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Vorwort

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Als ich im Mai 2004 bei Stettin an die deutsch-polnische Grenze rollte, war das ein besonderer Moment für mich. Seit mittlerweile mehr als drei Jahrzehnten fahre ich nun immer wieder nach Polen, und es war im Mai 2004 nach dem EU-Beitritt Polens das erste Mal, dass ich nur einfach meinen Personalausweis hochhalten musste und dann durchgewinkt wurde. Mit dem Schengen-Beitritt am 21. Dezember 2007 entfiel sogar dieses Hochhalten des Personalausweises, die Grenzkontrollen sind Geschichte, die Grenzübergänge zum Teil abgebaut und zuweilen kaum noch als solche zu erkennen – grenzenloses Europa.

Viel Erinnerungen kamen dabei hoch, die ewige Unsicherheit, ob man wieder ein Visum erhalten würde, die Ungewissheit, ob man liebe Menschen wieder sehen würde, die Schikanen an der DDR-Grenze, die Beklemmung der Kriegsrechtszeit, aber auch die Aufbruchsstimmung der ersten Nachwendejahre.

Nun also ist Polen wieder dort angekommen, wo es zweifelsfrei hingehört, in Mitteleuropa, nicht mehr bedroht politisch zwischen Hammer und Amboss zu geraten, mit gesicherten Grenzen. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlen sich die Polen nicht mehr ständig von ihrem großen Nachbarn Deutschland bedroht.

Zwar waren die tausend Jahre Geschichte in Nachbarschaft, wenn man die ganze Zeitspanne betrachtet, weitgehend friedlich, doch gab es Einschnitte bedingt durch Streitigkeiten, wie um den polnischen Zugang zu Meer, die schon im Jahr 1309 begannen, Schlachten wie die Tannenbergschlacht von 1410, die zwar die wohl größte Schlacht des Mittelalters war, aber keineswegs so entscheidend, wie die Mythenbildung uns suggeriert. Die polnischen Teilungen zwischen 1772 und 1795 führten dazu, dass Polen von der Landkarte gewischt wurde.

Gänzlich in Vergessenheit auf deutscher Seite ist, dass nicht unbedeutende Landesteile wie die Region Posen, oder Westpreußen annektiert waren und eigentlich zu Polen gehörten. So entstand das polnische Trauma, zwischen Preußen/Deutschland und Russland wie zwischen Hammer und Amboss eingeklemmt zu sein. Der Erste Weltkrieg führte zum Wiedererstehen Polens, doch der Versailler Vertrag führte zu Revanchegelüsten. Von der deutschen Überheblichkeit der Kaiserzeit, vom „am deutschen Wesen soll die Welt genesen, war es nur noch ein Schritt zum „slawischen Untermenschentum“ und dem Vernichtungskrieg im Osten, der am 1. September 1939 begann.

Sechs Millionen Polen kosteten Krieg und die an Grausamkeit kaum zu überbietende Nazibesetzung das Leben, drei Millionen davon waren Juden. In der Folge wurde Polen durch Beschluss der Alliierten nach Westen verschoben, Millionen Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten flohen oder wurden vertrieben. Unverständnis und Hassgefühle schienen auch im Kalten Krieg kaum enden zu wollen.

Schon davon wissen die meisten Deutschen nicht viel. Also inwieweit kennen wir Deutsche diesen Nachbarn Polen überhaupt? Seine Hoffnungen, Ängste und Träume? Wissen wir, wie er lebt, wie sein Alltag aussieht? Vor allem aber: Haben die bald 25 Nachwendejahre auch die Bilder geändert, die Polen und Deutsche voneinander in ihren Köpfen haben?

Die Bilder in unseren Köpfen

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