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Zweites kapitel

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Vom Zoll aus wurde sofort die Kriminalpolizei in Flensburg alarmiert und gebeten, die Straßen zu sperren, während einige der deutschen Grenzpolizisten sich mit ihren Diensthunden aufmachten und die Nachbarschaft durchsuchten. Die übrigen wandten sich der Untersuchung der seltsamen Begleitumstände der Flucht zu. Zunächst mußte die Ursache der Explosion festgestellt werden. Sie hatte den hinteren Teil des Zollgebäudes erheblich beschädigt. Über das Zentrum der Explosion bestand kein Zweifel; denn man fand bald ein ziemlich tiefes Loch im Erdboden, von wo aus eine Leitung am Bahndamm entlang ins Gelände führte, bis zu einem dichten Gebüsch. Es stand demnach fest, daß die Explosion gut vorbereitet gewesen war. Als die Polizei ihre Untersuchungen abgeschlossen hatte, war sie zu folgendem Ergebnis gekommen:

Die Organisation, der Paul Katz angehörte, mußte über den Zeitpunkt und den Ort der Auslieferung genau informiert gewesen sein. Sie hatte einen Fluchtplan in allen Einzelheiten ausgearbeitet. Es war abgesprochen worden, daß Katz laut «Donnerwetter» rufen sollte, sobald er von den dänischen Handschellen befreit worden war. In diesem Augenblick brachten die Fluchthelfer die Sprengladung durch elektrische Zündung zur Explosion. Während der dadurch entstehenden Verwirrung boten sich Katz die besten Fluchtmöglichkeiten, die durch den Schuß, abgefeuert von einem der Helfer, noch verbessert wurden.

«Ja, so ähnlich muß es gewesen sein», meinte einer der deutschen Beamten. «Es handelt sich offenbar um einen Spionagering, der keine Mittel scheut. Im übrigen muß Katz schon im Gefängnis die nötigen Weisungen bekommen haben, sonst hätte er ja die Aktion durch das Schlüsselwort ‘Donnerwetter’ nicht auslösen können.»

Jensen zuckte die Schultern. «Ich habe ja gleich gesagt, daß der Mann gefährlich ist, aber ihr habt darüber gelacht.»

«Jetzt sind wir überzeugt», entgegnete der Deutsche trocken. «Vielen Dank für die Pistole. Leider hat sie uns nichts genützt. Der Helfer des Spions schoß nicht, um jemanden zu treffen. Auf jeden Fall erreichte er aber, daß die Verfolgung aufgehalten wurde.»

«Hm!» sagte Jensen. «Wenn der Mann nicht treffen wollte, muß er ein schlechter Schütze sein. Ich wünsche mir jedenfalls nicht, daß eine Kugel nochmals so nahe an meinem Ohr vorbeistreicht. Ich habe sogar den Luftdruck gespürt, und das war kein sehr angenehmes Gefühl.»

Den dänischen Beamten blieb nichts anderes übrig, als heimzufahren. Ihren deutschen Kollegen konnten sie nicht helfen, und ihren Auftrag hatten sie ja auch mit der Übergabe des Spions an die deutsche Polizei erfüllt. Jensen setzte sich etwas erschöpft auf seinem Sitz zurecht und sagte: «Puh, Möller, das war ein Ding... aber immerhin ein Dusel, daß wir jenseits der Grenze waren, bevor Katz entwischen konnte. Hoffentlich kriegen wir diesen Banditen nie mehr zu sehen. Die ganze Geschichte ist mir stark auf die Nerven gegangen.»

Möller lächelte. «Jetzt wird Katz der deutschen Kriminalpolizei auf die Nerven gehen. Es wird nicht einfach sein, ihn wieder einzufangen, denn jetzt hilft ihm die Organisation seiner Auftraggeber, die sicher über große Geldmittel und entsprechende Macht verfügen. Die Deutschen sind nicht zu beneiden.»

«Nein» sagte Jensen munter. «Ich beneide sie jedenfalls nicht. Im übrigen könnte ich jetzt ein gutes Mittagessen vertragen. Was meinst du dazu?»

«Einverstanden! Das haben wir uns ehrlich verdient. Aber ich muß zugeben, daß ich wenig Hunger verspürt hätte, wenn Katz uns diesseits der Grenze entwischt wäre.»

«Hoffentlich haben die Deutschen Glück bei ihren Nachforschungen.»

«Laß uns das Beste hoffen», sagte Möller. «Die Armen können gute Wünsche brauchen.»

Zwei Tage später saßen sich in einem elegant eingerichteten Büro in der Hamburger Innenstadt zwei Männer gegenüber. Der eine war klein und zierlich, mit grauen Haaren, Spitzbart und Hornbrille. Er hieß Samuel Walther und glich einem Ministerialbeamten, war aber alles andere als das, nämlich der Leiter der größten Spionagezentrale auf dem europäischen Festland, wovon jedoch nur seine engsten Mitarbeiter wußten. Nach außen war er der ordentliche und unantastbare Chef einer ebenso ordentlichen Exportfirma, die mit vielen europäischen Ländern in Verbindung stand und überall ihre Vertreter hatte. In Hamburg beschäftigte er etwa zwanzig Angestellte, die keine Ahnung davon hatten, daß ihr Chef etwas anderes war als ein Geschäftsmann. An den verschiedenen Herren, die Samuel Walther in seinem Privatbüro empfing, war nichts Auffälliges, denn leider sieht man es einem Mann nicht an, daß er ein Spion ist. Der Mann, der Walther im Augenblick gegenüber saß, war Paul Katz. Er war groß und kräftig und wirkte neben seinem kleinen, zierlichen Chef noch größer. Abgesehen von ihrem Äußeren bestand zwischen den beiden Männern kein Unterschied. Beide waren Spione, für die Geld alles bedeutete – gleichgültig, von wem sie das Geld bekamen, und was sie tun mußten, um es zu erlangen, Mord und Totschlag eingeschlossen. Damit gehörten sie beide in die Klasse der gemeinen Verbrecher.

Alle Länder unterhalten Nachrichtendienste, die sich mit Spionage und Spionageabwehr beschäftigen, aber die Mitglieder dieser Organisationen arbeiten immerhin im Dienst ihres Vaterlandes und werden wie andere Beamte vom Staat bezahlt. Mit Samuel Walther und seiner gut organisierten Bande standen die Dinge ganz anders. Sie verkauften ihre Nachrichten dem Meistbietenden, gleichviel ob es ein Landsmann oder ein Feind war. In den vergangenen Jahren hatte sich das als ein sehr einträgliches Geschäft erwiesen. Die deutsche Kriminalpolizei und der Nachrichtendienst in Westdeutschland hatten schon mehrmals ein Auge auf Samuel Walther geworfen, aber viel war dabei nicht herausgekommen. Der Bandenchef war schlau wie ein Fuchs und hatte sich immer geschickt aus der Schlinge gezogen. Es war nie gelungen, ihm etwas nachzuweisen; daher setzte er ruhig sein gefährliches Handwerk fort.

Mit einem wohlwollenden Lächeln nickte Samuel Walther seinem vertrauten Mitarbeiter zu. «Gut gemacht, Katz, daß Sie den dänischen Behörden gegenüber dichtgehalten haben. Na ja, ich hatte natürlich nichts anderes erwartet. Aber für die im Gefängnis verbrachte Zeit haben Sie eine Sonderbelohnung verdient.» Er zog eine Schreibtischschublade auf, nahm ein Bündel Banknoten heraus und schob es Katz zu. «Hier sind dreitausend Mark... So langsam, mein lieber Katz, werden Sie ein teurer Herr für mich. Es hat mich weitere zweitausend Mark gekostet, in Erfahrung zu bringen, wo und wann Sie ausgeliefert werden sollten. Unser Agent in Bonn wußte sehr wohl, wie interessiert ich an dieser Auskunft war; deshalb schraubte er seine Forderung gewaltig in die Höhe. Aber das Geld hat sich gelohnt. Jetzt lassen Sie mich zunächst wissen, wie die Flucht verlief. Die Explosion hatte also die gewünschte Wirkung?»

Katz grinste breit. «Und ob! In den ersten Sekunden herrschte völliges Durcheinander, und als die Polizisten wieder zur Besinnung kamen, war ich schon weit weg. Der Schuß stoppte die Verfolgung eine ganze Weile. Der Volkswagen stand mit laufendem Motor und unserem Mann am Steuer an dem vereinbarten Ort. In der ersten halben Stunde fuhren wir auf kleinen Seitenstraßen kreuz und quer, dabei vermieden wir natürlich die Stadt Flensburg.»

«Sehr vernünftig», nickte der Chef. «Die Kriminalpolizei in Flensburg wurde bereits wenige Minuten nach Ihrer Flucht alarmiert. Weiter, Katz.»

Und Katz setzte seinen Bericht fort. «Wir entgingen glücklicherweise allen Polizeistreifen und übernachteten an der vereinbarten Stelle. Der letzte Teil der Fahrt nach Hamburg ging auch ohne Schwierigkeiten vonstatten; niemand hat uns verfolgt.»

«Das weiß man nie», unterbrach ihn der Chef barsch. «Ich glaube das zwar auch nicht, aber Sie müssen sich vorläufig ruhig verhalten, bis Sie weitere Befehle bekommen.»

«Hier in Hamburg?»

Der Chef nickte. «Ja. Ein gutes und bequemes Versteck steht Ihnen zur Verfügung; Sie werden es in den ersten Tagen nicht verlassen. Wir müssen Ihr Aussehen ein wenig verändern – vor allem die Haarfarbe – aber das wird an Ort und Stelle durchgeführt. Sie werden auch eine Hornbrille mit ungeschliffenen Gläsern bekommen; daran werden Sie sich gewöhnen müssen. Eine Brille verändert das Gesicht viel mehr als ein falscher Bart oder andere blöde Theaterrequisiten, die ein Fachmann sowieso gleich entdeckt.»

Katz lächelte. «Ich habe mir einmal glänzend mit einem falschen Bart geholfen...»

«Möglich, aber wahrscheinlich nur, weil Sie keinem Fachmann in die Arme liefen. Wir werden Ihr Aussehen schon so verändern, daß Sie bald für den nächsten Einsatz bereit sein werden. Anfang der nächsten Woche werde ich Sie wieder rufen lassen. Halten Sie sich also um diese Zeit bereit. Ihr neuer falscher Paß wird bis dahin auch fertig sein.»

«Und wohin soll ich?»

«Nach Dänemark!»

Der sonst so unerschütterliche Katz zuckte nun doch etwas zusammen. Mit nachdenklichem Gesicht erwiderte er: «Nach Dänemark? Ob das ratsam ist... ich meine, unter den gegebenen Umständen?»

«Mein bester Katz, lassen Sie es meine Sache sein, was ratsam ist. Sie haben bisher keinen Anlaß zu Klagen gehabt.»

«Nein, natürlich nicht. Und wo soll ich in Dänemark arbeiten?»

«In Kopenhagen! Unsere Leute dort sind nicht imstande, die neue Aufgabe zufriedenstellend zu lösen. Aber Sie werden dazu geeignet sein, denn Sie kennen die dänischen Verhältnisse am besten und wissen in der Hauptstadt Bescheid.»

Ein böses Grinsen kräuselte die Lippen des Spions. «Nun, das paßt mir gut. Wenn ich nach Kopenhagen komme, erhalte ich wenigstens Gelegenheit, Rache zu nehmen. Darauf freue ich mich jetzt schon.»

«Rache?» wiederholte Walther schroff. «Was meinen Sie damit?»

«Ich denke da vor allem an einen widerlichen Burschen namens Jan Helmer. Er und seine Freunde sind mir schon einige Male in die Quere gekommen... und jetzt erhalte ich vielleicht die Möglichkeit, es ihnen heimzuzahlen...»

«Quatsch!» unterbrach ihn der Chef mit gerunzelter Stirn. «Aus den Berichten weiß ich sehr genau Bescheid über diesen Jan Helmer. Bei unserer Art Arbeit dürfen wir kein Risiko eingehen und uns nicht mit privaten Racheakten belasten. Noch dazu, wenn es sich, wie in diesem Fall, um ein paar Schuljungen handelt, und wenn der Vater dieses Jan Kriminalkommissar ist. Also lassen Sie gefälligst die Finger davon.»

Katz seufzte. «Das ist eine ganz schlaue Bande, Chef. Die Kerle haben mir das oft genug bewiesen.»

«Ein Grund mehr, sie sich vom Leib zu halten. Ihre Aufgabe ist sehr wichtig, und wir müssen mit äußerster Vorsicht vorgehen. Wenn Sie sich in private Rachegeschichten einlassen, werden Sie die Folgen rasch spüren. Sie wissen doch, was Leuten geschieht, die sich nicht genau an meine Weisungen halten?»

«Ja», murmelte Katz.

«Gut, dann brauchen wir darüber kein Wort mehr zu verlieren. Unten auf der Straße steht ein Wagen für Sie. Sie werden direkt zu Ihrem Versteck gefahren und erwarten dort meine weiteren Befehle. Auf Wiedersehen, Katz.»

«Auf Wiedersehen!»

Als die Tür sich hinter Paul Katz geschlossen hatte, blieb Samuel Walther noch eine Weile mit düsterer Miene sitzen. Dann drückte er auf einen Knopf, und gleich darauf öffnete sich ganz leise eine Seitentür. Ein Mann trat ein und blieb abwartend neben der Tür stehen.

«Setzen Sie sich, Wolf!» befahl der Chef, ohne sich nach dem Mann umzuwenden. «Haben Sie ihn deutlich genug gesehen?»

«Ja», antwortete der Mann und setzte sich. «Ich konnte ihn die ganze Zeit durch das Guckloch beobachten.»

«Haben Sie sich seinen Gang gemerkt?»

«Ja, er zieht das rechte Bein ein wenig nach.»

Der Chef nickte befriedigt. «Gut, Wolf. Sie haben die Augen offen gehalten. In einigen Tagen wird er sich ziemlich verändert haben, aber natürlich wird er das rechte Bein nach wie vor etwas nachziehen. Außerdem werden Sie vor seiner Abreise nach Kopenhagen nochmals Gelegenheit erhalten, ihn genau zu betrachten.»

Er schwieg eine Weile und fuhr dann fort: «Ich dachte mir schon, daß Katz sich rächen möchte, wenn er wieder nach Kopenhagen kommt, aber das muß unter allen Umständen verhindert werden. Nicht aus Rücksicht gegenüber Jan Helmer und seinen Freunden, sondern weil wir ganz einfach jedes unnötige Risiko vermeiden müssen. Deshalb werden Sie Katz nach Kopenhagen folgen und darüber wachen, daß er meine Befehle bis ins kleinste Detail ausführt. Sollte Katz seinen Rachegelüsten trotz meiner Warnung nachgeben, dann wissen Sie, was Sie zu tun haben.»

«Jawohl.»

«Gut, ich verlasse mich auf Sie, Wolf. Ihre Belohnung wird dem entsprechen, was Sie leisten. Die vor uns liegende Aufgabe ist so wichtig, daß nichts schiefgehen darf, absolut nichts!»

Wolf schwieg eine Weile, dann fragte er vorsichtig: «Glauben Sie denn, daß Katz es wagen wird, Ihren Befehlen zuwiderzuhandeln?»

«Ich will es gar nicht erst darauf ankommen lassen», entgegnete Walther barsch. «Wenn ich ihn nicht gewarnt hätte, wäre er diesem Jan Helmer zweifellos zu Leibe gegangen. Wie es jetzt steht, weiß ich nicht genau. Hoffentlich wagt er es nicht. Es wäre schade um ihn, er ist ein tüchtiger Mann.»

Aber im Hinblick auf die Wirkung seiner Warnung irrte sich der Spionagechef gründlich. Als Paul Katz die Treppen zu dem wartenden Auto hinabstieg, zischte er böse zwischen halbgeschlossenen Lippen: «Warte nur, Jan Helmer, mit dir werde ich trotzdem abrechnen!»

Jan und der Meisterspion

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