hätte das Gefühl, dass sie mich zutiefst verachtet.

„Nein, nein, bestimmt nicht“, rief sie, „ich würde mir doch niemals ein Urteil über dich erlauben.“

Na sagen wir mal, sie würde sich nicht trauen, es rauszuposaunen. Aber egal, dazu wollte ich nun wirklich überhaupt nichts sagen. Stattdessen hab ich ihr unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit einen tollen Schwulst aufgetischt:

Dass Günter und ich eine Teenager-Liebe hatten, dass ich ihm dann aber, als ich das Angebot bekam, in einem Hotel in Baden-Baden die Ausbildung zu machen, den Laufpass gegeben habe. Schweren Herzens, das ganz bestimmt, aber ich hatte zu große Angst davor, dass er nach den zwei Jahren nicht mehr zu mir steht. Damit habe ich ihn fürchterlich enttäuscht, er wollte sich das Leben nehmen, was zum Glück daneben gegangen ist. Eine Krankenschwester hat sich seiner angenommen, er war ja ein süßes Kerlchen damals, und die hat ihn dann auch geheiratet.

Als ich wieder hierher zurückkam, sind wir uns bald über den Weg gelaufen. Wir waren immer noch füreinander entbrannt, aber er war ja jetzt gebunden und seine Frau war schwanger, da mussten wir natürlich aufeinander verzichten. Er ist aber immer meine große Liebe geblieben, darum habe ich auch nie einen anderen gewollt, obwohl mir so einige Männer den Hof gemacht haben. Ja, und seine Frau wurde mit der Zeit immer gemeiner zu ihm, schikanierte ihn, wo sie nur konnte, und als ihre Kinder groß und aus dem Haus waren, da wollte er sich scheiden lassen. Nur ist sie dann schwer krank geworden, und er brachte es nicht über's Herz, sie im Stich zu lassen. Er kümmert sich wirklich rührend um sie, obwohl sie ihm selbst aus ihrem Krankenbett heraus noch übel zusetzt, so dass er's manchmal kaum noch erträgt. Ich tröste ihn dann, so gut ich kann, und dass wir da jetzt was miteinander angefangen haben, nach all den Jahren, das haben wir beide nicht gewollt, aber was kann der Mensch denn schon gegen die wahre und tiefe Liebe ausrichten ...

Mein Märchen hatte gewirkt, Käthe war in Tränen aufgelöst und reif für den nächsten Likör. Ich war natürlich längst noch nicht fertig, hatte mich gerade mal in Stimmung geredet. Denn jetzt sollte sie drankom-men.

Als sie sich ausführlich die Nase geputzt hatte, hab ich mich bei ihr bedankt, dass ich ihr mein Herz ausschütten durfte. Sonst wäre ich ja immer diejenige, die andrerleuts Sorgen und Nöte zu hören bekommt. Am Sonntag noch, von Kurt. Sie hätte sich doch bestimmt gefragt, wieso ich noch da war, als sie kam.

„Ja, aber ich hab mir halt gedacht ... eigentlich hab ich mir gar nichts dabei gedacht.“

„Käthe“, hab ich gesagt, „da habe ich ein langes Gespräch mit Kurt gehabt. Er hat mir anvertraut, dass er nach Strich und Faden in dich verliebt ist.“

Und dann hab ich ihr den Kurt so richtig buntgemalt. Wie er pflichtbewusst und fleißig ist, für seinen alten Vater sorgt, sogar am Wochenende arbeitet, um ihm einen schönen Lebensabend zu bieten. Dass er seine Mutter früh verloren hat, die er sehr liebte, obwohl sie ihn ständig verdroschen hat. Sie ist mit irgend nem windigen Kerl durchgebrannt, da war er noch keine 14, und hat ihn und den Vater knallhart hängen lassen. Und dann eine böse Erfahrung in jungen Jahren, daraufhin ist er so schüchtern geworden, Frauen gegenüber. Wollte sich lieber aufsparen für die Richtige. Und jetzt ist ihm die Richtige begegnet, aber er traut sich nicht, weil die ihn links liegen läßt.

„Aber das hab ich doch nichtmal geahnt.“ Und Käthe griff jetzt von sich aus zu ihrem Glas, das ich ihr wieder vollgeschenkt hatte.

Sie kam dann mit so Sachen wie ihrem Alter. Dass er doch ein ganzes Stück jünger wäre.

Ich dann: Erstens wäre es ein gutes Zeichen, das er nicht auf junge Hühnchen abfährt, sondern auf eine ernsthafte, gestandene Frau, und zweitens hätte sie sich doch prima gehalten. Den Altersunterschied würde man gar nicht sehen, wenn man's nicht weiß.

Aber sie wäre ja schon zwei Mal verheiratet gewesen, sie hätte sich nicht aufgespart, wie er. In der Hinsicht würden sie ja auch nicht zueinander passen.

Gut, ihre erste Ehe, die wäre durch einen Fehltritt zustande gekommen – sie hat tatsächlich den Ausdruck „Fehltritt“ gebraucht –, ich wüßte ja vielleicht, dass sie eine Tochter hätte, die heute in der Schweiz verheiratet ist. Sie hätte alles getan, ihrem Gatten eine gute Frau zu sein, trotzdem hätte er sie im Stich gelassen, als das Kind gerade mal drei Jahre alt war, weil er noch was vom Leben haben wollte. Und ihr zweiter Mann hat sie auch einfach mir nichts dir nichts verlassen, obwohl sie sich wirklich so bemüht hat, es ihm recht zu machen.

Das ist wahrscheinlich der Fehler gewesen, dachte ich mir. Andererseits, wenn sie so eine Type ist: Den Kurt würde sie mit so ner Tour vielleicht bei der Stange halten können. Sie müsste es nur hinkriegen, ihn son bisschen zu prügeln. Aber das konnte ich mir schon ganz gut vorstellen bei ihr.

Na ja, wie auch immer, es kam mir schon ziemlich komisch vor, wie schnell sie auf die Möglichkeit einer Paarung mit Kurt eingestiegen war. Aber als sie mir gestand, dass sie schon diverse Heiratsannoncen aufgegeben hat – was ich dem Kurt gegenüber um Gottes Willen nicht verlauten lassen sollte –, da war mir klar: Diese Frau hat einen irrwitzigen Bedarf. Scheinbar hat sie seit ihrer zweiten Scheidung keinen einzigen Kerl zwischengehabt.

Was soll ich sagen, die beiden wurden ruck-zuck ein Paar. Der Kurt hat die Käthe in der nächsten Woche täglich nach der Arbeit heimgebracht. Freitag kam er nicht wie sonst bald wieder zurück. Und am Samstag war er ganz verklärt, wenn auch völlig übermüdet. In der Mittagspause hab ich mir zeigen lassen, was sie da nächtens miteinander getrieben hatten.

Noch zwei Wochen, und Käthe zog oben bei Kurt ein, bei ihr Zuhause hatte sie Stress mit den Nachbarn bekommen. Ruhestörender Lärm. Ja, und das konnte ich dann gut nachvollziehen. Kurts Zimmer lag genau über dem Schankraum, und ich musste darauf bestehen, dass er und sein Vater die Schlafzimmer tauschen und das ganze Spiel ins Hinterhaus verlegt wird. Das Geschrei, Gejuchze und Gepoltere, sobald die Käthe zum Feierabend nach oben entschwunden war, konnte wirklich kein Mensch aushalten.

Natürlich gönn ich's ihnen, die beiden scheinen sich ja wirklich bestens zu verstehen. Neulich hat sie ihm sogar ein blaues Auge gehauen.

Am Samstag in der Mittagspause bleibt der Kurt übrigens schon noch für mich reserviert, wenn auch nur für zwei, drei Ründchen, gerade mal so lang, wie wir normalerweise für's Aufräumen und Saubermachen brauchen. Die Käthe soll ja nichts merken. Darum muss ich die Arbeit danach alleine machen. Aber das ist mir die Sache wert.

Da ist jetzt nur ein kleines Problem aufgetaucht. Die Käthe hat sich nämlich ziemlich verändert in letzter Zeit. Wird nicht mehr gleich ganz streng und verschlossen, wenn jemand ne anzügliche Bemerkung macht, sondern schießt sogar manchmal zurück. Und trägt seit Neuestem Ausschnitt, zeigt ihre Möpse her. Haut jedem auf die Pfoten, der ihr zu nahe kommt und lacht dabei. Lacht! Die Käthe!

Die Stammkunden glotzen ihr schon hinterher und unterhalten sich über sie. So von wegen, dass man stille Wasser nicht unterschätzen darf. Dass sie sicher schon ne Stunde vor Feierabend ein nasses Höschen hätte vor lauter Vorfreude. Dass sie bestimmt mehrere Kerle auf einmal kleinkriegen würde ...

Na, denen ist ja auch klar, dass das Fick-Getöse aus dem ersten Stock von ihr gekommen war. Auf dem Klo konnte man's noch hören, nachdem sie umgezogen waren, und ich hab mal den Hartmut dabei erwischt, wie er sich verzückt lauschend einen runtergeholt hat. Inzwischen hab ich paar alte Kissen und Plümos auf die Zwischendecke gepackt, jetzt geht's.

Alles was recht ist, nur sehe ich es nicht ein, dass sie mir hier den Laden durcheinander bringt.

So leid es mir tut, aber ich glaube, ich muss mich nach ner neuen Kellnerin umschauen.

Rotz und Wasser

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