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2.

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Bis zur Mittagspause schufteten die Männer, was das Zeug hielt. Alle Kisten, Waffen und Gebrauchsgegenstände waren von Old Donegal, dem Kutscher, Nils Larsen und Sven Nyberg zunächst am Strand einer kleinen Bucht aufgereiht und gestapelt worden. Auch Proviantvorräte hatten Ed Carberry und die beiden anderen an Bord des gestrandeten Spaniers noch entdeckt.

Der Kutscher hatte ausgetrocknetes Treibholz gefunden, ein Feuer am Strand entfacht und mit den ersten eingetroffenen Sachen von der Galeone ein schmackhaftes Mahl zubereitet. Es gab einen kräftigen Eintopf aus eingeweichtem Dörrgemüse, roten karibischen Bohnen und kleingeschnittenem Räucherspeck und Pökelfleisch. Im Halbkreis hockten die Männer am Strand. Sie waren gezwungen, aus Mucks und Krügen zu essen, doch das änderte nichts daran, daß sie sich wie im Paradies fühlten. Zu frisch war noch die Erinnerung, daß sie als Schiffbrüchige wahrscheinlich tage- und wochenlang von Kokosnüssen hätten leben müssen.

„Donnerwetter“, sagte Sven Nyberg anerkennend. Er ließ einen wohligen Laut hören, nachdem er seinen ersten Krug geleert hatte. „Das hebt einen drei Tage toten Seelord wieder in die Stiefel.“

„Mindestens“, sagte Nils Larsen im Brustton der Überzeugung. „Ich bin sogar der Meinung, daß es besser ist als jeder Jungbrunnen.“

Der Kutscher hörte aufmerksam zu und lächelte geschmeichelt. Jeder in der Runde zuckte indessen beim Stichwort „Jungbrunnen“ kaum merklich zusammen, und Nils erntete vorwurfsvolle Blicke für seine Unbedachtsamkeit.

Old Donegal hatte den Kopf gehoben, war auf einmal hellwach geworden und vergaß sogar das Löffeln.

„Auf die Gewürze kommt es an“, sagte der Kutscher und versuchte damit, das Gespräch doch noch rasch in eine unverfängliche Bahn zu lenken. „Die Dons waren so freundlich, uns auch Pfeffer und Salz und getrocknete Kleinigkeiten zurückzulassen.“

„Scharfe Kleinigkeiten“, sagte Stenmark, öffnete den Mund weit und gab ein hechelndes Geräusch von sich. „Aber hervorragend.“

„Ja, finde ich auch“, sagte Ed Carberry, und ausgerechnet er, dem es sonst nie an Sprüchen mangelte, suchte krampfhaft nach Worten. „Ja, also – ich meine, das Zeug schmeckt wirklich verdammt gut.“

„Und es gibt Kraft!“ rief Sven Nyberg begeistert. „Ich sage euch, hinterher arbeiten wir doppelt so schnell. Die Dons werden ihre Goldkisten überhaupt nicht mehr zu sehen kriegen.“

Old Donegal Daniel O’Flynn hatte seine Mitstreiter die ganze Zeit über sinnierend angestarrt – einen nach dem anderen. Zum Schluß blickte er den Kutscher mit zusammengezogenen Brauen und gefurchter Stirn an.

„Sag mal, woher hast du das Wasser zum Kochen geholt?“

Der Kombüsenmann deutete zur Südseite der Bucht, wo sich die Felsen fast bis auf das Niveau des Strandes senkten. Dort bestand praktisch die einzige Möglichkeit, ohne große Umstände das Inselinnere zu erreichen. Denn sonst war die Bucht von einer hohen Steilwand umgeben.

„Da gibt es eine Quelle“, sagte der Kutscher leichthin, „ungefähr dreihundert Yards von hier. An Trinkwasser haben wir jedenfalls keinen Mangel.“

Die Augen des alten Donegal begannen zu leuchten.

„Hast du noch was von dem Wasser da?“ fragte er erregt, stellte seine Muck weg und rappelte sich hastig auf.

Erst in diesem Moment begriff der Kutscher.

„Alles verbraucht“, sagte er rasch. „Habe alles fürs Kochen nehmen müssen.“

„Dann holen wir was“, entschied Old Donegal. „Her mit einer Pütz!“

„Haben wir noch nicht auf Lager“, sagte Ed Carberry und mühte sich ab, ein Grinsen zu unterdrücken. „Pützen liegen auf der Galeone noch auf dem Hauptdeck rum.“

„Wie, zum Teufel, hast du denn das Wasser geholt?“ fauchte Old Donegal den Kutscher an.

„In dem Topf natürlich.“ Der Kombüsenmann zeigte auf die Feuerstelle. „Und den habe ich zum Kochen gebraucht. Wir müßten erst alles aufessen, bevor wir neues Wasser holen können.“

„Darum geht’s nicht!“ schrie der alte O’Flynn aufgebracht. „Ich muß das Wasser probieren! Sofort! Kapiert ihr denn nicht? Vielleicht haben wir den Jungbrunnen entdeckt! Der soll hier in der Gegend sein. Himmel, ja das ist bestimmt der Jungbrunnen!“

„Ich habe einen anderen Vorschlag für dich“, sagte der Kutscher trocken. „Geh einfach selber los. Dreihundert Yards nach Osten, wenn du oben auf dem Felsen bist. Du kannst die Quelle gar nicht verfehlen. Da läuft ein kleiner Creek, der dir den Weg weist. Und dann trinkst du das Wasser einfach mit den Händen.“

Einen Moment sah Old Donegal überrascht aus, als hätte ihm der Kutscher eine völlig verblüffende Lösung offenbart. Dann stapfte er los, und trotz seines Holzbeins legte er ein beträchtliches Tempo vor.

Die Männer zwangen sich, still zu bleiben, und konzentrierten sich ganz auf das Backen und Banken. Letztlich wollten sie auch vor den Söhnen des Seewolfs nicht unbedingt zeigen, daß es ihnen an Respekt mangelte, um den Old Man und seinen Traum vom Jungbrunnen ernstzunehmen. Immerhin hatten sie dank der Idee des Kutschers erst einmal ihre Ruhe.

Nach dem Essen gönnten sie sich keine lange Pause.

Philip und Hasard junior zeigten den Männern das Versteck, das sie auftragsgemäß bei ihrer ersten Erkundung der Bucht entdeckt hatten. Es stellte sich heraus, daß es sich um einen hervorragenden Unterschlupf handelte, wie man ihn sich besser nicht vorstellen konnte.

In der Steilwand, vier Yards hoch über dem Sandstrand, hatten die Junioren eine Grotte erspäht. Die Öffnung war kaum größer als das Kombüsenschott an Bord der „Isabella“.

Stenmark und die beiden Jungen rüsteten sich mit Tauwerk aus und benutzten den Weg, den Old Donegal genommen hatte, um den Felsen oberhalb der Grotte zu erreichen. Die notwendigen Vorbereitungen für das Stauen des Goldschatzes und der Waffen und Ausrüstungsgegenstände mußten getroffen werden.

Oberhalb der Höhlenöffnung neigte sich die Steilwand nach vorn, seewärts nach Westen hin. Stenmark half Hasard junior, ein Tauende um Oberkörper und Oberschenkel zu schlingen und so zu verknoten, daß es sich nicht zuziehen konnte. Dann belegten der blonde Schwede und Philip junior das andere Ende etwa zehn Yards landeinwärts an einer Felsnase. Gemeinsam packten sie das Tau vor dem aufgerollten Teil, und Stenmark nickte dem Sohn des Seewolfs zu.

Hasard hielt das Tau zusätzlich mit beiden Händen, als es sich gestrafft hatte. Rückwärts bewegte er sich über die Felsenkante, bis er frei baumelte und langsam nach unten schwebte. Wegen des überhängenden Felsenteils hatte es den Anschein, als wiche die Steilwand, von ihm zurück.

Als seine Füße knapp unterhalb der Höhlenöffnung schwebten, stieß er einen gellenden Pfiff aus.

Sofort endete sein Abwärtssinken. Er begann, sich in Pendelbewegungen zu versetzen, indem er die Beine abwechselnd anzog und nach vorn streckte. Hatte sein Abstand von der Höhlenöffnung in lotrechtem Zustand zwei Yards betragen, so gelangte er nun immer näher an den düsteren Felseneingang heran.

Schließlich, mit einem letzten Schwungholen, warf er die Beine hoch, erfaßte mit den Füßen den unteren Rand der Öffnung und nutzte den Schwung, um sich aufzurichten und nach vorn in die Dunkelheit zu werfen. Stenmark und Philip reagierten richtig, indem sie haargenau in diesem Moment mehr Tau gaben. Hasard stieß einen erneuten Pfiff aus.

Wenig später hangelte sein Bruder nach unten. Philip trug eine dicke Taurolle schräg über Schulter und Rücken. Die weitere Arbeit lief zügig und wie am Schnürchen. Stenmark löste das obere Tauende von der Felsnase, und die Jungen holten es in die Höhle.

Während der blonde Schwede zum Strand hinunterstieg, suchten Hasard und Philip in der Höhle geeignete Felsvorsprünge, an denen sie die beiden Tampen belegen konnten. Dann warfen sie die Taue hinunter. Schon fünf Minuten später konnten sie die bereitliegende Jakobsleiter bis zum Sims des Höhleneingangs hochziehen. Das Straffen der Seile und das sichere Verknoten erledigten die Söhne des Seewolfs im Handumdrehen.

Die Männer enterten über die Jakobsleiter auf. Der Kutscher hatte eine Laterne aus den „Viento-Este“-Beständen mitgebracht und zündete sie in der Höhlenöffnung an.

Der erste Blick in die Grotte bewies, daß die Zwillinge eine gute Nase gehabt hatten. Vom Eingang aus verbreiterte sich die Kaverne zu einem großen Rund, das jede Menge Stauraum bot.

In Nischen und auf Vorsprüngen der Höhlenwände gab es verlassene Nester von Seevögeln, die hier ihre Jungen großgezogen hatten und nun irgendwo in der Weite der Karibik ihr neues Domizil hatten.

„Da haben unsere Rübenschweinchen doch tatsächlich was Prachtvolles aufgetan“, sagte Ed Carberry dröhnend und hieb den Jungen auf die Schulter, daß sie in die Knie gingen.

„Unterschlupf und Lagerraum zugleich“, sagte der Kutscher und nickte. „Wir haben alles an einem Platz, brauchen unsere Kräfte also nicht zu zersplittern.“

„Und wenn es sein muß“, fügte Sven Nyberg hinzu, „können wir uns hervorragend verteidigen.“

„Eine Burg könnte nicht besser sein“, sagte Nils Larsen. „Hier kommt überhaupt keiner an uns heran. Wenn wir die Jakobsleiter eingezogen haben, sind wir sicher wie in Abrahams Schoß.“

„Und von oben“, sagte Stenmark grinsend, „hat erst recht keiner eine Chance – wegen des Felsenüberhangs.“

„Übermut wäre aber auch nicht gut“, mahnte Martin Correa. „Höhlen kann man schließlich immer noch ausräuchern.“

Die Männer sahen ihn mißbilligend an.

„Einer muß doch immer die Stimmung verderben“, sagte Ed Carberry brummig, aber an seinem Augenzwinkern war zu erkennen, daß er es durchaus humorvoll meinte.

Jeder der Freunde wußte indessen, daß Martins Hinweis durchaus angebracht war. Man durfte sich nie zu sicher fühlen.

Sie nahmen auch den hinteren Teil der Grotte in Augenschein und stellten fest, daß keine Feuchtigkeit vorhanden war, die dem Schwarzpulver geschadet hätte. Ohne Zeit zu verschwenden, setzten sie ihre Arbeit fort.

Spieren und Taljen hatten sie von der „Viento Este“ bereits mitgebracht. Über die Jakobsleiter wuchteten Nils Larsen und Sven Nyberg das notwendige Material nach oben. Mittels Tauen und Stützstreben wurde der erforderliche Ladebaum im Höhleneingang montiert. Mit einem ausreichend langen Tau, durch Taljen geschoren, konnte bald darauf das Aufhieven der Kisten beginnen.

Nyberg und Larsen blieben im Höhleneingang bei den Zwillingen, wo sie die wertvollen Lasten in Empfang nahmen. Hasard und Philip junior beteiligten sich eifrig daran, Ausrüstungsgegenstände in den hinteren Teil der Grotte zu schleppen.

Zügig klappte das Hieven der Goldkisten. Ed Carberry, Stenmark, Martin Correa und der Kutscher sorgten dafür, daß es keine ungenutzte Minute gab. Jedesmal wenn der leere Tampen vom Ladebaum abwärts schlenkerte, standen schon eine neue Kiste und Ausrüstungsgegenstände zum Hieven bereit.

Irgendwann in der ersten Phase des Kistenstauens kehrte Old Donegal über den südlichen Felsenhang zum Strand zurück. Flügelschlagend schwebte Sir John vom Überhang herab ein und ließ sich auf einer der Kisten nieder, die noch am Strand standen.

„Affenärsche“, sagte der farbenprächtige Ara-Papagei beiläufig und begann, sich das überwiegend karmesinrote Gefieder zu putzen.

Plymmie, die graue Wolfshündin, hatte sich auf einem Packen Segeltuch niedergelassen. Träge hob sie den Kopf. Als sie den zupfenden und zerrenden Sir John erblickte, erlosch ihr Interesse sofort wieder, und ihr Kopf sank zurück zwischen die Vorderpfoten.

Sir John richtete sich in einer Putzpause auf.

„Viehzeug!“ keifte er in Plymmies Richtung. „Verlaustes Viehzeug sofort unter Deck!“ Einen Moment schien er darauf zu warten, daß sich Plymmie ebenfalls äußerte. Dann jedoch, als die Hündin keinerlei Reaktion zeigte, fuhr er fort, sich aufzuplustern und seine Federn zu richten.

Die Männer verfolgten den Vorgang mit einem Grinsen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Ed Carberry wußte natürlich, was die Blicke zu bedeuten hatten, die sie ihm zuwarfen. Sir John war sein gelehrigster Schüler an Bord der „Isabella“ – und sicherlich auch der einzige, der seine Sprüche wortgetreu zum Vorbild nahm.

Der alte O’Flynn stapfte unterdessen wortlos auf die Gruppe der Männer zu, die für das Verzurren und Hieven der Kisten zuständig waren. Sie wechselten erstaunte Blicke, während der Alte sich näherte.

„Kann das angehen?“ flüsterte Stenmark seinem Nebenmann Martin Correa zu. „Machen wir ausnahmsweise mal alles richtig?“

„Unsinn“, entgegnete der Bootsmann der „Empress“. „Der Old Man badet in Gedanken noch im Jungbrunnen. Das ist es.“

„Zum Baden dürfte die Quelle nicht groß genug sein“, sagte der Kutscher leise.

Die Männer konnten sich ein Glucksen nicht verkneifen. Doch auch damit vermochten sie den Zorn des alten O’Flynn nicht zu erwecken, denn er war mit seinen Gedanken noch immer weit entfernt. Drei Yards entfernt blieb er stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte durch die Männer hindurch.

„Mal herhören“, sagte er nach einer Weile, und es war eindeutig, daß er aus seiner Geistesabwesenheit noch immer nicht erwacht war. „Kurze Pause.“

Ed Carberry schnaufte unwillig. Dann zog er die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken.

„Befehl ist Befehl“, sagte er ergeben. „Und Kapitän ist Kapitän.“

Unter normalen Umständen wäre Old Donegal wegen einer solchen Bemerkung drauf und dran gewesen, ihm an die Gurgel zu springen. Aber der Old Man überhörte es. Und diese erstaunliche Tatsache, so folgerten die Männer, konnte nur von dem herrühren, was er im Inneren der Insel erlebt hatte.

Spuren eines Kampfes – mit einem wilden Tier oder gar einem menschlichen Wesen – waren an ihm indessen nicht festzustellen. Wenn es denn überhaupt Spuren gab, dann bestenfalls die Nässe auf der Vorderseite seines grauen Leinenhemds. Wasser aus dem vermeintlichen Jungbrunnen, mit dem er sich vollgeschlabbert hatte.

„Ich habe euch etwas Betrübliches mitzuteilen“, verkündete Old Donegal mit feierlicher Stimme. „Ihr werdet enttäuscht sein, Freunde, aber es liegt nicht in meiner Kraft, das zu ändern.“

Schweratmend legte er eine kurze Pause ein, und die Männer hatten Zeit, sich verdutzt anzusehen. Über was sollten sie enttäuscht sein, wenn sie gar nichts erwartet hatten? Natürlich ahnten sie, was gleich folgen würde. Aber diesmal übertrieb der Alte denn doch gewaltig. Die Jungbrunnen-Manie war einzig und allein sein Hirngespinst. Niemand teilte es mit ihm – es sei denn, er würde sich auf die Seite der Spanier schlagen, wo es immer noch Leute gab, die an alles mögliche glaubten. Einschließlich „El Dorado“, den mit Goldstaub gepuderten Häuptlingssohn, der irgendwo in den Dschungeln Neu-Spaniens leben sollte.

„Meine Erwartungen haben sich nicht erfüllt“, fuhr Old Donegal voller Bitterkeit fort. „Die Quelle, von der der Kutscher sprach, ist vorhanden. Aber es kann nicht der Jungbrunnen sein. Ich habe das Wasser getrunken, und ich habe Hautteile meiner Hände und Arme damit eingerieben.“

Er schüttelte resignierend den Kopf. „Keinerlei Wirkung. Ich bin noch immer der Alte.“

Die Männer mußten sich die Hand vor den Mund halten, um nicht loszuprusten. Ed Carberry drehte sich um und krümmte sich. Er hatte es am schwersten, sich zu beherrschen. Wesentlich besser waren Larsen, Nyberg und die Zwillinge oben im Höhleneingang dran. Die konnten wenigstens grinsen.

Old Donegal Daniel O’Flynn hatte den Blick gesenkt, und es schien, als würde er am liebsten in den Erdboden versinken. Richtig bemitleidenswert, so fanden die Männer, sah er jetzt aus.

„Das muß doch überhaupt noch nichts bedeuten“, sagte der Kutscher und versuchte, seiner Stimme einen tröstenden Klang zu geben. „Wo steht denn eigentlich geschrieben, daß der Jungbrunnen sofort wirkt – auf der Stelle?“

Old Donegal hob ruckartig den Kopf. Überrascht starrte er den Kombüsenmann an.

„Aber wie denn sonst? Ich meine, wenn das Wasser nicht sofort wirkt, wie kann es denn dann …?“

Der Kutscher schüttelte tadelnd den Kopf.

„Du hast dich zu sehr in eine bestimmte Vorstellung verrannt, Donegal. Halte dir doch einmal vor Augen, wie viele Jahre du gebraucht hast, um so alt zu werden, wie du heute bist. Und du meinst, das ließe sich im Handumdrehen verändern? Vom medizinischen Standpunkt aus muß ich sagen, daß kein Körper so etwas verkraften kann.“

Den Männern fiel es immer schwerer, sich zu zügeln. Ed Carberry wandte sich ab und zog sich langsam zurück, hinter den Kistenstapel, wo er wenigstens seine Gesichtsmuskeln nicht mehr angestrengt starr halten mußte.

„Ach so“, murmelte der alte O’Flynn gedehnt, „du meinst, das Jungbrunnen-Wasser wirkt ganz allmählich, nicht wahr? Schonend sozusagen?“

„So vermute ich“, antwortete der Kutscher mit bekräftigendem Nicken. „Es gibt natürlich auch noch jede Menge anderer Möglichkeiten. Vielleicht bewirkt der Jungbrunnen nur einen Stillstand, das heißt, man bleibt so, wie man ist – für den Rest seiner Tage.“

„Glaube ich nicht“, entgegnete Old Donegal überzeugt. „Dann würde die Quelle nicht Jungbrunnen heißen.“

„Wie auch immer“, sagte der Kutscher beschwichtigend. „Am besten wartest du erst einmal ab. Wir werden auch alle gut aufpassen, und sobald wir irgend etwas an dir bemerken, sagen wir dir sofort Bescheid.“

„Gut, gut.“ Neue Hoffnung leuchtete in den Augen Old Donegals auf. „Diejenigen, die nachher wieder auf die Galeone rübergehen, sollen mal nachsehen, ob sie einen Spiegel finden.“

Der Kutscher nickte ernsthaft.

„Befehl vom Admiral“, wandte er sich den anderen zu. „Spiegel suchen.“

„Spiegel suchen“, wiederholte Martin Correa. „Wird erledigt.“

Old Donegal atmete tief durch und wirkte regelrecht erleichtert, als er in die Hände klatschte.

„Dann mal weiter!“ rief er. „Sehen wir zu, daß wir unser hochgeschätztes spanisches Edelmetall in der Versenkung verschwinden lassen!“ Daß er den Männern mit solchen Tönen viel besser gefiel, wurde ihm nicht bewußt. Aber das mochte daran liegen, daß er nie besonders auf die Empfindungen anderer geachtet und um so mehr seinen eigenen Starrsinn gepflegt hatte.

Innerhalb der nächsten Stunde schafften sie es, die gesamten am Strand gelagerten Vorräte in die Grotte zu verfrachten. Damit war aber die Arbeit noch lange nicht bewältigt. Ed Carberry, Stenmark und Martin Correa begaben sich wieder auf die „Viento Este“ zurück und fuhren fort, die Kisten aus den Laderäumen zum Abtransport an Deck zu hieven. Die Zwillinge nahmen ihren Liniendienst mit der Jolle wieder auf, und die Männer am Strand begannen erneut damit, Kisten und Ausrüstung unterhalb des Höhleneingangs bereitzustellen.

Old Donegal nutzte die Zeit, um noch einmal auf den Felsen zu steigen und die Umgebung zu erkunden. Von der Höhlenöffnung bis zur Spitze des kegelartigen Felsenaufbaus waren gut zehn Yards zu überbrücken. Ziemlich aussichtslos für etwaige Gegner, es auf diesem Weg zu versuchen.

Von der Felsenspitze aus, so stellte der alte O’Flynn fest, hatte man einen hervorragenden Überblick nach allen Seiten. Auch die Riffs der Insel, auf der sie gestrandet waren, konnte man erkennen – einschließlich der festsitzenden Galeone.

Old Donegal hatte seine Gedanken vorübergehend vom Jungbrunnen abgewandt und widmete sich den naheliegenderen Dingen, während er von seinem luftigen Standort aus die Umgebung ausspähte.

Die Lebensbedingungen, wenn man es so nennen wollte, waren für ihn und die anderen wesentlich besser geworden. Auf der ursprünglichen Insel hätten sie herumgesessen und Trübsal geblasen. Bestenfalls hätten sie sich damit beschäftigen können, Kokosnüsse zu suchen und Hütten aus Palmblättern zu bauen. Jetzt aber, nach der Entdeckung der „Viento Este“, hatte ihr Insel-Leben gewissermaßen einen neuen Sinn erhalten.

Sie brauchten nicht herumzuhocken und der „Empress“ nachzutrauern. Sie mußten auch nicht räsonieren, wann denn wohl endlich die Freunde vom Bund der Korsaren nach ihnen suchten. Nein, sie konnten das Geschehen aktiv in die Hand nehmen und den Dons eine lange Nase drehen.

Denn damit, daß die Dons wieder aufkreuzten, um den Goldschatz abzubergen, war fest zu rechnen. Kein halbwegs vernünftiger Mensch würde eine so wertvolle Ladung auf dem Riff verrotten lassen.

Voraussetzung war allerdings, daß Kapitän und Mannschaft der „Viento Este“ mit ihren Booten Florida erreichten. Und dort würden sie vermutlich Fort St. Augustine ansteuern. Die Folgen waren noch nicht abzusehen. Schlimmstenfalls mußte mit einer halben Armada gerechnet werden, die zur Bergung der Goldkisten vor den Cat Cays erschien.

Mit welcher Kampfstärke die Dons auch zurückkehrten – bevor das der Fall war, mußten die Goldkisten von der Galeone verschwunden sein.

Im Verlauf des Nachmittags zeigte sich, daß das bis zum Abend nicht mehr zu schaffen war. Bei Einbruch der Dunkelheit genehmigte Old O’Flynn den Mannen deshalb eine Pause. Am Strand hatte der Kutscher ein neues Feuer entfacht, und es gab Wein aus der „Viento Este“, dazu Speck und Hartbrot. Es fehlte an nichts. Allein die erbeutete Verpflegung würde noch für Wochen reichen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 499

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