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2.

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Philip Hasard Killigrew, der auf der Achterducht saß, zog die Ruderpinne zu sich heran. Seine Männer pullten kraftvoll im Takt, das Boot schwenkte von der Bordwand der „Isabella VIII.“ weg und gewann rasch an Fahrt.

Edwin Carberry, der bullige Profos, deutete mit einer Kopfbewegung zum Schanzkleid der Galeone, wobei er sein mächtiges Rammkinn vorreckte.

„Nun sieh sich einer die beiden kleinen Stinte an! Die würden glatt hinterherspringen, wenn sie sicher wären, daß es hier keine Haie gibt.“

„Ein bißchen Respekt haben sie eben doch noch“, bemerkte Ferris Tucker grinsend. Er, der riesenhafte Schiffszimmermann mit den leuchtend roten Haaren, wußte ebenso wie die anderen, daß der Seewolf solche Bemerkungen nicht krummnahm.

„Das besagt gar nichts“, widersprach Ed Carberry. „Vor Haien hat sogar der hirnloseste Affenarsch Respekt. Das ist nichts weiter als Selbsterhaltungstrieb oder so was.“

Hasard drehte sich lächelnd um, während das Boot nun mit Direktkurs dem Ufer entgegenrauschte. Seine Söhne platzten fast vor Wut. Das las er trotz der Entfernung noch in den Gesichtern der Zwillinge. Mit zornfunkelnden Blicken starrten sie über das Schanzkleid. Daß sie nicht mit an Land durften, würden sie ihm mal wieder nicht verzeihen. Mit ihren zehn Jahren hatten sie eine verteufelte Portion Temperament und bisweilen ebensolchen Starrsinn. Welche Scherereien sie der Crew der „Isabella VIII.“ schon bereitet hatten, nun, daran mochten sie nicht gern erinnert werden. Aber der Seewolf blieb in solchen Fällen hart. Zu oft hatten seine Herren Söhne schon Kopf und Kragen riskiert, indem sie an Land auf eigene Faust die unsinnigsten Erkundungsgänge unternahmen. Jedesmal hatten die Männer der Crew sie dann wieder herauspauken müssen.

Äußerlich ähnelten sich die beiden wie ein Ei dem anderen. Schlank und schwarzhaarig, hatten sie den unverwechselbar gleichen Gesichtsschnitt wie der Seewolf. In ihren Bewegungen waren sie geschmeidig wie Katzen, und schon jetzt, mit ihren zehn Lebensjahren, standen sie ihren Mann bei den kleinen Arbeiten, die sie an Bord zu verrichten hatten.

„Sie werden sich schnell beruhigen“, sagte Hasard und wandte sich nach vorn, „und wenn es gar nicht anders geht, muß ich ihnen eben mal wieder den Hosenboden strammziehen.“

„Das ist ein Wort“, knurrte Ed Carberry, „die Sprache, die sie am besten verstehen.“ Er pullte als Schlagmann, und trotz des Gesprächs trieb er die übrigen fünf Rudergasten zügig zu höherer Schlagzahl an.

„Unser Profos redet so, als ob er eine Menge von Kindererziehung versteht“, bemerkte Dan O’Flynn feixend. Der schlanke junge Mann zog den Kopf ein wenig tiefer, denn Carberry saß auf der Ducht vor ihm und brauchte nur kurz hinzulangen, wenn er wollte.

Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, bedachte seinen Freund Dan mit einem Seitenblick und entblößte die makellosen Reihen seiner perlweißen Zähne.

„Woher willst du wissen?“ fragte Batuti. „‚Isabella‘ hat schon viele Häfen angelaufen, und wo viele Häfen sind …“

„… sind auch eine Menge hirnrissige Bilgenratten“, fiel ihm der Profos schnaubend ins Wort, „solche, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun haben, als dummes Zeug zu quatschen. Das färbt dann auf die ehrenwerten Sealords ab, und zurück auf ihrem Kahn, plappern sie das ganze dumme Zeug nach. Als ob sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten!“

„Oho, unser Profos hat es wieder erfaßt!“ rief Sam Roskill, der ehemalige Karibik-Pirat.

„Reines Ablenkungsmanöver“, sagte Bob Grey grinsend, „wer weiß, wie viele kleine Carberrys es gibt, denen er rund um die Erde öfter mal den Hintern versohlen muß.“

Der Profos lief rot an. Jetzt hatte er Mühe, mit seiner Schlagzahl nicht aus dem Takt zu geraten.

Hasard mußte sich anstrengen, um ein Lächeln zu unterdrücken.

„Wenn ihr nicht gleich die Luke haltet“, brüllte Ed Carberry los, „dann ziehe ich euch …“

„… die Haut in Streifen von euren Affenärschen“, fielen die anderen im Chor ein und mußten an sich halten, um nicht in Gelächter auszubrechen. Jeden einzelnen der Carberry-Sprüche kannten sie auswendig, und es gab Situationen, in denen sie es riskieren konnten, ihn ein bißchen auf den Arm zu nehmen.

Ed Carberry schluckte trocken hinunter. Seine Schläfenadern schwollen an, und sein Groll führte zunächst dazu, daß er die Schlagzahl noch mehr steigerte. Die anderen mußten sich anstrengen, um mitzuhalten. Das Boot jagte mit rauschender Fahrt dem Ufer entgegen, als gelte es, dem Leibhaftigen persönlich zu entrinnen.

Jeder andere Kapitän hätte nun eingreifen müssen, um die Autorität seines Profos’ nicht untergraben zu lassen. Der Seewolf wußte indessen, daß er diesem Wortgeplänkel keine Bedeutung beizumessen brauchte. Wenn, dann nur so viel, daß seine gesamte Crew in der Tat wie Pech und Schwefel zusammenhielt. Und zwischen dem Profos und dem Rest der Mannschaft gab es ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch die kleinen Freundlichkeiten eher noch gefestigt wurde.

Wellengang und hohe Fahrt ließen die beiden leeren Fässer auf den Bodenplanken der Jolle rumpeln. Wegen eines Sturmes südlich von Trinidad und Tobago hatte Hasard seinen ursprünglichen Plan aufgegeben, die beiden Inseln östlich zu umrunden und direkten Kurs auf die Kleinen Antillen zu nehmen. Durch den Serpents Mouth hatten sie daher Zuflucht im Golf von Paria gesucht. Günstigere Wetterbedingungen hatten es ihnen hier ermöglicht, ohne wesentlichen Zeitverlust weiter nach Norden zu segeln. Durch den Drachensund konnten sie voraussichtlich in drei Tagen das Karibische Meer erreichen.

Da sie nicht wußten, wie weit sie landeinwärts vordringen mußten, um geeignetes Frischwasser zu finden, hatte der Seewolf vorsorglich ausreichende Bewaffnung angeordnet. Jeder der Männer trug neben dem Entermesser eine Pistole, sechs geladene Musketen lagen quer über den mittleren Duchten des Beiboots.

Sehr rasch näherten sie sich dem schmutziggelben Strand, der von der dunkelgrünen Wand des tropischen Regenwalds begrenzt wurde. Hasard gab dem Profos ein Handzeichen, und die Männer zogen die Riemen in dem Moment ein, als der Bootskiel auf den weichen Sand knirschte.

Während der Seewolf seinen Blick prüfend über das undurchdringlich scheinende Dickicht gleiten ließ, sprangen Dan O’Flynn und Batuti als erste ins seichte Uferwasser, um das Boot höher an Land zu ziehen.

Die Gestalt wankte plötzlich auf den Strand und hob den Arm, um die Augen vor dem jähen grellen Sonnenlicht zu schützen.

In seiner Verblüffung vermochte Hasard nicht festzustellen, wo sich der Mann verborgen gehalten hatte.

Bevor der Seewolf einen Befehl geben konnte, geschah es.

Schüsse krachten in rascher Folge. Während Wolken von Pulverdampf aus dem Unterholz quollen, hetzte der Mann auf dem Strand los und schlug wilde Haken.

Die Männer aus dem Beiboot der „Isabella“ überwanden ihre Überraschung von einem Atemzug zum anderen. Worte waren überflüssig. Sie waren aufeinander eingespielt wie das Räderwerk in einem dieser neumodischen Uhrwerke.

Der Mann, der den Kugeln seiner Verfolger zu entkommen versuchte, zerrte eine Pistole unter seinem Gurt hervor.

Batuti und Dan O’Flynn stürmten bereits auf den Dschungel zu, etwa fünfzig Yards seitlich von der Stelle, an der die Schießer im Dickicht hockten. Ihr Feuer geriet jetzt ins Stocken. Sie schienen zu begreifen, daß ihre Lage schwierig wurde.

Ed Carberry und Ferris Tucker hatten sich blitzschnell Musketen gegriffen und lagen flach, die Stiefel noch im seichten Wasser. Hasard schwang sich mit einem Satz nach außenbords und landete im kniehohen Wasser, mit Deckung hinter dem Spiegel des Bootes. Bob Grey und Sam Roskill lagen auf den Bodenplanken der Jolle und brachten ihre Musketen in Anschlag.

Hasard zog seinen Radschloßdrehling. Die schwere Waffe war mit einem Bündel von sechs Läufen ausgestattet, auf einer Achse drehbar gelagert.

Der Fliehende warf sich jetzt herum und brachte seine Pistole in Anschlag.

„Feuerschutz!“ rief der Seewolf. Noch während er die letzte Silbe hervorstieß, schnellte er los.

Die Musketen seiner Männer krachten ohrenbetäubend.

Batuti und Dan O’Flynn hatten das schützende Dickicht erreicht.

Der Mann auf dem Strand drückte ab, doch seine Pistole gab nicht mehr als ein Klicken von sich.

Das Feuer der Verfolger war verstummt.

Wieder krachten zwei Schüsse vom Beiboot her. Die Musketen waren jetzt abgefeuert. Blieben noch die Pistolen von Ed Carberry, Ferris Tukker, Bob Grey und Sam Roskill.

Hasard stürmte an dem Mann vorbei, der in fliegender Hast den zweiten Hahn seiner doppelläufigen Kurzwaffe spannte.

„In Deckung!“ brüllte der Seewolf. „Hinter das Boot!“

Aus den Augenwinkeln heraus sah er noch, wie ihn der Mann entgeistert anstarrte.

Dann krachten die Pistolen. Hasard konnte sich nicht mehr um den Verfolgten kümmern. Ihm blieben nur noch Sekunden, um das Dickicht zu erreichen. So lange, wie seine Männer den Feuerschutz aufrechterhalten konnten. Mit den kurzläufigen Waffen brachten sie auf die Entfernung zwar keine gezielten Schüsse zustande, aber es genügte immerhin, um die Gegner in Dekkung zu halten.

Nur noch fünf oder sechs Schritte trennten den Seewolf vom Unterholz, rechter Hand von der Stelle, an der die Pulverwolken hervorgequollen waren. Das Feuer seiner Männer verstummte.

Im Dickicht entstand Bewegung. Die Kerle, die dort lauerten, wußten sehr gut, wieviel Zeit man zum Nachladen einer einschüssigen Vorderladerwaffe brauchte.

Ed Carberry, Ferris Tucker und die beiden anderen nahmen sich diese Zeit nicht. Mit Gebrüll stürmten sie los, den Strand herauf.

Mit einem letzten Satz erreichte Hasard eine mehr als mannshohe Mangrovenwurzel. Zehn Schritte entfernt, zur Linken, blinkte heller Stahl im Sonnenlicht. Hasard wirbelte herum und riß den Drehling zum Beidhandanschlag hoch. Aus der Bewegung heraus spannte er den Hahn, zog durch, und der Flint sprühte Funken auf dem Reibrad.

Er war um die Zeitspanne schneller, die die Funken brauchten, um das Zündkraut zu erreichen. Während die Pulverfahne mit hellem Zischen emporstieg, sah Hasard den Helm und den Brustpanzer. Das Laufbündel lag in der Visierlinie, und einen Sekundenbruchteil nach dem Fauchen des Zündkrauts wummerte der Schuß.

Der Spanier hatte es noch geschafft, seine Pistole in Anschlag zu bringen. Aber die Kugel, die sich löste, zirpte in den azurblauen Himmel. Der Mann kippte zur Seite weg und rollte auf den Strand hinaus, wo er reglos liegenblieb.

Schüsse krachten jetzt aus dem Inneren des Dschungels.

Batuti und Dan O’Flynn!

Ein grimmiges Lächeln spielte um die Lippen des Seewolfs. Er verließ seine Deckung.

Edwin Carberry und die anderen waren fast heran. Der Fremde hatte sich ihnen angeschlossen und hielt ein furchterregend großes Haumesser in der Rechten.

Im Unterholz wurde es lebendig. Batuti und der junge O’Flynn scheuchten die Dons erbarmungslos aus ihrem Hinterhalt. Welche Motive die Spanier auch immer bewegten, für Philip Hasard Killigrew lag die Schlußfolgerung auf der Hand. Wer eine halbe Armee losschickte, um einen einzelnen Mann zu verfolgen, der hatte keine lauteren Absichten.

Sie hatten noch ihre Pistolen.

Drei Mann lösten sich gleichzeitig aus dem Dickicht.

„Achtung!“ brüllte der Seewolf und hatte den Drehling schon im Anschlag.

Augenblicklich lagen Carberry und die anderen flach.

Das Wummern des Drehlings vermischte sich mit den helleren Pistolenschüssen der Spanier. Ihre Kugeln fauchten bedrohlich nahe über die am Boden Liegenden weg und rissen kurz vor dem Uferwasser Sandfontänen hoch. Doch die Schüsse des Seewolfs trafen mit erbarmungsloser Präzision. Die drei Spanier schafften es nicht mehr, ihre Säbel herauszureißen und den Kampf fortzusetzen. Aus dem Dickicht ertönten jetzt wildes Gebrüll, Kampfeslärm, Kommandos auf spanisch und das helle Klirren von Stahl, der auf Stahl prallte.

Hasard brauchte seinen Männern keine Zeichen zu geben. Sie waren bereits auf den Beinen. Gemeinsam mit ihm drangen sie in das Unterholz vor. Der Seewolf schob seinen Drehling unter den Gurt und zog den Cutlass. Hier, wo es kein übersichtliches Schußfeld gab, waren Pulver und Blei nicht viel wert.

Im Handumdrehen erfaßten sie die Lage.

Fünf Spanier waren es noch, die auf einer winzigen Lichtung auf Batuti und Dan O’Flynn eindrangen. Angesichts der drohend blitzenden Säbelklingen war deutlich, daß die beiden sich ihrer Haut nicht mehr lange erwehren konnten.

Hasard war als erster auf der Lichtung, sprang über zwei Spanier weg, die reglos am Boden lagen, und stieß den Cutlass hoch.

„Ar – we – nack!“ brüllte er mit Donnerstimme, und die anderen fielen mit ein.

„Ar – we – nack!“ Der alte Kampfruf derer von der Feste Arwenack in Cornwall hallte grollend durch den Dschungel und übertönte die kreischenden und zeternden Tierstimmen.

Die Spanier wirbelten herum, und ihre rasch aufgebaute Kampfformation, auf nur zwei Gegner abgestimmt, geriet in Unordnung. Einer von ihnen, ein Riese von Kerl, der die Rangabzeichen eines Teniente trug, stürmte mit heiserem Angriffsschrei auf den Seewolf los.

Hasard ließ ihn heran, parierte mit eiskalter Ruhe, und dann prallten die Klingen hell klirrend aufeinander. Aus den Augenwinkeln heraus sah Hasard, wie der Fremde sein Haumesser schleuderte. Einer der Spanier, der sich zu weit von den anderen weggewagt hatte, sank mit gurgelndem Laut zu Boden.

Nur noch Minuten währte der verbissene Kampf. Ein unsicherer Schritt seines Gegners gab dem Seewolf die Gelegenheit, blitzschnell zu reagieren. Er unterlief den neuerlichen Angriff, und die Klinge seines Cutlass flirrte schräg von oben nieder.

Jähe Stille kehrte ein, und für den Moment war auch die Lärmkulisse des Dschungels verstummt.

Hasard schob seinen Säbel zurück in die Scheide. Die Bewegung, mit der er es tat, hatte etwas Endgültiges. Es gab hier nichts mehr zu tun. Der Kampf war hart und grausam gewesen, doch sie hatten keine andere Wahl gehabt. Sie wußten, was ihnen geblüht hätte, wenn nur einer von ihnen den Spaniern in die Hände gefallen wäre.

Die Seewölfe wandten sich ab und nahmen den Mann in ihre Mitte, der ihnen sein Leben verdankte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 223

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