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2.

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Schweißüberströmt hockte der Kutscher des alten Zumarraga auf dem Rücken eines muskulösen braunen Wagenpferdes. Die Kleidung des Mannes war staubbedeckt. Jedesmal, wenn er sich mit dem Handrücken durch das Gesicht fuhr, entstand ein neuer Streifen aus Dreck und Schweiß.

Sehr bald sah er dadurch aus wie der Leibhaftige persönlich. Doch es gab in der Umgebung keine Menschenseele, der er hätte Furcht einjagen können.

Seit er das frische Pferd in der Stadt besorgt hatte, schwankte er ständig zwischen zwei Möglichkeiten. Jagte er mit dem Tier im Galopp zu der Stelle hinaus, wo er den Alten zurückgelassen hatte, so bestand die Gefahr, daß der Gaul restlos ausgepumpt war, bevor er überhaupt angeschirrt wurde.

Der gemächliche Schritt, zu dem sich der Kutscher seufzend entschlossen hatte, war für das Pferd letzten Endes das Beste. Dagegen wurde jedoch der Zeitverlust unaufhaltsam größer.

Der schwitzende Mann auf dem sattellosen Pferderücken schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel. Seine einzige Hoffnung bestand darin, daß Romeronde Zumarraga unter dem Kutschenverdeck eingeschlafen war und nicht mitgekriegt hatte, wieviel Zeit wirklich verstrichen war. Denn der Kutscher hatte panische Angst davor, seinen Arbeitsplatz bei dem Inhaber des Handelskontors zu verlieren. Zumarraga zählte zu den wohlhabendsten Geschäftsleuten von Cadiz, und was den Lohn betraf, konnte man sich in der Hafenstadt keinen besseren Arbeitgeber wünschen. Dafür war ein Mann wie der Kutscher gern bereit, das ständige Gezeter des Alten in Kauf zu nehmen.

In müdem Trott brachte der Braune die letzte Wegbiegung hinter sich, die ihn und seinen Reiter noch von jener Stelle trennte, an der die Kalesche mit dem zusammengebrochenen Zugpferd zurückgeblieben war.

Mit einer Gefühlsmischung aus freudiger Dienstbereitschaft und ängstlicher Unterwürfigkeit hob der Kutscher den Kopf.

Das Unfaßbare traf ihn wie ein unsichtbarer Peitschenhieb.

Reflexartig zog er die Zügel des Braunen straff. Das Pferd stand sofort. Der Kutscher, ein dunkelhaariger hagerer Mann, rieb sich ungläubig die Augen. Doch das änderte nichts daran, daß der Weg vor ihm leer war – gähnend leer.

Flirrende Luftschwaden bewegten sich über dem felsigen Boden.

„Madre de dios“, murmelte der Mann auf dem breiten Pferderücken fassungslos. „Das kann doch nicht wahr sein.“

Aus einem Impuls heraus trieb er das Pferd wieder voran. Möglich, daß er sich geirrt hatte. Vielleicht war die Stelle, wo Romeronde Zumarraga zurückgeblieben war, noch weiter entfernt. Bei dieser wahnsinnigen Hitze war es immerhin denkbar, daß das Erinnerungsvermögen einem Streiche spielte.

Jetzt entschloß er sich doch zum Galopp. Wie von Furien gehetzt, jagte der Kutscher den Weg entlang.

Als er die gepflasterte Einfahrt zum Fort erreichte, gab er es auf. Er zügelte den Braunen, riß ihn herum und hetzte zurück. Diesmal war er überzeugt, haargenau die richtige Stelle zu finden. Und es gab keinen Zweifel: Schon vorhin hatte er sich in dieser Hinsicht nicht getäuscht.

Es blieb unverändert.

Romeronde Zumarraga, die Kalesche und das zusammengebrochene Zugpferd mußten sich in Luft aufgelöst haben.

Der Kutscher ließ sich vom Rücken des Braunen gleiten. Während er sich immer wieder die Schweißperlen aus dem Gesicht wischte, suchte er den Boden ab. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte keine Spuren entdecken.

Angst wühlte sein Inneres auf und breitete sich rasch aus. Mit furchtsam geweiteten Augen sah er sich um – als könnten jeden Augenblick monströse, mordgierige Wesen aus einer finsteren Welt erscheinen, um ihn in Stücke zu reißen.

Denn wahrhaftig – das hier ging nicht mit rechten Dingen zu.

Das gescheckte Pferd war ohne ersichtlichen Grund plötzlich umgekippt. Als Pferdekenner war der Kutscher überzeugt gewesen, daß das Tier während des Aufenthalts im Fort eine ausreichende Ruhepause im kühlen Stall gehabt hatte.

Der Kutscher begann zu zittern.

„Bei allen Teufeln“, murmelte er mit bebender Stimme, „hier müssen unerklärliche Dinge geschehen sein. Der Himmel sei meiner Seele gnädig.“

Er gab es auf, weiter nach nicht vorhandenen Spuren zu suchen. Panikartig wirbelte er herum und schwang sich auf den Rücken des muskulösen braunen Wagenpferdes. Er trommelte mit den Stiefelabsätzen gegen die Flanken des Tieres. Der Braune stob los.

Als sei der Leibhaftige hinter ihm her, so jagte der Kutscher in wildem Galopp zur Stadt zurück.

Donnernd hallten die Hufschläge durch die totenstillen Gassen von Cadiz. Irgendwo wurde ein Fenster aufgerissen, ein verschlafenes Gesicht tauchte auf, und eine heisere Männerstimme brüllte Flüche wegen der gestörten Mittagsruhe.

Doch der Urheber des Hufgetrappels war längst um die nächste Straßenekke verschwunden. Ohnehin nahm er von seiner Umgebung kaum etwas wahr. Viel zu sehr saß ihm die Angst im Nacken – eine zermürbende Angst, weil ihr Ursprung unerklärlich war.

Wie in Trance fand der Kutscher den Weg zur Polizeipräfektur von Cadiz. Vor dem weißgetünchten Gebäude ließ er sich vom Pferderücken fallen, verlor um ein Haar das Gleichgewicht und stolperte mit haltsuchenden Händen die flachen Treppenstufen zum Eingang hinauf.

In der kühlen Halle herrschte die gleiche mittägliche Stille wie draußen in den Straßen. Halbdunkel gab dem Raum eine unbehagliche Atmosphäre.

Zwischen Stehpulten, Gewehrständern und Waffenschränken döste ein Teniente auf zwei Lehnstühlen, die er so zurechtgerückt hatte, daß seine Beine eine horizontale Linie bildeten.

Trotz des Lärms, den der Kutscher verursachte, konnte sich der Polizeioffizier zu keiner größeren Willensanstrengung hinreißen lassen, als verschlafen blinzelnd den Kopf zu heben.

Gestikulierend hastete der verschwitzte und verdreckte Mann auf ihn zu.

„Etwas Furchtbares ist geschehen, Señor Teniente! Por dios, Sie – Sie müssen alles tun, um ihn wiederzufinden. Es ist, als ob – als ob er sich in Luft aufgelöst habe.“

Nach Atem ringend blieb der Kutscher zwei Schritte vor dem Polizeibeamten stehen.

Der Teniente bequemte sich, den Kopf ein wenig höher zu heben und den Mann mit geringfügig gesteigerter Aufmerksamkeit zu betrachten.

„Wenn du eine Meldung zu erstatten hast, Mann, dann tu es so, wie es sich gehört. So, daß man versteht, was gemeint ist. Klar?“

Der Kutscher nickte und schnaufte erregt. Mit dem linken Handrücken zog er sich einen neuen Dreckstreifen durch das schweißüberströmte Gesicht.

„Si, si, Señor Teniente. Ich bin sofort zurückgeritten, als ich gemerkt habe, daß …“

Der Polizeioffizier unterbrach ihn mit einer wedelnden Handbewegung.

„Ganz von vorn“, sagte er mit mühsam erzwungener Geduld. „Wer bist du, und für wen arbeitest du?“

Der Kutscher holte tief Luft. Sein Brustkorb hob und senkte sich in schneller Folge.

„Mein Name ist Jorge Andújar, Señor. Ich bin Kutscher und Stallknecht bei Señor Romeronde Zumarraga.“

Die Nennung des Namens bewirkte, daß der Teniente sich abrupt aufrichtete und die Füße von dem zweiten Stuhl schwang.

„Und?“ stieß er hervor. „Was ist passiert? Rede schon!“

Dem Kutscher glang es, seine Fassung halbwegs wiederzufinden. Er gab sich einen Ruck und berichtete in einigermaßen klaren Worten, was nach der Abfahrt von Fort San Sebastian geschehen war.

„Es müssen teuflische Mächte im Spiel sein“, fügte er atemlos hinzu. „Erst bricht das Pferd zusammen, und dann löst sich Señor Zumarraga regelrecht in Luft auf.“

Der Teniente war schon bei den ersten Sätzen aufgesprungen.

„Unsinn“, sagte er mit einer energischen Handbewegung. „Es gibt für alles eine Erklärung. Und in diesem Fall werden wir sie garantiert sehr schnell finden. Vorwärts, Mann, du wirst deinen Bericht noch einmal wiederholen.“

Völlig verwirrt fand der Kutscher sich zwei Minuten später im Amtszimmer des Polizeipräfekten wieder. Der Präfekt war ein beleibter Mann mit Halbglatze. Schwitzend rappelte er sich von einem Sofa auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Die oberen Knöpfe seines Hemdes standen offen. Während er aufstand, schloß er umständlich den Hosenbund, den er zur Erleichterung für die Siesta ebenfalls geöffnet hatte.

„Es handelt sich um Señor Romeronde Zumarraga“, meldete der Teniente nach einer exakten Ehrenbezeigung. „Dieser Kutscher hat eine Meldung erstattet, die meiner Meinung nach sofortiges Eingreifen erfordert.“

Der Präfekt musterte den staubbedeckten Mann mit erwachendem Interesse, wobei er die linke Augenbraue hochzog.

„Rede!“ forderte er knapp und ließ sich ächzend in einen ledergepolsterten Lehnstuhl hinter seinem Schreibtisch sinken.

Jorge Andújar hatte das Gefühl, daß er an persönlicher Wichtigkeit gewann. Die Reaktion der Beamten zeigte ihm, daß er zu einer Schlüsselfigur wurde. Er begann, sich in diesem Gefühl zu sonnen, und so berichtete er mit wohldurchdachter Ausführlichkeit, was sich vor seinem panikartigen Ritt in die Stadt ereignet hatte.

Nachdem der Kutscher geendet hatte, zog der Präfekt beide Augenbrauen hoch.

„Du kannst gehen, Andújar. Deine Verhaltensweise war richtig. Begib dich an deinen Arbeitsplatz und halte dich zur Verfügung, falls wir noch Fragen haben sollten.“

„Si, Señor“, sagte der Kutscher, verbeugte sich und verließ rückwärts gehend den Raum.

„Ich nehme an, Sie werden eine Fahndung einleiten wollen“, sagte der Teniente, nachdem Andújar die Tür geschlossen hatte.

Der Präfekt nickte.

„Veranlassen Sie alles Notwendige, Teniente. Und setzen Sie Druck dahinter. Sie wissen, daß Zumarraga einer der wohlhabendsten und einflußreichsten Männer in unserer Stadt ist. Wir können es uns nicht leisten, in einem solchen Fall auch nur die geringste Nachlässigkeit an den Tag zu legen. Ziehen Sie alle verfügbaren Kräfte ab und setzen Sie sie für die Fahndung ein.“

„Si, Señor.“

„Und bedenken Sie noch eines: Ich weiß, daß Zumarraga heute vor dem Militärtribunal als Zeuge gegen einen englischen Spion ausgesagt hat. Möglicherweise steht sein Verschwinden in Zusammenhang mit dieser Geschichte. Das bedeutet also, daß auch politische Konsequenzen im Spiel sein könnten.“

„Ich werde das berücksichtigen, Señor.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 54

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