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2.

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Bereits eine halbe Stunde später versammelten sich die Verantwortlichen des Bundes der Korsaren auf dem Ratsfelsen. Über den Grund der Beratung hatten sich sowohl Hasard als auch Siri-Tong gründlich ausgeschwiegen. Denn sie wollten vermeiden, daß es vorgefaßte Meinungen oder gar Absprachen unter einzelnen Ratsmitgliedern gab. Jeder sollte in der Lage sein, sich wirklich unvoreingenommen ein Urteil zu bilden.

Neben dem Seewolf und der Roten Korsarin gehörten zur Versammlungsrunde Thorfin Njal, Jean Ribault, Karl von Hutten, die Schlangenpriesterin Arkana und ihre Tochter Araua, Oliver O’Brien, Renke Eggens und Old Donegal Daniel O’Flynn.

Nach einer Weile brach das allgemeine Gemurmel ab, und alle Blicke richteten sich erwartungsvoll auf den Seewolf.

„Es ist wieder einmal nötig, daß der Rat einen Beschluß faßt“, sagte Hasard und sah jeden einzelnen der Männer und Frauen nacheinander an. „Unsere heutige Versammlung findet auf Antrag von Siri-Tong statt. Sie hat es jedoch mir überlassen, die Gründe darzulegen. Denn wir stimmen in unserer Meinung überein.“

„Was sollen wir dann noch hier?“ sagte der Wikinger knurrend. Mißmutig kratzte er sich am Helm. „Wie ich euch kenne, setzt ihr beide euren Kopf doch durch.“

„In dieser Runde hat jeder das Recht und die Pflicht, seine eigene Meinung zu vertreten“, widersprach die Rote Korsarin scharf.

Die anderen nickten beifällig.

Thorfin Njal zog die breiten Schultern hoch, ließ sie wieder sinken und schnaufte dabei.

„Zur Sache also“, sagte Hasard. „Abgesehen von der ‚Tortuga‘-Mannschaft sind wir vollzählig. Ich halte es deshalb für einen günstigen Zeitpunkt, daß wir erstens über den weiteren Ausbau der Schlangen-Insel nachdenken und zweitens unsere Überlegungen auch in die Tat umsetzen. Was wir brauchen, ist eine wirksame Rundumverteidigung der Insel. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden. Ich erinnere an die Ladung Kanonen, die Siri-Tong damals von Bora-Bora mitgebracht hat. Und ich erinnere an die Ladung Pulver, Munition und Kanonenrohre, die wir mit der ‚Isabella‘ auf der Reede von Santiago de Cuba erbeutet haben. Mein Vorschlag – und der von Siri-Tong – lautet also, daß wir möglichst viele getarnte Stellungen schaffen, damit wir gegen einen eventuellen Großangriff auf die Schlangen-Insel gerüstet sind. Dazu müßten natürlich erst einmal jede Menge Lafetten gezimmert werden, und dann …“

„… sollen wir wohl unsere Kähne einmotten, was?“ rief der Wikinger dröhnend dazwischen. „Wenn ich deinen sogenannten Vorschlag richtig kapiert habe, sollen wir uns ins Mauseloch verkriechen und abwarten, bis uns irgendwer auf den Pelz rückt. Das treibt mir ja den Helm in die Höhe! Sollen wir zu Waschweibern verkümmern? Niemals, sage ich euch! Ran an den Feind, das ist immer noch das einzig Wahre. Nur wenn wir angreifen, können wir uns richtig verteidigen. Bei Odin und allen seinen Raben, wir haben genug Schiffe, um einen Gegner gar nicht erst an die Schlangen-Insel heranzulassen! Die werden draußen auf See zu Klump gehauen.“ Er holte tief Luft.

„Ich weiß, ich weiß“, sagte Hasard rasch, und er gab seiner Stimme dabei einen besänftigenden Klang. „Du kannst es dir beim besten Willen nicht vorstellen, aus der Landposition heraus zu kämpfen oder dazu gezwungen zu werden. Umgekehrt, auf See, haben schließlich schon deine ehrenwerten Vorfahren gekämpft, als sie ihre Landnahme betrieben.“

„Nichts gegen die Altvorderen“, entgegnete Thorfin grollend. „Bei denen hat immer der richtige Kurs angelegen. Außerdem gibt es noch einen wichtigen Punkt, Freunde.“ Er blickte beifallheischend in die Runde. „Wenn wir unsere schöne Insel als feuerspeiende Festung zu erkennen geben, dann wittert doch jeder Torfkopp von Angreifer sofort, daß es hier was Besonderes zu holen gibt. Und so was darf eben erst gar nicht passieren.“

Hasard erwiderte nichts darauf, obwohl er die Ansichten des Wikingers für mehr als naiv hielt. Die Diskussion sollte sich von selbst entwickeln, und dann würde es an Gegenargumenten nicht mangeln.

Siri-Tong erhob die Hand, und Hasard erteilte ihr das Wort.

„Ich denke“, sagte sie energisch, „Thorfins bemerkenswerte Äußerung war deutlich genug. Jedem von uns dürften jetzt wohl die Haare zu Berge stehen.“

„Das ist doch …“, polterte der Wikinger los.

„Jetzt bin ich an der Reihe!“ Die Rote Korsarin brachte ihn mit einer zornigen Handbewegung wieder zum Verstummen. „Fangen wir mal mit dem an, was an deinen Worten unlogisch war, verehrter Thorfin: Bei allem Wohlwollen weiß ich nicht, wie wir darauf bauen sollen, daß wir einen Großangriff rechtzeitig bemerken. Denn ein Großangriff ist genau das, womit wir in naher Zukunft zu rechnen haben, wenn sich die Lage weiterhin ungünstig entwickelt. Nehmen wir nur einmal den schlimmsten Fall für uns an: Nämlich den, daß es der Black Queen gelingt, Einzelheiten über die Schlangen-Insel der richtigen Adresse zu verraten. Jeder Angreifer, der diese Einzelheiten kennt, wird seine Taktik so auslegen, daß wir gar nicht in der Lage sind, mit unseren Schiffen rechtzeitig auszulaufen.“

„Verdammt, du hast recht“, sagte Jean Ribault betroffen. „Wenn der Mahlstrom ungünstig für uns steht, sitzen wir tatsächlich stundenlang fest. Und was dann? Helfen uns dann die beiden lächerlichen Kanonen, die wir jetzt in den Felsen stehen haben?“

Die anderen zogen bedenkliche Mienen. Thorfin Njal kratzte sich heftiger am Helm und wußte keine Antwort.

Der schlanke Franzose redete sich in Fahrt, und er griff den Wikinger jetzt direkt an.

„Außerdem, du neunmalkluger Nordmann, solltest du dir die Dinge erst mal gründlich durch den Kopf gehen lassen, bevor du deinen Blödsinn verzapfst. Hasard und Siri-Tong haben in allem recht, was sie gesagt haben. Hämmere das endlich in deinen Schädel: Wenn es einen neuen Angriff auf die Schlangen-Insel geben sollte, dann wird er in nichts mit dem Geplänkel zu vergleichen sein, das wir vorher hier hatten. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, auf einer Insel zu landen. Das brauche ich wohl niemandem hier zu verklaren. Können wir denn beispielsweise jede der Buchten im Süden und im Südosten unter Kontrolle halten? Ein gewitzter Generalkapitän würde dort bei Nacht und Nebel jede Menge Soldaten mit Booten an Land setzen. Das ist nur eine Möglichkeit. Er könnte auch eine Galeone opfern und sie quer in den Felsendom legen. Wie wollen wir dann auslaufen, bitte sehr?“

„Die schießen wir zu Klump, und dann ist der Weg frei“, sagte der Wikinger maulend. Er hielt den Kopf gesenkt und winkte ab. „Ich hab’s ja gleich gesagt: Was soll ich hier? Ihr tut ja allesamt so, als ob es heutzutage eine Schande sei, wenn man sein Fell verteidigt.“

„Eben darum geht es, Thorfin“, sagte der Seewolf gelassen. „Wir wollen und müssen uns verteidigen, wenn die Schlangen-Insel weiterbestehen soll. Deine Art der Verteidigung, der Angriff auf See, ist eine von vielen Möglichkeiten, die wir natürlich auch in Betracht ziehen werden. Wenn so etwas aber wider Erwarten nicht klappt, wenn die Angreifer stärker sind als wir – willst du ihnen dann Gotlinde und deine Kinder schutzlos preisgeben?“

Thorfin starrte den Seewolf entgeistert an.

„Verdammt, male bloß nicht den Teufel an die Wand.“

„Besser vorher denken, als nachher jammern“, sagte Siri-Tong sarkastisch.

Jean Ribault grinste breit, und auch die anderen konnten sich ähnliche Mienen nicht verkneifen.

Thorfin Njal schoß wütende Blicke in die Versammlungsrunde, verzichtete aber auf weiteres Gepolter. Der Gedanke, Gotlinde samt Nachwuchs in Gefahr zu wissen, hatte ihn zu sehr aus der Fassung gebracht.

Arkana hob die Hand, und Hasard forderte sie mit einem Nicken auf, zu sprechen.

„Ich bin für den Vorschlag von Siri-Tong und Hasard“, sagte die Schlangenpriesterin. „Meiner Meinung nach wäre es sträflicher Leichtsinn, wenn wir die eigentliche Verteidigung der Schlangen-Insel vernachlässigen – nur weil wir uns für tapfer genug halten, einen etwaigen Feind draußen auf See zu bezwingen. Das wäre die falsche Art von Mut.“

„Mut?“ rief Old Donegal Daniel O’Flynn. „Hirnrissigkeit wäre das.“

„Keine Beleidigungen bitte“, sagte der Seewolf ernsthaft und konnte dabei doch den Anflug eines Grinsens nicht unterdrücken.

„Muß doch mal gesagt werden, so was“, entgegnete Old Donegal grimmig. „Soll denn hier immer nur einer das Recht haben, den anderen alles mögliche an den Torfkopp zu werfen?“

Die Anspielung auf den Wikinger war mehr als deutlich, und für einen beklemmenden Augenblick sah es aus, als wollte sich der riesenhafte Nordmann mit Zornesgebrüll auf den alten O’Flynn stürzen.

Hasard verhinderte es jedoch, indem er das Gespräch rasch in eine andere Richtung brachte.

„Nehmen wir einmal an, wir fassen tatsächlich einen Mehrheitsbeschluß“, sagte er gedehnt, „und nehmen wir weiter an, die Insel würde mit Kanonen nur so gespickt. Dann wäre eines natürlich absolut klar: Die Kanonen würden erst dann sprechen, wenn der Gegner eindeutig die Absicht hat, zu landen.“

Karl von Hutten meldete sich zu Wort.

„Ich beantrage, daß wir jetzt abstimmen. Es ist genug geredet worden.“

Hasard nickte.

„Ihr habt den Antrag gehört.“ Er wandte sich an die anderen. „Hat noch jemand etwas zu sagen? Oder hat jemand einen anderslautenden Antrag, über den wir abstimmen sollten?“ Er sah den Wikinger dabei fragend an.

Doch Thorfin schüttelte nur den Kopf. Ein wenig hatte er vielleicht begriffen, daß er in die falsche Richtung vorgeprescht war. Doch Hasard konnte sich andererseits nicht vorstellen, daß der Poltermann vollends vom Gegenteil überzeugt war.

„Also dann“, sagte der Seewolf entschlossen. „Wer für den Antrag Siri-Tongs ist, der hebe bitte die Hand.“

Es gab kein Zögern. Alle Anwesenden, bis auf Thorfin Njal, hoben spontan den rechten Arm.

„Wartet ab“, sagte der Wikinger dumpf in die Stille hinein, „ihr werdet noch an meine Worte denken.“

„Auf die eine oder andere Weise bestimmt“, sagte Jean Ribault spöttisch.

Anschließend jedoch stellte Thorfin Njal unter Beweis, daß er den Mehrheitsbeschluß trotz allem respektierte. Eben dies war das ungeschriebene Gesetz des Bundes der Korsaren. Entscheidungen wurden niemals autoritär getroffen, sofern es nicht in einer bestimmten Lage erforderlich war. Stets wurden alle Ratsmitglieder an notwendigen Beschlüssen beteiligt. Dabei galt es als unumstößliche Regel, daß sich eine etwaige Minderheit der Mehrheitsmeinung beugte.

Zähneknirschend zwar, beteiligte sich denn auch Thorfin Njal an den konkreten Schritten, die der Bund der Korsaren zur Verwirklichung seines Beschlusses unternahm.

Hasard begann damit, eine Skizze der Insel anzufertigen. Gemeinsam erörterten die Ratsmitglieder anhand der Zeichnung, wo Kanonen aufgestellt werden sollten. Man einigte sich nach kurzer Diskussion darauf, daß sämtliche Landzungen mit Geschützbatterien bestückt werden sollten.

Schon jetzt wurde deutlich, daß dieser Plan eine Menge Arbeit erfordern würde. Denn für die Kanonen waren Plattformen erforderlich, also ein ebener Untergrund. Außerdem mußten diese Plattformen versteckt liegen und den Geschützmannschaften Deckung bieten. Folglich mußten solche „Nester“ erst gesucht und dann in einen brauchbaren Zustand gebracht werden.

Die Ratsmitglieder entschlossen sich zu einem Rundgang um die Insel und erkannten dabei schon nach kurzer Zeit das ganze Ausmaß der Schwierigkeiten, mit denen man fertig werden mußte. In den wenigsten Fällen gab es Landzungen, die auch nur annähernd die natürlichen Voraussetzungen boten, um Geschützstellungen ohne großen Arbeitsaufwand einzurichten. Fast überall würden Sprengungen erforderlich sein, bevor Lafetten und Geschützrohre in Position gebracht werden konnten.

Während ihres Rundganges erörterten die Ratsmitglieder und die Begleiter, die sich inzwischen dazugesellt hatten, weitere Möglichkeiten, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

So war es Dan O’Flynn, der vorschlug, den Zugang zu den Buchten zu sperren. Wo es die Wassertiefe zuließ, konnte das durch Steinbarrieren geschehen, die man aufschüttete. In anderen Fällen ließ sich eine Sperrung durch Unterwasserketten vollziehen.

Alles in allem stand ein Arbeitsaufwand bevor, der nicht von heute auf morgen zu bewältigen war. Aber nachdem alle Crews über den Ratsbeschluß informiert waren, wurde die Arbeit sofort angepackt.

Al Conroy, der Stückmeister der „Isabella“, bereitete sich mit Feuereifer auf seine neue Aufgabe als Sprengmeister vor. Und Hesekiel Ramsgate und seine Werftarbeiter übernahmen es, die Lafetten für die zahlreichen Geschützstellungen zu zimmern.

Den übrigen Männern aus den Crews stand die schweißtreibende Aufgabe bevor, die vorhandenen Geschützrohre zu den vorgesehenen Stellungen zu transportieren. Doch es gab kein einziges Wort des Murrens. Jeder einzelne aus dem Bund der Korsaren schien zu ahnen, daß die Arbeiten wirklich dringend erforderlich waren.

Obwohl es niemand äußerte, beschlich manch einen von ihnen dabei doch das beklemmende Gefühl, daß sich drohende Wolken über dem Bund der Korsaren zusammenzogen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 394

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