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Clausewitz als Lehrmeister fürs Big Business von heute?
ОглавлениеVorab: Treten Sie immer für den Weltfrieden ein! Wenn Sie aber in den Wirren des irdischen Lebens in Konflikte geraten, kann es durchaus befriedigend und klärend wirken, nicht unbedingt Krieg zu führen, aber doch strategisch zu handeln, um ans Ziel zu kommen. Nehmen Sie das als wichtigste Botschaft dieses Buches. Und zweitens: Falls Sie in Ihrem Unternehmen noch nicht als Großmeister der strategischen Planung gefeiert werden, dann nehmen Sie noch folgende Information auf: Bei Clausewitz war es nicht anders! Für einen heute noch hochgehandelten Kriegstheoretiker stand Clausewitz überraschend oft zur falschen Zeit auf der falschen Seite. Nach der vernichtenden Niederlage der Preußen gegen Napoleon 1806 dörrte er über Monate in französischer Kriegsgefangenschaft. Als er dann sechs Jahre später auch noch zur Armee des russischen Zaren überlief, wurde er bei den Preußen nur noch als „Lausewitz“ gemobbt. Zwar wurde er wieder ins preußische Heer aufgenommen, schob aber über Jahre eine mehr oder weniger ruhige Kugel als Verwaltungsdirektor einer Kriegsschule. Sein Ende war ebenso wenig glorreich: 1831 starb Clausewitz – nicht etwa an vorderster Front, sondern im Bett an Cholera. Sein Buch “Vom Kriege“ blieb deshalb unvollendet und musste schließlich von seiner Frau Marie veröffentlicht werden.
Clausewitz war ein Mobbingopfer. Offensichtlich ist: Es ist noch kein Meister der Strategie vom Himmel gefallen.
Immerhin machte das Werk post mortem eine bemerkenswerte Karriere. Nicht nur unter Militärstrategen, auch in der zivilen Welt las man aufmerksam „Vom Kriege“. Allein die Tatsache des millionenfachen Verkaufs dieses Titels in der ganzen Welt und dem damit offensichtlich bekundeten Interesse an Kriegsführung auch außerhalb des Militärs lässt Staunen. Steckt da eine archaische Kriegsbegeisterung in uns allen? Nehmen wir den Alltag vielleicht als Lebenskampf wahr, der strategisch zu meistern ist? Vor allem in den Unternehmen und unter Managern werden alte Weisheiten wie die von Clausewitz hoch gehandelt (zumindest als Steinbruch für eigene Powerpoint-Präsentationen). Ob Mitarbeiterführung, feindliche Übernahmen oder globale Expansionsfeldzüge - zu fast jeder Herausforderung halten die Militärstrategen der Geschichte ein wirkungsvolles Bonmot parat.
Dass Clausewitz in einer anderen Welt als heute lebte, scheint seiner Attraktivität keinen Abbruch zu tun. Wer das Schlachtengetümmel im Krieg durchschaute, der scheint auch Jahrzehnte später noch als Coach für eine komplexe, sich ständig ändernde, unüberschaubare Realität geeignet
Nehmen Sie Clausewitz also zumindest als Gehirnjogging und als Vorlage zum Abgleich, wie vorausblickend und umsichtig Sie ihr Handeln gestalten und wie weit es mit Ihrem strategischen Denken ist.
Strategie – das ist das große Stichwort von Clausewitz. Gleichzeitig ist es einer der Begriffe in der Unternehmenswelt, der am häufigsten missverstanden wird. Rein sprachgeschichtlich ist die Analogie von der Unternehmensführung und der Kriegsführung naheliegend. Dass sich ausgerechnet Manager im Begriffsarsenal der Militärs bedienen, ist also nicht abwegig. Schließlich stammt der Begriff „Strategie“ aus dem Griechischen und bedeutet „Heeresführung“ - von „stratos“ (Heer) und „agein“ (führen). Und die Armee ist die älteste Führungs- und Organisationsform, die wir kennen. In der Armee finden sich zahlreiche Aspekte, die auch für Unternehmen relevant sind: Führung, Logistik, Psychologie, Sieg und Niederlage, aber auch langfristige Planungen.
Strategien sind immer an eine Epoche gebunden. Der Luftkrieg kommt natürlich bei Clausewitz noch nicht vor. Und ausgerechnet der wichtigste Faktor des Wirtschaftslebens - der Kunde – findet kein Pendant in Clausewitz Gedankenspielen. Ergo: Alles ist in seinen historischen Kontext einzubinden, die Übertragbarkeit historischen Wissens ist relativ.
Unternehmensziele unterscheiden sich letztlich sehr deutlich von militärischen Targets. Das, was die Wirtschaft häufig als Unternehmensstrategie bezeichnet, sind eher Pläne, um gewisse Ziele umzusetzen. Streng gesehen ist das mehr Taktik als Strategie. Strategisches Denken bedeutet jedoch nach Clausewitz Denken in Räumen und Regionen – das betrifft in der Wirtschaft etwa die globalisierten Märkte. Manager definieren ihre Strategie dabei häufig zu eng und lassen größere Zusammenhänge oft außen vor. Strategie heißt aber vor allem, in die Zukunft zu denken: Das beinhaltet die Entwicklung neuer Technologien, Produkte und Märkte oder neue Kundenbindungsansätze.
Strategisches Denken bedeutet Denken in Räumen und Regionen über größere Zeiträume hinweg. Eine Strategie ist ein nachhaltiges Instrument der Unternehmensführung und orientiert sich nicht an kurzfristigen Zielen.
Ein falsches Verständnis von Strategie ist auch dann vorhanden, wenn strategisches Denken zu starr wird und unabänderlich durchgesetzt werden soll. Solche Vorhaben sind zum Scheitern verurteilt. Hier ist Clausewitz ungemein modern: Die Unwägbarkeiten des Krieges und des Wirtschaftslebens (Clausewitz nennt sie „Friktionen“) führen zwangsläufig dazu, dass Unsicherheit keine Störung, sondern unvermeidbarer Begleiter jeder Strategie ist: „Es gibt keine menschliche Tätigkeit, welche mit dem Zufall so beständig und so allgemein in Berührung stünde als der Krieg.“ Im Zentrum der Clausewitzschen Definition von Strategie ist deshalb Flexibilität. Entsprechend müssen Eventualitäten als Realitäten behandelt und ihre Konsequenzen abgeschätzt werden. Zugleich definiert Clausewitz bereits die Entwicklung strategischer Ziele als permanenten Prozess.
Kern der Strategie ist Flexibilität. Strategie findet im Rahmen eines Koordinatennetzes permanenter neuer Entscheidungen und unter dem Druck ständiger Unsicherheit statt. Die beste Strategie ist immer die, die am flexibelsten ist.
Was kann man von Clausewitz noch lernen? Vielleicht das: Ziele zu durchdenken und zu definieren, Ressourcen abzuschätzen, eigene Stärken und Schwächen und die des Gegners zu analysieren. Eine Strategie ordnet Kräfte, Mittel, Zeit, Raum und Methoden zu einer Leitidee des Handelns - und ist damit nichts anderes als ein effizienter Erfolgsplan.
Das übergeordnete Ziel im Blick, pendeln die Überlegungen des Generals oder Managers zwischen Alternativen und Szenarien hin und her - bis Talent und Erfahrung den Punkt zum Handeln bestimmen.