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Kapitel 2 – Adieu geliebte Isar

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05. Januar 1854

Ich werde auf den bayerischen Thron verzichten müssen und so eine Art Verzichtserklärung abgeben. Der bayerische Thron kümmert mich wenig, ich hätte ihn sowieso nie bekommen, da meine Familie nur ein unbedeutender Nebenzweig der Wittelsbacher ist. Der in Wien ist ohnehin viel Bedeutender. Und dennoch, für mich ist es, als würde ich einen Schlussstrich unter mein bisheriges Leben ziehen und das tut mir irgendwie weh.


Adieu geliebte Isar, warum muss ich dich verlassen, ohne zu wissen, ob mir die Donau überhaupt gefällt?




16. Januar 1854

Ich hasse es!!! Jeder Schritt, den ich tue – jedes Wort, das ich sage – alles wird auf die Goldwaage gelegt und beurteilt.

Früher hat sich niemand um mich gekümmert und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Mit den einsamen Spaziergängen und Ausritten ist es nun vorbei, ebenso mit den Schlittenpartien, eine Kaiserin, die im Schnee tollt, das geht sich gar nicht aus. Franzl hat Angst um mich, wenn ich alleine ausreite, dabei bin ich doch die beste Reiterin in meiner Familie. Er hat sogar gesehen wie gut ich reite, allerdings musste er es der Tante Sophie versprechen, dass ich es einschränke, aber ich will es einfach nicht aufgeben.

Und an das Angestarrt werden kann ich mich einfach nicht gewöhnen. Ich starre fremde Menschen ja auch nicht an, das muss denen doch genauso unangenehm sein wie mir. Beim Münchner Theaterbesuch mit dem Kaiser war mir der stürmische Empfang unangenehm, dafür klappte es laut Franz Joseph beim Hofball zu Ehren unserer Königin Marie, der Gemahlin Maximilians II, am 15. Oktober letzten Jahres recht gut, es war angeblich gar brillant. Nur angeblich, denn ich genierte mich furchtbar und die ganzen Diplomaten langweilten mich zu Tode.


Das Ganze muss ein furchtbarer Irrtum sein, ein schrecklicher Traum. Papa hat seinen kleinen Wildfang unendlich lieb. In Wien wird das ganz anders sein. Ich darf übrigens die Tante Sophie nicht mehr duzen, aber das ist mir ohnehin lieber.





05. März 1854

Gestern wurde mein Ehevertrag mit Franz unterzeichnet. Er konnte leider nicht kommen, was mich sehr traurig macht. Ich habe eine Aussteuer von 150.000 Gulden bekommen. Papa hat 50.000 bezahlt und Franz 100.000. Zudem habe ich eine Jahresrente von 100.000 Gulden für Kleider, Schmuck und Almosen zur Verfügung.

Ich habe auch die Verzichtserklärung für die Erbfolge im bayerischen Königreich abgegeben, die sogenannte Renunziation.



Ich saß die ganze Zeit neben dem König auf dem Baldachin auf der Estrade und ich glaube, die Mitglieder des Königshauses, die Hofwürdenträger und die Staatsminister haben das erste Mal in meinem Leben Notiz von mir genommen.






13. März 1854

Der Kaiser ist da. Er hat mir wundervollen Schmuck mitgebracht, den einst seine Mutter an ihrem Hochzeitstag getragen hat. Ein wunderschönes Diadem mit Collier und Ohrringe, die mit Diamanten und Opalen gefasst sind. Es ist fast so kostbar wie mein gesamter Schmuck.

„Das ist wirklich wunderschön. Vielen Dank, Franz“, sage ich artig. „Ich will mich gleich hinsetzen und an die Tante Sophie schreiben.“


Franz nickt und nimmt meine Hand.

„Denk aber bitte daran, sie nicht wieder zu duzen, sie war sehr befremdet darüber, dass du sie damals bei deinem ersten Brief geduzt hast.“

„Das war ein Versehen, ich dachte nicht daran, seitdem schreibe ich sie ja in der Sie Form an“, sage ich betont ruhig „sie ist ja eigentlich immerhin meine Tante und meine Schwiegermama.“

„Ja, das stimmt, aber vor einer älteren Dame muss man Respekt und Ehrfurcht haben, auch ich als ihr Sohn verwende, wie du weißt, die Sie Form.“

„Gut, dann bedanke ich mich und schreibe, dass ich mich vertrauensvoll der mütterlichen Liebe der Erzherzogin hingeben kann“, sage ich gepresst. „Das wird ihr gewiss gefallen.“

„Sie meint es nur gut, Sisi, in jedem Brief an Tante Luise und Tante Elise schwärmt sie von deinem Liebreiz und nennt dich zärtlich Elise. Sei so gut und sei nicht gleich so angefasst, wenn man eine Bitte an dich richtet, mein Engel. Das steht dir nicht.“



Ich atme tief durch, mich von meinem alten Leben zu verabschieden, fällt mir unendlich schwer. Am liebsten würde ich manchmal ganz weit weglaufen, denn dann denke ich: Es war ein Fehler. Wieso konnte ich nur ja sagen. War dieses Ja nicht doch ein Fehler gewesen. Kam dieses Ja wirklich von mir oder mehr von meiner Mama?



22. April 1854

Ich bin in Wien!


Mit dem Schiff, das Franz Joseph hieß, wie kann es anders sein, bin ich hergekommen. Mein Gepäck, 17 große und 8 kleine Koffer sind schon am 14. April verschifft worden und am 16. April, dem Ostersonntag, hat es noch ein Galakonzert am königlichen Hofe in München gegeben. Bis Linz bin ich mit der hübschen „Stadt Regensburg“ gefahren, ab Linz dann im prachtvollen Raddampfer „Franz Joseph.“


Ich habe tränenreich Abschied vom lieben Possi genommen, von meinem Zimmer, von meinem Garten, dem See und den Bergen. Am Morgen des 20. Aprils kam König Maximilian in unser Palais in München, um mir Lebewohl zu sagen. In der Ludwigstraße, vom Palais bis zur Siegessäule standen tausende Menschen, die mir zuwinkten und ich wurde nach Straubing zur Donau gebracht, wo das kaiserliche Schiff wartete. Meine Geschwister waren bei mir und mein liebster Bruder, der Karl Theodor, unser Gackel, saß höchstselbst am Bocke. Ludwig und Néné werden gar bis Wien mit mir reisen. Der Ludwig mag den Aufwand und die Etikette genauso wenig wie der Papa und ich.

Mama nervt mich, weil sie immer wieder jammert, dass Tante Sophie meine Ausstattung recht armselig findet, weil sie selbst damals 40 Koffer dabeihatte, als sie nach Wien zog und Franzens Vater heiratete. Obwohl sie nicht einmal Kaiserin wurde.


Adieu geliebte Isar!


Wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich die Schifffahrt sehr genossen. Ich fahre nämlich gerne Schiff, aber es standen so viele Menschen am Ufer und ich musste immerfort grüßen und lächeln, obwohl mir zum Weinen zumute war.

Das Schiff war überaus prächtig ausgestattet, 140 Pferdestärken in London gefertigt, wie mir der Kapitän freudestrahlend erzählte, meine Kajüte mit Purpursamt verkleidet, das Deck in einen Blumengarten verwandelt mit einer Rosenlaube, in die ich mich zurückziehen konnte. Die Rosengirlanden reichten über die Schiffswände bis zum Wasser hinab. Überall bayerische Fahnen, österreichische Fahnen und Habsburger Fahnen, die allesamt einträchtig im Fahrtwind wehten.


In Linz, der Hauptstadt Oberösterreichs, haben wir am 21. April im Schauspielhaus „die Rosen der Elisabeth“ gesehen und die Stadt war festlich beleuchtet. Der Kaiser, der mich unter Hochrufen der Bevölkerung freudestrahlend in die Arme schloss, verließ Linz am 22. um 4 Uhr 30 früh, um mir voranzueilen und mich in Wien abermals zu empfangen.


Wir legten um 8 Uhr in Linz ab. Was habe ich alles zu sehen bekommen und konnte mich kaum sattsehen, das Barockstift Melk, die Burg Dürnstein, Krems, Tulln, Klosterneuburg, alles feierlich herausgeputzt und schön anzusehen. Überall winkten mir Schulkinder, Bauern, Arbeiter und Frauen und ich winkte so eifrig zurück, dass mir die Hände wehtaten, dabei war ich schon ziemlich erschöpft, ängstlich, nervös und so still, dass meine Mama und meine Geschwister, die einen Teil der Reise mit mir machten, mich aufzuheitern versuchten.


Zu laut dröhnten die Kaiserhymne und vor allem die Böllerschüsse in meinen Ohren!


Bevor wir in Nussdorf bei Wien ankamen, zogen wir uns alle um und ich trug eines meiner kostbarsten Kleider, ein duftiges rosafarbenes Seidenkleid mit weitausladender Krinoline, eine weiße Spitzenmantille und ein kleines weißes Hütchen zierte mein Haupt.


Kanonengewitter und das Glockengeläut aller Wiener Kirchen kündigten meine Ankunft in Nussdorf an. „Vivat, ein Hoch auf Elisabeth, hoch lebe unsere Kaiserin“ riefen die Menschen.

Mein Franzl sprang noch, bevor das Schiff richtig angelegt hatte, vom Ufer auf das Schiff, schloss mich in seine Arme und küsste mich stürmisch. Alle riefen in einem fort ganz laut „Hoch, Elisabeth!“ und ich winkte noch einmal eifrig mit meinem Spitzentuch.


Handkuss für die Tante und Schwiegermutter, Begrüßung der Brüder, Tanten und Onkel, Jubelrufe, Böllerschüsse, Musik, Fahnenschwenken.


Wagenzug nach Wien zum Schloss Schönbrunn in einer Kutsche, die von Lipizzanerschimmeln gezogen wird.





24. April 1854

Heute habe ich geheiratet, in der Augustinerkirche mit 70 Bischöfen und Prälaten. In einem wahren Traum von einem Kleid, ein gold -und silberbesticktes, reich mit Myrten besticktes Schleppkleid. Es sollte eigentlich mein schönster Tag sein, aber ich bin jetzt völlig am Ende, müde und todunglücklich.


Die Predigt war nämlich scheußlich!

Kardinal Rauscher äußerte sich folgendermaßen: „Wenn eine Frau einen Mann liebt, weil er reich ist, so ist sie nicht rein, denn sie liebt nicht den Mann, sondern sein Geld.“

Ist das nicht gemein, Franz Joseph ist der mächtigste Mann der Welt und er hat viel Geld, aber er braucht doch für mich gar kein Kaiser zu sein, ich wäre ohne all das ohnehin sehr viel glücklicher. Übrigens ist Kardinal Rauscher Tante Sophies Beichtvater. Der alte Drachen wollte mir weh tun!


Der restliche Tag war voller Pomp, Gratulationen, Geschenke, Ehrbezeugungen, Huldigungen. Nach der Trauung wurde ich dem Wiener Hof offiziell vorgestellt, für mich kam es einem Tribunal gleich. Ich kannte kaum einen der Leute und fühlte mich einsam und verlassen. Überall nur fremde Gesichter. Als ich inmitten dieser feindlichen Schar zwei meiner Cousinen entdeckt habe, die genau wie ich aus Bayern kommen, war ich richtig glücklich und bin sofort zu ihnen hin und hab sie umarmt. Ganz lang festgehalten habe ich die liebe Adelgunde.


Vergessen war der gestrige Fauxpas, als ich mit der Diamantenkrone, einer prächtigen alten Goldschmiedearbeit mit Smaragden, die mir der Franzl zur Hochzeit geschenkt hatte, beim Aussteigen aus der Kutsche strauchelnd an der Türfassung hängenblieb und Anlass zum Gelächter und Getratsche bot, weil die Krone durch meine Ungeschicklichkeit zu Boden fiel und in aller Eile repariert werden musste. Ein böses Omen!


Vergessen war, dass ich, als ich an meinem ersten Abend in Wien zu Bett ging, ein Schreiben ausgehändigt bekam, das ich studieren sollte, damit bei meiner Hochzeit alles gut ging. Das Zeremoniell für den öffentlichen Einzug Ihrer Königlichen Hoheit, durchlauchtigsten Prinzessin Elisabeth, Herzogin in Bayern. Alleine dieser ganze Hofstaat und das furchtbar steife spanische Hofprotokoll ängstigten mich schon jetzt zu Tode.

„Die Wiener werden begeistert von meiner reizenden Braut sein“, versuchte mich, die ich schreckensbleich die Gräfin Esterházy und meine Mama anstarrte, der Kaiser zu beruhigen.


Vergessen war, dass ich mit einem Portrait von Marie Antoinette in einem Zimmer nächtigen musste, die war zwar recht hübsch, ist aber doch recht eindeutig geköpft worden.


Vergessen war, dass ich gestern schrieb: „Ich bin erwacht in einem Kerker und Fesseln sind an meiner Hand. Und meine Sehnsucht immer stärker – und Freiheit! Du mir abgewandt.“





Ich atme tief durch!

Endlich vertraute Gesichter statt der vielen Fremden, denen ich am 22. April, am Tag meiner strapaziösen Reise, vom Balkon des Schönbrunner Schlosses zuwinken musste und dem Hofgaladiner mit allem Prunk des Kaiserreiches.

Wenn ich an all die Strapazen denke! Den feierlichen Einzug in Wien am folgenden Tag, dem 23. April in der Favorita, dem alten Stadtschloss Maria Theresias, das aber von der kaiserlichen Familie kaum noch verwendet wird. Ich musste dann ziemlich weinen, als ich nachmittags in der gläsernen Kutsche saß, die von acht herrlichen Lipizzanerschimmeln gezogen wurde. Ich war so erschöpft, aber auch Mama, die neben mir saß, sah ängstlich drein, da man bei uns am Hofe schlicht so ein Spektakel nicht gewöhnt ist.

„Hör auf zu weinen, was sollen die Menschen nur von dir denken, du musst lächeln und den Menschen zeigen, wie glücklich du bist, dass du den Kaiser heiratest und Kaiserin wirst“, sagte Mama in einem fort und ich weinte unaufhörlich.

Schluchzend kam ich in der Hofburg, meinem neuen Heim an.



Ich atme noch einmal tief durch und strahle meine Cousinen an.



„Elisabeth, es geziemt sich nicht für eine Kaiserin, bayerische Prinzessinnen zu küssen! Hast du vergessen, dass dir deine Hofdamen die Hand küssen sollen. Es ist gleichgültig, dass Adelgunde deine Cousine ist und du mit ihr als Kind gespielt hast. Sie soll dir wie jede andere Dame die Hand küssen.“

Sophie, einem Racheengel gleich!


Ich gehöre mir nicht mehr selbst, nur der österreichischen Krone, der gehöre ich. Ich wende mich hilfesuchend zu Franz Joseph, darauf hoffend, dieser würde sich auf meine Seite stellen.

„Mama hat recht, Gefühlsregungen darf man nicht so einfach nachgeben. Du bist die erste Dame des Reiches und keine Bauersfrau“, flüstert er mir leise ins Ohr.


Selbst die einfachste Bauersfrau kann ihr Leben freier leben als ich. Bei ihr ist es egal, wen sie in den Arm nimmt und wen nicht. Ich muss alles so machen wie es das Protokoll will und wehe ich verstoße gegen dieses, dann zürnen sie mir, selbst mein Franzl.


Ich schlucke schwer. Ich fühle mich schrecklich einsam in dieser fremden Welt, in der man keine Gefühle zeigen darf und niemand umarmen darf. Ich habe Kopfweh und mir ist flau im Magen

„Es ist so furchtbar schwer, Franz. Niemand darf mich ansprechen, ich muss von selbst ein Gespräch anfangen, ich weiß nie, was ich sagen soll. Ich bin doch so schrecklich schüchtern. Und dann sehen die Menschen meine schlechten Zähne.“

„Das wirst du lernen müssen. Du musst dir Mühe geben, Sisi, du bist die erste Dame des Reiches. Du musst freundlicher grüßen und dich besser halten. Das hat dir sicher auch die Gräfin Esterházy, deine erste Dame, schon erklärt. Ebenso deine Mama vorhin, als du in Tränen ausgebrochen bist. Und nun lass uns zu Bett gehen, du musst schrecklich müde sein.“




Jetzt sitze ich bei Kerzenschein an meinem Schreibpult und notiere bei Kerzenschein rasch meine Gedanken, weil ich nicht schlafen kann. Franz wollte mit mir verkehren und ich habe ihn gebeten, es auf morgen zu verschieben. Ich bin schrecklich müde und habe Angst, dass es weh tut.


Ich gähne und klappe das Buch zu. Franz liegt schon im Bett und schläft selig. Ich lösche die Kerzen und lege mich zu ihm.




30. April 1854

Tagelanger Kleinkrieg mit Tante Sophie. Sie will jeden Tag mit uns frühstücken, was mir zuwider ist, so wie mir Tante Sophie eben zuwider ist. Schon nach unserer Hochzeitnacht fragten Tante Sophie und Mama uns beim Frühstück aus, ob wir die Ehe vollzogen haben, das war so peinlich! Natürlich meint sie es gut mit mir, aber ich will einfach meine Ruhe haben. Ist das so schwer zu verstehen. Auch, wenn sie mich mag, ich kann sie eben nicht leiden. Außerdem geht sie diese Sache nichts an. Ich will nicht, dass nun jeder weiß, dass der Kaiser seine junge Braut nun endlich entjungfert hat.


Wir haben nämlich erst in der dritten Nacht die Ehe vollzogen und es hat schrecklich weh getan, weil Franz so stürmisch und hitzig war, keuchend und voller Triumph in mich eindrang und mich im Bett zu seinem Eigentum machte. Nicht einmal erschrocken schien er über das viele Blut, das er hinterließ, zu sein.

Jetzt wusste ich, was Mama mit den ehelichen Pflichten meinte und ich konnte diesen nur wenig abgewinnen.


Sie ekeln mich gar an! Ich habe mich erniedrigt und gedemütigt gefühlt, war voller Schmerzen und Pein und musste vor Ekel würgen.

Der Kaiser merkte von all dem nichts!




Alles, was Franz und ich machen, bekommt Tante Sophie heraus, nichts kann man ihr recht machen. Wenn sie im Raum ist, fehlt mir die Luft zum Atmen. Warum kann sie uns nicht einfach in Ruhe lassen. Ich will meinen Mann wenigstens ein paar Momente für mich alleine. Nicht einmal eine Hochzeitsreise will ich. Franz hätte ohnehin keine Zeit. Ich will doch nur, dass er mich liebhat und dass er mich vor ihr beschützt. Er ist ihr Sohn und hat ihr seine Krone zu verdanken, deswegen tut er nichts und sie frühstückt mit uns.

Ich werde mich aber zur Wehr setzen.

Ich bin tief gekränkt, dass ich in der Nacht meine Pflicht tun muss und am Tag nicht einmal allein mit Franz frühstücken darf.

Das habe ich unter Frausein nicht erwartet.





15. Mai 1854

Wir sind ins Schloss Laxenburg umgezogen. Es regnet schon den ganzen Mai über und es sieht nicht so aus, als würde es jemals damit aufhören. Seit gestern habe ich Husten, weil das dämliche Schloss feucht und klamm ist.



Eigentlich wäre es nämlich ein schönes Schloss, viel schöner als die düstere Hofburg, mit romantischen Türmen und Türmchen, etliche Kilometer außerhalb Wiens in einer waldreichen Gegend gelegen mit einem riesigen Park, der mich an den englischen Garten in München erinnert.


Der Kaiser lässt mich aber den ganzen Tag alleine. Ganz früh am Morgen fährt er nach Wien und kommt erst am Abend zurück. Dauernd empfängt er Deputationen aus Niederösterreich, aus Oberösterreich, aus der Steiermark, aus Kärnten, aus der Krain und aus der Bukowina und natürlich aus Ungarn, die zumindest farbenfrohe Uniformen anhaben.


Zu allem Überfluss kommt Tante Sophie jeden Tag zu Besuch, um mich auszuspionieren. Obwohl sie den Sommer eigentlich in Schönbrunn verbringt. Franz sagt, dass sie es nur gut meint und mir Gesellschaft leisten will, aber das glaube ich ihr nicht. Wenn sie es gut mit mir meinen würde, dann würde sie mich nicht auf Schritt und Tritt verfolgen und alles bekritteln, was ich tue. An allem nörgelt sie mit harter Miene herum. Nichts kann ich ihr recht machen. Wenn ich bei den Empfängen dabei bin, soll ich mich aufrecht halten, herzlich lächeln und den Leuten in die Augen schauen.

Néné käme mit ihr sicher blendend zurecht.


Das Einzige, was mich ermuntert, sind meine Tiere, die ich teils aus Possi mitgebracht habe, meine Papageien. Stundenlang könnte ich an ihrem Käfig sitzen und ihnen Namen, gar ganze Sätze, beibringen.


PS: Meine Hofdamen mokieren sich über mein schlechtes Französisch. Mein Vater legte halt Wert auf das Englische, da er England mehr schätzt und den englischen Hof für die Zukunft hält.





18. Mai 1854

Mir dröhnen die Ohren.

„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen, wie ein Waschmädchen ihrem Galan.“


Nur weil ich Franz in Wien besucht habe, ich habe mich doch immer sofort zurückgezogen, wenn er Besuch hatte, oder, wenn seine Minister da waren. Wie kleine Kinder hat sie uns ausgeschimpft. War sie denn nie jung? Sie will die Kontrolle über uns, aber sie kann uns nichts im Grunde nichts. Ich bin nämlich die Kaiserin und sie nur Erzherzogin. Und ich habe den Kaiser doch so selten bei mir, selbst beim Diner sitzt die Esterházy dabei und bemängelt alles oder ich muss mich mit dem kaiserlichen Flügeladjutanten Hugo von Weckbecker in der Konversation üben. Nicht einmal über die wundervolle Bibliothek in Laxenburg können wir plaudern, denn der Kaiser hält nichts von Romanen und meint diese würden mich wirr machen.


„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen. In was für eine peinliche Situation du deine erste Dame gebracht hast. Die Gräfin Esterházy war ganz verzweifelt, weil du ihr davongelaufen bist. Und ich höre, dass du immer noch im Schlosspark mit Kreti und Pleti sprichst, dies mag sich in Possenhofen so angehen, wir sind hier aber in Wien. Und wo wir schon dabei sind, du hast dich von deinen Kammerfrauen anzuziehen und nicht geniert zu tun und es geht auch nicht, dass du mit ihnen keine Konversation betreibst. So empfindlich kann man doch gar nicht sein. Ich meine es doch nur gut mit dir, Elise.“


Die Erzherzogin schnaubt wutentbrannt und ich schaue hilfesuchend zum Franz hinüber, der mich nach diesem endlich mal vergnügten Tag ruhig verteidigen könnte, aber er bleibt zu meinem Entsetzen stumm und Sophie spricht weiter.

„Ich kann nicht zulassen, dass du dich so kindisch beträgst und unserem guten Ruf schadest. Von nun an wirst du Laxenburg nur mit der Gräfin Esterházy verlassen. Du wirst ihr auch zuhören, wenn sie dir etwas erklärt. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass du das nicht machst und somit mit unseren Sitten noch immer nicht so recht vertraut bist. Sie und Baron Weckbecker, des Kaisers Flügeladjutant, unterrichten dich weiterhin in den Gepflogenheiten unseres Hofes. Weckbecker und Lobowotz werden mit dir Konversation üben, da bist du nämlich auch noch recht unbeholfen. Auch ich werde dir jeden Nachmittag zum Tee Gesellschaft leisten. Es wäre gelacht, wenn wir aus dir keine gute Kaiserin machen könnten. Deine Mutter hat da leider recht viel verpasst, sie hat ja auch alles in Helene investiert und dich vernachlässigt. Aber das bekommen wir schon hin, Elise, mach dir keine Sorgen. Und jetzt empfehle ich mich.“

Wütend beiße ich mir auf die Lippen.

Diese Gräfin Esterházy konnte ich schon am 22. April, dem Tag vor meiner Hochzeit, nicht leiden. Sie ist alt und verkniffen und immer mürrisch, ich habe sie jedenfalls noch nie lächeln sehen. Sie führt sich auf wie eine Gouvernante und langweilt mich mit dem Hoftratsch zu Tode. Alles, was ich falsch mache und das ist in ihren Augen fast alles, meldet sie sofort der Tante Sophie. Gestern haben wir uns über das Schuh Thema gestritten. Ich darf jedes Paar nur einmal tragen. Ich finde das seltsam, weil viele arme Menschen nur ein Paar Schuhe besitzen und meine in Possenhofen mit viel Aufwand und Mühe gefertigt worden waren. Wenn ich mit dem Stallmeister ausreite, mit wem soll ich denn sonst ausreiten, wenn ich alleine nicht darf, schelten sie mich als schamlos und wenn ich mich von den Hofdamen nicht ankleiden oder gar auskleiden lassen will, weil mir das peinlich ist, dann bin ich prüde.

Was für ein Schmäh!


Zudem bin ich die Kaiserin, weder Sophie noch die Esterházy haben mir irgendwas zu befehlen!


Und vom Kaiser kann ich keine Hilfe erwarten. Er hat Angst vor ihr, der jämmerliche Feigling, dabei müsste er mich vor ihr beschützen. Wahrscheinlich nimmt er immer noch an, dass die Sophie wie eine Mutter mir nur helfen will, weil ich so jung und unerfahren bin. Und, dass sie mich ermahnen muss, wenn ich Fehler mache, dabei war er genauso mit von der Partie wie ich und hat jetzt keine Anstalten gemacht, mir zu helfen.



Mehr Vertrauen als zur Esterházy habe ich zu meinem Oberhofmeister, dem Fürsten Lobowitz, und zu meinen jungen Hofdamen Bellegarde und Lemberg, gerade die Bellegarde ist mir recht sympathisch, hier hat mir die Tante aber zu vertrauliche Beziehzungen untersagt.

Komisches Volk hier!


PS: Die einzigen, die ich leiden kann, sind Franzls Bruder Maximilian, Baron Weckbecker und Graf Grünne, des Kaisers väterlichen Freund und Adjutant. Letzterer ist öffentlich sehr unbeliebt, gar der am meisten gehasste Mann der Monarchie, aber ich mag ihn gerne und vertraue ihm. Er strahlt eine gute Ruhe aus und hört mir zu, was wohltuend ist, weil er mich ernst nimmt. Noch viel besser: Er ist ein absoluter Pferdekenner und ein sehr guter Reiter, der jeden Tag auf dem Prater ausreitet. Mit mir reitet er natürlich auch aus, ein Highlight in der trüben Misere. Macht auch mehr Freude als mit meinen Hofdamen, die sehr ängstlich sind und nicht so gut reiten können wie ich.

„Wie man es macht, macht man es falsch“, sage ich zu Baron Weckbecker. „Ich war doch nur in Wien an meinem Platz an der Seite des Kaisers. Ist es denn so falsch, dass ich mich für die Agenden des Kaisers und die Politik in den Kronländern interessiere? Selbst der Kaiser meinte, ich hätte mich tadellos benommen.“

„Mir hat der Auftritt Ihrer kaiserlichen Majestät sehr imponiert. Ich bin der Meinung, dass die Kaiserin über die Politik in den Kronländern informiert sein sollte.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Leider sehen das die meisten Staatsmänner anders und sind der Meinung, dass der Platz der Kaiserin ein Waisenhaus oder ein Armenspital ist und nicht die Politik.“

„Aber wie soll ich eine gute Landesmutter sein, wenn ich nicht weiß, was in meinem Land vor sich geht“, sage ich stur und blicke den Baron trotzig an.



















Ich wollte nie Kaiserin werden

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