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Erstes kapitel

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Das Wettsegeln war zu Ende, und alle Teilnehmer hatten sich in dem gemütlichen Aufenthaltsraum des Helleruper Segelklubs versammelt. Der Vorsitzende läutete mit der großen Glocke, um Ruhe zu erbitten für die Verteilung der Preise. Dann ergriff er die Liste und las vor: «Erster Preis: Jan Helmer auf ‹Rex› ... Zweiter Preis: Sören Henrikson auf ‹Karen› ... Dritter Preis: Per Höyer auf ‹Forward›.»

Die Verkündung der Resultate wurde mit lautem Beifall aufgenommen. Die Preisträger traten vor.

Jan bedankte sich höflich für den Preis und den Beifall. Dann kehrte er zu dem Tisch zurück, an dem Erling, Jesper und Carl bereits bei Zitronensprudel zusammensaßen.

Carl grinste breit: «Na, das hat ja prima geklappt, Jan, obwohl wir doch gar nicht viel Zeit für das Training hatten.»

«Es ging wie erwartet», meinte Jesper ein wenig prahlerisch. «Wenn Jan am Ruder sitzt, schaffen wir es bestimmt jedesmal.»

Erling seufzte. «Lieber Krümel, es würde mich tief betrüben, wenn du eines Tages an Größenwahn eingingest. Dein Einsatz beim Wettsegeln war doch wirklich entbehrenswert, deshalb kannst du auch nicht gut sagen, daß wir es geschafft haben. Wollen wir nicht lieber behaupten, daß Jan und Carl es geschafft haben?»

«Jan allein», berichtigte Carl und sah ganz verlegen drein.

«Ach was, danke für die Blumen.» Jan lachte und breitete die Arme aus. «Wir haben es gemeinsam geschafft und damit basta.»

«Wer hätte das gedacht», murmelte Erling vor sich hin.

Er dachte in diesem Augenblick an etwas Bestimmtes. Sie hatten wirklich nicht viel Zeit für das Training gehabt, denn ein Verbrecher, dem Jan schon früher das Handwerk gelegt hatte, der Meisterspion Paul Katz, war ganz unerwartet mit seiner Bande aufgetaucht und hatte allerlei Unheil gestiftet, um sich an Jan zu rächen. Schließlich war es zu einem Kampf mit der Polizei gekommen, der mit einer wilden Schießerei endete.a Katz war dabei umgekommen, und jetzt konnten die vier Freunde aufatmen. Der Meisterspion und seine Helfershelfer konnten sie nicht mehr plagen.

Mittlerweile war die Stimmung im Klubhaus an dem Punkt angelangt, wo man kaum noch sein eigenes Wort verstehen konnte. Erling schlug vor, auf ihrem Segelboot, der «Rex», zu Abend zu essen, und dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Carl hatte tags zuvor in Hellerup groß eingekauft; es herrschte also kein Mangel an Lebensmitteln. Diese Tatsache war es natürlich, die Erling veranlaßt hatte, den Vorschlag zu machen!

*

Die Herbstsonne schien warm, und Erling räkelte sich behaglich auf dem Deck der «Rex», während er träge Anweisungen gab: «Carl und der Krümel werden für eine wohlschmeckende Mahlzeit sorgen, während Jan und ich uns von den Strapazen des Tages erholen.»

Jan lachte. «Ja, Dicker. Ich kann natürlich verstehen, daß du dich von deinem hervorragenden Einsatz während des Wettsegelns erholen mußt...»

«Ach», meinte Jesper spöttisch, «wir schaffen es leicht ohne Hilfe des dicken Kamels.»

Mit größter Anstrengung hob Erling seinen Kopf um einige Zentimeter und seufzte: «Lieber Krümel, ich habe nach wie vor die Befürchtung, daß du doch noch an Größenwahnsinn eingehen wirst. Außer dir gibt es sicher auf der ganzen Welt niemand, der deine Kochkünste mehr als mittelmäßig bezeichnen würde. Du kannst ja schließlich nicht leugnen, daß man sich nicht als Meisterkoch bezeichnen darf, wenn man statt Puderzucker Kartoffelmehl in den Nachtisch gibt. Und wenn man statt Salz Soda an die Kartoffeln tut! Das mußt du doch zugeben, Krümel, nicht wahr?»

Jesper war vernünftig genug, auf diese Worte gar nicht erst einzugehen. Er eilte statt dessen in die Kombüse, wo Carl bereits mit den Vorbereitungen beschäftigt war.

Überaus zufrieden nickte Erling Jan zu: «Wie schön, daß man andere dazu bringen kann, tüchtig zu arbeiten, während man selbst nur ein paar Hirnzellen in Bewegung setzt.»

«Und darin bist du ein wahrer Meister.» Jan lächelte. «Meiner Meinung nach bist du faul gegeboren.»

«Wie bitte ... faul?» entgegnete Erling mit verärgertem Gesicht. «O nein, mein Bester. Im Gegenteil: ich wurde als Vernunftmensch geboren, und das ist ein großer Vorteil. Warum soll man seine Muskeln benutzen und alle möglichen unnötigen Bewegungen ausführen, wenn man sich mit Hilfe seines Gehirns weit besser helfen kann? Hast du noch nie Krimis gelesen?»

«Doch!»

«Dann weißt du auch, daß der Meisterdetektiv nie mit einer Lupe herumrennt, auf dem Boden herumkriecht und versucht, die Rätsel zu lösen ... Nein, mein Freund. Er sitzt gemütlich in seinem Lehnstuhl zu Hause und benutzt sein Gehirn, um alles aufzuklären. Für diese Sorte Detektive habe ich die größte Sympathie.»

«Gilt das mir?» fragte Jan belustigt.

Erling nickte: «Ganz gewiß, denn du weißt recht gut, daß du ganz anders veranlagt bist. Wenn man mit dir zusammen ist, fährt man immer im höchsten Gang ... rennt mit heraushängender Zunge herum ... hat nicht mal zum Essen und Trinken Zeit ... kann sich nie richtig ausschlafen, obwohl das doch für die Gesundheit unbedingt nötig ist.»

Als Erling Luft holen mußte, fragte Jan ihn lachend: «Sonst noch was, Dicker?»

Erling nickte nochmals: «Jede Menge, lieber Freund. Du hast eine ganz eigene Art, Leute in Bewegung zu setzen, wenn es sich um einen Kriminalfall handelt. Warum, zum Teufel, kannst du es nicht wie der tüchtige Lehnstuhl-Detektiv halten, von dem man immer liest?»

«Wahrheit und Dichtung, Dicker!»

«Pfff!» machte Erling. «Ich habe wirklich eine Niete gezogen, als ich dich zum Freund bekam.»

«Wirklich?»

«Na ja ... hm ... gewissermaßen. Ich kann mich natürlich nicht gerade darüber beklagen, daß die letzten Jahre langweilig waren, aber dafür habe ich mich so sehr anstrengen müssen, daß es für den Rest meines Lebens reicht. Zur Zeit freue ich mich am meisten darüber, daß Katz uns nicht mehr plagen kann. Unter diesen Umständen hege ich die leise Hoffnung, daß wir den Herbst in Ruhe und den Winter in geradezu gemütlicher Stille verbringen können. Die letzten Wochen waren ja schließlich fast erschreckend. Aber dir gefällt es ja immer am besten, wenn du dich auf Verbrecherjagd befindest und dir die Kugeln um die Ohren pfeifen.»

Jan lachte. «Na, Dicker, das ist nun doch wirklich dummes Gerede. Mir gefällt es auch in einer stillen und friedlichen Umgebung am besten. Aber es muß wohl mein Verhängnis sein, daß ich immer wieder in kriminelle Angelegenheiten verwickelt werde. Du wirst doch nicht behaupten wollen, daß ich absichtlich in solche Affären hineingerate.»

«Nein, das nicht.»

«Gut, dann sind wir uns ja einig.»

«Das Abendessen ist fertig», ertönte Carls Stimme.

«Okay», sagte Erling, und plötzlich wurden seine Bewegungen erstaunlich lebhaft.

*

Kurz darauf saßen die vier Freunde um den Tisch in der kleinen Kabine versammelt. Selbst der sonst so heikle Erling mußte zugeben, daß Carl und Jesper sich großartig bewährt hatten. Gewiß standen keine Luxusgerichte auf dem Tisch, aber alles schmeckte ausgezeichnet, wenn man den richtigen Hunger mitbrachte. Und appetitlos war Erling noch nie gewesen.

Die vier Freunde unterhielten sich angeregt, während die Butterbrote samt Beilagen verschwanden und der Zitronensprudel dem Ende zuging. Der friedliche Erling wünschte sich kein besseres Leben auf dieser Welt.

«Geräucherten Hering?» fragte Jesper.

«Ja, danke», antwortete Erling.

«Gedämpfte Tomaten?»

«Nur her damit!»

«Gurkensalat?»

«Prima! Krümel, ich muß gestehen, daß du deine Rolle als Hausherr an diesem Tisch hervorragend spielst. Wenn du dich bloß nicht bei der Zubereitung der Mahlzeit beteiligst, kann ich dich wärmstens empfehlen. Sobald du aus der Schule kommst, findest du sicher als Jungkellner in einem schönen Hotel in der Provinz eine gute Stellung.»

Unbedachter hätte Erling kaum sprechen können. Der kleine Jesper wurde sehr still, und beinahe kamen ihm die Tränen. Er dachte daran, daß es nur noch wenige Monate dauerte, bis er alle seine guten Freunde verlassen mußte. Mehrere seiner Kameraden wollten studieren, auch Erling und Jan, die Ingenieure werden wollten. Er selbst aber ... Mehr als eine bescheidene Bürostelle würde er kaum bekommen können. Seine Eltern hatten einmal gesagt: «Ja, Jesper, so geht es einem, wenn man in der Schule nicht fleißig ist.» Aber das war eigentlich ungerecht, denn Jesper gab sich die größte Mühe. Er hatte eben keine Begabung, jedenfalls bei weitem nicht in dem Maße wie Erling, der Klassenerste.

Jan wußte sogleich, was seinen kleinen Freund bewegte; deshalb schlug er ein anderes Thema an. Das gerade ausgetragene Wettsegeln eignete sich vortrefflich dafür, und als man ausführlich darüber sprach, hatte Jesper seinen Kummer bald vergessen. Schließlich hatte er doch auch dazu beigetragen, daß ihr Segelboot den ersten Preis bekam.

Erling seufzte vor Wohlbehagen: «Ach, liebe Freunde, geht es uns nicht prächtig? Gibt es etwas Schöneres als einen friedlichen Herbstabend? Hier sitzen wir um einen reichgedeckten Tisch ... alle sind froh und zufrieden ... und es besteht keine Gefahr, daß Jan uns gleich wieder in eine total verrückte Kriminalgeschichte hineinzerrt. Mehr kann man schließlich nicht verlangen.»

«Doch», sagte Jesper, «die Kriminalgeschichte.»

Erling zuckte zusammen, und er warf seinem kleinen Freund einen vorwurfsvollen Blick zu. «Hör mal, Krümel, wenn du schon den Mund aufmachst, dann solltest du dich so ausdrücken, wie es deine beschränkte Hirnmasse erlaubt. Jan und ich haben dich in den vergangenen Jahren bei manchen ernsten Unternehmungen dabei gehabt, aber mir scheint...»

«Halt den Mund, Dicker!» befahl Jan lachend. «Wir können dem Krümel immerhin dafür danken, daß Clausen und seine Bande seinerzeit so schnell unschädlich gemacht wurden. Hätten wir anderen das allein schaffen müssen, wären wir schön dagestanden.»b

Der kleine Jesper wuchs zusehends, denn es machte ihn besonders stolz, wenn Jan ihn lobte.

Erling nickte ihm gnädig zu. «Gewiß, ganz richtig, Ehre, wem Ehre gebührt. Wenn du so bleibst, lieber Freund, wirst du nie ein böses Wort von Onkel Erling hören. Ich hoffe jedoch sehr, daß du keine Gelegenheit mehr bekommen wirst, Mut und Schläue an den Tag zu legen...»

«Warum nicht?»

«Ganz einfach, weil das bedeuten würde, daß wir erneut in eine dieser gefährlichen und nervenaufreibenden Verbrecher-Geschichten hineingezogen würden. Und wie ihr wißt, liegt das meinem friedlichen Gemüt nicht gerade. Aber wir wollen gar nicht darüber sprechen, um das Unheil nicht herauszufordern. Ich stifte als Abschluß des guten Mahles einen leckeren Butterkuchen, wenn Jesper mir die Mühe abnimmt, ihn zu besorgen. Der Weg zum nächsten Bäcker ist ja nicht weit.»

Die anderen lachten, denn sie kannten ihren faulen Freund ja zur Genüge. Er machte keine Bewegung zuviel, wenn er es irgendwie vermeiden konnte. Anderseits ließ er sie aber auch nie im Stich, wenn wirklich Not am Mann war.

Jesper machte sich sogleich auf, um den Butterkuchen zu kaufen. Carl räumte in der Kabine auf, während Erling und Jan sich an Deck unterhielten.

Erling sagte: «So gefällt es mir, mein Freund. Kannst du dir etwas Besseres vorstellen, als so einen milden Herbstabend, wo man sich von seinen Leistungen ausruhen kann ... frei von allen trüben Gedanken an böse Verbrecher...?»

«Na ja, hm...»

Erling seufzte ergeben. «Gewiß, das hätte ich mir denken können. Wie ich schon sagte: dir geht es immer am besten, wenn du etwas um die Ohren hast und du mitten im Brennpunkt der Ereignisse stehst...»

Jan lächelte. «Mir geht es jetzt wahrhaftig ausgezeichnet.»

«Wenn es nur dabei bliebe, lieber Freund! In den letzten Jahren sind wir dir alle durch dick und dünn gefolgt, und das war zeitweise schwer genug ... Aber mir scheint, in den letzten Wochen hatten wir des Guten doch ein wenig zuviel.»

«Du meinst wohl wieder den Meisterspion?» Jan lachte. «Nun laß uns aber nicht mehr darüber sprechen; wir wollen lieber den gesegneten Frieden und die Ruhe, die über dem Hafen liegt, genießen...»

In diesem Augenblick tönte ein lauter gellender Schrei durch die Dunkelheit: «Nein, nein! Laß mich los!»

Jan schöpft Verdacht

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