Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 569 - Burt Frederick - Страница 6
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Оглавление„Wir müssen den Verstand verloren haben“, murmelte Simonos Simeon, während er gemeinsam mit seinen Söhnen Achillios, Konstantinos und Philarios in die Maschen des Netzes griff, um es einzuholen. An dieser Stelle, in gut dreißig Fuß Tiefe, war der felsige Meeresboden eben, so daß diese Methode des Schwammfischens möglich war.
„Einer muß ein Beispiel geben“, sagte Konstantinos, der älteste Sohn. „Wir können nicht immer nur herumsitzen, abends unseren Wein schlürfen und darüber lamentieren, wie schlecht es uns doch geht.“
„Wir waren uns heute morgen einig“, sagte Achillios und nickte. „Es wird uns nur besser gehen, wenn wir etwas tun. Wir waren uns einig, daß wir den ganzen Tag mit dem Netz fischen – was auch geschieht.“
„Eins muß man dem Schweinehund lassen“, sagte Philarios, der jüngste, und deutete mit einer Kopfbewegung zu der Galeere, „er hat einen hervorragenden Riecher. Irgendwie muß er sofort spüren, wenn irgendwo etwas nicht in Ordnung ist. Wie sonst wäre zu erklären, daß er uns so schnell gefunden hat?“
Philarios war derjenige von den vier Simeons, der die Angelegenheit am leichtesten nahm. Vielleicht lag es an seiner Jugend – daran, daß er mit seinen fünfzehn Jahren die Gefahr weniger deutlich abzuschätzen vermochte.
Wieder war das Netz prall gefüllt. Sie konnten es im kristallklaren Wasser schon in zehn Fuß Tiefe sehen.
„Das hat nichts mit einem Riecher zu tun“, widersprach Achillios seinem Bruder. „Jeder weiß, daß man an dieser Stelle mit dem Netz fischen kann. Aber keiner traut sich her, weil Güzmir es eben auch weiß.“
„So ist es“, sagte Konstantinos. „Man macht sich schon verdächtig, wenn man sich nur hierher wagt. Selbst wenn wir tauchen würden, würde der Stier annehmen, daß wir das Netz einsetzen, kaum daß er den Rücken gekehrt hat.“
„Stier von Piräus“ war der Name der Galeere.
Stier von Piräus wurde aber auch der Kapitän des Ruder-Kriegsschiffs genannt – Markos Güzmir, Sohn einer attischen Hafenhure und eines türkischen Seemanns.
Diese Stille auf der Galeere war wie die Ruhe vor dem Sturm. Einzige Nutznießer der augenblicklichen Situation waren die angeketteten Ruderer, die armen Kerle, die von Güzmir wie Sklaven gehalten wurden. Einst stolze Söhne der Stadt Piräus, war ihr Selbstbewußtsein auf den Bänken der Galeere längst zerbrochen. Sie waren dankbar wie geprügelte Hunde, wenn ihnen nur eine kurze Ruhepause gewährt wurde.
Plötzlich blitzte es auf der Bug-Plattform der Galeere auf.
Das Krachen des Schusses hallte dumpf über die Wasseroberfläche.
„Runter mit euch!“ rief Simonos Simeon.
Seine Sohne duckten sich im selben Moment hinter die Bordwand ihres kleinen Einmasters. Doch das Netz ließen sie nicht los.
Ein schwirrendes Geräusch näherte sich rasend schnell. Gleich darauf entstand ein Prasseln auf dem Wasser, und die Maschen des Netzes ruckten in den Fäusten der Fischer. Ohnmächtige Wut ergriff sie. Die Ladung gehackten Bleies hatte das Netz unmittelbar vor dem Boot zerrissen. Sie spürten es an dem nachlassenden Zuggewicht.
Erst nach Sekunden, als sicher zu sein schien, daß kein weiterer Schuß krachen würde, richteten sich Simonos Simeon und seine Söhne auf und riskierten einen Blick über die Bordkante.
In der Tat.
Die Schwämme, eben schon sichtbar, waren in der dunkelblauen Tiefe verschwunden. Das Netz würde sich nicht mehr flicken lassen. Es war zu sehr zerfetzt. Und ein neues Netz war fast unerschwinglich für die Familie Simeon. Denn was ihnen der Stier von Piräus für die Schwammlieferungen zahlte, reichte knapp aus, um die Familie mit dem Allernotwendigsten an Nahrung und Kleidung zu versorgen.
Ein Beiboot löste sich aus dem düsteren Schattenriß der Galeere. Sechs Männer aus der Besatzung trieben es mit kraftvollen Riemenschlägen auf das Boot der Schwammfischer zu.
Simonos Simeon und seine Söhne erstarrten. Die ganze Zeit über hatten sie gewußt, daß ihnen Unheil drohte. Jetzt aber, da es herannahte, kroch es ihnen eisig über den Rücken.
Hochaufgerichtet stand er vor der Achterducht des Bootes.
Es war jener Mann, der für die Schwammfischer im Saronischen Golf alle Gefahren dieser Welt verkörperte. Er war der Inbegriff der Unterdrückung und Grausamkeit.
Er war der Stier von Piräus, Markos Güzmir, den einst ein weinseliger Osmane im Hinterzimmer einer Hafenschenke mit einem liederlichen griechischen Frauenzimmer gezeugt hatte.
In Piräus erzählte man sich, daß die Hure ihre gerechte Strafe dafür erhalten habe, sich mit einem Türken einzulassen. Kurze Zeit nach der Geburt ihres Sohnes war sie in volltrunkenem Zustand in ein Hafenbecken gestürzt und ersoffen.
Der Vater des Hurensohns hatte sich in Piräus nie wieder blicken lassen. Ganz Schlaue wollten erfahren haben, daß Poseidon den Türkenstrolch dafür gestraft hatte, auf griechischem Boden seiner schändlichen Sinneslust freien Lauf gelassen zu haben.
In einem Sturm, so hieß es, sei das Schiff mit jenem Güzmir an Bord mit Mann und Maus untergegangen.
Der Wahrheitsgehalt all dieser Erzählungen konnte indessen niemand nachprüfen. Fest stand lediglich, daß Markos Güzmir von einer anderen Dirne, einer Freundin seiner Mutter, aufgezogen worden war. Auch diese Frau lebte inzwischen nicht mehr.
Markos, so wurde erzählt, hatte sie getötet, als er gerade vierzehn Jahre alt gewesen war. Er hatte sie dabei ertappt, wie sie seinen besten Freund, einen zwölfjährigen Jungen, auf primitivste Art und Weise vergewaltigte.
Damals hatten die beiden bereits begonnen, die Schreckensherrschaft des Stiers von Piräus aufzubauen. Als unzertrennliches Gespann hatten sie Güzmirs Macht immer mehr gefestigt.
Panos Zakas hieß der Mann, der damals als Zwölfjähriger von einer Hure mißbraucht worden war. Heute war er der Erste Offizier auf der Galeere „Stier von Piräus“.
All das ging den Schwammfischern durch den. Kopf, während sie das Boot auf sich zugleiten sahen. Sie wußten alles über diesen Mann, der äußerlich auch wie ein Stier wirkte. Und sie konnten doch nichts davon gegen ihn verwenden, denn er war unangreifbar.
Er hatte eine kleine Armee von Tagedieben und Galgenstricken, aber auch von gefährlichen Kämpfern um sich geschart, so daß selbst Personen von Amt und Würden es vorzogen, sich nicht mit ihm anzulegen.
Der Stier von Piräus war ein Klotz von einem Kerl. Er trug eine braune Lederweste auf der hackten Haut seines Oberkörpers – wohl wegen der besonderen Wirkung seiner mächtigen Muskeln. Auf geradezu furchterregende Weise wölbten sich diese Muskeln unter seiner sonnengebräunten Haut.
Sein Haar war kurz und dunkelblond. Schon jetzt, auf die Entfernung von noch etlichen Yards, konnte Simonos Simeon die durchbohrend blickenden grauen Augen erkennen.
In der rechten Hand hielt er etwas, das wie ein zusammengerolltes Tau aussah.
Der Schwammfischer und seine Söhne erschauerten.
Es war diese Peitsche aus Leder und geflochtenem Hanf. An Bord der Galeere hieb Güzmir damit auf die Ruderer ein, wenn die Peitsche des Zuchtmeisters nicht ausreichte.
Simonos Simeon, der knorrige, kräftig gebaute Mann, sah seine Söhne an, und deren Blicke schmerzten ihn. Es lag grenzenloses Vertrauen darin. Und sie warteten auf ein Zeichen, auf ein Wort von ihm. Er kannte ihre Absichten. Sie würden gegen Güzmir, den Stier, kämpfen.
Sie waren immerhin zu viert, gegen sechs Ruderer und den Sohn der Hure. Feuern konnten sie von Bord der Galeere nicht, da sie ihren Anführer selbst gefährden würden.
Simeon wußte es genau: So kalkulierten seine Söhne. Am liebsten hätte er ihnen zugestimmt – Philarios, der ihm mit dem schwarzen Haar und dem schmalen Gesicht am ähnlichsten sah. Philarios war bereits so muskulös wie seine Brüder, der siebzehnjährige Achillios und der achtzehnjährige Konstantinos. Lediglich Konstantinos trug einen sorgfältig gestutzten Vollbart.
Aber es hätte jeglicher Vernunft widersprochen, jetzt gegen den Stier von Piräus aufzubegehren. Güzmir hatte den längeren Arm. In seinem Machtgefüge war er nicht allein. Seine Unterführer waren gefürchtet.
Niemand in Piräus – jedenfalls niemand, der zu den einfachen Leuten gehörte – hatte die Mittel, um sich dem Terror des Stiers zu widersetzen. Und jene, die die Mittel gehabt hätten, paktierten mit ihm. Güzmir hatte ein hervorragendes Gespür für den richtigen Moment, in dem man jemanden mit Gold oder Silber schmieren mußte.
Eine Krähe hackte der anderen kein Auge aus. Die Mächtigen von Piräus hatten ihre Einflußbereiche untereinander aufgeteilt. Markos Güzmir verstand es, seine Interessen zu wahren.
Die Rudergasten im Beiboot der Galeere stellten das Pullen ein und begannen zu streichen. Alle sechs waren mit Pistolen und Säbeln bewaffnet. Güzmir ebenfalls.
„Nein, es wäre Wahnsinn“, sagte Simonos Simeon leise. „Wir hätten keine Chance.“
Er las Enttäuschung und Erbitterung in den Mienen seiner Söhne. Sein Schmerz wurde spürbarer. Doch er bezwang sich und nahm die Filzkappe ab, mit der er seinen kahlen Kopf vor der Sonne schützte. Schimmernde Silberfäden zogen sich durch seinen schwarzen Haarkranz.
Doch sonst sah man ihm die vierzig Jahre nicht an. Die mörderisch harte Arbeit des Schwammtauchens hatte er bislang ohne Gesundheitsschäden überstanden – womit er zu den wenigen Ausnahmen gehörte.
Drei Yards entfernt gelangte das Boot des Stiers von Piräus zum Stillstand. Güzmir rollte die Peitsche auseinander und ließ das faserige Lederende mit einer jähen Ruckbewegung durch die Luft zischen und knallen.
Die Schwammfischer zeigten keine Reaktion.
Eben das war es, was Güzmirs ohnehin schwelenden Zorn noch mehr anstachelte.
„Ich nehme an, ihr wollt mich herausfordern“, sagte er mit einer tiefen Stimme, die hart und metallisch klang. Er verschränkte die Arme vor der Brust, wobei das Peitschenende ins Boot hing. Dabei reckte er das Kinn zu einer schroffen Herrscherpose vor. „Ihr seht nicht so aus, als ob ihr Stroh im Schädel habt. Also wollt ihr mich herausfordern.“
Simonos Simeon und seine Söhne schwiegen. In ihren Fäusten hielten sie noch immer die Reste des zerfetzten Netzes.
„Wie heißt ihr?“ fragte der Stier von Piräus barsch. Gut sichtbar zog er das Hanfgeflecht der Peitsche durch die linke Hand.
Simeon gehorchte und nannte seinen sowie die Namen seiner Söhne.
Güzmir nickte, und er wirkte dabei beinahe besänftigt. „Drei prächtige Söhne hast du, Simeon. Nun, da ihr zu viert seid, wird es euch nicht schwerfallen, die Schwämme, die ihr widerrechtlich mit dem Netz heraufholen wolltet, auf die vorgeschriebene Art und Weise ins Boot zu laden. Ich will dabei gern zusehen, denn ich möchte mich vergewissern, daß ihr eure Arbeit gründlich und vor allem vollständig erledigt.“
Bevor Simonos antworten konnte, verlor sein ältester Sohn die Nerven.
„Du hast unser Netz zerstört!“ schrie Konstantinos. „Dafür verlangen wir Schadensersatz!“
Güzmir holte so blitzschnell aus, daß seine Bewegung nicht mit den Augen zu verfolgen war.
Konstantinos duckte sich noch, als er das Zischen der Peitsche hörte. Aber er konnte in dem engen Boot nicht mehr ausweichen. Mit einem hellen Knall traf das Leder seine linke Schulter.
Stechender Schmerz durchzuckte ihn, doch er preßte die Lippen aufeinander, und er schrie nicht. Die Freude, sich an seinem Schmerz weiden zu können, gönnte er dem Sohn einer Hafenhure nicht.
„Taucht!“ brüllte Güzmir. „Taucht, oder ich schlage euch die Haut in Fetzen vom Leib!“
„Seid vernünftig!“ zischte Simeon so leise, daß nur seine Söhne es hören konnten. „Niemandem ist damit geholfen, wenn wir die Märtyrer spielen. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir am Leben bleiben. Denn er wird uns nicht nur auspeitschen, er wird uns töten, wenn wir nicht gehorchen.“
Simonos Simeon wartete eine Antwort seiner Söhne nicht ab. Er richtete sich kurzerhand auf, verbeugte sich in Richtung des Stiers von Piräus, pumpte Luft in seine Lungen und sprang über Bord.
Er war froh, als er seine Söhne gleich darauf neben sich sah.
Sie hatten Glück. Die Schwämme hatten sich in dem Netz eingerollt und waren als großes Bündel auf den Grund gesunken. So schafften sie es binnen weniger Minuten, den ganzen Fang ins Boot zu bringen. Philarios zog sich als erster über die Bordwand und half seinem Vater und seinen Brüdern herein.
„Ich will euch die kleine List nachsehen“, sagte Güzmir spöttisch. „Ich habe nämlich nicht vor, meine Zeit zu vertrödeln.“ Er verschränkte wieder die Arme vor der Brust. „Wie schon gesagt, Simeon, du hast drei prachtvolle Söhne …“ Er ließ den Satz in einem lauernden Ton ausklingen.
Der Schwammfischer hatte das Gefühl, als setze das Schlagen seines Herzens aus. Eine böse Ahnung kroch an die Oberfläche seiner Gedanken.
„Drei prächtige Söhne“, fuhr Güzmir fort. „Das ist mehr als genug, Simeon. Einen mußt du mir abgeben. Der Zufall will es, daß in meiner Mannschaft ein Platz frei geworden ist. Ich nehme deinen jüngsten Sohn. Es ist mir nämlich nicht daran gelegen, allzu häufig meine Leute auswechseln zu müssen.“
Achillios, Konstantinos und Philarios hatten es mit versteinerten Mienen angehört. Und jetzt reagierte ihr Vater so, wie sie das von ihm erwarteten.
„Niemals!“ sagte er mit fester Stimme.
Güzmir grinste und gab den Rudergasten ein knappes Kommando.
Sie tauchten die Riemenblätter ins Wasser und bewegten sie mit mäßiger Kraft. Das Boot glitt nur langsam voran, als wollte Güzmir dem Schwammfischer eine letzte Gelegenheit geben, zur Vernunft zu gelangen.
Simonos Simeon und seine Söhne spannten unterdessen die Muskeln. Es gab nur geringe Hoffnung, das war ihnen klar. Von Bord der Galeere wurden sie scharf beobachtet. Selbst wenn sie einen Sieg errangen, würde er nur von kurzer Dauer sein. Zakas und der Rest der Meute würden über sie herfallen und sie auf den felsigen Meeresgrund schicken.
Trotzdem war der Widerstandswille der Schwammfischer entflammt. Und Philarios war stolz, unendlich stolz darauf, daß ihn sein Vater und seine Brüder nicht kampflos dem grauenvollen Schicksal überlassen würden.
Das Beiboot der Galeere war noch zwei Yards entfernt.
Der Stier von Piräus streckte den rechten Arm aus und zeigte mit dem Peitschenstiel zu Philarios. „Du kannst dich noch freiwillig herüberbegeben, Bürschchen. Spring einfach ins Wasser und schwimm auf uns zu.“
Weder der jüngste der Simeons noch die anderen antworteten. Geduckt und abwehrbereit standen sie in ihrem kleinen Boot, das mit einem einfachen Mast und einem kleinen Lateinersegel ausgerüstet und im Bugraum mit den Schwämmen beladen war.
Markos Güzmir dachte nicht daran, seine herrische Pose vor der Achterducht aufzugeben. Für ihn war die Auseinandersetzung mit den störrischen Fischern nur eine Nebensächlichkeit. Etwas, das sich im Handumdrehen erledigen lassen würde.
Das Beiboot glitt weiter auf die Schwammfischer zu.
Ein knapper Zischlaut war zu vernehmen. Es war das Zeichen, das der Stier von Piräus seinen Männern gab.
Der Schlagmann, ein vierschrötiger Glatzkopf, hob den Riemen mit einem Ruck und führte ihn wie eine Lanze. Im selben Moment zischte Güzmirs Peitsche.
Simonos Simeon versuchte, dem zustoßenden Riemenblatt auszuweichen und es zu packen. Doch die Wucht, die dahintersaß, war zu groß. Seine Fäuste glitten ab. Die Kante des schweren Riemenblattes traf ihn an der rechten Schulter. Er wurde von den Füßen gerissen und stürzte mit einer Drehbewegung auf die nassen Schwämme.
Achillios wurde von dem Peitschenhieb getroffen. Eine blutige Spur zog sich jäh über seinen linken Oberarm. Er krümmte sich vor Schmerzen, war aber im nächsten Atemzug wieder kampfbereit.
Es sollte nichts nutzen.
Das Beiboot der Galeere näherte sich weiter. Die Peitsche des Stiers von Piräus und die Riemen der Rudergasten ließen den Schwammfischern keine Chance, auch nur zu einem wirksamen Gegenangriff anzusetzen.
Harte Stöße und brennende Hiebe trafen die jungen Männer, die verzweifelt versuchten, die Absicht ihres Vaters in die Tat umzusetzen und eines der Riemenblätter zu erwischen. Es gelang ihnen nicht. Die Übermacht der Güzmir-Kerle war größer als sie sich vorgestellt hatten.
Die Entscheidung fiel, als Simonos Simeon sich von den Schwämmen aufrichtete und erneut in den Kampf eingreifen wollte. Noch bevor er sicher auf den Beinen stand, traf ein Riemenblatt seine Stirn. Wie vom Blitz gefällt sank er zurück.
Konstantinos wollte sich voller Sorge um seinen Vater kümmern. Doch in dem Moment, in der er sich zur Seite wandte, stieß der vierschrötige Kerl im Galeeren-Beiboot auch ihn von den Beinen.
Für Achillios und Philarios war es danach aussichtslos.
Die Schergen des Stiers von Piräus hoben die Riemen und brauchten ihrem Boot nur noch geringen Vortrieb zu geben. Dann lagen sie Bord an Bord, und alles war nur noch eine Sache von wenigen Sekunden. Zwei Kerle hielten die Boote fest, während die vier anderen die beiden jungen Männer überwältigten.
Mit Fausthieben und sich immer wieder vor den zupackenden Fäusten der Kerle wegduckend, versuchten Philarios und Achillios noch, das Schlimmste zu verhindern. Es gelang ihnen nicht. Die Übermacht war zu groß.
Beide sanken bewußtlos in sich zusammen.
Philarios wurde in das Beiboot der Galeere gezerrt.
Der Stier von Piräus betrachtete den Sohn des Schwammfischers, wie er regungslos zwischen den Duchten lag, mit zufriedenem Grinsen. Er rollte die Peitsche zusammen und gab Befehl, zurück zur Galeere zu pullen. Er konnte getrost ankerauf gehen.
Um die renitenten Kerle brauchte er sich nicht weiter zu kümmern. Sie würden es an diesem Tag und sicherlich auch für alle Zukunft nicht mehr wagen, weiter mit dem Netz nach Schwämmen zu fischen.
Er brachte sie alle zur Räson. Alle.
In der Bucht von Piräus und im Saronischen Golf wurde nach den Schwämmen getaucht. So lautete sein Befehl, und er duldete keine Zuwiderhandlungen. Natürlich zog das arbeitsscheue Pack die leichteren Methoden vor.
Wo der Meeresboden glatt war, konnte man die Schwämme bequem mit dem Netz heraufholen. Und in geringen Tiefen verwendete man die mehrzinkigen Gabeln an langen Stielen. Der Ertrag war entsprechend gering. Denn nur an wenigen Stellen hatte die Natur den Grund so vorteilhaft gestaltet, daß die Herren Schwammfischer ihrer Bequemlichkeit frönen konnten.
Er, Markos Güzmir, hatte ihnen beigebracht, wie man wirkungsvoll arbeitete. Schließlich mußte er seine Kunden in Venedig und Istanbul zufriedenstellen. Die vornehmen Kreise in den großen Städten brauchten Badeschwämme noch und noch. Gebadet wurde nicht nur aus Reinlichkeitsgründen, sondern auch aus Anlässen der Geselligkeit. Und es hieß, daß dabei insbesondere im zügellosen Venedig die Orgien des antiken Rom um ein Vielfaches überboten würden.
Für die feinen Schwämme aus dem Saronischen Golf wurden gute Preise gezahlt. Eine Tatsache, von der die Schwammfischer, die dem Stier von Piräus zulieferten, allerdings nichts spürten. Für die Hungerlöhne, mit denen er sie abspeiste, durften sie nach seiner Einschätzung noch dankbar sein.
Und ebenso selbstverständlich war, daß er aus ihren Familien die Ruderer rekrutierte, die er für den mörderischen Dienst auf seiner Galeere brauchte.
In dem kleinen, einmastigen Schwammfischerboot erwachten Simonos Simeon und seine beiden älteren Söhne aus ihrer Bewußtlosigkeit, als Philarios bereits über die Verschanzung der Galeere geworfen wurde.