Читать книгу Mein Freund Manni - Canis Larue - Страница 5
Kapitel II
ОглавлениеDie Zeit meiner Ausbildung war eine Zeit, die ich im Nachhinein als sehr spannend und wichtig erachte. Nicht alleine wegen dem großen Ziel, das von Vater und Mutter für mich vorgesehen war und somit unbeirrt angestrebt werden musste, vielmehr weil es mir Einblicke in vielerlei Wesenszüge der Menschen verschaffte, die mich alltäglich umzingelten.
Ich durfte die Ergebnisse vielerlei Erziehungsmethoden entdecken und genießen, und ich hatte somit die Möglichkeit die Entwicklung anderer mit der meinen zu vergleichen. Eine Erfahrung, die letztlich erheblich zu meinem späteren Lebensweg beitragen sollte.
Natürlich war ich zu jener Zeit ausschließlich auf mein Ziel geprägt und es lässt sich nicht leugnen, dass ich alles tat, um unbeirrt meinen Weg zu gehen. Aber da hatte sich ja mittlerweile, wie bereits erwähnt, noch ein ständiger Begleiter an meiner Seite etabliert.
Ein zweiter Manfred sozusagen, der kleine „Manni“, der sich in den letzten Jahren in meinem Kopf eingeschlichen hatte und mir so manches Mal zur Seite stand, wenn ich begann das eine oder andere zu hinterfragen.
Gab es mal Situationen, die Zuhause mit Vater und Mutter zu ausgeprägten Diskussionen führten, stand er leise in mein Ohr flüsternd hinter mir und lies mich wortgewandt argumentieren und Thesen in den Raum stellen, die schon fast als revolutionär zu bezeichnen waren. Zumindest in den Gehörgängen von Vater und Mutter.
Schließlich konnten wir wohlwollend in der Historie der Familie auf einige Erfolge schauen und es wäre fatal gewesen, würde ich womöglich diesen Pfad verlassen.
Immerhin hatte Großvater eine kleine Fabrik aus dem Nichts erschaffen, die ihm ein recht ansehnliches Leben ermöglichte. Auch Vater war in der Hierarchie seiner Firma aufgestiegen und hatte sich somit Titel, als auch ein recht ansehnliches Gehalt, mit Aussicht auf eine stattliche Pension, erarbeitet. Meine Geschwister waren ebenso erfolgreich. Der eine Bruder, ein überdurchschnittlich guter Auto Mechaniker bei Mercedes, der andere machte Kariere in der Welt der Finanzen. Meine Schwester war, wie Mutter, zwar „nur“ Hausfrau, doch hatte auch sie einen Mann, der in der Gewerkschaft der deutschen Bundesbahn erfolgreich seinen Mann stand. Jetzt galt es natürlich dafür Sorge zu tragen, dass auch ich irgendwann den Thron des Erfolgs bestieg.
Diesen Beruf, den ich zurzeit anstreben durfte, wurde natürlich von Vater bestimmt und erschien mir unter anderem auch daher nicht wirklich der geeignete für mich zu sein, denn es widerstrebte mir sehr, all diese Techniken und normgequälten Praktiken zu erlernen.
Dennoch war es in unserer Familie üblich das Angefangene auch zu Ende zu bringen und so brachte ich die Ausbildungszeit hinter mich. Ja, ich arbeite sogar einige Jahre weiter in dieser Branche und sammelte so wertvolle Erfahrungen. Dies beziehe ich jedoch nicht auf die beruflichen Qualifikationen, vielmehr auf die zwischenmenschlichen Gegebenheiten, vor allem aber auf die Kommunikation mit meinem imaginären Freund Manni.
Manni verstand es recht gut, oft in eher ungünstigen Augenblicken, sich zu Wort zu melden. Er war schon erstaunlich und man kam nicht umhin, wäre er denn real gewesen, ihm ein, sagen wir mal, sehr ausgeprägtes Ego, zu bescheinigen. Ja es gelang mir ab und an sogar Manni ein Gesicht zu geben. Besonders in Augenblicken, in denen er buchstäblich den Schalk im Nacken hatte und schon fast mit einem Hauch Boshaftigkeit, die ein oder andere Situation dokumentierte.
Wie ein kleiner Gnom, mit rundem, haarigem Gesicht, oder eher ein Kobold mit rausgestreckter Zunge, huschte er dann durch meinen Kopf und riss mich buchstäblich mit in eine Fantasie Welt.
Diese Fähigkeit erwies sich in späteren Zeiten sehr oft als ausgesprochen hilfreich, denn es verschaffte mir für eine kurze Weile einen Zufluchtsort, in dem ich mich ausruhen und vor all den mächtigen Ereignissen, denen ich ausgesetzt war und zu bewältigen hatte, Kraft sammeln konnte. Doch dies nur m Rande …
Hatte sich also Manni wieder einmal merklich spürbar zu Wort gemeldet, fand ich mich des Öfteren in Situationen wieder, die mich für mein Umfeld wohl eher als widerspenstig, vielleicht sogar provokant, erscheinen ließ. Ich muss zugeben, dass es nicht wirklich dazu beitrug, meiner angestrebten „Kariere“ den nötigen Schub zu verpassen, war ich wieder einmal in den Fängen Manni’s.
Doch es war unumgänglich, ab und an einfach Manni freie Hand zu lassen und mich in der realen Welt dann zur Wehr zu setzen, wollte ich nicht dem Gefühl Nahrung geben, nicht ich selbst zu sein. Es ist mir schon immer sehr schwer gefallen, wenn etwas in der Weise umgesetzt werden sollte, die irgendeiner vorgegebenen Weise zu entsprechen hatte, gleich ob es sinnvoll erschien oder sogar nachweislich unsinnig war. Norm ist wohl nun mal Norm und wo kämen wir hin, wenn wir Kreativität mit ins Spiel brächten, um schließlich auch auf anderem Wege das angestrebte Ergebnis zu erzielen.
Noch problematischer wurde es für mich, wenn lediglich auf Grund der Tatsache, dass mein gegenüber in der Hierarchie über mir stand, dieser für sich das Recht in Anspruch nahm, alles besser zu wissen, obwohl er nachweisbar im Unrecht war. Dass dann der Einfluss meines Freundes Manni nicht wirklich dazu beitrug mein Leben einfacher zu gestalten, liegt unweigerlich klar auf der Hand.
Ich musste mir eingestehen, dass der Einfluss Manni’s unaufhörlich zu wachsen begann. Dennoch gelang es mir sehr oft, ihn in seine Schranken zu weisen, was ihn wiederum veranlasste, mir so manche Bauchschmerzen zu bereiten. Wir waren schon ein merkwürdig gutes Gespann.
Anlass, sich immer öfter zu Wort zu melden, fand Manni wahrlich genug, denn der Alltag bestand im Grunde nur noch aus Arbeit, funktionieren, Termine einhalten, und seine ganze Konzentration auf das vermeintlich wichtige zu fokussieren. Das bisschen Freizeit, was im Grunde dieser Bezeichnung nicht würdig war entschwand, wie ein Wassertropfen in der Wüste, aus dem Dunstfeld meiner Existenz.
Auch an den Wochenenden empfand ich nicht wirklich den nötigen Elan, mich endlich einmal den Dingen zu widmen, die mir womöglich Freude und Entspannung bereitet hätten. Dafür war die Zeit einfach zu knapp. Denn irgendwie musste ich all meine gewonnenen Erfahrungen ja auch noch verarbeiten, versuchen die Dinge für mich verständlicher zu gestalten und vor allem einen Weg finden, mit all den Zwängen irgendwie mit einer ausgeklügelten Taktik entgegen zu wirken.
Ich hatte viel verloren und vom Gefühl her, recht wenig gewonnen. So schien es mir immer deutlicher zu werden. Manni goss natürlich fleißig Wasser auf die Mühlen und womöglich freute er sich, mir immer wieder einmal mehr das Leben nicht so leicht machen zu können. Als Kind entdeckte ich beispielsweise die klassische Musik, später Soul und Rock. Ich malte und fotografierte, beobachtete die Sterne oder war oft in der Natur. Ich liebte Tiere und sah mir die vorbeiziehenden Wolken am Himmel an, um darin ab und zu die Silhouette eines Tieres oder eines Gesichts zu entdecken. Ich liebte es zu basteln oder irgendetwas zu konstruieren, zu formen zu gestalten. Doch für all dies gab es keine Zeit mehr und jeder Versuch das ein oder andere wieder zu beleben, wurde dann liebevoll, entweder durch die Arbeit und den unzähligen Terminen oder durch das Unverständnis meiner Mitmenschen im Keim erstickt.
Zur jener Zeit stellte ich mir das erste Mal die Frage, wofür das alles, was war das eigentlich für ein Leben?
Manni tat natürlich sein Bestes, um meine beginnenden Zweifel ordentlich Nahrung zu geben. Und ich müsste lügen, würde ich leugnen, dass es Augenblicke gab, in denen ich in den unerbittlichen Sog des Zweifelns kam.
Sollte ich unbeirrt meinen Weg weiter folgen oder sollte ich auf Manni hören, und mich mehr auf mich selbst und somit auf meine Bedürfnisse besinnen.?
Eine wirklich gute Frage. Da findet man sich recht schnell in der misslichen Lage eine Entscheidung treffen zu müssen, was denn nun für einen wichtiger sein mag. All die vermeintlichen Kindereien, die sich als Interessen getarnt, immer wieder mal bemerkbar machten, oder ob man den Tatsachen ins Auge sehen sollte und sich klar machen, dass es nun ein Erwachsenenleben ist, das wahrlich andere Prioritäten aufwies.
Grausam … da stellt sich zwangsläufig schon die nächste Frage. Waren es denn Kindereien oder sind eben diese Interessen und Neigungen genau das, was mich im Grunde ausmacht. Wahrlich ein Dilemma, hier eine vernünftige Antwort zu finden.
Nun ja, auf der einen Seite hatte ich genügend Geld. Ich konnte mir ab und an etwas leisten. Mir Dinge kaufen, die ich vielleicht nicht unbedingt brauchte, doch die mir zumindest für den Augenblick eine gewisse Befriedigung verschafften. Auf der anderen Seite jedoch, bereitete mir diese Situation in der ich mich befand oft ziemliche Bauchschmerzen und ich hatte meist das Gefühl, mir jede Mark sauer und oft zu qualvoll verdient zu haben.
Auch fiel mir zunehmend mehr auf, dass ich begann, mich wie alle anderen zu verhalten. Mich sogar an ihnen zu orientieren, versuchte es ihnen gleich zu tun. Was mir letztlich jedoch die Erfahrung brachte, wie sich Scham und Oberflächlichkeit anfühlte. Ganz zu schweigen vom erbitterten Widerstand Manni‘s, der dann fleißig dafür sorgte, dass es mir buchstäblich beschissen ging.
Irgendwie stand ich oft neben mir und schaute mit zu, wie ich innerhalb der Zwangsgemeinschaft agierte. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass ich einem Fremden zusah, ja sogar die Befürchtung, meine Identität zunehmend mehr zu verlieren, würde ich in dieser Weise weiter machen. Noch gelang es mir recht gut, wurde es einmal zu viel, all diese Gedanken und dieses Empfinden wieder zurück zu drängen und zu deckeln. Doch ein Keim war gepflanzt, wenn es auch noch kein Sprössling war.
Wir sprechen alle von Werten, (keine materiellen) von Eigenschaften und Wesenszügen, die uns ausmachen. Zumindest hört man diese Worte sehr oft. Doch ich frage mich, sind das nur Floskeln oder denken diejenigen, die diese Begriffe gebrauchen, wirklich darüber nach, welche Werte sie haben, wer sie wirklich sind, was sie womöglich ausmacht?
Ist es denn wirklich so erstrebenswert, all seine inneren Bedürfnisse gegen äußere, materielle Dinge zu ersetzen?
Nun, … dass ich mein auferlegtes, vermeintlich eigenes Ziel, in diesem Beruf erreiche, sei dahingestellt. Dies zumindest, wurde mir zunehmend klarer. Es musste daher eine Lösung her, eine, die vielleicht sogar mein sich entwickelndes und gefühltes Leid beseitigte oder wenigstens linderte.
Was lag da nicht näher, als alles wieder auf „Start“, sozusagen auf Werkseinstellung zurück zu setzen und noch einmal von vorne anzufangen? …
Manni, mein lieber Freund und heimlicher Querulant, war von meinem Gedankenblitz begeistert, ja schon fast euphorisch und er machte sich sogleich an die Arbeit, ganz nach Koboldart, alle Zweifel, die meinem Vorhaben im Wege standen, im Keim zu ersticken. Ich muss mir, wenn auch zähneknirschend eingestehen, dass ich schon immer ein Mann der Tat war und gelegentlich dazu neigte, spontane Radikallösungen den Vorzug vor den wohlüberlegten Entscheidungen zu geben.
Also machte ich den unausweichlichen großen Schnitt. Kurz, schmerzlos, radikal und vor allem gründlich. Ich kündigte kurzer Hand meine Job, packte meine sieben Sachen, brach alle Brücken hinter mir ab, und verschwand aus meinem Bundesland in ein anderes.
Manni war begeistert und sorgte zugleich für ein vollkommenes und vor allem lang anhaltendes Glücksgefühl.