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Geschenke & andere Querelen

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Die Erinnerungen an seinen Vater zu jener Zeit, sind eher die Erinnerungen seiner Geschwister und hier insbesondere die der Schwester Ursula sowie seinem zweitältesten Bruders Friedrich. Eigene Erinnerungen aus den ersten sieben Lebensjahren sind kaum vorhanden, wenn man von den pipelineziehenden Aktionen mal absah. Daher musste er sich eingestehen, dass all diese Beschreibungen auch subjektiver Natur seien, denn das Verhältnis seiner Schwester Ursula zum Vater beispielsweise, waren eher ein gespaltenes und geprägt von Bitterkeit, wie sich schnell herausstellen sollte. Aus heutiger Sicht war Ursula ein Mensch, der die Fähigkeit aus Erfahrungen zu lernen und sich weiterzuentwickeln nur zögerlich ausgebildet hatte. Demnach gab es also nicht viel verwertbares, das für sein eigenes Leben relevant sein konnte. So mansche Aussage von Ursula hatte jedoch trotz allem sein Gutes. Die eigenen Erinnerungen wurden durch diese Beschreibungen der Schwester klarer und der ein oder andere aha Effekt stellte sich schließlich doch auf wundersame Weise ein. Das Dilemma seiner Schwester hatte ihren Ursprung in der Tatsache, dass sie als erstgeborene nun mal kein Junge war und dies ließ sie der frisch gebackene Vater wohl sehr deutlich spüren. So berichtete Ursula, dass Vater seiner Enttäuschung freien Lauf ließ, als er sie das erste Mal sah und sozusagen mit sanfter Gewalt erst einmal dazu genötigt werden musste, klein Ursula auf den Arm zu nehmen. Die Quelle ihrer „Erinnerungen“ war Mutter, die ihr, scheinbar des Öfteren, diese Erlebnisse sehr anschaulich berichtet hatte.

Ich wage die Behauptung, dass diese Darstellungen wohl den damaligen Gegebenheiten entsprachen und somit der Wahrheitsgehalt recht groß sein dürfte. Erst nach einiger Zeit so hieß es, wurde er schließlich doch der stolze Vater einer Tochter und zeigte dies auch voller Enthusiasmus seinem Umfeld. Der zärtliche Umgang änderte sich jedoch mit zunehmenden Alter der heranwachsenden Tochter, so dass Ursula Vater als zunehmend strenger werdenden Despoten empfand. Ursula verglich ihre Stellung in der Familie mit der Märchenfigur „Aschenputtel“. Und so stellte sie die Vermählung mit ihrem Ehemann in all den Gesprächen als „Flucht“ vor dem Elternhaus dar. Besonders was diesen Punkt betraf erinnerte er sich plötzlich, dass er dies von seinen Geschwistern öfter als Grund zu hören bekam, was ihn immer wieder wunderte, denn bisher war er noch immer der Meinung, dass sein Elternhaus eher als „gut“ zu bezeichnen war.

Auch was die Kindheit des ältesten Bruders Peter betraf, stand auch hier die Härte und Strenge des Vaters oft im Vordergrund und blieb Peter als ausgeprägte Erinnerung haften. Peter war das „schwarze Schaf“ der Familie und selbst beiden Elternteilen kamen diese Formulierungen hin und wieder über die Lippen. Er selbst hatte nicht viele Berührungspunkte mit Peter, denn er war immerhin 13Jahre älter als er. An eine Episode konnte er sich jedoch ganz deutlich erinnern. Sie geschah während der Zeit des Hausumbaus, im Jahre 1966. Peter verrichtete seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr und kam nur an den Wochenenden nach Hause. Meist pflegte Peter dann mit Freunden auf eine nächtliche alkoholgetränkte Vergnügungstour zu gehen. Als Peter in gewohnter Weise wieder einmal früh morgens gut gefüllt zurückkam, versäumte er am darauf folgenden Tag zurück zur Kaserne zu fahren. Dies war der Anlass, dass Vater ihn verprügelte. Er und sein Bruder Friedrich mussten mit ansehen, wie dieses Szenario ablief und es blieb zumindest bei ihm, als furchtbare Erinnerung haften. Peter hielt im Laufe des Gefechts Vaters Arme fest, während Vater ständig versuchte ihn weiter zu züchtigen. Vater regte sich derart darüber auf nicht seine Absicht umsetzen zu können, dass er unmittelbar einen Kreislaufzusammenbruch oder so etwas Ähnliches erlitt. Peter flüchtete aus dem Haus und Mutter musste den Krankenwagen rufen. Es war wirklich eine schlimme Situation, geprägt von unsäglichen Angstgefühlen. Sowohl um den Bruder als auch dem Vater gegenüber.

Aus heutiger Sicht betrachtet, dürften die Diskrepanzen zwischen Vater und Sohn eher ihren Ursprung darin haben, dass beide annähernd gleiche Charaktere aufwiesen und dies somit zu immer wiederkehrenden Reibungspunkten führte, die scheinbar nach Vaters Überzeugung, nur mit Härte zu regeln waren. Und wieder gab es Erinnerungen an Aussagen seiner Eltern über den Umgang seines Großvaters mit dem Vater.

Oft wurde erzählt, dass sein Vater, er war der Älteste von drei Kindern, den Kopf für die Verfehlungen seiner Geschwister hinhalten musste und somit vom Großvater verprügelt wurde. Es ließe zwar ein gewisses Verständnis für die Art wie Vater mit Problemen umzugehen pflegte zu, doch wenn er tief in sich hinein hörte, weigerte er sich vehement, dies seinem Vater zuzugestehen. Schließlich galt es aus Fehlern zu lernen oder zumindest diese nicht in der nächsten Generation ebenso fortzuführen.

Die eigene Erinnerung an seinen Vater, die durch diese Erzählungen plötzlich deutlicher wurden, waren ihn selbst betreffend ähnlicher Natur und wenn er Mutters Aussage zu diesem Thema mit einbezog, so dürften die Empfindungen seiner Geschwister eher den Gegebenheiten entsprochen haben. Oft sagte Mutter, Vater sei streng aber gerecht. Letzteres jedoch, zog er in Zweifel. Zu jenem Zeitpunkt mehr denn je, denn er erinnerte sich an eine Episode, ein Erlebnis, das er bis zum heutigen Tag nicht wirklich vergessen konnte. Es ist eine Geschichte von einem für ein Kleinkind sehr wichtiges und womöglich für Erwachsene eher unscheinbares Erlebnis, das vielleicht sogar mehr zum Schmunzeln anregt, als es für bedeutend zu halten.

Es ereignete sich im Frühjahr 1964. Es musste wohl um Ostern herum gewesen sein, denn sonst hätte es keinen Anlass für den Großvater aus Saarbrücken gegeben, ihm ein Geschenk zu schicken. Ein Paket aus Saarbrücken war schon etwas Besonderes, denn man konnte mit ruhigem Gewissen sagen, dass dieser Umstand mehr als ein seltenes Ereignis darstellte.

Und so packte er das Paket voller Vorfreude aus. Hervor kam ein großes Rennauto das man mit einem Schlüssel aufziehen konnte. Es war rot, aus Blech, mit einem Rennfahrer auf dem Sitz und sogar mit einem Knopf ausgerüstet, der als Schaltung diente. Legte man diesen um, nachdem man die Feder aufgezogen hatte, schoss es wie ein Pfeil davon. Ein wunderschönes Geschenk, und er machte sich sogleich euphorisch daran, es vor dem Haus auf dem Gehweg auszuprobieren.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtete der kleine Heinz Brauer sein treiben. Der Nachbarsjunge, der etwa im gleichen Alter war. Und er ließ es sich nicht nehmen, seiner Neugier freien Lauf zu lassen. Also kam er über die Straße und fragte, ob er denn auch einmal damit spielen dürfe. So kam es, wie es wohl kommen musste, klein Heinzi nahm das Auto und warf es ohne ersichtlichen Grund auf den Boden, so dass es kaputt ging. Nach getaner Arbeit rannte Heinz davon, wohl sichtlich zufrieden mit seinem angerichteten Werk.

Weinend lief er zurück ins Haus und berichtete unter Tränen, was gerade geschehen war. Vater, Mutter und Friedrich, der ältere Bruder, saßen am Küchentisch und hörten sich sein Leid an. Und während er unter Tränen berichtete, sagte er, »Jetzt gehe ich zu Herrn Brauer und sage was Heinz gemacht hat«. Vater schaute auf und während Vater mit strengem Ton anordnete, dass er hier zu bleiben hätte, lief Klein Klaus Rudolf Johann mit seinem kaputten Auto in der Hand bereits davon, über die Straße und Schwups zur Haustür des Nachbarn. Dass Vater ihm nachlief, bemerkte er in seinem Kummer zunächst nicht und so klingelte er mutig an der Haustür. Der Nachbar öffnete und während er begann sein Leid zu klagen, hörte er hinter sich Schritte und die Worte, »Bitte entschuldigen sie die Störung, Kindereien« …. im gleichen Augenblick hatte ihn Vater auch schon am Arm gepackt, sein Auto fiel zu Boden und zornig zerrte ihn Vater nach Hause. Dort angekommen erhielt er eine Tracht Prügel, so wie er es bisher noch nie erlebt hatte, ganz zu schweigen von den Schimpfkanonaden, die folgten. Mutter saß schweigend am Tisch ohne auch nur daran zu denken ein Wort zu sagen und ließ den Dingen ihren Lauf. Nur Friedrich schenkte ihm, nachdem er in sein Zimmer verbannt wurde, ein klein wenig Trost.

Am folgenden Tag sah er Heinz Brauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite ganz in sich gekehrt spielend auf dem Gehweg und als wäre es nicht für ein siebenjähriges Kind schon schlimm genug gewesen erkannte er, dass das Spielzeug mit dem sich Heinz beschäftigte, eben das Auto war das er von seinem Großvater geschenkt bekommen hatte. Der Vater von Heinz hatte es wieder in Ordnung gebracht und kurzer Hand seinem Sohn als Spielzeug überlassen.

Beute

Selbst die verzweifelten Berichte hierüber beeindruckten weder Vater noch Mutter und so geschah es, dass alles unter den Tisch gekehrt wurde und Heinz Brauer fortan ein Auto mehr hatte.

Es mag sein, dass diese Episode dem Leser eher ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Man ist geneigt, es einfach als ein belangloses Kinder-Erlebnis abzutun, zwar nicht erfreulich, doch eher nur eine Bagatelle. Letztlich aber, bei genauerem Hinsehen, war dieses Ereignis so prägend, dass er es ein Leben lang nicht wirklich vergessen konnte. Diese Erfahrung hatte etwas Bleibendes in der Kinderseele des kleinen Klaus Rudolf Johann hinterlassen.

Schweigend las er die Zeilen und das Geschriebene ließ ihn in diese Zeit versinken. Die Gefühle wurden spürbar und der Schmerz des Augenblicks kehrte unvermittelt zurück. Alles war wieder präsent, die Atmosphäre, die Wärme der Sonne auf der Haut, das Brennen auf seinem Hinterteil, verursacht durch die nicht enden wollenden Schläge mit der flachen Hand, das Schreien und Schimpfen des Vaters, die ängstlichen Blicke des Bruders und …. Plötzlich sein Mut zu rufen, »Jetzt hör doch auf Papa, er hat doch recht«. Welch mutige Tat eines 14 jährigen. …

Sich zurücklehnend dachte er darüber nach und stellte sich schließlich die Frage, was im Grunde hatte dieses Gefühl bleibender Verletzung denn überhaupt verursacht, der Verlust des Spielzeugs oder eher die Reaktion des Vaters sowie die Gleichgültigkeit der Mutter in dieser Situation? Was war mit ihm geschehen und was war es, was ihm noch heute bei dem Gedanken daran, seelisches Unbehagen bereitete? Augenblicke der Stille, der inneren Ruhe stellten sich ein, ganz darauf konzentriert in sich zu gehen und zu hören …. und da war es … nur ein Wort schoss wie ein Pfeil aus dem Dunkel in seine Gedanken … Ungerechtigkeit …. gleich darauf ein weiteres …. Hilflosigkeit …..

Resignation vor der übermächtigen Institution Vater und Mutter und der Erkenntnis, dass besonders diejenigen, die ein Vorbild für das heranwachsende Kindlein sein sollten, die Verantwortlichen für die Grundlage und Entwicklung eines gesunden Rechtsempfindens, Moral und Ehrhaftigkeit, in allen Punkten doch so kläglich versagt und das Problem mit Unterdrückung und Gewalt niedergeknüppelt hatten. Im gleichen Augenblick empfand er eine Erkenntnis zu erlangen, die den gordischen Knoten seines Lebens ein kleines Stück zu lockern vermochte.

Und da war er, der rote Faden, der sich durch sein ganzes Leben gezogen hatte. Der erste von scheinbar vielen, die dazu führen sollten, das aus ihm zu machen was er heute war. Der erste greifbare Hinweis, der fast Euphorie auslöste und ihn zumindest darin bestärkte eine Möglichkeit gefunden zu haben, Licht in das Dunkel seiner Entwicklung zu bringen. Wie ein umgeschubster Dominostein in einer Reihe, begann eine Kette von Erinnerungen in seinen Kopf zu fließen, denen er kaum Einhalt gebieten konnte. Geschehnisse in der Gegenwart schienen nachvollziehbarer zu werden wenn auch noch nicht wirklich greifbarer.

Wie oft kam es vor, dass er in ungerecht empfundenen Situationen völlig ausrastete. Ganz gleich, ob er diese als Außenstehender nur mit ansah oder selbst betroffen war. Ganz gleich, ob es um Personen ging, die in einer Hierarchie über ihm standen oder nicht. Er hasste Ungerechtigkeiten und sein Rechtsempfinden war in der Vergangenheit wohl eher überdimensioniert als angemessen, was natürlich oft zu weiteren Konflikten führen musste.


Die Blasenlähmungen die ihm früher so sehr zu schaffen machten, traten in den letzten Jahren nur noch selten auf. Was diesbezüglich eigentlich der Auslöser war, ließ sich jedoch zu dieser Zeit nicht wirklich klären. Aus dem zurückhaltenden und sensiblen Kleinkind ist ein zurückhaltendes sensibles Kind mit vielerlei Interessen geworden, jedoch in eine Richtung, für die sein Umfeld oft wenig Verständnis aufbrachte. In Erinnerung an diese Zeitspanne sind Aussagen wie etwa »Woher hat der das nur? « geblieben, was in ihm wiederum den Gedanken und das Gefühl sowie die Frage aufkommen ließ, in welcher Familie er hier überhaupt gelandet war. Es mag erstaunen und für sein Lebensalter ungewöhnlich sein, dennoch, er erinnerte sich daran, dass er oft das Gefühl hatte, hier nicht hinzugehören.

So liebte er es beispielsweise aus Zeitschriften Bilder von Künstlern auszuschneiden, die man häufig als Geduldsspiel unter dem Begriff „Original und Fälschung“ fand. Selbst wenn ihm auch die Namen der Künstler nichts sagten und letztlich für ihn zweitrangig waren, zogen sie ihn magisch in seinen Bann. Stundenlang bereitete es ihm Vergnügen, ein Bild nach dem anderen auszuschneiden um es mit Pinsel, Wasser und Farbe so genau wie es ihm nur möglich war, nachzumalen. Voller Ungeduld wartete er darauf, dass Mutter wieder einen Stapel Zeitschriften mit nach Hause brachte, die sie regelmäßig von der Rektorin der Schule in deren Haushalt sie putzte, bekam. Im gemeinsamen Kinderzimmer, das er mit seinem Bruder Friedrich noch teilen musste, hingen dutzende Bildchen an der Wand, und jedes einzelne bereitete ihm Freude. Das Verständnis für diese „Verschandelung“ der Wand war relativ gering und so kam es hin und wieder vor, dass Vater ein Machtwort sprach und alles wieder runter musste. Was für ein Zeug, wenn es wenigstens schöne Bilder wären und nicht so ein Geschmiere … (dies bezog sich auf die ausgeschnittenen „Originalbilder“). Doch mit dem heutigen Wissen … Monet, Chagall und Co malten nun mal so, wie sie malten. … „Geschmiere“ halt.

Einigermaßen Ruhe kehrte erst wirklich ein, als sich sein Interesse auf die Bilder der Maler Spitzweg und Caspar David Friedrich lenkte. Nun, da er der einzige in der Familie war, der sich in dieser Weise beschäftigte, wirkte sein Verhalten wohl eher befremdlich. Womöglich ging dies sogar soweit, dass man sich im Stillen etwas sorgte. Die Zeit verging und es rückte ein neues großes Ereignis in den Zenit seines Daseins und das alle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Einschulung, hieß das Zauberwort und ein neues Kapitel seines Lebens sollte seinen Anfang nehmen. Darüber hinaus bestand ja auch noch vage die Hoffnung, dass ihm die Schule seine Flausen austreiben würde, sollten sie noch immer so präsent bleiben, wie bisher.

Die Schulzeit war im Grunde für seine Nachforschungen nicht wirklich relevant. Einige interessante Erinnerungen kamen ihm dennoch ins Gedächtnis. Er erinnerte sich, dass er des Öfteren durch die Fähigkeit auffiel, sich leicht durch Geschehnisse außerhalb des Klassenzimmers ablenken zu lassen. Beispielsweise Vögelchen im Baum, oder einfach nur das Versinken in Gedanken … Träumereien halt, die zum Leidwesen der Lehrer für gelegentlichen Ärger sorgten. Der Lehrstoff war für ihn wohl eher langweilig und uninteressant. Aufgabenstellungen im Werkunterricht unterzog er kurzer Hand einer „kritischen Prüfung“ und entschied gegebenenfalls, statt eines Reliefs aus Gips ein Mainzelmännchen oder das Modell eines Autos herzustellen. Sollte ein Linoleumschnitt gefertigt werden, dessen Motiv eine Blume sein musste, er stattdessen das Motiv „Ritter Tod und Teufel“ von Albrecht Dürer vorzog und „fachgerecht“ umsetzte. (… übrigens ein sehr schönes Motiv). Die Arbeiten förderten zwar eine gewisse Bewunderung zu Tage, doch letztlich auch eine weniger gute Note, da das angestrebte Ziel nicht erreicht wurde, was für ihn wiederum nur schwer nachvollziehbar war.

Dies konnte natürlich auch wieder Anlass für das Gefühl „Ungerechtigkeit“ hervorrufen und damit verbunden, ausdrucksstarken Protest. Die schulischen Leistungen, einschließlich der Benotung für Fleiß, Betragen und Schönschreiben, waren anfangs im unteren Mittelfeld zu finden, mit Ausnahme der zwei letztgenannten. Dies änderte sich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zum Positiven. Schule war eben nicht wirklich interessant und die erhoffte Abwechslung wich anfangs eher einem notgedrungenem Übel, das sein Leben nicht wirklich bereichern konnte. Immerhin sah er ein wenig mehr von der Welt als bisher und so genoss er den morgendlichen und mittäglichen Schulweg.

Die Zeit verging in gleicher Weise Tag aus, Tag ein und er bemerkte nicht, dass sich am Horizont bereits die ersten Wölkchen zeigten … wie sollte er auch. Was ein echter fantasievoller und kreativer Tagträumer ist, der richtet natürlich seine Gedankenwelt ausschließlich auf das, was ihn auch wirklich interessierte.

Wie jeden Morgen, wenn er sich auf den Schulweg machte, schaute seine Mutter dem flügge werdenden Klaus Rudolf Johann nach. Alles schien wie immer, doch irgendetwas fiel ihr auf, irgendetwas war an jenem Morgen anders. Der Mittag kam und endlich war die lästige Schule zu Ende. Ein bisschen träumen hier, ein bisschen trödeln da und wie jeden Tag in gewohnter Weise, kam er mit der Pünktlichkeit einer Atomuhr wenigstens 15 Minuten später als geplant die Straße herunter. Wohl schon ungeduldig wartend, bestand dieses Mal die Begrüßung nicht aus dem üblichen »Na mein Schatz, wie war die Schule? « … sondern … »Sag mal Klaus, hast du etwas an deinem Bein, komm setz dich hin und lass sehen«. Kurzer Hand wurden die Schuhe ausgezogen und Akribig nachgesehen, was da wohl los sein könnte. Da wohl äußerlich nichts Auffälliges zu entdecken war, wurde er einer genaueren Befragung unterzogen, die ihm sowohl unverständlich, wie auch schnell lästig wurde. Doch da wie bereits erwähnt, nichts zu finden war, ging man schließlich zum gewohnten Tagesablauf über. Mittagessen und danach ohne Wenn und Aber; Hausaufgaben. Wie gerne hätte er sich vorher noch ein wenig ausgeruht, aber die „Macht“ war nicht mit ihm und Mutter war diesbezüglich unerbittlich. Schließlich war das alltägliche Schulmartyrium abgearbeitet und es durfte bis 16 Uhr in der Küche gespielt werden. Um 16:30 kam Vater von der Arbeit und es wurde zum allgemeinen Essen fassen gerufen. Das lästige Pflichtgebet hinter sich bringen und auf zum Essen genießen. Meist war es für ihn ein Genuss, sofern zwei Dinge nicht auf den Tisch kamen; Spinat oder Griebensuppe. Dann wurde es buchstäblich zur Qual, denn eine Wahl hatte man nicht und es gab das ungeschriebene Gesetz, was auf den Tisch kommt, wird gegessen und Paragraph zwei, man bleibt so lange am Tisch sitzen, bis der Teller leer war. Hatte Mutter den Eindruck, es könnte quantitativ etwas dürftig sein was der Junge so auf dem Teller hatte, schließlich muss er ja noch wachsen, bekam man auch noch als Bonus einen Nachschlag mit der Option Paragraph eins und zwei. Nach dem Essen durfte er, sofern er den Tag über als brav eingestuft wurde, noch ein Stündchen Fernsehen und dann hieß es, ab ins Bett.

An diesem Tag jedoch, wurde das Programm ein klein wenig geändert. Während Vater in der Küche noch seine Zeitung las und Mutter spülte, wurde Vater in gewohnter Weise über die Geschehnisse des Tages informiert. Unter anderem auch über Mutters merkwürdige Entdeckung hinsichtlich des Beines von klein Klaus Rudolf Johann. Im Wohnzimmer sitzend ertönte schließlich die Anordnung, in die Küche zu kommen. Selbst wenn es für Außenstehende als womöglich ruhiger Ton empfunden worden wäre, so vernahm sein Gehör eher ein drohendes Grollen, als würde ein Gewitter aufziehen und während er aufsprang und rüber in die Küche lief, flog sein Tagesablauf in Bruchteilen einer Sekunde durch seinen Kopf. War da vielleicht irgendetwas, was womöglich eine Strafe mit sich bringen konnte? …

Was dieses Thema betraf, gab es ebenso eine Regel, die der hier im Elternhaus bestehenden Hierarchie entsprach. War er oder einer seiner Geschwister einmal unartig, so wurde zunächst geprüft, ob dieses Dilemma schnell durch Mutter an Ort und Stelle behoben werden konnte, beispielsweise durch Schimpfen, Drohen oder auch, in vermeintlich härteren Fällen, Schläge mit dem Kochlöffel. Reichte dies nicht aus, kam die Drohung, Vater hierüber zu informieren. War letzteres der Fall, bekam man noch vor dem Abendessen eine weitere Tracht Prügel vom Vater. Waren Strafaktionen der Meinung seiner Eltern nach angesagt, so zogen beide unerschütterlich an einem Strang. Wie sollte es auch in einer harmonischen Ehe anders sein? Er dachte nach und fragte sich, hatte er denn je einmal erlebt, dass es nicht harmonisch zwischen Vater und Mutter zuging? Hatten sie selbst denn jemals eine Auseinandersetzung oder waren verschiedener Meinung? So sehr er sich bemühen mochte sich diesbezüglich an eine Situation zu erinnern in der sich beide nicht einig waren, es war erfolglos. »Aha«, dachte er, »Streit gibt es also nur unter Kindern und wenn ich mal groß bin, dann ist alles nur noch schön. Man ist nicht mehr alleine, der andere hält zu einem, gleich was sein mag und alle Schwierigkeiten löst man mit Hilfe des anderen«. Der Keim für eine stetig wachsende Naivität, schien gepflanzt zu sein. Es gab sogar Augenblicke, in denen Vater laut sang oder eine Melodie mitpfiff und war die Stimmung noch entspannter, so schnappte er kurzerhand Mutter und tanzte mit ihr durch die Küche. Was lag da näher als anzunehmen, dass es mehr als erstrebenswert sein musste, möglichst schnell die Kindheit hinter sich zu lassen und endlich erwachsen zu werden, denn dann ist alles richtig prima. Seinem Bruder Friedrich und ihm, blieb das Schicksal einer Züchtigung meist erspart. Nicht so dem ältesten Bruder Peter. Für ihn war es eher schon eine feste Institution, wie er es sich selbst einmal ausdrückte. Scheinbar hatte er den Part unseres Vaters in seiner Kindheit übernommen und Vater übernahm kritiklos die Erziehungsmethoden seines Vaters. Sollte man sich diesbezüglich vielleicht noch einmal Gedanken darüber machen?

Nun gut, In der Küche angekommen hieß es, »Ab auf den Küchentisch, Schuhe und Hose aus, Vater will sich das Bein ansehen«. Uff … wieder mal Glück gehabt. … Es wurde gedrückt, gebogen, gefühlt und begutachtet, doch es war äußerlich nicht wirklich etwas zu entdecken. Das Ergebnis der Untersuchung war, nichts gefunden zu haben, wenn das Gelenk auch ein bisschen dünn aussah, und man zu dem Schluss kam, dies müsse man weiter im Auge behalten. Sodann ging man wieder zum alltäglichen Tagesablauf über.

Der nächste Tag begann so wie alle anderen zuvor auch, nur dass Mutter scheinbar ihre Sinne voll und ganz auf seine Gangart konzentrierte. Und so wiederholte sich das bereits beschriebene Prozedere in regelmäßigen Abständen.

Nach einigen Tagen der Kontrolle kam Mutter zu dem Ergebnis, dass das Gangbild einfach nicht einer normalen Gehweise entsprach. Es wurde wieder einmal eine weitere Untersuchung durch Vater angeordnet. Und siehe da, die Hartnäckigkeit seiner Betreuer machte sich jetzt doch scheinbar bezahlt. Mittlerweile zeigten sich nun doch sichtbare Anzeichen, wie beispielsweise die Unfähigkeit das Fußgelenk auf Anordnung anzuspannen, also den Fußrücken zu heben und die Form der Fußzehen schien auch irgendwie eigenartig zu sein. Auf die immer wiederkehrende Frage, ob er denn Schmerzen habe, blieb ihm nur ein für seine Eltern unverständliches »nein«. Wieder wurde der mittlerweile schon fast zu Familie gehörende Hausarzt zu Rate gezogen und dieser wiederum verwies in gewohnter Weise auf einen Spezialisten, einem Orthopäden unweit des Örtchens, in dem sein Zuhause war.

Um es nicht unnötig in die Länge zu ziehen, das Ergebnis der Untersuchung des kleinen Klaus Rudolf Johann machte seiner Rolle als kränkliches Kind weiterhin Ehre und er gönnte sich eine neue Ära der Fürsorge in dem er an Polio oder, wie man es zu jener Zeit eher nannte, Kinderlähmung erkrankte. Seit dieser Zeit konzentrierte sich alles auf das neue Krankheitsbild. Fast unbemerkt hatte sich indessen das Problem mit den auftretenden Blasenlähmungen von selbst erledigt. (Nur um der Vollständigkeit meiner Erzählung gerecht zu werden) Mit einer Einschränkung natürlich, wir wollen ja nicht euphorisch werden. Geriet er in extreme Stresssituationen oder erkrankte beispielsweise an einer Grippe oder ähnlichem, so konnte es doch noch einmal vorkommen, dass sich sein Bläschen weigerte, zu funktionieren. Er war jedoch mittlerweile bereits schon so „erwachsen“ geworden, dass er sich selbst den Katheter nach getaner Arbeit ziehen konnte und siehe da, es meist keine Blasenentzündung mehr nach sich zog. Dennoch sollte er noch eines auf das Problemkonto draufsetzen. Seit kurzem sorgte er öfter mal nachts für Unruhe, denn aus unerfindlichen Gründen nässte er ein. So vergingen weitere Monate und während dieser Zeit entwickelte sich die Polio fleißig weiter. Sein vermeintliches Glück im Unglück war, dass sich dieses Manko lediglich auf seinen rechten Fuß und einen dunklen Fleck am Steißbein beschränkte, um das Haare zu wachsen begannen. Und wieder …

Die positive Seite der Medaille, er brauchte seither nicht mehr am Sportunterricht teilzunehmen und durfte, was ihm sehr gelegen kam, stattdessen den Mal oder Werkunterricht besuchen. Ach wie ist das Leben doch schön Wenn es etwas schlechter lief, stopfte man ihn auch schon mal in die Nähstunde zu den Mädchen. Dies kam jedoch relativ selten vor, obwohl …. eines der Mädchen mochte er doch recht gerne, auch wenn er nicht wirklich verstand, weshalb er sich zu ihr hingezogen fühlte.

Sie jedoch einmal anzusprechen, traute er sich natürlich nicht. Die Zeit verging und schließlich schrieben wir das Jahr 1966.

Während der letzten zwei Jahre hatte sich nicht nur der Zustand seines Fußes verschlimmert, sondern er hatte auch das Gefühl, dass sich die Umgangsweise seines Vaters zu ihm, zunehmend mehr veränderte. Es war nur ein Gefühl und mit Worten hätte er es nicht beschreiben oder gar erklären können, doch er fühlte sich mit fortschreitendem Alter immer weniger wohl in seinem Zuhause und öfter als früher empfand er, dass die Strenge des Vaters selbst bei kleineren „Vergehen“, intensiver wurde. Zusätzlich geriet er durch sein Handicap noch ein klein wenig mehr in die Isolation, denn mit anderen Kindern auf der Straße rumtollen oder gar Fußball spielen war nicht drin. Zum einen natürlich wegen seiner Behinderung, vielmehr jedoch wegen des fast als gluckenhaft zu bezeichnenden Verhaltens und der für sein Empfinden unnötigen Vorsicht der Mutter. Um der Wahrheit Genüge zu tun, besonders belastet hatte es ihn nicht, denn seine Interessen gingen ohnehin andere Wege als die der gleichaltrigen Kinder. So beispielsweise entdeckte er die klassische Musik, die er zum Leidwesen seiner Eltern oft ziemlich laut im Kinderzimmer hörte, was wiederum für Unmut sorgte. »Klaus«, tönte es oft bis nach oben in das Kinderzimmer, »mach dieses Gedudel leiser, das kann man ja nicht mit anhören, woher hat der das nur? « ...

Ja, er konnte schon ein wirklich nerviges Kind sein und so unbelehrbar. So ein Gedudel, warum hörte er nicht Volksmusik, die ist doch wirklich schön und die kann man auch hören, ohne dass es einem auf die Nerven ging. Diese Erwartungshaltung seiner Eltern hatte zur Folge, dass er sich immer fremder im eigenen Heim fühlte. Immer häufiger stellte er sich die Frage, ob dies überhaupt seine Familie sein könne. Im Krankenhaus vertauscht worden das konnte er doch wohl nicht sein, denn er kam schließlich zu Hause auf diese Welt (so wie es immer hieß). Oder vielleicht doch nicht? Womöglich ist er adoptiert oder gar ein Pflegekind? Ihm fiel auf, dass er, sobald er beispielsweise zu Besuch mit seinen Eltern nach Saarbrücken fuhr, regelrecht aufblühte. Großvater und Großmutter wohnten auf einem parkähnlichen Grundstück mit Hund und sobald er mit seinen Eltern durch das große Tor fuhr, ging sein Herz auf. Selbst der Schäferhund „Rolf“, der laut Großmutters Warnung mit Vorsicht zu genießen sei, wurde in seinen Händen zu einem lammfrommen Spielgefährten. Das waren für ihn wirklich schöne Momente, doch leider waren die Aufenthalte immer nur von kurzer Dauer, denn man konnte fast die Uhr danach stellen, nach nicht mehr als zwei Tagen hatten sich Vater und Großvater derart in den Haaren, dass es dann von jetzt auf gleich wieder nach Hause ging. … (Entdeckte man da etwa Parallelen? ...)

Er erinnerte sich, dass es ihm viele Jahre später ähnlich ergehen sollte, wenn er einmal zu Besuch ins Elternhaus kam und ebenso in gleicher Weise wie sein Vater zu seiner Zeit, bereits nach wenigen Tagen Ausreden erfand, um wieder nach Hause fahren zu können. Meist jedoch blieben größere Wortscharmützel oder sogar ein handfester Streit mit Vater aus. Dennoch erinnerte er sich bis zum heutigen Tag mit Wehmut an diese Zeit in Saarbrücken, die er zu den schönsten Abschnitten seiner Kindheit zählte.

Weniger schön war die Entscheidung der Eltern, dem Rat des Orthopäden, der mittlerweile ebenso wie der Hausarzt zur festen Institution geworden war, Folge zu leisten und einer Operation am Fuß zuzustimmen. Es traf zwar zu, dass das Gehen für ihn oft zur Qual wurde, selbst mit den handgefertigten Stahleinlagen, doch da er sich auch mit diesem Umstand arrangiert hatte und er es im Grunde kaum als wirkliche Behinderung verstand, war er mit der Entscheidung sich einer Operation zu unterziehen, nicht glücklich. Der Fuß hatte sich schon sehr verändert, die Bezeichnung hierfür war wohl Klumpfuß, doch gleich eine Operation? Nichts half, Vaters Wort war nun mal Gesetz und Kinder hatten grundsätzlich kein Mitspracherecht. So kam es dann wie es kommen musste.

Das zweite große, äußerst schmerzhafte Ereignis, seines Lebens das ihn, so sah er es heute, regelrecht traumatisieren sollte, nahm seinen Lauf. Der Termin rückte näher und er fand sich schließlich im Krankenhaus wieder. Umzingelt von all den vielen in schwarz-weiß gekleideten „Pinguinen“ die er ja so sehr „liebte“. Und erst dieses furchtbare Essen ... . Einige Tage später war es dann soweit und der Tag der Messer brach an. Der Fuß wurde gebrochen, gerichtet, geschnitten, Sehnen verlängert und schließlich alles wieder zusammen genäht, genagelt und gegipst. Wochenlanges Martyrium, Schmerzen, herausgerissen aus dem vertrauten Heim und sei es noch so kritikwürdig und dann besonders der Tag, an dem die zwei 12cm langen Nägel gezogen wurden, lassen ihn heute noch erschaudern. Er war ja ein tapferer Junge und schon so groß, also verzichtete man kurzer Hand auf eine Betäubung, denn es sollte ja schnell gehen und nicht wirklich wehtun. Der Arzt zog, zerrte und riss an den Nägeln und seine Schreie waren bestimmt im ganzen Land zu hören. Da half auch nicht der verständnislose und irritierte Ausdruck im Gesicht des Arztes, dass die Dinger so fest saßen und nicht raus wollten und es jetzt doch etwas heftiger wurde, als erwartet, bis der Widerstand der Nägel nachließ und sie entfernt waren. Wie auch immer, irgendwann hatte er auch das überstanden und zur Belohnung durfte er sogar einen Nagel mit nach Hause nehmen. Sozusagen als Trophäe seiner Safari.

Nach gut vier Wochen war es dann soweit und er durfte wieder nach Hause. Es dauerte noch weitere vier Monate, bis er wieder einigermaßen schmerzfrei war und laufen konnte. Ein wirklicher Erfolg war diesem Unterfangen jedoch letztlich nicht beschieden und wenn man es doch wohlwollend sehen mochte, so vergingen immerhin weitere Acht Jahre bis es wieder zu einem Thema werden sollte.

Die Zeit die er in der Schule fehlte war lang und die Fülle des versäumten Lehrstoffes groß, Doch auch dieses Manko war in relativ kurzer Zeit wieder behoben, so dass es keinen Nachteil für sein zukünftiges Leben darstellen sollte. Immerhin etwas positives, das seine Eltern wohlwollend zur Kenntnis nahmen.

Die ältesten Geschwister waren bereits aus dem Haus, so dass er sich nur noch mit Friedrich das kleine Kinderzimmer teilen musste. Das Zusammenleben wurde für alle Beteiligte jedoch nicht wirklich leichter, denn wie bereits erwähnt, das Jahr 1966 war auch das Jahr des Hausumbaus. Es sollte aus dem alten Fachwerkhaus mit seinen kleinen Räumchen, einer Waschküche, einem kleinen Hof mit Stall und Plumpsklo, ein stattliches, wenn auch weiterhin kleines Häuschen werden. Da Wand für Wand vom Fundament an erneuert werden musste, wich die Familie Zimmer für Zimmer der Baustelle aus. Wochenlang fehlte die halbe Hausfassade und die Räume im Obergeschoss waren nur mit einer Leiter zu erreichen. Im Grunde war es unzumutbar, vom Risiko wenn man zu Bett gehen wollte in die Tiefe zu stürzen, ganz abgesehen. Es war nicht nur für seine Eltern eine schwere und aufreibende Zeit. Die Nerven beider lagen oft buchstäblich blank, was sich natürlich auch auf die Geduld mit den noch verbliebenen Kindern auswirkte. Friedrich, gerade mal 16 Jahre alt, wurde kurzerhand in die schweren Bauarbeiten mit eingebunden. Er hingegen einfach nur ein wenig mehr an die Leine genommen. Nennenswerte Erkenntnisse die für sein Leben hätten wesentlich sein können, gab es im Grunde nicht und so war die Zeit des Umbaus eigentlich vernachlässigbar.

Nun, vielleicht gäbe es doch noch etwas zu bemerken. Zusätzlich zu seiner Gehbehinderung und dem gelegentlichen Einnässens in der Nacht kam er in den Genuss einer Blinddarmoperation, sozusagen in letzter Minute. Er war kurz vor dem Durchbruch (der Blinddarm natürlich), als es notwendig schien, etwas zu unternehmen. Große Gelegenheit Ängste zu entwickeln hatte er dieses mal nicht, denn er wurde direkt von der Krankenhausnotaufnahme in den OP verbracht. Eine gute Woche in der Obhut der Pinguine und schon war es wieder einmal überstanden.

Ansonsten, wenn man von der einen oder anderen Kinderkrankheit absah, frönte er weiter seinen merkwürdigen Neigungen wie Malen, Musik hören, es kam zur Klassik nun auch Soul hinzu und Sterne beobachten in der Nacht. Dies sorgte natürlich auch wieder des Öfteren für Unruhe. Kurz … von einer Anpassung an normgerechtes, kindliches Verhalten, so wie es die lieben Eltern verstanden, blieb er weit entfernt, dafür aber sich selbst absolut treu.


















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