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1.1 Die Herausforderung

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Umweltbildung ist eine komplexe Sache. Bereits im Wort selbst zeigt sich eine grundsätzliche Schwierigkeit, die sich plakativ zuspitzen lässt: Die Lebensbedingungen auf der Erde werden sich nicht verbessern, solange jeder nur seine Umwelt bilden will, nicht aber sich selbst. Selbstverständlich geht es der Umweltbildung in keiner Weise darum, die Umwelt zu bilden, sondern wie bei jeder Bildung geht es um die Entwicklung von Menschen. Genauer gesagt, um Selbstentwicklung. In ihrem Positionspapier definiert die Fachkonferenz Umweltbildung (2014, S. 5): »Umweltbildung ist der Prozess und das Ergebnis, wenn Menschen bewusst und unbewusst Kompetenzen entwickeln, mit denen sie die Anforderungen des Lebens selbstbestimmt und als Teil einer Gemeinschaft meistern und dabei Mitverantwortung übernehmen für ihre soziale, kulturelle (durch den Menschen gestaltete) und natürliche Umwelt. Umweltbildung fokussiert auf den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.« Die Definition enthält zwei Prämissen für die vorliegende Publikation, das Bildungsverständnis und das generelle Ziel von Umweltbildung.

Bildung bezeichnet den individuellen Prozess »sich bilden« und das Persönlichkeitsmerkmal »gebildet sein«. Bildung wird als teils bewusster, teils unbewusster Lernprozess verstanden, der zu Selbstbestimmung, Verantwortung und Teilhabe, kurz zum mündigen Menschen führt. In den Worten des Philosophen Peter Bieri (2005): »Bildung ist etwas, das Menschen mit sich und für sich machen. […] [B]ilden kann sich jeder nur selbst.« Dieses Bildungsverständnis geht davon aus, dass die Lernenden als mündig und selbstverantwortlich respektiert werden. Klar von Bildung zu unterscheiden ist das Tätigkeitsfeld der Umweltbildner und Umweltbildnerinnen, nämlich von außen an die Lernenden herangetragene Bildungsangebote. Die Angebote ermöglichen Bildung, produzieren sie aber nicht. Die Steuerungsmöglichkeiten für Lehrende bleiben stets indirekt.

Das generelle Ziel von Umweltbildung ist eine erfolgreiche Gesellschaft, in der mündige Menschen zusammenleben und die großen Aufgaben Friede, Erhalt der natürlichen Grundlagen und angemessener Wohlstand für alle gemeinsam und zukunftssicher bewältigen. Für ein solches »gutes Leben« innerhalb der Tragfähigkeit der natürlichen Ökosysteme orientiert sich die Umweltbildung am Leitbild und normativen Rahmen der starken Nachhaltigkeit (Fachkonferenz Umweltbildung, 2014, S. 6). Nachhaltige Entwicklung jedoch ist ein dynamisches Konzept mit teils konkurrierenden Zielsetzungen. Umsetzbare Bildungsziele müssen für jede Entwicklungsaufgabe im Spannungsfeld zwischen individuellen und gesellschaftlichen sowie ökonomischen und ökologischen Interessen stets neu ausgehandelt werden. In der heutigen Zeit, in den demokratischen Gesellschaften des Westens bedingt nachhaltige Entwicklung eine gesellschaftliche Transformation hin zu neuen Formen von Produktion, Reproduktion und gesellschaftlichem Zusammenleben (mehr dazu: Welzer & Sommer, 2014). Dies geschieht nicht nach einem von irgendeiner Autorität verordneten Masterplan, sondern in einem autopoietischen, gesellschaftlichen Prozess durch suchende, sich irrende, lernende, mündige Menschen.

Indirekter Einfluss von Bildungsangeboten, Zielpluralität und ein Bildungsgegenstand, der von naturwissenschaftlichen Umweltthemen über Selbstregulations- und Verantwortungsfähigkeit bis hin zu gesellschaftlicher Gestaltungfähigkeit reicht, machen Umweltbildung zu einem anspruchsvollen didaktischen Betätigungsfeld. Und zu einem äußerst spannenden. Die Aufgabe der Lehrenden in einer so verstandenen Umweltbildung definiert der Erwachsenenbildner Horst Siebert (2000, S. 24) mit seiner Maxime »[Umweltbildung] ist nicht befugt, Antworten auf komplexe politische, ethische oder ökologische Fragen zu geben. Sie kann und sollte eine verantwortliche, lernende Auseinandersetzung mit Komplexität fördern.« Wer diese Aufgabe bewältigen will, muss selbst in einem komplexen System handlungsfähig sein.

Umweltbildung (E-Book)

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