Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 499 - Burt Frederick - Страница 6
1.
Оглавление„Himmel, Arsch und Zwiebelfisch“, sagte Ed Carberry geradezu andächtig. Er hielt die Laterne ein Stück höher, und Stenmark, der ihm über die kantige Schulter spähte, schloß geblendet die Augen.
„Nicht zu fassen“, fuhr der Mann, mit dem Narbengesicht kopfschüttelnd fort. „Da denkt man vor ein paar Stunden noch, man würde den Rest seiner Tage auf einer öden Insel herumlungern – und jetzt das!“
Was sich da vor seinen staunenden Augen offenbarte, war für die Männer vom Bund der Korsaren in der augenblicklichen Situation mindestens so kostbar wie das Gold, das sie entdeckt hatten. Kistenweise hievten sie es nun schon seit gestern aus den Laderäumen der aufgebrummten Galeone.
Da man als Schiffbrüchiger mit purem Gold nicht unbedingt etwas anfangen kann, hatten sich Old Donegal Daniel O’Flynn und die anderen von der „Empress of Sea“ zunächst entschlossen, den unverhofften Reichtum abzubergen und an geeigneter Stelle einzulagern. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich die „Viento Este“ – so der Name der Galeone, der „Ostwind“ bedeutete – jedoch als Schatzkästlein in der vielfältigsten Bedeutung des Wortes. Da gab es buchstäblich alles, was das Herz eines Schiffbrüchigen begehrte.
Die Kammer, deren Schott Ed Carberry soeben geöffnet hatte, konnte das besagte Herz sogar vor Freude hüpfen lassen.
Da funkelte und blitzte es, daß es eine reine Pracht war.
Blitzblank poliertes Messing von Beschlägen und Schloßteilen, schimmernder Laufstahl, funkelnde Edelsteine und Blattgoldeinlagen in den Griffstücken von Prunkwaffen, wie sie ausschließlich spanischen Offizieren und Edelleuten vorbehalten waren.
„Ich kann nichts sehen“, beschwerte sich der blonde Schwede, „würdest du vielleicht mal so freundlich sein, die Funzel ein Stück zu schwenken?“
Vor lauter Andächtigkeit folgte Carberry der Aufforderung schweigend, ohne den leisesten Widerspruch. Nun konnte auch Stenmark die Pracht überblicken.
„Donnerwetter!“ entfuhr es ihm. „So ein Musterbeispiel von Waffenkammer sieht man selten.“
„Noch dazu“, sagte der Profos, „wenn man in so einer saumäßigen Lage ist wie wir. Sehen wir uns mal genauer an, was unsere Freunde, die Dons, hier für uns bereitgelegt haben.“
„Wenn sie das wüßten“, entgegnete Stenmark lachend, „würden sie sich glatt selbst in den Hintern treten.“
Schon auf den ersten Blick hatten die beiden Männer erkannt, daß sie in der Waffenkammer der „Viento Este“ allerfeinste Erzeugnisse spanischer Waffenschmiedekunst vor sich hatten. Bei näherem Hinsehen zeigte sich sogar, daß die Pistolen, Musketen und Tromblons kaum zu übertreffen waren, was die Präzision der Verarbeitung betraf. Neben den Prunkpistolen für Offiziere und Edelleute gab es auch einen großen Vorrat an ein- und zweiläufigen Pistolen einfacherer Bauart, die für Decksleute und Seesoldaten gedacht waren.
Die hölzernen Halterungen waren gestaffelt angeordnet und so geschickt verteilt, daß auch der letzte Quadratinch in der nicht übermäßig großen Kammer genutzt wurde.
Ed Carberry hing die Laterne an einen Haken in der Mitte des Raumes, nahm eine der doppelläufigen Prunkpistolen, wog sie in den Händen und betrachtete sie prüfend.
„Höchste Qualität“, sagte er anerkennend, „und vor allem gut eingefettet, nicht ein Hauch von Rost.“
„Was wieder beweist, daß die Dons noch nicht lange von diesem Schiff verschwunden sind“, sagte Stenmark. Er folgte dem Beispiel des Profos und begutachtete eine der einfacheren Waffen.
Carberry legte die Doppelläufige zurück an ihren Platz.
„Könnte uns gut passen, daß sie noch viel Zeit brauchen, bis sie mit Verstärkung wieder aufkreuzen. Um so besser können wir uns darauf vorbereiten, ihnen Dampf unter dem Hintern zu machen.“
„Vorausgesetzt, sie haben ihr Pulver für uns trockengehalten“, sagte Stenmark.
„Wenn nicht, hauen wir ihnen was auf die Rüben“, sagte Ed Carberry grollend.
Wenig später zeigte sich jedoch, daß die Schiffsführung der „Viento Este“ offenbar in jeder Beziehung auf peinlichste Ordnung bedacht gewesen war. Die Pulvervorräte waren einwandfrei und knochentrocken. In der Munitionskammer fanden sich mehrere tausend Schuß an Bleikugeln der verschiedenen Kaliber, die für die Hand- und Faustfeuerwaffen gebraucht wurden.
Ed Carberry und Stenmark griffen sich die Musketen bündelweise und kehrten damit zu Martin Correa auf das Hauptdeck zurück. Die Jolle der „Empress“ war noch unterwegs zur übernächsten südlichen Insel, die etwa eine halbe Stunde entfernt war. Die drei Männer an Bord der havarierten spanischen Galeone hatten bereits wieder einen ausreichenden Vorrat an Kisten mit Barrengold an Deck gehievt, so daß sie sich eine Verschnaufpause erlauben konnten.
Der Bootsmann von der „Empress“ zog überrascht die Brauen hoch, als Carberry und Stenmark die Musketen behutsam auf die Planken legten.
„Eine verrückte Welt ist das“, sagte Martin Correa kopfschüttelnd. „Erst hat man das Gefühl, als ob man so gut wie nackt dasteht, und dann kann man plötzlich aus dem vollen schöpfen.“
„Recht hast du“, sagte Ed Carberry und wischte sich das Waffenfett an den Hosenbeinen ab. „Aber ich gebe dir einen guten Rat, wenn du auf mich hörst, Mister Correa.“
„Warum sollte ich nicht auf dich hören, Mister Carberry?“
Der Profos der „Isabella“ atmete schnaufend ein und sah den Schweden von der Seite an.
„Erkläre du es ihm, Mister Stenmark.“
Der schlanke Mann mit dem leuchtend blonden Haarschopf grinste breit.
„Ich will es mal so ausdrücken, Martin: Wenn du deinen Kapitän fragen würdest – nun, dann würde er dir wahrscheinlich empfehlen, keine Silbe von dem krausen Zeug anzuhören, das dieser Mister Carberry von sich gibt.“
„Empfehlen?“ rief der Narbenmann dröhnend. „Befehlen! Wie ich den alten Donegal kenne, läßt er sich auf Widerspruch ganz und gar nicht ein. Aber sonst hat Stenmark den Nagel auf den Kopf getroffen, Martin. Deinem hochgeschätzten Kapitän bin ich als vorübergehendes Crewmitglied wohl der größte Dorn im Auge, den er jemals erlebt hat.“
Correa zog die Schultern hoch.
„Na gut, ihr spielt immer ein bißchen Hund und Katze. Aber was geht mich das an? Außerdem sind wir unter uns. Also laß schon deinen guten Rat hören, Ed.“
Carberry schob das mächtige Rammkinn vor.
„Ganz einfach, mein Junge: Halte dich mit solchen Sachen zurück – erst nackt, dann aus dem vollen und so. Halte dich zurück, wenn der alte Donegal in der Nähe ist. Verstehst du?“
Martin Correa sah den Profos einen Moment erstaunt an, dann lachte er schallend.
„Himmel, natürlich! Diesen Rat hättest du mir nicht einmal zu geben brauchen.“
„Schlechte Erfahrungen, was, wie?“
„Schlecht will ich’s nicht nennen. Ich bin ein geduldiger Mensch. Wenn Old Donegal seine übersinnliche Ader entdeckt, läßt man’s eben über sich ergehen.“ Correa deutete nacheinander auf sein linkes und dann auf sein rechtes Ohr. „Hier rein, da raus. Das regt mich nicht auf.“
„Und seine Wahnsinnsgeschichten gehen dir nicht auf die Nerven?“
„Vielleicht kenne ich ihn noch nicht lange genug. Aber ich werde natürlich sein zweites Gesicht nicht herausfordern. Allerdings bin ich ziemlich sicher, daß er unseren ungewöhnlichen Glücksfall ganz von selbst zu erklären versucht. Wann passiert Schiffbrüchigen so etwas schon mal?“
„Einmal in hundert Jahren“, sagte Stenmark nickend und mit düsterer Miene. Er wandte sich dem Profos zu. „Martin hat recht, Ed. Wir können mal wieder auf einiges gefaßt sein. Wenn der Alte drüben auf der Insel erstmal zur Ruhe gelangt ist und mit dem Grübeln anfängt …“
Carberry winkte ab.
„Auf der Insel kann ich mich in einen stillen Winkel verholen. Auf der ‚Empress‘ konnte man seinen Schauermärchen nicht so leicht entgehen.“
Die Männer grinsten sich eins und fuhren mit der Arbeit fort. Wie am Tag zuvor, rann ihnen der Schweiß in Strömen über die Stirn, und wie alle anderen von der „Empress“ schufteten sie bis an die Grenze ihrer Kräfte. Dennoch waren sie wie besessen bei der Sache. Sie wußten um den Wert ihrer Chance, und sie wußten, daß die Stunden, die ihnen noch blieben, genutzt werden mußten.
Denn die einzige Ungewißheit bestand in der Frage, wann die Spanier wieder zur Stelle sein würden.
Immer deutlicher hatte sich herauskristallisiert, daß die Besatzung der Galeone offenbar alle Vorkehrungen getroffen hatte, um die „Viento Este“ oder zumindest deren wertvolle Ladung vom Riff abzubergen. Alle Boote waren von der Galeone verschwunden. Erstaunlich war nur die Tatsache, daß man keine Bewachungsmannschaft zurückgelassen hatte. Doch das hatte möglicherweise den Grund, daß die Crew des Goldschiffes ohnehin nicht sehr zahlenstark gewesen war.
All das änderte jedoch nichts daran, daß die Männer vom Bund der Korsaren über den Zeitpunkt einer heraufziehenden Gefahr völlig im unklaren waren.
Deshalb hatten sie auch an diesem zweiten Tag schon beim ersten Licht mit der Arbeit begonnen. Und sie würden nicht vor Einbruch der Dunkelheit aufhören. Unentwegt war die Jolle der „Empress“ im Einsatz. Keine Minute lang vergaßen die Männer, daß dieses Boot ihr einziges bißchen Besitz gewesen wäre, wenn sie nicht die aufgebrummte Galeone entdeckt hätten. Das Glück war ihnen hold gewesen, und sie arbeiteten dafür, daß es auf ihrer Seite blieb.
Innerhalb der Vormittagsstunden stöberten sie die Galeone vom Kielschwein bis zum Hauptdeck durch. Neben den Waffen und der Munition fanden sie unendlich viel Nützliches, das sie während ihres Zwangsaufenthaltes auf den Cat Cays sehr gut gebrauchen konnten.
Mit jeder Kistenladung, die sie in das Boot fierten, wurden auch Utensilien in dem noch verbleibenden engen Raum zwischen den Duchten verstaut. Nach Waffen und Munition handelte es sich dabei in erster Linie um Werkzeug, Vorräten an Segeltuch und Tauwerk und Kombüsenausrüstung von Kochlöffeln bis zu Pfannen und Kochtöpfen.
Pro Transport von der Galeone zur Insel konnte die Jolle nicht mehr als vier Kisten verkraften, zumal die zusätzliche Ladung auch ihr Gewicht hatte. Bei Wind aus Nordosten waren Hasard und Philip junior wegen ihres Leichtgewichts die geeigneten Hands, um die schwerbeladene Jolle von der „Viento Este“ zur Insel zu segeln. Mit der jeweils entladenen Jolle kreuzten sie in kurzen Schlägen von der Insel zurück zur Galeone.