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2.

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Der Seewolf übernahm es persönlich, die Rückgabe der Fundstücke vorzubereiten. In der zum Fieren fertigen Jolle breitete er ein Stück Persenning vor der Achterducht aus.

Als Rudergasten standen neben Ed Carberry mit steinernen Gesichtern Ferris Tucker, Batuti, Smoky, Bob Grey, Big Old Shane, Luke Morgan und Al Conroy bereit. Alle an Bord hatten sich freiwillig gemeldet, um den toten Gefährtinnen und Gefährten in der Tiefe der See den Dienst der Ehre zu erweisen.

Aber jene, die nun auf der Back und vor der Kombüse stumme Halbkreise bildeten, wußten auch, daß es sich nicht um ein lärmendes Massenunternehmen mit allen verfügbaren Booten handeln durfte. Jeder der Seewölfe verspürte den Wunsch, die Ruhe der Toten zu respektieren.

Den Freunden an Bord der „Caribian Queen“ und der „Le Griffon“ erging es nicht anders. Sie hatten inzwischen erkannt, was der Seewolf beabsichtigte. Schweigend stand die Rote Korsarin auf dem Achterdeck des düsteren Schiffes, das einst einer erbitterten Feindin des Bundes der Korsaren gehört hatte. Ungewollt dachte Siri-Tong an jene bedrohlichen Tage, als es der Black Queen und ihrer blutrünstigen Meute gelungen war, die Schlangen-Insel aufzuspüren.

Sie hatten die Gefahr eben noch abwenden können. Eine tödliche Feindschaft hatte sich entwickelt, und es hatte beinahe ewig gedauert, bis die Black Queen endgültig besiegt worden war.

Auch Edmond Bayeux und seine Mannen beobachteten das Geschehen an Bord der „Isabella“ mit stummer Anteilnahme.

Hasard trug als erstes den Kasten mit der in Kork gebetteten Statue in die Jolle. Die Statue war armlang und stellte ein geflügeltes Fabelwesen dar.

Durch die Korkfüllung war dieser Kasten aufgetrieben und hatte One-Eye-Doolin und seine Halunken erst darauf gebracht, daß hier noch mehr zu holen sein könnte.

Das nächste Stück, das der Seewolf vorsichtig auf die Persenning legte, war eine goldene Kette. Wie alle anderen Kostbarkeiten hatte Siri-Tong sie aus der Kapitänskammer von Doolins „Scorpion“ geborgen.

Es folgten eine gekrümmte goldene Schlange mit Augen aus Edelsteinen und einer großen Perle auf dem Kopf, zwei Silberketten und eine kleine Kiste mit Smaragden.

Mit einem Handzeichen gab Hasard Order, die Jolle abzufieren.

Er nahm den Platz auf der Achterducht ein, und die Männer begannen zu pullen – mit verhaltener Kraft, beinahe bedächtig, als wollten sie durch die Ruderschläge niemanden aufschrecken.

Keiner der Männer sprach auch nur ein Wort. Etwas schien ihnen im Hals zu stecken. Sie sahen aus wie kleine Jungen, die an der Hand der Mutter zum ersten Mal im Leben den Barbier aufsuchen, damit er ihnen einen schlechten Zahn herausreißt.

Doch es war ein unendlich beklemmenderes Gefühl, das sie gepackt hatte. Ed Carberry und Ferris Tucker, die auf der Ducht vor Hasard saßen, hatten Gesichter wie aus Stein gemeißelt. Smoky, der Decksälteste, sah aus wie die oft erwähnten drei Tage Regenwetter. Batuti, neben ihm, schien alles von seiner bekannten Heiterkeit verloren zu haben. Nichts war von seinen perlweißen Zähnen zu sehen, die er sonst beim Reden und Lachen nicht verbergen konnte.

Bob Grey starrte krampfhaft auf den breiten Rücken seines Vordermannes Smoky. Nicht einmal wagte er, einen Blick auf die Wasseroberfläche zu werfen, als fürchte er, dort mit einer schaurigen Entdeckung konfrontiert zu werden.

Big Old Shane, der graubärtige Schmied von Arwenack, musterte beim Pullen verstohlen den Seewolf. Ein wenig Besorgnis lag in den Augen des Mannes, der Hasard schon als Kind gekannt hatte – damals, in den Jahren auf der Feste Arwenack in Cornwall. Wenn jemand nachempfinden konnte, wie höllisch dem Seewolf dieses Geschehen an die Nieren ging, dann war es Big Old Shane.

Al Conroy gab sich als Schlagmann verbissene Mühe, behutsam und bedächtig zu pullen, und dabei wußte er, daß die anderen dieses Beispiel, das er ihnen gab, richtig einschätzten. Luke Morgan biß sich beständig auf die Unterlippe und gab damit zu erkennen, daß er sich äußerst unbehaglich fühlte.

Für die Männer in der Jolle und ebenso für jene, die ihnen von den Schiffen aus zuschauten, war es eine weihevolle Handlung, die sie vollzogen.

Sie hatten sich etwa eine Kabellänge von der „Isabella“ entfernt, als Hasard die Hand hob und damit das Kommando zum Streichen gab. Die Männer reagierten im Gleichtakt. Flach auf der Wasseroberfläche verringerten die Riemenblätter die Fahrt des Beiboots.

Kein Muskel bewegte sich im Gesicht des Seewolfs. Er ließ die Ruderpinne los, neigte sich langsam, wie zögernd vor und griff in den mit Kork ausgelegten Holzkasten.

Wie gebannt blickten die Männer in dieses Gesicht, das ihnen so vertraut war und das sie doch niemals zuvor so erlebt hatten wie jetzt. Wie in einer raschen Folge von Bildern, in düsteren Farben gezeichnet, wurden die Geschehnisse seit Potosi und den Galápagos-Inseln in ihnen wach.

Deutlicher als in all den Tagen seit jenen Ereignissen schien in diesem Moment die Veränderung, die mit dem Seewolf vor sich gegangen war. Silbergrau bildete sein Schläfenhaar einen scharfgezeichneten Kontrast zu seinem schwarzen Haupthaar. Es war dieser Farbkontrast, der wie sinnbildlich für die furchtbare Stichwunde stand, von der Hasard in einem langwierigen und kräftezehrenden Kampf gegen den Tod genesen war.

Zu einer neuen Narbe war die Schnittwunde verheilt, die unter der alten Narbe von der rechten Stirnseite über die linke Augenbraue und die linke Wange verlief. Die manchmal erschreckende Härte in den Gesichtszügen des Seewolfs war in jenen Tagen der schwersten Schicksalsprüfungen entstanden.

Seine Gefährten erinnerten sich sehr genau daran, wie die Gewißheit über den Tod Arkanas einen jähen Wandel in Hasard hervorgerufen hatte. Seither war er schweigsamer geworden und oftmals tief in Gedanken versunken. Zwar vermochte er auch heute noch die wilde Ausgelassenheit und die johlende Heiterkeit der Arwenacks zu teilen – besonders dann, wenn sie einen mörderischen Kampf heil überstanden hatten. Doch die Zeiten, in denen sie ihn schweigsam erlebten, überwogen mittlerweile. Gelegentlich kam er ihnen auch bissig vor, mißtrauisch wie ein alter, einsamer Wolf.

Gewiß, das Schicksal hatte es selten freundlich gemeint mit diesem großen Mann, dessen hochaufgerichtete Statur auch ein äußeres Zeichen seines, Charakters war. Schon seine Kindheit war unter finsteren Vorzeichen verlaufen. Von Lady Anne Killigrew als Findelkind geraubt und in die Sippschaft der Küstenpiraten von Arwenack einverleibt, war er unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen herangewachsen.

Die Tatsache, daß er sich aus dem Halsabschneider-Milieu freigekämpft hatte, war eines der nicht mehr unterdrückbaren Zeichen seiner charakterlichen Geradlinigkeit gewesen. Die Zeit unter dem Kommando von Sir Francis Drake, die Kaperfahrten mit eigener Mannschaft und eigenem Schiff und schließlich der Ritterschlag durch Königin Elizabeth I. waren erhebende Momente für ihn und seine Freunde gewesen.

Doch die Schattenseiten des Lebens und die Auswirkungen menschlicher Niedertracht hatten ihn immer wieder eingeholt. Er hatte Gwendolyn verloren, die Mutter seiner Söhne. Die Spurensuche nach seinen unglückseligen Eltern hatte letztlich nur zu der Erkenntnis geführt, daß ihnen ein grausames Schicksal vorbestimmt gewesen war.

Er hatte aber seine Söhne wiedergefunden, die der Mutter entrissen worden waren, und sie bedeuteten die wirklich große Freude seines Lebens. Beinahe ein Zufall war es gewesen, daß er seinen Vetter Arne von Manteuffel kennengelernt hatte. Ein Zufall, der zu ihrem heutigen gemeinsamen Kampf für ein freiheitliches Leben geführt hatte.

Aber auch diese glückliche Fügung hatte einen Hauch von Bitterkeit. Denn der schlimmste Verlust seines Lebens war für Arnes Entschluß ausschlaggebend gewesen, sich dem Bund der Korsaren anzuschließen. Seine Braut war getötet worden, bevor das Leben für sie beiden auch nur hatte beginnen können.

Dunkle Schatten waren auch auf jene festen Überzeugungen gefallen, die für den Seewolf stets unumstößlich gewesen waren. Er hatte lernen müssen, daß der englische Königshof, die adlige Gesellschaft und der hohe Personenkreis aus Regierung und Parlament offenbar nur bei einem einfältig denkenden Menschen als ehrenvoll, stets korrekt und über alle Zweifel erhaben gelten konnte.

Philip Hasard Killigrew hatte begreifen müssen, daß Ränke und Intrigen, Niedertracht und Neid, Machtgier und Raff sucht das Denken und Handeln vieler Adliger bestimmten, die sich nach außen hin als sehr ehrenwert und in jedem Sinne des Wortes hochwohlgeboren präsentierten.

Diese Erkenntnisse waren auch für Hasards Gefährten entscheidend gewesen, als sie damals beschlossen hatten, England den Rücken zu kehren und in der Karibik ein neues Leben zu beginnen. Sie hatten von vornherein gewußt, daß dieses Leben – gemeinsam mit Arkana und ihren Brüdern und Schwestern – nicht frei von Gefahren sein würde. Doch sie hatten in ihren düstersten Alpträumen nicht befürchtet, daß es erneute grausame Schicksalsschläge geben würde.

Der Tod Arauas war ein solcher Schlag gewesen. Dann die schwere Verwundung Hasards, die fast auch ihn umgebracht hätte. Schließlich der Tod Arkanas und der vielen Freunde. Und der Untergang der Schlangen-Insel.

Es hatte den Männern und Frauen vom Bund der Korsaren das Gefühl gegeben, alles verloren zu haben. Aber sie hatten sich aus Trauer und dumpfer Niedergeschlagenheit aufgerichtet und mit neuem Mut zugepackt.

Jetzt, in dem Augenblick, da all die Geschehnisse wachgerufen wurden, gedachten sie auch der letzten Worte Arkanas, die Siri-Tong dem Seewolf übermittelt hatte.

Hasard hob die goldene Statue aus dem Holzkasten und hielt sie mit beiden Händen hoch.

„Arkana“, sagte er, und sein Blick war dabei durch die Männer hindurch in eine unendliche Ferne gerichtet. „Meine Freunde und ich werden weiter für die Freiheit kämpfen.“

Der Klang seiner Stimme jagte den Männern einen Schauer über den Rücken. Sie wußten alle: Diese Worte, die der Seewolf eben ausgesprochen hatte, waren das Vermächtnis Arkanas für sie. Es war das Vermächtnis der Schlangenpriesterin, die den Untergang der Schlangen-Insel und ihren eigenen Tod vorhergesehen hatte. Ebenso, wie auch Araua ihren Tod geahnt hatte. Hasard beugte sich zur Seite, tauchte die Statue unter Wasser und löste seinen festen Griff.

Mit einem goldfarbenen Flirren verschwand der kostbare Kultgegenstand in der Tiefe der kristallklaren Fluten.

Hasard forderte die Männer mit einem Nicken auf, weiterzupullen. Sie verstanden. Er wollte die Fundstücke in weitem Umkreis verteilen, um etwaigen künftigen Grabschändern die Suche zu erschweren.

Diese jetzt so klaren Fluten erinnerten durch nichts mehr an das Bild des Schreckens, das sich den Heimkehrenden damals geboten hatte. Schwarz vom Ruß des unterseeischen Vulkanausbruchs war das Wasser gewesen, und es hatte ihnen allen einen Schauer über den Rücken gejagt.

Jerry Reeves und die Männer, die seinerzeit mit der „Isabella“ auf Patrouillenfahrt um Coral Island und die Schlangen-Insel gewesen waren, hatten das furchtbare Geschehen als erste Augenzeugen miterlebt. Doch glücklicherweise waren sie so weit entfernt gewesen, daß ihnen das durch den Vulkanausbruch ausgelöste Seebeben nichts hatte anhaben können.

An einen Navigationsfehler hatten Reeves und seine Gefährten anfangs geglaubt. Sie hatten zunächst auf Coral Island nach dem Rechten sehen wollen und geglaubt, die vertraute Insel verfehlt zu haben. Dann aber, durch schwimmende Trümmer der Timucua-Hütten, haben sie die schreckliche Gewißheit erlangt: Coral Island war untergegangen. Es hatte keine Überlebenden gegeben.

Nicht minder fassungslos waren auch Hasard und die anderen gewesen, als sie an jenem Nachmittag des 12. April mit der „Goldenen Hen“, der „Caribian Queen“, der „Empress of Sea II.“ und dem „Schwarzen Segler“ die Position der Schlangen-Insel erreichten. Schlagartig war der Frohsinn, den sie alle beim kurzen Besuch auf Tortuga genossen hatten, wie weggewischt gewesen.

Trümmerstücke, die auf den Wellen dümpelten, hatten den letzten Beweis geliefert, obwohl es keiner der Männer und Frauen glauben konnte. Sie hatten die Kiste gefunden, auf der drei Brieftauben hockten. Gotlinde, die Frau des Wikingers, hatte die Tiere in Gewahrsam genommen. Auch hatte es Trümmerstücke von der „Tortuga“ und der „Lady Anne“ gegeben. Und Aufatmen dann, als die „Isabella“ mit Jerry Reeves und der Wachdienst-Crew auf der Bildfläche erschienen waren. Wenigstens sie hatten überlebt und waren der Katastrophe durch eine gütige Fügung entgangen.

Die Männer rissen ihre Gedanken aus der Erinnerung los, als Hasard erneut Befehl zum Streichen gab.

In weitem Umkreis übergab er die Kostbarkeiten wieder der See.

Die Männer empfanden die gleiche Erleichterung wie der Seewolf, als sie schließlich zur „Isabella“ zurückpullten. Eine schwere Last war von ihnen genommen. Ähnlich erging es auch den Gefährten auf der „Isabella“ und den beiden anderen Schiffen. Die bis eben noch düstere Stimmung hellte sich auf.

Philip Hasard Killigrew hatte das Entscheidende getan, um die Dinge ins Lot zu bringen.

Die Taten der Leichenfledderer waren ungeschehen gemacht.

Und ein zweites Mal sollten sie nicht zuschlagen können.

In den späten Nachmittagsstunden entstand mehr und mehr der Eindruck, als hätte sich die Crew der „Isabella“ buchstäblich aus einer Erstarrung gelöst.

Will Thorne hatte mit einer Gruppe von Helfern begonnen, in der Segellast für Ordnung zu sorgen. Auch wenn es dort nichts zu ordnen gab und sämtliches Tuch in einwandfreiem Zustand war, hielten es doch alle Beteiligten für an der Zeit, das gesamte Material auf etwaige Schäden zu untersuchen.

Möglich war immerhin, daß sich Mäuse oder andere Nager eingenistet hatten. So war es also durchaus sinnvoll, möglichen bösen Überraschungen vorzubeugen, die am allerwenigsten in einem Notfall eintreten durften, wenn man Reservetuch dringend brauchte.

Eine weitere Gruppe von Arwenacks hatte unter Führung von Ferris Tucker begonnen, die schlanke Galeone vom Kielschwein bis zu den Masttoppen zu untersuchen. Keiner rechnete damit, irgendwo ernsthafte Schäden zu entdecken, die Reparaturen unter der fachmännischen Anleitung des Schiffszimmermanns erforderten. Was die Männer indessen samt und sonders antrieb, war der Wunsch, nicht länger Löcher in die Luft zu starren.

Haargenau so erging es auch den Mannen an Bord der „Caribian Queen“ und der „Le Griffon“. Nach der lähmenden Niedergeschlagenheit der vergangenen Stunden brauchte man das Gefühl, endlich einmal wieder richtig zuzupacken. In den Kombüsen wurde bereits für das abendliche Backen und Banken gebrutzelt und gekocht, und die verlockendsten Düfte wehten über die Decks. Auch waren wieder die ersten Scherze zu hören, und verhaltenes Gelächter wurde hier und da laut.

Hatten Ed Carberry und die anderen anfangs noch verstohlen zum Achterdeck gelinst, so stellten sie nun erleichtert fest, daß der Seewolf ihre Wortgefechte wieder mit einem Lächeln quittierte – wie sie es gewohnt waren.

Dan O’Flynn, der seinen Posten als Ausguck im Großmars beibehalten hatte, erhielt flügelklatschenden Besuch von Sir John.

„Affenarsch! Klosterbruder!“ krakeelte der feuerrote Arara-Papagei und fügte nach einer Atempause hinzu: „Rübenschwein! Gelbgestreifte Miesmuschel!“

Ed Carberry, Smoky und Big Old Shane, die Drehbassenlafetten und Nagelbank auf der Back überprüften, hielten inne, legten den Kopf in den Nacken und grinsten.

„Welch ein kluger Vogel!“ brüllte Carberry begeistert. „Findet doch für jeden die passenden Worte! Der kann einen Kerl bis auf die Knochen durchschauen, was, wie?“

Auch die anderen an Deck fingen an zu glucksen.

Dan O’Flynn musterte unterdessen scharf seinen gefiederten Besucher, der sich auf seinem Unterarm niedergelassen und mächtig aufgeplustert hatte. Mit einem heiseren Krächzen schickte sich Sir John an, einen neuen Wortschwall vom Stapel zu lassen.

Dan kam ihm freundlich und mit halblauter Stimme zuvor.

„Hühnerbändiger, Goldeierleger.“

Sir John verstummte, sah den schlanken Mann aufmerksam an, legte den Kopf schief und stieß ein erneutes Krächzen aus. Nach einem kurzen Schlafaugenblinzeln drehte er sich um, stürzte sich senkrecht in die Tiefe, segelte gleich darauf haarscharf über die Fockrah hinweg und landete nach einem eleganten Kreis auf der Schulter des Profos.

„Kluges Kerlchen“, sagte Ed Carberry lobend. „Triffst immer wieder den Nagel auf den Kopf.“

Sir John räusperte sich kurz und trocken und ließ dann laut und vernehmlich seine Antwort hören.

„Hühnerbändiger! Goldeierleger!“

Atemzüge lang herrschte Stille auf der „Isabella“. Dann grölten die Männer los, und auch Hasard und Ben Brighton auf dem Achterdeck lachten.

Ed Carberry lief krebsrot an. Einen Moment sah es aus, als würde er anfangen zu toben. Doch er verkniff es sich und spähte lediglich besorgt zum Niedergang, als rechne er jede Sekunde damit, daß Mac Pellew aus der Kombüse auftauchte und ihn wegen jener goldenen Eier zur Rede stellte, der die Karavelle „The Golden Hen“ ihren Namen verdankte.

„Brav, brav, Sir John!“ rief Dan O’Flynn aus dem Großmars und äffte dabei den Tonfall des Profos nach: „Triffst doch immer wieder den Nagel auf den Kopf! Und was für ein kluges Kerlchen du bist!“

Sir John plusterte sich auf der Schulter Carberrys auf.

„Hühnerbändiger!“ gab er das soeben gelernte Wort noch einmal von sich und wollte fortfahren.

Ed Carberry packte ihn am Hals und ließ ihn am ausgestreckten Arm zappeln.

„Paß auf, daß ich dich nicht gleich rupfe und in Mac Pellews Kochtopf stecke“, knurrte er.

Als der Profos die Riesenpranke öffnete, flatterte Sir John entsetzt zeternd davon und verlor dabei eine seiner roten Schwanzfedern.

Abermals johlten die Männer vor Vergnügen. Arwenack, der Schimpanse, turnte von einer Taurolle auf der Kuhl, hüpfte begeistert auf und ab, klatschte in die Hände und ließ ein helles Keckern hören. Plymmie, die Wölfshündin, lag lang ausgestreckt im Schatten der Beiboote und öffnete blinzelnd das linke Auge, um deutlich ihr Mißfallen über die Störung des Nachmittagsschlafes zu äußern.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 485

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