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08 - Selbstreflektion schlägt Selbsttest – bin ich Alkoholiker?
Оглавление„Haben Sie ein Problem mit dem Alkohol?“
„Nur, wenn gerade keiner in der Nähe ist“
Vor allem bei alten Menschen gehört es zur Legende. Das regelmäßige Gläschen Wein wird gern als das Geheimnis für langes Leben zitiert. Die englische Königsmutter wurde 101 Jahre alt – vielleicht gerade, weil sie gern einen oder auch mehrere Gins am Tag gebechert hat? Tatsächlich zeigen Statistiken, dass Menschen, die mäßig Alkohol konsumieren, eine höhere Lebenserwartung haben als jene, die gar keinen Alkohol trinken.
Und schon in den 20er Jahren war Pathologen aufgefallen, dass die Blutgefäße von starken Trinkern, die an Leberzirrhose gestorben waren, auffallend saubere Innenwände aufwiesen. Ein Indiz dafür, dass Alkohol das Blut besser fließen lässt.
Somit kann Alkohol, in Maßen genossen, einem Herzinfarkt vorbeugen (56).
Was aber bedeutet Maßhalten in Bezug auf den Alkoholkonsum konkret?
Experten sind sich nicht einig, welche Alkoholmenge denn als mäßig, als risikoarm gelten soll.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt eine Obergrenze von 30g täglich für Männer und 20g täglich für Frauen, die Deutsche Hauptstelle für Suchfragen hält diese Menge für zu hoch. Hier werden 20-24g (Männer) beziehungsweise 10-12g (Frauen) als Obergrenze angesehen.
Zehn Gramm Alkohol befinden sich in 0,125l Wein oder aber 0,25l Bier. Zudem sollten zusätzlich zwei alkoholfreie Tage pro Woche eingelegt werden (57).
DER anerkannte Richtwert für die Tagesration Alkohol, die allerhöchstens getrunken werden sollte, existiert nicht.
Von großer Bedeutung sind zudem auch genetische Faktoren. Es gibt Menschen, die ihr Leben lang übermäßig viel Alkohol trinken und trotzdem ein hohes Alter in guter gesundheitlicher Verfassung erreichen. Die Großmutter eines guten Freundes zum Beispiel war starke Alkoholikerin, doch als sie im hohen Alter starb und obduziert wurde, stellte der Pathologe fest, dass man ihre Leber bedenkenlos zur Transplantation hätte freigeben können – der jahrzehntelange Alkoholmissbrauch hatte ihr nichts anhaben können. Solche Fälle sind jedoch wohl eher zu den Ausnahmen zu zählen; jene, in denen der Alkohol beträchtliche Folgeschäden bis hin zum Tod zur Folge hatte, sind wesentlich häufiger.
Gefährdet oder bereits abhängig? Trinkt ein Mensch auffallend regelmäßig und viel Alkohol, kommen er oder seine Vertrauten irgendwann an den Punkt, sich zu fragen, ob das Trinkverhalten des Betroffenen noch „normal“ ist, oder ob er bereits ein Problem mit dem Alkoholkonsum hat.
Um diese Frage zu beantworten, gibt es im Internet zahlreiche „Alkohol-Selbsttests“.
Ein Testverfahren, welches häufig zur Bestimmung der Abhängigkeit von Vieltrinkern herangezogen wird, ist der vom Psychotherapeuten Dr. Rolf Merkle für den PAL-Verlag entwickelten „Alkohol-Sucht-Test“ (58).
Anhand von 54 Fragen, die der Trinkende beantwortet, wird sein Abhängigkeitsstatus bestimmt.
Wichtig ist natürlich, ehrlich und ohne jeglichen Selbstbetrug zu antworten, sich nichts schön zu reden, auch, wenn es bisweilen schwerfallen mag, sich gewisse Aspekte selbst einzugestehen.
Sie haben sich entschlossen, dieses Buch zu lesen, also wollen Sie eine ehrliche Antwort auf die Frage, wie es um Ihre Alkoholabhängigkeit steht. Diese erhalten Sie jedoch nur dann, wenn Sie den Test wahrheitsgemäß und nach bestem Gewissen absolvieren.
Die Fragen 1 bis 54 beziehen sich auf die vier Phasen einer Abhängigkeitsentwicklung:
Alkohol ist für mich die beste Medizin
Wenn ich Alkohol trinke, fühle ich mich stark und leiste mehr
Wenn ich Alkohol trinke, bin ich zufrieden und fühle
mich erleichtert
Ich trinke auch, weil ich mich dadurch selbstsicherer
fühle
In Gesellschaft fühle ich mich unbefangener und wohler, wenn ich einige Gläser getrunken habe
Ich kann mit Alkohol viel besser aus mir herausgehen
Ich trinke, um Ärger und Schwierigkeiten vergessen zu
können
Wenn ich getrunken habe, fällt mir alles viel leichter
Wenn ich Hemmungen habe oder angespannt bin, dann geht es mir mit Alkohol viel besser
Wenn ich traurig bin, trinke ich Alkohol und fühle mich dann besser
Ich trinke, um mit schwierigen Angelegenheiten besser
fertig zu werden
Alkohol hilft mir, Ärger oder eine schlechte Laune zu beheben
Wenn ich getrunken habe fühle ich mich innerlich ruhig und kann schlafen
Damit die anderen nicht schlecht von mir denken, trinke ich oft heimlich
Ich denke unter Tag ziemlich oft an Alkohol
Vor einem Besuch oder einem Fest hebe ich erst mal
schnell einen, um in Stimmung zu kommen
In Gesellschaft trinke ich schon mal in der Küche, auf dem Gang, auf der Toilette oder woanders, damit die anderen nicht merken, wie viel ich trinke
Manchmal habe ich Schuldgefühle, weil ich so viel trinke
Wenn andere über Alkohol sprechen, ist mir das unangenehm
Mir ist aufgefallen, dass andere Leute anders trinken als ich
Ich habe mich schon gefragt, ob andere wegen meines Trinkens nichts mehr von mir wissen wollen
Wenn ich viel getrunken habe, weiß ich häufig danach nichts mehr oder kann mich nur noch schlecht erinnern
Ich verstecke alkoholische Getränke
Wenn ich die ersten Gläser getrunken habe, muss ich weitertrinken
Meist kann ich nicht mehr kontrollieren, wie viel ich trinke
Ich trinke heute mehr als früher, obwohl ich es gar nicht will
Wenn ich heute trinke, lösen sich meine Anspannungen nicht mehr. Früher war das anders
Wenn ich auf mein Trinken angesprochen werde, benutze ich Ausreden und Entschuldigungen, weshalb ich so viel trinke
Meine Familie und Freunde machen mir Vorhaltungen wegen meiner Trinkerei
Meinem Chef und den Arbeitskollegen ist mein Trinken aufgefallen
Wenn jemand versucht, mich vom Trinken abzuhalten, dann werde ich wütend
Häufig mache ich mir selbst die größten Vorwürfe wegen meiner Trinkerei
Zeitweise habe ich schon versucht, völlig ohne Alkohol zu leben
Ich nehme mir vor, nur zu bestimmten Zeiten und
Gelegenheiten zu trinken
Mein Lebensstil und meine Arbeit richten sich nach dem Trinken.
Ich denke immer mehr an den Alkohol
Ich trinke lieber heimlich und alleine, weil die anderen mich ja doch nicht verstehen
Ich habe schon mehrmals infolge meiner Alkoholprobleme die Stelle gewechselt
Mein Trinken hat sich schon auf das Familienleben
ausgewirkt (zB. getrennte Wohnung, getrennte Schlafzimmer)
Ich muss immer einen Vorrat an Alkohol haben
Mein Partner hat wegen meiner Alkoholprobleme von
Scheidung gesprochen / die Scheidung eingereicht
Morgens -vor dem ersten Schluck- zittere ich
Morgens trinke ich regelmäßig
Ich war schon oft unter Tage betrunken
Ich habe schon einige Tage hintereinander getrunken und konnte nichts mehr anderes tun
Ich brauche ständig Alkohol, egal, was passiert
Manchmal kann ich nicht mehr richtig denken, da ich vom Alkohol benebelt bin
Ich habe schon mit Leuten getrunken, mit denen ich mich früher nicht an einen Tisch gesetzt hätte
Wenn ich nichts anderes habe trinke ich auch mal Fusel, Hauptsache Alkohol
In letzter Zeit vertrage ich Alkohol nicht mehr richtig.
Ich kann nicht mehr aus einer Tasse trinken oder mich rasieren, ohne etwas getrunken zu haben
Mein Trinken ist zwanghaft
Wenn ich nichts trinke, hört das Zittern überhaupt nicht mehr auf
Ich hatte schon mal ein Delirium
Es gibt nach diesem Ansatz vier Phasen der Alkoholabhängigkeit.
1.Phase: Erleichterungs- oder Problemtrinken (Frage 1-13)
2.Phase: Stadium, das der Abhängigkeit vorausgeht (14-24)
3.Phase: Verlust der Selbstkontrolle (25-44)
4.Phase: Chronische Phase (45-54)
Können Sie zwei oder mehr Feststellungen in einer Phase bejahen, dann ist das schon ein Anzeichen dafür, dass Sie sich in dieser Phase befinden könnten.
Es ist möglich, dass Sie sich gemäß der Auswertung gleichzeitig in zwei Phasen aufhalten. In diesem Fall befinden Sie sich in der höheren von beiden Phasen.
Auch, wenn das Ergebnis des Tests besagt, dass Sie „nur“ gefährdet sind, also keine der Fragen 25 bis 78 mit ja beantwortet haben, sollten Sie das Ergebnis nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Entwicklung einer Abhängigkeit ist ein schleichender und lautloser Prozess.
Die körperliche Abhängigkeit kündigt sich nicht an. Sie klopft nicht eines Tages an Ihre Tür und verkündet Ihnen, dass Sie am nächsten Tag körperlich abhängig sein werden, wenn Sie heute nicht mit dem Trinken aufhören.
Wenn Sie sich in Phase 3 oder 4 befinden, empfiehlt der PAL-Verlag, sich an eine Suchtberatungsstelle zu wenden oder zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker zu gehen.
Der Selbsttest des PAL-Verlages mag ein geeignetes Instrument sein, um herauszufinden, wie es um den eigenen Alkoholkonsum oder die eigene Alkoholabhängigkeit aktuell bestellt ist.
Er umfasst verschiedene Aspekte des Trinkverhaltens und berücksichtigt viele Einflussfaktoren.
Ein weiterer Alkohol-Selbsttest wurde vom Psychiater Paul McLaren von der Londoner Beratungsstelle Priory’s Fenchurch Street Wellbeing Centre entwickelt.
Der Vieltrinker sollte sich laut McLaren zunächst folgende Fragen stellen:
Ist mir Alkohol wichtig?
Gehe ich lieber einen trinken, als etwas anderes zu
unternehmen?
Beeinflusst es meinen restlichen Tagesablauf, wenn ich etwas trinken gehe?
Hängt die Wahl meiner Verkehrsmittel von meinem
Alkoholkonsum ab?
Beeinflusst mein Alkoholkonsum meine Freizeitaktivitäten und meine Liebsten?
Mache ich meine Reiseziele davon abhängig, ob ich an
diesen Orten Alkohol trinken kann?
Bin ich eher bereit, für Alkohol Geld auszugeben, als für andere Dinge?
Weiß ich bereits vor dem Trinken, dass ich danach einen Kater haben werde?
Wer die meisten Fragen mit "Ja" beantworten kann, sollte tiefer ins Detail gehen, indem er weitere dreizehn Fragen, die auf einen zu hohen Alkoholkonsum hinweisen können, beantwortet.
Ohne Alkohol fällt es Ihnen schwerer, Spaß zu haben oder sich zu entspannen.
Sie konsumieren regelmäßig mehr als 14 Alkoholeinheiten pro Woche. Das sind eineinhalb Flaschen Wein mit niedrigem Alkoholgehalt (elf Volumenprozent), eine Dreiviertel-Flasche Wein mit hohem Alkoholgehalt (14 Volumenprozent) oder sechs bis acht Dosen Bier (abhängig vom jeweiligen Alkoholgehalt)
Sie fragen sich, wo Sie den nächsten Drink herbekommen könnten und machen Unternehmungen mit Freunden, der Familie oder mit Arbeitskollegen davon abhängig, ob Sie dabei Alkohol trinken können.
Sie trinken aus Gewohnheit und wenn Sie einmal angefangen haben, können Sie nur schwer aufhören.
Wenn Sie nach einer durchzechten Nacht aufwachen, möchten Sie am liebsten gleich weiter trinken
Sie wachen regelmäßig mit Filmrissen auf, weil Sie sich am Abend zuvor maßlos betrunken haben.
Ihr Alkoholkonsum löst Ängste, alkoholbedingte Depressionen und Selbstmordgedanken in Ihnen aus.
Sie leiden unter körperlichen Entzugssymptomen wie Schwitzen, Zittern oder Übelkeit und Sie können diese Symptome nur durch den Konsum von Alkohol abstellen.
Einige Ihrer Angehörigen haben bereits Bedenken zu Ihrem Alkoholkonsum geäußert.
Sie erzählen Ihren Angehörigen nicht, wie viel Sie wirklich trinken.
Sie gehen Risiken ein - und fahren beispielsweise betrunken oder leicht angetrunken Auto.
Sie trinken in der Mittagspause Alkohol und arbeiten danach weiter.
Sie versuchen, Ihre Alkoholfahne durch Kaugummi oder Mundsprays zu verbergen.
Wer die meisten Fragen mit "Ja" beantworten kann, sollte sich schleunigst Gedanken über seinen Alkoholkonsum machen, so McLaren.
Doch was tun, wenn die Anzeichen auf mich zutreffen?
Ist man noch nicht so tief im Suchtstrudel gefangen ist, sollte man sich als nächstes als Ziel setzen, die Alkoholeinheiten zu reduzieren – oder besser ganz mit dem Trinken aufzuhören (59).
Im Test vom PAL-Verlag muss ich stolze 25 von 54 Fragen mit „Ja“ beantworten, beim Test von Paul McLaren sind es 7 von 13. Bin ich somit alkoholabhängig? Womöglich.
Alkohol-Selbsttests sind zwangsläufig recht allgemein gehalten und nicht in der Lage, die individuelle Situation, in der der Trinkende sich befindet, realitätsgetreu abzubilden. Problematisch ist zudem, dass man oft sein „jein“ ankreuzen müsste, wenn man ehrlich zu antworten gedenkt.
Sie sind für den Vieltrinker ein hilfreiches Instrument, gerade dann, wenn er beginnt, sich ernsthaft mit der drohenden Gefahr der Alkoholabhängigkeit auseinanderzusetzen und das Stadium der Entwicklung hin zum Alkoholiker, in welchem er sich befindet, ausfindig zu machen.
Zielführender noch, als Selbsttests wie die oben beschriebenen zur Frage der Alkoholabhängigkeit zu Rate zu ziehen, ist es, das eigene Verhalten in Verbindung mit Alkohol akribisch zu beobachten und zu analysieren.
Es gehört bei mir seit jeher zur Gewohnheit, im Urlaubsdomizil angekommen, zuerst einmal ans Meer und danach in einer urigen einheimischen Lokalität 2,3 Bier trinken zu gehen. So halte ich es auch in Marokko. So will ich es halten, denn: an meinem Urlaubsort wird außerhalb der Hotels kein Alkohol ausgeschenkt.
Der Islam ist auch in Marokko nicht nur Religion, sondern Gesellschaftsordnung und Wirtschaftsfaktor gleichermaßen und spielt deshalb auch im Geschäftsleben eine Rolle.
Ich sitze also in einem Lokal am Strand von Marrakesch mit wunderschönem Blick auf das Meer, nur: genießen kann ich diesen kaum. Ich bin unruhig, möchte mich nicht mit einem Kaffee zufriedengeben, meine Gedanken kehren immer wieder zu dem einem Thema zurück: Gibt es vielleicht irgendwo eine Art Kiosk, einen kleinen Supermarkt, eine Tankstelle, gibt es irgendeinen Ort in der Nähe des Strandes, an dem es möglich ist, Bier zu kaufen?
Ich frage vorbei flanierende Touristen – Fehlanzeige. So unangenehm es mir auch ist, nun muss der Kellner dran glauben – keine Chance, nur in den Hotels.
So sehr ich Strand und Meer auch genieße, ich sehne mich nach dem Moment, an dem ich mir, an der Hotelbar sitzend, mein erstes „Urlaubsbier“ gönne. Ist dieses Verhalten, dieses Denkmuster noch „normal“? Kaum, eher wohl ein Hinweis auf eine, zumindest drohende, Abhängigkeit.
Zumal sich die beschriebene Situation nicht nur auf den Strandurlaub beschränkt. Denn diesen „Biernotstand“, dieses Gefühl, welches beinahe Panik gleichkommt, wenn ich in eine Situation gerate, in der kein Bier greifbar ist, empfinde ich durchaus auch in anderen Situationen.
Da ist die Geburtstagsfeier in einem Kreis von Menschen, die nicht unbedingt meine Wellenlänge sind. Man trifft sich in ländlicher Atmosphäre, schon bei der Anfahrt fühle ich mich unwohl und checke die Umgebung ab: keine Kneipe, in die ich „flüchten“ könnte, kein Supermarkt, kein Kiosk – nichts. In der Gaststätte sitzt man gediegen am Tisch, ich kann kaum alle zwanzig Minuten ein Bier bestellen. Keine Lösung in Sicht. Unwohlsein überkommt mich.
Oder der Besuch von kulturellen Events, mit denen ich absolut nichts anzufangen weiß. Mit einer meiner Lebensgefährtin hatte ich in der Phase des ersten 'Verliebtseins', in der ich noch glaubte, kaum einen Moment ohne meine neue Herzdame auskommen zu können, folgenden Kompromiss geschlossen: sie begleitet mich, ungeachtet der Tatsache, dass sie mit Fußball nichts am Hut hat, am Samstagnachmittag auf den Betzenberg zum Heimspiel meines Herzensvereins, ich revanchiere mich, indem wir am gleichen Abend ihrem Hobby frönen und gemeinsam eine Travestieshow besuchen. Männer in Frauenkleidung, die in ziemlich überdrehter Art und Weise Frauenrollen verkörpern – damit kann ich -zumindest nüchtern- wenig anfangen. Und so trinke ich zum 'Vorglühen' schon einmal zwei Flaschen Bier vor dem Betreten des Theaters. Dem adäquaten Pegel für ein solches Event werde ich an der Bar des Etablissements bevor die Show beginnt weiter auf die Sprünge helfen. Die sprichwörtliche Ernüchterung trifft mich, als ich der dort ausliegenden Getränkekarte gewahr werde: Nur Prickelbrause (Sekt) und Flips (Cocktails). In diesem Fall weicht die aufkommende Panik schnell einem Gefühl der Erleichterung. Selbstverständlich habe ich auf dem Weg von der Bahnhaltestelle zum Theater registriert, dass sich in unmittelbarer Nähe desselben zwei Kioske befinden. „Ich muss mal“ oder „... + telefonieren“ - spätestens in der Pause werde ich kurz vor die Tür gehen.
Situationen, in denen ich mich einfach wohler fühle, wenn ich einen gleichbleibenden Alkoholspiegel im Blut habe und wenn ich vor allem WEISS, dass ich, sollte die Situation es erfordern, umgehend auf Alkohol zurückgreifen kann.
Und Situationen, die mir klar machen, dass Bier und Wein eine zu bedeutende Rolle in meinem Leben zukommen.
Eines der bedeutendsten Kriterien zur Einschätzung der Alkoholabhängigkeit eines Trinkenden ist meines Erachtens der Gebrauch von „Wenn-dann-Konstruktionen“.
WENN
jemand nahestehendes stirbt
ich Probleme auf der Arbeit habe
meine Partnerin mich verlässt
ich ernsthaft erkranke
ich finanzielle Probleme habe.
DANN, ja dann trinke ich Alkohol.
Allein die Tatsache, dass es gewisse, in unregelmäßigen zeitlichen Abschnitten wiederkehrende Situationen gibt, auf die man unweigerlich und postwendend mit dem Konsum alkoholischer Getränke reagiert, beschreibt eindeutig eine Abhängigkeit.
Ich tue mich schwer damit, mich als Alkoholiker zu bezeichnen, weil ich damit eigentlich das tägliche Trinken von früh morgens bis spät abends, und vor allem das „besoffen sein“, verbinde.
Das alles will ich gar nicht, mir geht es nie um das Betrunken-Sein, sondern nur um dieses wohlige Gefühl, das sich einstellt, wenn ich ein gewisses Maß an Alkohol im Blut habe.
Trotzdem muss ich mir infolge der immer wiederkehrenden „Wenn-dann-Situationen“ eingestehen, dass ich zumindest partiell abhängig vom Alkohol und damit alkoholgefährdet bin.
Wenn-dann-Konstruktionen gefährden auch den gefassten Vorsatz, den Alkoholkonsum zu reduzieren und gesundheitsverträglich zu gestalten, wenn man sie nicht nur in Krisensituationen einsetzt, sondern auch im Hinblick auf alltägliche Trinkentscheidungen zu Rate zieht.
Ein Beispiel gefällig?
„Wenn morgen das Wetter nicht sommerlich ist. trinke ich nicht“: Mit dieser für einen alkoholfreien Tag formulierten Bedingung, mit dem gebrauchten Adjektiv 'sommerlich' lässt der Vieltrinker sich einen gewissen Spielraum. Ist es am nächsten Tag gerade einmal 18° „warm“, zudem bewölkt, wird die Wetterlage trotzdem als „sommerlich“ bewertet. Schließlich kann man ja mit Pullover und Heizstrahler auf der Terrasse sitzen.
So wird eine Reduktion des Alkoholkonsums kaum gelingen. Konsequenz ist gefragt. Auch bei 40° im Schatten, wenn drei Partys laufen, oder Freunde einen zu einer Zechtour überreden wollen – alkoholfreier Tag bleibt alkoholfreier Tag. Basta!
Nach Auswertung der Alkohol-Selbsttests und noch mehr infolge der sachlich-kritischen Analyse meines Verhaltens in gewissen Situationen wird mir ist klar: ich befinde mich, was den Umgang mit Alkohol betrifft, wahrscheinlich im Grenzbereich zwischen regelmäßigem Trinken und Sucht. Ich muss höllisch aufpassen. Auch deshalb schreibe ich dieses Buch.