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Zweites kapitel Eine schändliche Tat

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Die Kriminalpolizei von ganz Dänemark arbeitete daran, die beiden entlaufenen Verbrecher wieder einzufangen. In den ersten Tagen konnte man ihre Spur auf Grund der vorgekommenen Einbrüche leicht verfolgen, denn man durfte mit Sicherheit annehmen, daß diese Einbruchdiebstähle in Jütland auf ihr Konto gingen. In vielen Höfen waren Kleidungsstücke gestohlen worden; trotzdem konnte man keine genaue Beschreibung ihrer derzeitigen Bekleidung herausgeben. Nach und nach hatten sie nämlich so viele Kleider gestohlen, daß sie für ein halbes Dutzend Leute ausgereicht hätten. Außerdem hatte man auch keinen wirklichen Beweis dafür, daß alle diese Einbrüche von den beiden begangen worden waren.

Sowohl in Jütland wie auch auf den Inseln fuhren Funkstreifen auf den Landstraßen umher, aber das große Aufgebot hatte noch kein Resultat gebracht. In Mittelfünen wurde während eines Einbruchs eine 7,65 mm-Pistole mit zwei Schachteln Patronen gestohlen. Die Polizei nahm an, daß Manuelo und sein Kamerad die Diebe waren, wodurch die Sache noch gefährlicher wurde. Wenn Manuelo eine geladene Waffe bei sich trug, würde er sich nicht scheuen, diese auch zu gebrauchen, wenn er es für nötig hielt.

Die beiden tauchten jedoch vorläufig nirgends auf.

Acht Tage nach der Flucht bekam die Polizei den Hinweis auf eine neue Spur. In einem Konsumverein auf Seeland wurde eines Nachts ein Einbruch verübt, wobei ein größerer Betrag an Bargeld entwendet wurde; die Polizei fand bei der Untersuchung Manuelos Fingerabdrücke. Der sonst so schlaue Einbrecher war diesmal unvorsichtig gewesen, und jetzt wußte die Polizei mit Sicherheit, daß er diesen Einbruch auf Seeland verübt hatte. Es war anzunehmen, daß Peder Madsen sich bei ihm befand. Nun konnte auch kaum noch angezweifelt werden, daß Kopenhagen das Ziel der Verbrecher war, und die Polizei der Hauptstadt setzte alle Mittel ein, die beiden zu erwischen. Daß Kriminalkommissar Helmer die Leitung der Fahndung selbst übernahm, war ein Zeichen dafür, wie ernst die Polizei die Sachlage nahm.

Jan und seine Freunde nahmen sie jetzt ebenfalls ernst, denn natürlich hatten sie die Entwicklung der Dinge in allen Einzelheiten verfolgt. Für Jan bestand ja der Vorteil, daß er durch seinen Vater immer mit den neuesten Nachrichten vertraut war. Als Fräulein Höyer von Manuelos Flucht erfahren hatte, war sie zuerst sehr erschrocken. Aber Erling sagte, daß sie sich jetzt doch beruhigt habe. Natürlich rechnete die Polizei damit, daß Manuelo möglicherweise Fräulein Höyer aufsuchen würde, und Helmer hatte die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen.

*

Die Kajüte ihres Segelboots «Rex» war zum täglichen Treffpunkt für Jan und seine Freunde Erling, Jesper und Carl geworden. Das Boot lag wie gewöhnlich im Hafen von Hellerup, aber wenn sie Zeit hatten, unternahmen die vier Freunde Rundfahrten auf dem Öresund. Jan hatte lächelnd erklärt, daß das Leben seinen normalen Verlauf nehmen sollte ... trotz der beiden entlaufenen Sträflinge.

«Wenn ich nur diesen Manuelo zwischen meine Fäuste bekommen könnte!» brummte Carl eines Nachmittags, als er mit den Freunden auf der «Rex» saß.

Jan lächelte. «Manuelo wird kaum den gleichen Wunsch haben, lieber Carl. Du hast ihm damals in Kastrup eine kräftige Abreibung verabfolgt.»

«Viel mehr hätte er verdient, der Affe!»

«Ganz richtig!» sagte der kleine Jesper. «Wenn er noch einmal auftaucht, werde ich dich schon unterstützen, Carl.»

Erling warf seinem kleinen Freund einen mitleidigen Blick zu. «Lieber Krümel, du hast wohl einen Anfall von Größenwahn.»

«Och, du ...»

«... dickes Kamel», vollendete Erling den Satz gutmütig. «Du siehst, Krümel, ich weiß schon im voraus, was du sagen willst. Du hast immer eine schnelle Zunge, nur nicht, wenn du in der Physikstunde oder bei der Mathematik aufgerufen wirst.»

Die anderen lächelten und Jan sagte vermittelnd: «Nun hört schon auf, ihr beiden Kampfhähne! Warum müßt ihr immer streiten? Wollen wir einen kleinen Ausflug machen und die Seepfadfinder in Kastrup besuchen?»

«Prima!» sagte Carl begeistert. «Da waren wir schon lange nicht mehr. Der Wind ist heute gerade richtig.»

Eine Viertelstunde später glitt die «Rex» aus dem Hafen und segelte in Richtung Süden.

Björn stand vor dem Klubhaus, als das Boot anlegte, und er lief gleich hinunter zur Brücke, wo er freudestrahlend seine Freunde empfing.

«Fein, daß ihr mal zu uns kommt! Es ist lange her, seit wir uns gesehen haben.»

«Ja, viel zu lange, Björn!» gab Jan lächelnd zu. «Wie geht’s?»

«Nicht gut!»

«Was? Warum denn?»

«Kommt ’rauf zum Klubhaus, dann könnt ihr es selber sehen. Heute nacht haben wir böse Besucher gehabt.»

«Einbruch?» erwiderte Jan fragend. «In eurem kleinen Klubhaus kann es doch nicht viel zu stehlen geben.»

«Stimmt genau! Aber es gibt allerlei, das zerstört werden kann. Und das ist geschehen.»

Im Klubhaus wurden Jan und seine Freunde von den übrigen Seepfadfindern willkommen geheißen, aber alle sahen recht verärgert aus. Während der Nacht war die Tür zum Klubhaus aufgebrochen worden, und die Einbrecher hatten sich im Haus wie die Vandalen aufgeführt. Die meisten Möbel waren zerschlagen worden. Mehrere Segel hatte man zerschnitten und alle Wimpel zerfetzt. Der Anblick war so trostlos, daß Carl vor Wut seine Fäuste ballte.

«Diese Saukerle», rief er. «Wenn wir sie erwischen, machen wir Mus aus ihnen. Habt ihr jemanden in Verdacht?»

Björn schüttelte den Kopf. «Nein, aber bösartig müssen die Kerle schon sein, denn man sieht ja, daß hier reine Zerstörungslust am Werk war. Bisher sind wir hier in Kastrup von solchen Leuten verschont geblieben. Anderswo ist aber dergleichen schon vorgekommen, leider.»

«Kielholen sollte man sie, diese Banditen», meinte Carl.

Jan sagte nichts; er schaute sich bloß die Vernichtung an. Es war wirklich die bösartigste Zerstörung, die er je gesehen hatte. Sein Vater hatte ihm oft von Menschen erzählt, die schon in jungen Jahren ihren schlechten Charakter dadurch offenbarten, daß sie anderer Leute Eigentum beschmutzten und zerstörten, aber selbst hatte er das noch nie erlebt. Manchmal begann es damit, daß sie Fensterscheiben einschlugen, in Gärten Blumen und Gebüsch zertrampelten oder Wegschilder zerstörten. Meist wurde es mit zunehmendem Alter schlimmer, und dann begnügten sie sich nicht mehr mit kleinen Untaten. Eigentlich mußten solche Menschen mit sich selber sehr unzufrieden sein. Ob sie wohl nachts noch schlafen konnten, wenn ihre «Arbeit» am Tag darin bestanden hatte, das Eigentum ihrer Mitmenschen zu zerstören? Natürlich waren es nie gesunde und intelligente Menschen, die so etwas taten – meist waren sie wohl geistesschwach; aber es war dennoch traurig, daß es so viele davon in Dänemark gab. Jan erinnerte sich an das, was sein Vater ihm einmal gesagt hatte: «In Einzelfällen kann man diese Sorte Menschen wieder zur Vernunft bringen und gute Mitbürger aus ihnen machen. Meist aber geht es leider schlecht aus mit ihnen. Wenn Menschen aus reiner Zerstörungswut oder Böswilligkeit etwas kaputtmachen, dann deutet das auf eine charakterliche Schwäche, die später fast immer Anlaß zu anderen kriminellen Taten gibt.»

Jan hatte sich diese Worte gut gemerkt. Es gab natürlich auch Schulbuben, die aus reiner Dummheit oder Gedankenlosigkeit diese oder jene Dinge zerstörten ... So dumm waren sie jedoch selten, daß sie nicht bald wieder zur Vernunft kamen, besonders, wenn sie selbst einmal das Opfer solcher Taten wurden. Jan mit seiner gesunden Einstellung den Mitmenschen gegenüber war es unverständlich, wie man so etwas tun konnte.

Er wandte sich an Björn: «Habt ihr der Polizei den Einbruch gemeldet?»

«Ja, sogleich! Aber es scheint in solchen Fällen schwer zu sein, den Schuldigen zu finden. Der Kriminalbeamte, der hier war, konnte uns nicht viel Hoffnung machen.»

«Hm!» machte Jan. «Habt ihr Feinde in der Umgebung?»

«Ich wüßte nicht, wen. Wir haben nie mit jemanden Unfrieden gehabt, und wir stören ja auch niemanden.»

Erling warf ein: «Vielleicht gibt es jemand, der neidisch auf euch ist, weil ihr in eigenen Booten herumfahren könnt.»

«Ja, vielleicht. Aber ich finde ehrlich gesagt nicht, daß dies ein Grund zum Neidischsein ist. Wenn wir frei haben, sind wir auf dem Wasser und schnappen für wenig Geld frische Luft. Ist denn das ein Grund für Neider?»

«Nein, eigentlich nicht. Damit hast du recht.»

Jan war auffallend still. Man merkte, daß er überlegte, bis er plötzlich fragte: «Ihr habt den Einbruch wohl der Polizei in Kastrup gemeldet?»

«Ja, warum?»

«Ich meine ... naja, es ist bloß ein Gedanke, wahrscheinlich ist es ganz verrückt von mir. Aber ich möchte mit meinem Vater darüber sprechen.»

«Aber was meinst du?» fragten die Seepfadfinder im Chor. «Sprich dich doch aus!»

«Erinnert ihr euch noch an die beiden Verbrecher, die wir gemeinsam drüben im Wäldchen übermannten?»

«Ja, natürlich», erwiderte Björn. «So ein Abenteuer vergißt man doch nicht.»

«Sie sind vor etwa vierzehn Tagen aus der Strafkolonie in Jütland entflohen. Und es könnte ja sein, daß sie sich an euch rächen wollten ...»

Als Jan die vielen ungläubigen Gesichter sah, setzte er weniger sicher hinzu: «Ja, ich weiß, es ist ja auch nur eine Idee; vielleicht bin ich damit auf dem Holzweg. Aber Manuelo wußte genau, daß ihr alle geholfen habt, als die Polizei ihn und seinen Kumpan festnahm. Vielleicht wollte er sich jetzt dafür bedanken. Mein Vater sagt, daß er nicht bloß ein gefährlicher Verbrecher, sondern auch ein rachelüsterner Mensch ist. Es könnte also doch sein ... nicht wahr?»

Claus, der bisher still gewesen war, sagte jetzt bestimmt: «Natürlich könnte Jan recht haben, und ich finde, er sollte wirklich mit seinem Vater darüber sprechen. Dann kann ja die Polizei entscheiden, was zu tun ist.»

«Ganz richtig», kam es von allen Seiten. «Jan soll mit seinem Vater sprechen.»

Und dabei blieb es.

Während die «Rex» eine halbe Stunde später wieder nordwärts fuhr, drehte sich das Gespräch zwischen den vier Freunden natürlich nur um die Zerstörung des Klubhauses.

Erling war noch immer nicht überzeugt und sagte: «Ich kann es nicht glauben, Jan. Meinst du wirklich, daß dieser Manuelo so dumm ist, die Nachforschungen dadurch auf sich zu lenken?»

«Er ist ein rachelüsterner Schuft, und wenn er nicht gesehen wurde und man keine Fingerabdrücke von ihm findet, kann ihm auch kaum bewiesen werden, daß er der Einbrecher war.»

«Naja, das ist wahr.»

Erling sprach nicht weiter, sondern sah düster und nachdenklich drein. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte er keine sehr erfreulichen Gedanken. Jesper begann ihn zu necken, aber selbst das ließ er mit philosophischer Ruhe über sich ergehen. Jan schaute einige Male zu ihm hinüber, sagte aber nichts.

Erst als die «Rex» im Helleruper Hafen angelegt hatte, wurde Erling etwas lebhafter und meinte: «Hört Freunde, es ist noch nicht zu spät; könnten wir nicht schnell im Klubhaus noch etwas zu uns nehmen?»

Jan lächelte zufrieden. «Weißt du, Dicker, ich kann dich wirklich am besten leiden, wenn du von Erfrischungen in fester oder flüssiger Form sprichst. Die ganze Zeit hast du wie eine Gewitterwolke ausgesehen. Was ist denn los?»

«Das können wir nachher besprechen. Jetzt gehen wir erst einmal zu Andersen und sehen nach, was er uns zu bieten hat.»

«In Ordnung.»

Wenn der gute Andersen vom Helleruper Segelklub die vier Freunde kommen sah, war er nie im Zweifel über ihre Wünsche: mindestens zwei Flaschen Zitronenlimonade und eine reiche Auswahl an Backwerk für jeden. Wenn Erling sehr gut bei Kasse war, dann versorgte er sich auch noch mit anderen Leckereien. Gewöhnlich blieb er dabei nicht allein. Nach einer herrlichen Fahrt über das Meer schmeckte jedem ein Stück Schokoladetorte oder ein Negerkuß.

Das Wetter war so schön, daß die vier Freunde es vorzogen, an einem der kleinen Tische vor dem Klubhaus zu sitzen. Es dauerte auch gar nicht lange, da hatte Andersen schon alles Notwendige auf den Tisch gestellt. Alle drei waren nach der Fahrt hungrig und leerten die Platten schnell. Hie und da begrüßten sie Freunde, die mit ihren Seesäcken an ihnen vorübergingen.

Ein Sommerabend im Helleruper Hafen war immer besonders schön. In der Bucht lagen die Seegelboote Seite an Seite, und draußen auf dem Sund sah man die weißen Segel langsam vorübergleiten. Die hübsche Anlage, der Garten, der zum Klub gehörte, alles paßte gut zusammen, und die Buben fragten sich oft, ob es wohl einen noch schöneren Segelklub auf der Welt gab. Wahrscheinlich gab es ihn, aber allen Segelklubs auf der ganzen Welt war eines gemeinsam: das gesunde Leben an der frischen Luft. Die jungen Leute, die ihre ganze Freizeit dem Sport widmeten, statt auf den Straßen herumzulungern oder in rauchigen Lokalen zu sitzen, würden es gewiß auch im Leben zu etwas bringen.

Jesper kaute an einem Stück Kuchen und sagte neckend: «Na, Dicker, deinen gesunden Appetit hast du bei den Seepfadfindern jedenfalls nicht verloren.»

«Für dich gilt das gleiche, Krümelchen», erwiderte Erling würdevoll. «Natürlich darf man sein leibliches Wohl nicht vernachlässigen, selbst dann nicht, wenn man sein Gehirn arbeiten läßt.»

«Ha!» lachte Jesper. «Dein Gehirn arbeitet? Das kannst du mir nicht weismachen, obwohl du die ganze Zeit seit Kastrup wie eine alte Eule dreinschaust. Darf man fragen, womit du dein Gehirn so angestrengt hast?»

Erling würdigte ihn keiner Antwort, nahm sich aber noch ein Stück Kuchen von der Platte.

Der einzige, der keinen besonderen Appetit zu haben schien, war Jan. Er saß stumm da und starrte auf das Wasser; ab und zu gab er einsilbige Antworten. Die anderen schauten ihn hin und wieder an, aber sie ließen ihn in Frieden und rechneten damit, daß er mit der Zeit wieder zu sich kommen würde. Dank ihrer langjährigen Freundschaft mit Jan wußten sie, daß seine Gedanken sich jetzt mit einem Problem befaßten. Natürlich hatten seine Überlegungen mit dem Überfall auf das Klubhaus in Kastrup zu tun; auch das wußten seine Freunde bestimmt.

Schließlich verlor Erling aber doch die Geduld und fragte: «Na, allseits verehrter Freund, worüber grübelst du? Können wir dir vielleicht helfen?»

Jan sah ihn an und lachte. «Glaubst du nicht, Dicker, daß wir in den letzten Stunden ungefähr das gleiche überlegt haben? Du warst doch auch so still auf dem Weg hierher. Woran hast du da gedacht?»

«Hm, ja, mein Bester, ich fragte mich natürlich, ob du nicht doch recht hast, daß Manuelo und der andere Kerl die Missetäter waren, bei den Pfadfindern in Kastrup, meine ich. Und der Gedanke daran, naja, sehr angenehm war er mir gerade nicht ...»

«Wieso?»

«Weil es ja darauf deuten würde, daß der Portugiese sich eben doch rächen will. An allen natürlich, die schuld daran waren, daß er und der andere kopfüber ins Gefängnis stolperten. Wir können ja nicht leugnen, daß wir auch unseren Anteil daran hatten. Ja, und deswegen lief es mir sozusagen kalt über den Rücken.» Erling seufzte tief und fügte hinzu: «Wenn die beiden Banditen tatsächlich hier in Kopenhagen sind und sich durch den Einbruch an den Seepfadfindern gerächt haben, sollte es mich nicht wundern ...»

«Na, was denn?»

«Wenn wir jetzt bald an die Reihe kommen!»

Jan in der Falle

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