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3. Ein neuer Freund
ОглавлениеDie Schwärze legte sich. Eine leuchtende Gestalt entstand in der Dunkelheit. Den Kopf gesenkt, in weißen hochwertigsten Gewändern gekleidet, bildete sie sich. Meldon erkannte eine zweite Gestalt neben der schwarzhaarigen Schönheit. Die Eine, leuchtend wie ein Stern, der Andere schwarz wie die Nacht, nur auszumachen durch die Helligkeit der Partnerin. Beide trugen einen auffälligen goldenen Ring an der Hand. Die Frau hob den Kopf, wandte sich von dem Krieger ab und schien noch heller, als ihr ein Lächeln über die rosafarbenen Wangen glitt. Sie entfernte den Ring und warf ihn voller Wut gegen die dunkle Gestalt. Doch dieser wurde nicht sonderlich beeindruckt. Er fasste sich über die Schulter und zückte ein glitzerndes Stück Stahl. Sein Arm schwang einen weiten Bogen und sofort war das leuchtende Weiß mit dunklem Blut befleckt. Der Körper zuckte zusammen und das Haupt rollte davon. Der Krieger steckte sein Schwert zurück in die Scheide und kam näher. Die Füße platschten über den Boden, als er seine Kapuze zurückwarf und das hässliche Grinsen Ammons entstand. Er bückte sich und hob das Haupt der Frau in die Luft. Ammon küsste die kalten Lippen, während Merna‘s Spiegelbild in seinen Augen erschien.
Meldon schrak schweißgebadet hoch. Sein Herz klopfte rasend vor Wut in seiner Brust und kam nur schwerfällig wieder zur Ruhe. In seinen Gedanken fiel Merna‘s Kopf zu Boden und klatschte auf, abgetrennt durch Ammons Hand.. Das Letzte was er sah bevor ihn die Ohnmacht übermannte, verfolgte nun auch seine Träume, die Brutalität und Machtbesessenheit seines Bruders. Meldon beruhigte sich damit, dass der Versuch sein Leben zu rauben fehlgeschlagen war, warum also nicht auch bei Merna? Ihr Trotz, Stärke und Liebe zu Meldon bestärkte sein Gefühl sie aus der Ferne seelisch zu unterstützen und nicht aufzugeben. Er erinnerte sich an Ammon, als er davonflog...und an Dunkelheit.
Nun entsann er sich der Realität.
Er spürte die durchnässten Baumwolldecken, die an seinen Körper klebten. Meldon öffnete die Augen und fand sich in einer kleinen Kammer wieder. Er wusste nicht wie er hierhergekommen war, weder wie lange er schlief. Seine Augen durchwanderten das Zimmerchen. Außer eines Bettes und seiner Kleidung, die gewaschen und ordentlich zusammengefaltet vor seinen zugedeckten Füßen auf dem Boden lag, befand sich nichts darin. Auf seiner linken Seite sorgte ein kleines Fenster für den leichten Hauch von Licht im Raum. Auf der Anderen führte eine Tür in ein größeres Zimmer. Er war allein.
Wer auch immer hier wohnte, konnte nicht menschlichen Ursprungs sein, denn die gesamte Einrichtung, sogar Fenster und Türen waren aus einem Guss entstanden, Generationen lang durch Wind und die Natur geprägt. Diesen Dank der Natur waren nur besondere Individuen allmächtig. Meldon wusste, dass die Elfen in solchen Baumhöhlen wohnten, die natürlich wesentlich kleiner ausfielen. Niemals hatte er eines gesehen, oder gehört wo sie sich befanden. Doch nun hatte Manala ihn in Einem niedergelassen.
Er entfernte die Decken und errötete leicht, als er bemerkte, dass er nackt war. Schnell sprang er hoch um zu seiner Kleidung zu gelangen. Doch der Schmerz des Sturzes ins Tal der Sknavs warf ihn zu Boden. Sein Körper krümmte sich und ein raues verzerrtes Stöhnen drang aus seiner vertrockneten Kehle. Unter großen Qualen bedeckte er sich nach und nach mit den inzwischen sehr mitgenommenen Kleidern, die ihm die tatsächliche Wucht des Sturzes zeigten. Doch der Hass auf Ammon trieb ihn an. Die Zeit würde kommen, wo seine Rache entfesselt wird. Er stand auf und wankte in das andere Zimmer. Er blickte sich um und auch hier war alles wie aus einem Guss. Vor ihm ein kleiner Tisch, zu jeder der vier Seiten entsprangen Erhebungen aus dem Boden, die als Sitzplätze dienten. Nach kurzer Probe musste Meldon doch zugeben, dass sie bequemer waren als er zunächst annahm und er entspannte seine müden Muskeln und gebrochen wirkenden Knochen. Allein die Augen waren wachsam. Das Zimmer war spärlich ausgestattet, dennoch fand sich alles was man zum Überleben brauchte. Hinter seinem Rücken krochen würzig duftende Gerüche aus einer Nische, dort musste sich neben dem kleinen Schlafraum die Kochstelle der kleinen Baumbehausung befinden. Seine Augen wanderten weiter. Links konnte er schattenhaft eine kleine Leiter ausmachen, die in eine zweite Räumlichkeit weiter oben im Baum führte, mehr ließ das sanfte Licht der Morgensonne, die sich durch die gegenüberliegende Tür einen Weg bahnte, nicht zu. Allein die blitzenden und blinkenden Versiegelungen und Einbände einiger Bücher, die alt, aber gepflegt und Wissen ausstrahlend neben der Leiter passend in die Wand gepresst wirkten, nahm er deutlich wahr. Meldon ging zur Wand, die die Bücher trug, damit sie ihn ein wenig über die Person sagen konnten, die hier lebte. Die Titel aber stifteten mehr und mehr Verwirrung. Meistens handelten sie von alten Drachengeschichten und anderen Mythen, aber er las auch Titel die von der Natur handelten. Was bei vielen anderen große Missgunst ausgelöst hätte, weckte bei Meldon großes Interesse durch die Bücher zu blättern. Doch keines ließ sich aus der Wand lösen, noch ansatzweise bewegen. Er selbst war auf dem besten Wege die Kräfte in sich zu entdecken und zu formen, die Bücher jedoch ließen ihn und seinen Wissensdurst warten. Er entschied die Zeit reif werden zu lassen und nicht weiter wie ein kleiner Junge unbedingt die Bücher sofort zu beanspruchen, nur weil es ihm danach verlangte. Er verließ den Baum.
Ihm fiel auf, dass seine Schmerzen spürbar nachgelassen hatten, seine Beine liefen beinahe so frisch wie in früheren Tagen. Muss wohl am der sonderbaren Umgebung liegen, dachte sich Meldon, dass diese Baumbehausungen aber auch heilende Wirkungen hatten war in keinem seiner gelesenen Bücher oder irgendwelchen Erzählungen benannt. Er hatte nicht bemerkt, dass er inzwischen durch tiefes Gras schlich. Er befand sich auf einer Wiese, die ringsum von farbigen Wäldern umgeben war. Sofort eroberten die verschiedensten Blütendüfte Meldon‘s Nase, die selbst er nicht vollständig auseinander halten konnte.
Der Morgendunst des Spätsommers hob sich von der Wiese ab, vereinzelt nur überragt von Baumwipfeln, die wie in die Luft gestreckte Speerspitzen wirkten. Inmitten der Wiese stand allein der imposante alte Baum und Meldon musste feststellen, dass er tot war. Kein Blatt hing mehr an ihm, wogegen die äußeren Bäume damit äußerst reich gesegnet waren. Seine kahlen Äste wippten im leichten Wind wie dutzende knöcherne Arme durch die Luft, einsam, aber doch im natürlichen Zusammenspiel mit den Anderen.
Meldon ließ sich fallen, aufgefangen von weichem Gras, das ihn vor dem harten Boden bewahrte, beobachtete er den blauen Himmel, der nur leicht von Wolken durchzogen war. Scharen von Vögeln flogen durch die blau- weiß getränkte Sicht und ihr zwitschernder Gesang erfüllte ihn mit Wohlbehagen. Meldon vernahm, dass sich ein Vogel sogar in seiner Nähe im Gras versteckt hielt. Die Geräusche schienen seine Nähe zu suchen, denn kurze Zeit vorher war der Vogel undeutlicher von denen in der Luft zu trennen, bis er sich nun vertraulich wirkend genähert hatte. Meldon, vom Schein des Himmels geblendet, blickte zur Seite um das tollkühne Gefieder zu begrüßen, doch er wurde zutiefst überrascht. Sein Körper zuckte zusammen wie von hundert Blitzen getroffen, die Angst zog sämtliche Kraft aus seinen Muskeln und ließ sein Blut gefrieren.
Direkt neben ihm stand ein Mann. Weder Flügel noch Federn zierten seinen Körper, doch Meldon war sich sicher, dass er mit den Vögeln im Einklang war. Seine grauen, wachsamen Augen starrten direkt in die von Meldon. Er hatte schwarze Locken und war sicherlich seit längerem nicht enthaart. Er trug Kleidung, die Meldon nicht aus Krokas oder den Dörfern, die er besuchte, kannte. Durch die dunklen Farben konnte er sich fast unsichtbar in den umliegenden Wäldern bewegen, doch er schien nicht bewaffnet zu sein. Kein Bogen, kein Schwert, nur einen kleinen Dolch entdeckte Meldon, der bei genauerem Hinsehen mit uralten Runen verziert war.
“Manala erzählte mir von dem Verrat, der an dir begangen wurde”, sagte er nach Sekunden, die Meldon wie Stunden vorkamen.
“Wer seid ihr?”
“Man nennt mich Gared, ich lebe seit Dutzenden von Jahren in diesem Baum, doch diese Zeit neigt sich dem Ende zu”, sagte er bedauerlich.
Meldon raubte der Gedanke, dass mitten im Wald jemand so lange lebte, die Worte. Seine Gedanken fragten ihn, ob dieser Mann ihm bei seiner Rache helfen würde, oder könnte. Der nächste Gedanke fiel darauf, dass er wohl nicht ohne Grund so tief allein im Wald lebte.
“Der schwarze Mann trägt zu viel Schatten im Herzen, Meldon. Seine Gedanken sind trübe und verräterisch. Mir scheint, er trachtet mehr nach Macht als du es dir vorstellen kannst und wie er selbst es ertragen kann. Doch dazu gehört ein Heer, was nur hinter dem König steht. Sein Vorhaben sich zum rechtmäßigen Erben zu morden ist bislang fehlgeschlagen, wären da nicht eine Handvoll Söldner, die sich ihm verschworen haben. Sie folgen dir und werden morgen Abend hier sein.”
“Ha, meine Rache trägt so schnell schon erste Früchte!”, zischte Meldon.
“Übernimm dich nicht, die Früchte von denen du sprichst sind noch im Keim versteckt. Ich werde bei deinem Weg hinter dir stehen. Mit ihnen kannst du es noch nicht aufnehmen, zu frisch sind die Verletzungen. Meine Freunde aus dem Wald werden dich empfangen und für deine Sicherheit sorgen. Auch sie, genauso wie ich, hegen kein Interesse daran, dass sich die Großen Kriege wiederholen und das Land mit Schrecken überzogen wird. Du wirst Morgen in der Dämmerung aufbrechen.”
“Wohin denn? Mir war nicht bekannt, dass in diesem Wald Menschen leben”, überlegte Meldon.
“Doch, doch. Nur niemand weiß über deren Existenz, sie pflegen auch keine Kontakte zu anderen Völkern. Darüber musst du dir keine Sorgen machen Meldon, es sind gute Menschen, obwohl sie anders leben als du es kennst. Aber du wirst es ja sehen...”
Gared ging in Richtung des Baumes, er durchquerte das hohe Gras, ohne es in Bewegung zu bringen. Sein Gang glich dem eines jagenden Tieres. Wieder kam er Meldon nicht wie ein Mensch vor.
“Komm schon, oder hast du nicht genug geschlafen?”, rief er.
Meldon stand auf und folgte dem Mann. Er nahm sich vor ihn zu fragen warum er so lebte und was die Gleichheit zu den Tieren zu bedeuten hatte. Er fühlte sich um einiges sicherer mit der angebotenen Hilfe. Nach wie vor brannte er auf Rache.
“Wir haben nicht viel Zeit Meldon!”, rief Gared.
Er folgte seinem neuen Freund über die Leiter in das obere Stockwerk des Baumhauses. Der Raum schien heller als der Untere zu sein, doch die gleiche Anzahl von den naturentstandenen Fenstern widerlegte dies. Direkt vor ihm stand ein Regal, welches überfüllt mit Büchern und alten Schriftstücken bis zur Decke ragte. An seinen beiden Seiten an den Wänden bot sich dasselbe Bild. Meldon umging das Regal und sah Gared hinter einem Schreibtisch sitzen, auch dieser wirkte überfüllt mit alten Schriften und Rollen. Dennoch war es eine geordnete Unordnung und Gared störte es wohl nicht, jedenfalls ließ er es sich nicht anmerken.
“Setz dich”, sagte er höflich.
Vor Meldon‘s Füßen entstand ein weiterer Sitz aus dem holzigen Boden, der denen in der unteren Etage glich. Er nahm Platz und spürte diesmal mehr als vorher die Energie und Macht, die durch das Holz floss. Er hoffte seine Verletzungen würden nun wieder schneller heilen, wie sie es vorher schon getan hatten.
“Lass uns über Ammon reden und über das, was er vorhaben könnte”, sagte Gared, der Meldon scharf ins Visier nahm.
“Ich weiß nicht was er vorhat, das weiß wohl nur er allein. Mit niemanden redete er, außer seinen engsten Vertrauten. Selbst mein Vater sagte mir bevor wir zur Jagd ritten, dass er spürt die Zeiten würden sich ändern und Ammon macht ihn sehr misstrauisch.”
“Die Zeiten haben soeben begonnen sich zu ändern. Ich hörte, dass Ammon des Nachts durch die Gegenden wandelt und geheime Pläne schmiedet. Ein Teil seines Plans ist bereits eingetreten. Aber dennoch passierte etwas, was selbst er nicht dachte. Du hast überlebt!”
“Und ich werde ihn aus Erkal vertreiben!”, schoss es selbstbewusst aus Meldon hervor.
“Er wird dafür bezahlen und in seinem eigenen Blut ertrinken!”
“Ruhig Meldon”, besänftigte Gared ihn.
“Woher wisst ihr, dass mein besessener Bruder des Nachts durch die Gegend schleicht? Ich weiß es nicht, und ich teile eine Burg mit ihm. Seid ihr ebenfalls nachts in Erkal auf Reisen?”, Gared seufzte, er zeigte auf die Bücher die sich links und rechts in den Regalen stapelten.
“Diese Schriftstücke stammen alle aus meiner Feder Meldon. Es gibt vieles was ich der Menschheit mitteilen könnte. Ich war dabei als vor 30 Jahren die Kriege endeten. Ich war dabei als die Menschheit gegen die Gestalten aus der Dunkelheit Krieg führten. Damals war ich oberster Feldherr von Erkal Meldon, dass dies in deiner Stadt nicht erwähnt wurde, wundert mich nicht. Ich besitze die Gabe mit Tieren und anderen Wesen zu sprechen. Als die Kriege endeten, verlangte der König, dass diese Dienste ihm gehören sollen und ich an des Beraters Stelle treten sollte. Doch niemand kann meine Gabe bändigen, ich konnte es nicht machen. Deswegen wurde ich als unheilvoller Kranker aus Erkal verjagt und lebe seither in diesem Wald.”
“Diese Gabe, woher stammt sie?”, fragte Meldon, der sich sehr dafür interessierte.
“Ich werde dir später mehr davon erzählen Junge, wir haben nicht genug Zeit um über alles zu sprechen. Meldon sag mir, kennst du die Legenden vom Medaillon?”
“Ja, aber...”, stotterte Meldon, doch Gared unterbrach ihn.
“Jetzt kommt Ammon wieder ins Spiel. Du kennst also die Geschichte, dass das Medaillon im Verbotenen Wald ist?” Meldon nickte.
“Es ist wahr, doch versteckt ist es nicht!”
“Nicht versteckt? Wieso holt es sich dann niemand?”
Gared schaute Meldon genau ins Gesicht um jede Bewegung aufzufangen.
“Ich werde dir die Wahrheit erzählen Meldon. Als die Kriege endeten, waren die Kreaturen der Dunkelheit im Medaillon gefangen. Der Sohn des Königs witterte seine Chance, um in friedlichen Zeiten zu regieren und als König des Friedens ins die Geschichtsbücher einzugehen. Es war zu der Zeit als ich bereits aus Krokas verschwunden war, da wurde König Salomon qualvoll im Verbotenen Wald begraben. Getötet von seinem eigenen Sohn Meldon, es war dein Vater, der diese Tat geschehen ließe, dein Vater, der danach stolz die Krone trug. Aber er dachte nicht, dass der Geist des alten Königs noch nicht beseitigt war. Er entstieg dem Grab um seines Körpers Tod zu rächen. Der Geist ist an diesen Wald gebunden, wo sein Körper ruht und sein Leben hinterhältig beendet wurde. Doch du weißt Meldon, Ammon will den Thron, was, wenn er mit dem Geist Salomons ein Tausch macht, Medaillon gegen Eloson. Dann hätte Ammon unbeschreibliche Macht und der Geist wäre ebenso verwundbar, wie sein Körper es war. Ich denke, dass Ammons Pläne meinen Überlegungen gleichen.”
Meldon brachte kein Wort hervor. Die Geschichten von dem Geist und dem Medaillon waren wahr, doch wie konnte er Ammon aufhalten? Er war ratlos. Gegen so eine Macht hatte er nichts entgegenzusetzen.
“Meldon, du wirst zuallererst diesen Ort verlassen. Ammons Gefolgsleute werden bald hier sein und sie dürfen dich nicht entdecken. Meine Freunde im Osten erwarten dich. Dort bist du sicher. Deine Rache wird Früchte tragen und ich werde dir dabei helfen gegen Ammon zu kämpfen. Unten findest du Proviant für deine Reise, nimm dir das was du brauchst und mach dich auf den Weg.”
Meldon erhob sich von seinen Sitz, der sogleich er aufrecht stand wieder den ebenen Fußboden glich. Seine Verletzungen spürte er überhaupt nicht mehr, sie schienen geheilt zu sein. Welch magischer Ort! Er kletterte über die Treppe nach unten und suchte die Sachen, die er für die Reise benötigte.