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Prolog

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Im ganzen Königreich herrschte geschäftiges Treiben. Das Klirren der Waffen, das Stimmengewirr der Menschenmenge, das nicht verstummen wollte, das Getümmel, die fröhlichen Rufe der Leute und die eindringlichen der Händler, die ihre verschiedenen Waren an den Mann zu bringen suchten ... All das verschmolz auf dem Platz vor dem Palast miteinander. Ob nun als Helden oder nicht, waren viele von ihnen doch zurückgekehrt – allerdings nicht alle. Der König war nicht unter ihnen. Die Königin schaute in die Ferne. Sie hatte ihren Gatten schon lange nicht mehr gesehen und die Hoffnung auf seine Heimkehr fast aufgegeben. Doch als sie nun hörte, was die Generäle verkündeten, die ihm am nächsten gestanden hatten, weigerte sie sich, ihren Worten zu glauben, und versuchte trotz allem, am Horizont seine Umrisse mit der Krone ihres Landes auf dem Haupt auszumachen.

Die Dämmerung brach herein, und die Leute waren bereits nach Hause gegangen, an den warmen Kamin und die reich gedeckte Tafel mit all den Speisen und Berichten über militärische Heldentaten, denn wer wollte schon etwas von Niederlagen hören, geschweige denn davon erzählen? Die Daheimgebliebenen lachten, die Heimkehrer lächelten müde; einige konnten die Freudentränen nicht zurückhalten, andere wiederum blickten düster und scheel von der Seite auf das Geschehen. Alle Tavernen waren brechend voll, der Wein floss in Strömen und wurde von den melodischen Klängen der Lieder begleitet, deren Echo bis zu den Mauern des Königspalastes hinübertönte. Die Königin aber hatte ihren Posten am Turmfenster noch nicht aufgegeben und sah nach wie vor unverwandt in die Weite, als fürchtete sie, etwas Wichtiges zu verpassen. In diesem Moment trat er aus der Dunkelheit, die bereits begonnen hatte, alles einzuhüllen.

Die Königin schrie auf und presste ihre zitternden Hände an ihr Herz. Sie stürzte hinunter zum Haupttor, besann sich aber auf halbem Wege und schlüpfte in das kleine Kinderzimmer, das unmittelbar an die königlichen Gemächer angrenzte. In zwei kleinen Bettchen lagen zwei kleine Mädchen, und beide waren überaus hübsch anzusehen. Eine von ihnen sah die Königin aufmerksam aus ihren schwarzen Augen an, so, als hätte sie überhaupt nicht geschlafen. Sie hieß Selena, was so viel wie »Mondenschein« bedeutete. Das andere Mädchen hatte ihr Kommen hingegen gar nicht bemerkt und lächelte im Schlaf. Dieses Mädchen hieß Helena, »Sonnenstrahl«.

Die Königin nahm das schlafende Kind und eilte hinunter. Als sie durch das Tor trat, schien es ihr, als hätte sie eine Ewigkeit dafür gebraucht, vom Turm herabzusteigen, und nun sah sie ihn endlich ganz – stark, stolz und einsam.

»Falada, mein teurer Freund, du bist es! Wie freue ich mich, dich wiederzusehen! Du wirst mir doch alles erzählen, ohne etwas zu verschweigen? Wirst du auch künftig zu mir stehen?« Sie lüftete die Decke und zeigte ihm das Gesicht des Mädchens. »Schau, Falada, das ist unsere kleine Prinzessin! Dem König war es nicht mehr vergönnt, sie zu sehen, aber jetzt bist du zurückgekehrt, und ich bin beruhigt. Du wirst doch ihr Freund sein? Du wirst sie nicht verlassen?«

Falada schaute die Königin mit seinen großen, tiefgründigen Augen an und schüttelte den Kopf.

»Ich danke dir.« Zum ersten Mal seit langer Zeit huschte ein Lächeln über die Lippen der Königin. Sie wollte ihn umarmen, doch das kleine Mädchen begann, sich im Schlaf zu bewegen, und die Königin begab sich zurück in ihre Gemächer. Auf dem Weg dorthin wiegte sie die Prinzessin.

Falada ging in die entgegengesetzte Richtung. Das Trappeln seiner Hufe hallte durch die abendliche Stille. Denn Falada war ein Pferd, und wie alle Pferde war er es gewohnt, im Stall zu schlafen.

Die Gänsemagd und ihr treues Pferd Falada

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